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Schlachtfeld

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Drave, der Master der Schrottsammler schreitet an den qualmenden Überresten des Wracks vorbei, das einmal ein Zeppelin war. Seine Leute haben das dampfbetriebene Luftschiff mit Harpunen vom Himmel geholt und die Steamborgs zur Hölle geschickt. Er bezweifelt, dass es für Steamborgs so etwas wie ein Reich Gottes nach deren Ableben geben könnte, genauso wenig wie für seine eigene Rasse.

Himmelsgewölbe? Unterwelt?

Was spielt das für eine Rolle. Das, was für Drave zählt, ist das Leben in 4-City, so beschissen es auch manchmal sein mag. Alle Steamborgs, die es gewagt haben, in seinem Territorium zu wildern, wurden getötet. Gefangene zu nehmen, hat keinen Sinn.

Drave hebt den kahl geschorenen Kopf und erforscht die fremdartigen Schriftzeichen.

»Macht davon ein Lichtbild und bringt es meiner Tochter. Ich möchte heute Abend noch wissen, was das zu bedeuten hat. Sie hat sicherlich Spaß daran, es zu entschlüsseln«, befiehlt Drave und sofort beginnen ein paar Schrottsammler damit, den großen Apparat, den die Prinzessin rekonstruiert hat, aus dem Zeppelin zu wuchten. Niemand weiß im Grunde, wie er genau funktioniert, doch die Ergebnisse sind verblüffend. Ein Bild festzuhalten, das für gewöhnlich den Augen vorbehalten ist, ist etwas Besonderes in der beschränkten Welt der Schrottsammler. Vielleicht wäre es besser, die Symbole abzumontieren. Aber Drave besteht darauf, den Männern die neue Technik näherzubringen.

Der Master betritt die Abteilung drei. Die Spuren des Kampfes gegen die Steamborgs sind unübersehbar.

»Wer hat das riesige Loch hier rein geschossen?«

»Das waren die Steamborgs«, traut sich einer seiner Leute, das Wort zu erheben.

»Ich will auch so eine große Kanone«, sagt Drave mit rauer, tiefer Stimme, als hätte er die Töne aus dem Grund seines Brustkorbs ausgegraben.

Er geht weiter, kommt an dem Spalt vorbei, in welchem sich Myo, Karma und Reico, drei Frauen auf der Flucht, vor Stunden versteckt hielten, um von der Abtei und der Auseinandersetzung der verfeindeten Rassen zu fliehen. Drave entdeckt etwas und hebt es vom Boden auf. Ein abgerissenes Stromkabel, wie es den Anschein hat und wirft es in einen Einkaufswagen, wie sie in der Alten Welt in Supermärkten benutzt wurden. Der Schrottsammler, der den Wagen hinter seinem Master herschiebt, bedankt sich und folgt mit gebückter, demütiger Haltung dem Chef. Insgeheim verabscheut Drave das Buckeln der Männer, aber andererseits verleiht es ihm ein Gefühl von Macht.

Ein Dampfen, begleitet von einem qualvollen Stöhnen, erweckt seine Aufmerksamkeit, als er den vollkommen zerstörten Kontrollraum betritt. Leichen seiner Leute liegen aufgereiht und zugedeckt an der Wand. Getötete Steamborgs wurden auf einen Berg aufgestapelt. Von dort kommt das Geräusch. Drave nähert sich, ahnt, dass es Überlebende gibt und freut sich auf das, was er gleich tun wird.

Der Steamborg liegt in der zweiten Schicht. Über und unter ihm Tote seiner eigenen Rasse. Abgemurkst von den Schrottsammlern. Drave packt den Feind an einem Bein und zieht ihn aus dem Haufen. Unmengen von Schwaden steigen von dem Steamborg auf und braune Flüssigkeit, Schmierstoff oder Öl tritt aus einer Öffnung aus, wo vormals ein Arm war.

»Wen haben wir denn da?«, fragt Drave, dreht den Steamborg auf den Rücken und reißt ihm mit einem Ruck die lederne, mit Stahl und Kunststoff durchzogene Maske vom Kopf. Es kommt ein Gesicht zum Vorschein. Kein Vollständiges und doch ist noch gut zu erkennen, was er einmal gewesen sein muss, bevor er zu einem Steamborg wurde.

Ein Mensch. Die Augen sind weit aufgerissen, sind es nicht gewohnt, Tageslicht ohne Schutzglas zu ertragen. Die Haut ist blass und an manchen Stellen nahezu durchsichtig, sodass man die blaue Flüssigkeit darunter entlangströmen sieht. Ein Öl-, Blut-, Emulsionsgemisch, welche im Blutkreislauf des Steamborgs fließt. Kupferdrähte und dünne, aus schwarzem Plastik bestehende Röhren treten aus den Seiten aus. An den beschädigten Gelenken und den Schläuchen tritt braune, breiige Schmierflüssigkeit aus und verteilt sich neben dem Kopf des Steamborgs auf dem Betonboden. Das bizarre Wesen röchelt und Drave lehnt sich zu ihm hinab.

»Ja, was sagst du da?«

Nach Atem ringen. Dampfen. Blubbern.

»Tut mir leid, Kumpel, ich kann dich unglücklicherweise nicht verstehen«, sagt Drave, holt seinen Dolch seitlich aus dem Schaft im Stiefel, setzt ihn auf der Brust des Steamborgs an und schiebt ihn ganz langsam in ihn hinein. Die Augen des Feindes weiten sich, das Röcheln wird stärker, anschließend verstummt es vollständig. »Sucht nach übrigen Überlebenden und tötet sie alle«, befiehlt Drave und die Schrottsammler schwärmen aus. »Wartet noch! Falls ihr Bücher findet, dann nehmt sie mit!«

Mit dem Diener an seiner Seite, der den Einkaufswagen stoisch vor sich herschiebt, dringt Drave tiefer in die Abtei ein. Er könnte fasziniert sein, von den technischen Errungenschaften, über welche die Einrichtung verfügt. Blöderweise befürchtet er aber, dass diese Sachen den Horizont selbst seiner gerissensten Untertanen übersteigen würden. Nur seiner einzigen Tochter Love könnte er befehlen, die Geheimnisse zu ergründen. Ihr Verstand und die Fähigkeiten, Dinge aus der Alten Welt zu rekonstruieren, übertrifft den eines gewöhnlichen Schrottsammlers bei weitem. Leider lässt sie sich nicht die Bohne von ihrem Erzieher vorschreiben und bitten liegt nicht in der Natur von Drave. Ein Master bittet nicht. Er gebietet. Was für ein Dilemma. Kann die eigene Tochter nicht einfach ihrem Vater gehorchen und ihn unterstützen, noch mächtiger und grausamer zu werden?

Drave erreicht den Raum mit den Regenerationskapseln. Das Blut, das sich ausnahmslos überall befindet, ist selbst für Draves Magen entschieden zu viel. Dennoch behält er die Fassung und zeigt in Anwesenheit der Männer keine Schwäche. Er inspiziert die Leiche von Ikumi, Reicos Schwester. Eine Synth! Eine synthetische Lebensform, in der Lage zu fühlen wie ein Mensch.

»Das waren keine Steamborgs«, sagt er und lässt die behandschuhte Hand über die zerstückelten Überreste der Schrottsammler schweifen. »Und das hier, das war keiner von uns. Kein Schrottsammler hat sich je an einer Synth vergriffen. Es soll danach aussehen, dass sie von uns getötet und geschändet wurde, aber wer mich kennt, der weiß es besser. Niemand würde gegen meine Befehle verstoßen. Und mein Gebot lautet seit je her: Rührt keine Frauen und keine Synthetiks an oder ich hacke euch den Arm ab und schneide euch höchst persönlich die Eier ab!« Seine Männer lachen.

»Das war kein Scherz, ihr Hornochsen. Weiber und die Synthetiks sind heilige Geschöpfe. Unantastbar!«

Drave nähert sich der toten Ikumi und inspiziert sie. Er untersucht ihr, menschlichen Genitalien nachempfundenes, Geschlecht.

»Wusste ich es doch. Keiner hat sie entwürdigt. Es strebt jemand danach, uns das anzulasten. Eine Arglist von einem gerissenen Feind. Ich möchte wissen, was hier passiert ist und wer die Synth getötet hat. Und nichts, hört ihr! Nicht das kleinste Bisschen, was ihr hier seht, verlässt das Gebäude. Schweigt darüber!« Drave überlegt kurz, ob er den vier Schrottsammlern, die ihn begleitet haben, hier und jetzt doch besser sofort den Schädel einschlagen soll. Er würde dann selbst herausfinden müssen, wer ihm diesen Mord in die Schuhe schieben will. Schließlich lässt er den delikaten Gedanken fallen. Die Männer sind ihm treu ergeben. Er hat nichts zu befürchten. Sie werden seinen Befehlen gehorchen. Auf dem Boden erspäht er etwas. Ein zerrissenes mickriges Buch. Drave hebt es auf und entdeckt die handgeschriebenen Zeilen. Es ist zerfetzt, jedoch lesbar. Drave kann nicht gut lesen, aber er erkennt Zahlen. 2021. Eine Niederschrift aus der Alten Welt. Love, seine Tochter wird sich über ein Originalexemplar freuen, auch wenn es unvollständig ist.

Die Chroniken von 4 City - Band 1

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