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Prolog

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Freitag, 13. Februar 1987, Sieben Uhr morgens, Ortszeit. In Gelnhausen, einem kleinen Städtchen 45 Kilometer nordöstlich der Metropole Frankfurt am Main. Ein blonder, hochgewachsener, adrett gekleideter junger Mann verließ sein Einfamilienhaus in Richtung Carport, wo sein schwarzer Mercedes geparkt war. Eine hektische Stimme rief ihm hinterher: „Thomas! Thomas!“

Leicht verdattert blickte sich Thomas um. Es war seine Frau, die hinter ihm herrief.

„Was gibt es denn Liebling?“

„Du hast etwas vergessen!“

„Vergessen? Das kann nicht sein. Ich habe dir und unserer Tochter doch einen Abschiedskuss gegeben.“

Kerstin, die Ehefrau von Thomas lächelte. „Nein, du Charmeur. Schau mal hier.“ Sie hielt in der linken Hand einen Schlüsselbund, der dank des leichten Windes draußen klimperte.

Lachend fasste sich Thomas an den Kopf. „Meine Autoschlüssel. Heute ist wohl nicht mein Tag.“ Er steckte die Schlüssel in seine dunkelbraune Winterjacke. „Zur Belohnung gibt es noch einen Kuss.“ Zärtlich küsste er ihre Lippen. „Nun muss ich aber wirklich los. Bis heute Abend. Und gib der Kleinen noch einen Kuss von mir.“

Er wandte sich ab und ging wieder an seinen Wagen. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, als an der Straße ein schwarzer Land Rover anhielt und das Fenster herunterkurbelte. Thomas blickte auf und dachte, dass der Fahrer nach dem Weg fragen wollte. Er ging ein paar Schritte auf den Wagen zu, als aus den offenen Fenstern zwei Maschinengewehre herausragten und ihre Schüsse abfeuerten. Von mehreren Kugeln getroffen sackte er zusammen. Er blutete aus mehreren Wunden, während der Jeep weiterfuhr. Für seine Frau ging es wie in Zeitlupe vor sich. Panisch und erschrocken rannte sie zum am Boden liegenden Thomas und beugte sich über ihn. Verzweifelt versuchte sie mit seinem Gürtel und den hektischen abgerissenen Stoffen des Ärmels ihres Pullovers die Wunden zu stillen. Der Puls ihres Ehemannes wurde immer schwächer. Es ging zu Ende. Mit seinen letzten Atemzügen schaffte es Thomas seiner Frau nochmal in die Augen zu blicken und ihren Namen zu flüstern. Dann ging es zu Ende mit ihm. Thomas war tot. Liquidiert von einer dunklen Macht. Doch er sollte nicht das letzte Opfer des heutigen Tages sein.

Freitag, 13. Februar 1987, Ein Uhr Mittag, Ortszeit. Im Parkhaus am Pariser Flughafen, Charles de Gaulles, schloss der junge André den Kofferraum seines Peugeot 302 auf. Er kam gerade von einer langen Geschäftsreise in den Staaten zurück und freute sich auf ein wenig Erholung in seinem heimischen Appartement. Ein entspanntes Bad, ein gutes Abendessen und ruhige Musik, das war die restliche Planung seines Tages. Er packte den Koffer in den Wagen und schloss die Klappe des Deckels, als von hinten jemand seine Hände um seine Augen legte. André erschrak.

„Wer ist da?“, fragte er ängstlich. Er hatte keine Chance sich zu wehren, also versuchte er zu kooperieren.

„Rate mal“, entgegnete eine neckische Stimme, die ihm bekannt vorkam. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ein süßes, ihm wohlbekanntes Parfüm stieg in seine Nase.

„Gabrielle? Du hier? Ich dachte, du wolltest für ein paar Tage zu deinen Eltern nach Lyon fahren.“

Er drehte sich um und gab ihr einen freudigen Kuss auf ihre Lippen. Dann befreite sie ihre Lippe von seiner und antwortete:

„Das war gelogen.“ Sie blickte ihn an und lächelte. „Ich wollte dich überraschen, mein Liebling.“

„Das ist dir gelungen“, erwiderte er grinsend. André schloss die Beifahrertür auf, hielt sie für seine Freundin offen und stieg rasch auf der anderen Seite ein. Sie blickten sich eine Weile verliebt an.

„Ich freue mich schon auf das Wochenende mit dir“, flüsterte sie säuselnd.

„Ich werde fahren, wie ein Formel-1-Weltmeister“, erwiderte André lächelnd. Übermütig legte er den Schlüssel im Zündschloss um. Kaum startete der Motor, gab es eine gewaltige Explosion, die das Fahrzeug und seine Insassen in tausend Stücke zerfetzte. Die Überreste der Körper brannten wie die Karosserie vom Fahrzeug lichterloh, während die Feuerwehr des Flughafens sich daran machte, das Feuer zu löschen.

Freitag, 13. Februar 1987, Drei Uhr Nachmittag, Ortszeit. Magura, ein kleines Bergdorf in der Walachei bei Transsilvanien. In einer kleinen Hütte, inmitten der verschneiten Landschaft brannte ein wärmendes Feuer im Kamin. In der spärlich eingerichteten Stube der Hütte saßen an einem Tisch zwei Männer. Der jüngere der beiden war ein hagerer Mann mit schulterlangen schwarzen Haaren und wollte sich gerade zum Aufbruch fertig machen. Der Ältere der beiden versuchte ihn davon abzuhalten:

„Trink doch noch einen Schluck Tee mit mir, Sam und bleib über Nacht. Es wird schon dunkel und das Wetter schlägt um.“

„Nein danke, Dimitri“, entgegnete der Jüngere. „Ich möchte die herannahende Dunkelheit nutzen, um näher an Schloss Dracula heranzukommen.“

„Ich kenne die Gegend hier. Wenn es irgendwelche seltsame Ereignisse über das Schloss geben würde, wüsste ich davon. Du irrst dich.“

Sam blickte ihn eindringlich an. „Mein Informant ist anderer Meinung. In den letzten Wochen gab es im Bereich des Schlosses merkwürdige Ereignisse und Entführungen zahlreicher junger Mütter und ihren Babys.“

„Unsinn! Purer Unsinn! Dein Informant lügt, oder hat schlechte Quellen. Ich sage dir nochmals, es …“

Er wurde jäh unterbrochen. Mit einem lauten Krachen wurde die Holztür gewaltsam geöffnet. Splitter und Trümmer von Holz flogen durch den Raum und die Kälte des Winters strömte in die Hütte. Sam machte sich zur Verteidigung bereit, während Dimitri hinter ihm kauerte.

Drei Gestalten mit langen schwarzen Mänteln, mit Kapuzen, schwarzen Handschuhen und schweren Stiefeln traten in das spärliche Licht, welches das Kaminfeuer spendete. Sam trat ihnen entgegen, was ein Fehler war. Die beiden, die sich im links und rechts im Hintergrund befanden streckten Dimitri zwei gezielten Schüssen aus ihrer Waffe nieder. Der alte Mann war sofort tot. Sam begriff jetzt. Es war alles eine Falle gewesen. Er wandte sich an den Anführer des Trios und sprach ihn direkt an.

„Du? Aber warum?“

Von seinem Gegenüber kam keine Reaktion.

„Ich verstehe“, flüsterte Sam. „Das war alles eine Falle. Du steckst dahinter!“

Unter der dunklen Kapuze zeichnete sich ein Grinsen ab. Ein Grinsen des Todes. Der Anführer zog seine Waffe und streckte auch Sam nieder. Ein zweiter Schuss folgte und langsam floss der rote Lebenssaft aus dem Körper der beiden Männer. Das Attentat hatte Sam gegolten, Dimitri war nur ein unschuldiges Bauernopfer gewesen. Das Blut floss über den Boden der Hütte und färbte den Schnee an der Tür rot. Der Anführer der Eindringlinge lächelte zufrieden, doch noch war seine Aufgabe nicht erfüllt. Sein Plan sollte noch weitere Opfer am heutigen Tag fordern.

Freitag, 13. Februar 1987, Sechs Uhr Abends, Ortszeit. London. In einem Vorort nahe der englischen Hauptstadt stand ein kleines Anwesen mit riesigem Garten und einer zweistöckigen Villa, die im Renaissance Stil gebaut und eingerichtet wurde. Eine junge schwarzhaarige Frau wollte gerade in die Badewanne steigen, als im Salon im Erdgeschoss das Telefon klingelte. Mit raschem Schritt eilte sie herunter und nahm den Hörer ab. Am anderen Ende der Leitung war ihre Schwägerin Kerstin, die ganz aufgeregt und in Tränen aufgelöst erschien.

„Was ist los, Kerstin?“

Sie lauschte der aufgeregten Stimme am Telefon. Sie wurde kreidebleich.

„Thomas, André und Sam sind alle tot? Das ist furchtbar das ja schrecklich.“

Wieder hörte sie ihrer Schwägerin zu. Dann legte sie auf. Die junge Frau legte den Hörer auf das Telefon und sofort begann es in ihrem Kopf zu arbeiten. Die drei toten Männer, die ihre Schwägerin ihr am Telefon nannte waren mit ihr durch Heirat verwandt. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, auch sie war in Gefahr. Denn dass Thomas, André und Sam einem Zufall zum Opfer gefallen waren, konnte sie nicht glauben. Sie trugen den gleichen Nachnamen: „Van Helsing“. Sie alle stammten von dem holländischen Wissenschaftler und Gelehrten Dr. Abraham van Helsing ab. Die jüngste Generation hatte fünf Kinder hervorgebracht: Thomas, André, Sam, Andrew und Chris. Thomas und Chris waren die einzigen der jüngsten Generation, die bereits eine Familie gegründet hatten. Sie wusste, dass sie alleine zu Hause in großer Gefahr war. Hastig eilte sie zur Tür, um diese zu verriegeln, doch es war zu spät. Die Tür wurde geöffnet. Sie atmete durch, doch es war nicht wie erwartet ihr Mann, sondern ein hünenhafter Mann ganz in schwarz gekleidet. Er trug einen schwarzen Hut über der schwarzen Kapuze, die sein Gesicht verhüllte. Erschrocken trat Mona zurück.

„Wer bist du?“, fragte sie ängstlich.

„Wer ich bin, tut nichts zur Sache. Ich will dein Kind. Und du und dein Mann werdet euer Leben heute aushauchen“, erwiderte eine kalte Stimme.

„Niemals werde ich dir mein Kind überlassen!“ Sie klang mutiger, als sie war. „Kampflos bekommst du es nicht!“

„Tz, tz, tz.“ Der Mann schüttelte den Kopf und lächelte teuflisch. „Dein Tod ist bereits beschlossene Sache. Und du bist noch zu schwach, als dass du gegen mich bestehen könntest.“

Er ging ein weiteren Schritt auf sie zu. „Gib mir dein Kind. Und ich verspreche dir, dein Tod wird schnell und schmerzlos sein!“

„Niemals!“ Sie nahm all ihren Mut zusammen und spuckte ihm ins Gesicht.

Erneut schüttelte der Eindringling den Kopf und wischte sich mit seinem schwarzen Lederhandschuh die Spucke aus dem Gesicht. „Wie ungezogen du doch bist. Doch dein Tod ist bereits beschlossene Sache. Also, wo ist das Kind und wo ist dein Mann?“

„Sie sind weg!“ Sie hoffte, dass er ihre Lüge nicht durchschauen würde.

„Weg?“ Der Mann wirkte irritiert, doch genauso schnell fasste er sich wieder. „Wohin weg? Ihr konntet nicht wissen, dass ich komme!“

Mona blickte ihn trotzig an. „Chris hat das Kind mitgenommen. Er hat mir ihr das Land verlassen. Wohin weiß ich nicht. Selbst, wenn ich es wüsste, würde ich das Geheimnis mit ins Grab nehmen!“

„Das kann nicht sein! So viel Zeit zur Vorbereitung, konntet ihr gar nicht haben!“

Mona lachte. „Wir wurden gewarnt. Von Kerstin.“

Jetzt war der Mann das erste Mal im Rückstand. Er wirkte erschrocken und schockiert von dieser Nachricht. „Kerstin? Kerstin lebt? Wenn man sich nicht um alles selber kümmert.“ Er wirkte stark angesäuert über das offensichtliche Versagen seiner Helfer.

„Heißt das, du hast Thomas nicht umgebracht?“ Mona fühlte sich etwas sicherer. Hatte sie ihren Angreifer, dessen Identität ihr bekannt vorkam ins Hintertreffen gebracht.

„Nein! Ich habe Sam auf dem Gewissen. Für die anderen Morde habe ich den Auftrag gegeben.“

„Du Schwein. Du mieses Monster. Fahr doch zur Hölle!“ Sie ging auf ihn zu und wurde unsanft von ihm zurückgestoßen. Er hatte Recht. In einer körperlichen Auseinandersetzung hätte Mona keine Chance gegen den Eindringling. Sie hoffte nur, dass ihr Ehemann nicht mit dem Baby zurückkam. Mona wollte sein und das Überleben ihres Kindes sichern.

„Du dummes Ding“, entgegnete der Mann, als wenn er sich mit Mona über das Wetter unterhalten würde. „Den Gefallen kann ich dir leider nicht erweisen und zur Hölle fahren, denn dort komme ich doch gerade erst her. Aber du wirst gleich irgendwo hinfahren. Und zwar gen Himmel!“ Er trat auf Mona zu und zog seine Waffe mit welcher er in Rumänien Sam niedergestreckt hatte. „Sag deinem Gott, er hat verloren!“ Er drückte ab, die Pfeile peitschten aus dem Lauf und trafen Mona in die Brust. Wie Sam sackte sie langsam zu Boden und das Blut strömte langsam aus den Wunden. Der weiße Bademantel, den sie sich übergeworfen hatte, färbte sich dunkelrot. Mit glasigen Augen blickte Mona ihrem Mörder in die Augen.

„Wer bist du?“, fragte sie schleppend. „Was ist nur aus dir geworden?“

Der Mann trat näher. „Du warst tapfer, das muss ich sagen. Darum hast du dir auch verdient, dass ich dir sage, wer ich bin. Warte ich komme noch etwas ins Licht.“

Er kniete sich vor den blutenden Körper Monas, zog den Hut von seinem Kopf und die Kapuze langsam nach hinten. Sein Gesicht war entstellt und mit Narben gezeichnet. Der Kopf war kahl und ebenfalls stark vernarbt. „Mein Name ist Hunter!“ Er lachte laut und teuflisch auf, als er seinen Namen nannte. Monas Kopf sank zurück und ihre Augen blickten ins Leere. Sie hatte keine Kraft mehr und hauchte ihr Leben aus. Hunter beugte sich über die sterbende Mona und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen.

„Den hast du dir verdient, mein Engel.“ Er verweilte noch eine halbe Stunde im Haus. Als niemand kam, verließ er das Anwesen. Mona war tot, aber von Chris und dem Kind fehlte jegliche Spur. Dennoch würde sein Auftraggeber mit dem Erfolg der Mission ziemlich zufrieden sein. Er ging seiner Wege. Dank seiner Kräfte konnte er sich von einem Ort zum anderen teleportieren. In einem unbeobachteten Moment, teleportierte er sich aus dem kleinen nächtlichen Ort. Hunter ahnte nicht, dass kurze Zeit später, ein schwarzer Vauxall die Einfahrt zum Anwesen von Mona van Helsing hochfuhr und die Villa betrat. Es war Chris, der ein kleines Kind von etwa vier Monaten im Arm trug und mit der anderen Hand ein paar Besorgungen in die Wohnung tragen wollte. Er öffnete die Tür, ohne zu erahnen, was ihn erwarten würde.

„Schatz! Der Kinderarzt sagt, es ist alles in Ordnung. Es sind nur leichte Koliken.“ Er wunderte sich über die Stille, dachte sich noch nichts dabei. Seine Frau legte sich öfters auf das Sofa schlafen, wenn er mit dem Kind unterwegs war. Er ging aus der Küche in Richtung Salon. Das Kind auf dem Arm wurde langsam unruhig und quengelte.

„Liebling? Mona? Sprichst du nicht mehr mit mir? Ich glaube unsere Kleine hat Hunger, und du solltest …“

Er konnte nicht mehr weitersprechen. Fast wäre er über seine am Boden liegende Frau gestolpert. Chris sah die Blutlache am Boden. Er versuchte seine Frau anzusprechen, sie zu einer Reaktion zu bewegen, doch es war zu spät. Seine Mona war tot.

Faith - Chroniken einer Jägerin

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