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Kapitel 1

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Norfolk, im US-Bundesstaat Virginia im Osten der USA, 16 Jahre später. Es waren Sommerferien, die schönste Zeit des Jahres für Faith Miller. Sie lebte mit ihren Eltern in einem kleinen Haus im Stadtkern von Norfolk. Freitagabend stand vor der Tür und sie mit ihrer Mutter Alice in der Küche. Ihr Vater Daniel spülte und ihre Mutter trocknete ab. Faith hatte sich zum Ausgehen fertig gemacht, dennoch neckte ihre Mutter sie:

„Du könntest mir ruhig mal beim Abwaschen helfen.“ Sie grinste und wartete auf die Reaktion ihrer Tochter.

„Nein, keine Zeit“, erwiderte Faith grinsend. „Die Verpflichtungen rufen.“

Alice lachte in sich hinein. Es war für sie in Ordnung und schließlich hatte Faith ihre Hausarbeiten ganz ordentlich erledigt.

„Verpflichtungen? Welche Verpflichtungen?“, fragte Daniel neugierig.

„Na, du weißt schon Dad. Ausgehen, Spaß haben, Jungs kennenlernen.“

„Dass du mir ja keine Dummheiten machst“, mahnte Alice besorgt.

„Ich und Dummheiten?“, fragte Faith. „Wann habe ich jemals irgendwelche Dummheiten gemacht?“ Sie grinste.

„Dummheiten?“, mischte sich ihr Vater ein. „Mein Kind macht Dummheiten. Nein, unser Kind ist das bravste Mädchen auf Erden. Sie würde nie irgendwelche Dummheiten machen.“ Er lächelte. Es stimmte. Faith hatte selbst in der schweren Teenager Zeit nie irgendwelche Verfehlungen begangen. Sie war ein Musterkind in der Schule und an den Wochenenden ging sie mit ihren besten Freunden etwas trinken oder ins Kino.

„Siehst du Mum“, erwiderte Faith, „Dad bestätigt es. Keine Dummheiten.“ Sie lachte.

„Dein Vater würde dir alles bestätigen“, entgegnete Alice mit einem Grinsen auf den Lippen. „Schon als Baby hast du ihn um den Finger wickeln können.“

„Apropos, um den Finger wickeln. Dad, ich bräuchte ein wenig Taschengeld.“

Daniel schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich wusste, dass da Hintergedanken im Spiel waren. Also gut Faith. Wie viel brauchst du?“

Faith überlegte. Ihre Eltern waren weder arm noch reich und Faith fehlte es an gar nichts. Dennoch bettelte sie nie um mehr Geld als nötig. „Na ja, so 50 Dollar wären nicht schlecht.“

Ihr Vater griff in seine Gesäßtasche, zückte sein Portemonnaie und reichte ihr einen 50 Dollarschein. „Hier. Aber das muss für das gesamte Wochenende reichen.“

Freudestrahlend und dankbar blickte sie ihren Vater an. „Danke Dad. Du bist der Beste.“ Sie gab ihm einen Schmatzer auf die Wange.

„Ist schon gut Faith. Und nun los, bevor du zu spät zu eurer Verabredung kommst.“

Sie lächelte, umarmte ihre Mutter und verschwand durch die Haustür in den nächsten Sommerferien-Ausgeh-Abend.

Alice und Daniel blickten ihr aus dem Küchenfenster hinterher und kümmerten sich um den restlichen Abwasch.

„Du sollst sie doch nicht so verwöhnen“, meinte Alice mit leichtem Vorwurf. „Wir können nicht ewig für sie sorgen und sie muss lernen mit Geld umzugehen.“

„Ich möchte aber nicht, dass sie sich einen Nebenjob sucht“, entgegnete Daniel. „Sie soll sich auf die Schule konzentrieren, aufs College gehen, ihren Abschluss machen und danach soll sie sich mit dem Beruf beschäftigen, der sie interessiert und ihr Freude bereitet.“

„Wenn du meinst. In gewisser Weise hast du auch Recht, Schatz. Unsere Tochter ist schon sehr verantwortungsbewusst für ihr Alter.“

Sie trocknete die letzte Gabel ab und legte sie in die Schublade.

„Und was wollen wir mit unserem Freitagabend anfangen?“

Daniel lächelte verschmitzt. „Gar nichts.“

„Gar nichts?

„Ja, lass uns im Wohnzimmer ein bisschen fernsehen oder …“

Alice lächelte. „Oder?“

„Wir könnten nach oben ins Schlafzimmer gehen und schlafen.“

„Schlafen?“

„Schlafen! Ich bin so schrecklich müde und verspannt.“

„Dagegen kenne ich ein hervorragendes Mittel.“ Sie ging ins Badezimmer und winkte mit einer Flasche Massageöl. „Soll ich schon mal hochgehen und auf dich warten?“

„Geh ruhig hoch. Ich bringe den Rest mit.“ Er hing die Handtücher zum Trocknen auf und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Sekt, sowie ein Schälchen mit Erdbeeren. Gerade als er die Treppe hoch zum Schlafzimmer betrat, klingelte es an der Tür.

„Wer kann das nur sein?“, fragte Alice von oben herab.

„Weiß nicht. Vielleicht Freunde von Faith.“ Er stellte die Flasche und das Schälchen auf ein Sideboard ab.

Es klingelte erneut.

„Jaja. Bin schon da. Kleinen Moment.“

Bemüht eine gutgelaunte Miene aufzusetzen ging Daniel an die Tür. Er hoffte, dass es wirklich Freunde seiner Tochter waren, die er dann in Richtung Kino schicken konnte.

Er öffnete. Vor der Tür standen zwei junge Frauen, die überaus attraktiv wirkten. Die Blonde der Beiden trug ein enges ärmelloses schwarzes T-Shirt und eine enggeschnittene Blue-Jeans, die ihre weibliche Figur betonte. Die Rothaarige hatte ein weißes Top mit Blümchenmuster, sowie einen engen Jeansminirock und schwarze kniehohe Lederstiefel an.

Daniel wirkte verblüfft. „Guten Abend. Wer sind Sie?“

„Hallo“, entgegnete die Rothaarige und hielt ihm eine Flasche Sekt und einen eingepackten Kuchen hin. „Wir sind gegenüber eingezogen und wollten uns nur in der Nachbarschaft vorstellen.“

Dankend nahm Daniel die Präsente entgegen. „Das ist sehr nett von Ihnen. Sie werden sehen, dass Sie in eine sehr angenehme und nette Nachbarschaft gezogen sind. Hier hilft jeder jedem. Kommen Sie doch rein, dann können Sie auch meine Frau Alice kennenlernen.“

„Da sagen wir nicht nein, bei einer so reizenden Einladung“, erwiderte die Blondine.

Daniel führte sie in das Haus, während Alice herunterkam. Sie hatte sich ein gelbes Sommerkleid übergeworfen, worunter sich die schwarze Reizwäsche, womit sie ihren Ehemann verführen wollte hervorblitzte.

Die Blonde nahm das als Vorlage für eine Konversation. „Es tut uns leid. Wir wollten Sie nicht stören, sondern uns nur in der Nachbarschaft vorstellen. Wenn Sie möchten, gehen wir wieder.“

„Nein, nein“, entgegnete Alice, „Sie sind uns willkommen und auf neue Nachbarschaft muss man unbedingt anstoßen.“

„Ganz unbedingt“, erwiderte die Rothaarige. „Bei Ihnen riecht es auch lecker. Da bekomme ich doch gleich wieder Hunger.“

Faith Miller und ihre Freunde Marcel Kingston und Shirley Frank gingen die beleuchtete Hauptstraße entlang. Es war nach 22:00 Uhr und der Kinofilm war vorbei. Unterwegs neckte sich das Trio.

„Der Film war doch totale Zeitvergeudung“, stöhnte Faith. „Wären wir doch lieber in die Komödie mit Johnny Depp gegangen.“

„Ja. Oder in diesen Liebesstreifen mit Leonardo Di Caprio“, fügte Shirley hinzu.

„Liebesstreifen oder Johnny Depp? Och nö“, entgegnete Marcel. „Außerdem fand ich den Film voll cool. Wie diese Samurais durch die Luft geflogen sind. Ratz. Peng. Krach. Rattatong.“

Faith rollte gelangweilt mit den Augen. „War doch klar, dass Jungs den Film gut finden.“

„Außerdem waren das Ninjas, Marcel. Ninjas.“

„Jaja. Schon gut.“, brummte Marcel und um das Thema zu wechseln, fügte er schmunzelnd an. „Ich liebe den Sommer, da hat man wenigstens was fürs Auge.“

Er lächelte verschmitzt.

„Wieso fürs Auge?“, fragte Shirley.

„Na ja. Schönes Wetter, die Außenterrassen der Cafés sind geöffnet. Und hmmm, na ja, auch du hast schöne Beine. Ähm, einen schönen Minirock an.“

„Wenn ich das richtig sehe, spielen bei unserem großen Bruder die Hormone verrückt“, meinte Faith schmunzelnd.

„Was Hormone? Ich? Also wirklich.“

„Marcel, du schaust immer noch auf meine Beine“, sagte Shirley mit scharfem Ton.

„Ups. Hoppla. War keine Absicht. Und deine Eltern haben nichts dagegen, wenn wir so spät noch zu Besuch bei dir sind, Faith?“

„Keine Sorge. Ihr seid wie Geschwister für mich und haben euch auch gerne, um sich herum. Außerdem denke ich mal, sind die beiden heute Abend mit sich selber beschäftigt.“

Shirley blickte ihre Freundin an. „Wie meinst du das?“

Faith grinste. „Na ja, ich habe gesehen, dass mein Dad Sekt und Erdbeeren im Kühlschrank gebunkert hatte.“

„Oh.“

Sie gingen weiter und bogen in die Straße von Faith‘ Elternhaus ein. Im bleichen Licht der Straßenlaterne fiel Faith etwas auf. Sie stoppte kurz.

„Hier stimmt was nicht.“

„Was denn?“, fragte Shirley.

„Sag mal, habt ihr den Tag der offenen Tür, oder wie?“, ergänzte Marcel und versuchte damit die gespenstige Stimmung etwas zu heben.

„Das gefällt mir ganz und gar nicht“, entgegnete Faith besorgt.

„Das ist nicht nur schlecht, das kann auch gefährlich sein.“

„Vielleicht ist etwas passiert“, vermutete Shirley besorgt und sprach damit den Zustand aus, über den die anderen im Stillen dachten.

Faith lief in Panik los, Marcel und Shirley folgten ihr mit einigem Abstand. Sie kamen in den Flur. Alles war dunkel, die Lichter gelöscht. Sie waren still, versuchten jedes Geräusch wahrzunehmen. Vielleicht gab es für diese Situation eine ganz simple Erklärung. Faith ging ins Wohnzimmer und schaltete das Licht ein. Ihre Augen hatten sich an die neuen Lichtverhältnisse rasch gewöhnt. Sie blickte sich hektisch um. Auf dem Wohnzimmertisch standen ein Kuchen, eine Flasche Sekt und vier Gläser, von denen zwei umgeworfen schienen. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie blickte sich weiter um. Ihr Blick fiel auf das weiße Polstersofa. Darauf saßen zwei Personen, regungslos. An ihren Hälsen tropfte immer noch ein wenig Blut herab. Faith betrachtete das Szenario näher. Es waren ohne Zweifel ihre Eltern und sie waren gebissen worden. Zwei runde Wundmale zierten den Hals aus denen der rote Lebenssaft geflossen war und jetzt immer noch herabtropfte. Sie war wie vom Donner gerührt. Ihre Eltern waren tot, regelrecht hingerichtet in einem Blutritual. Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Zwei Frauen kamen die Treppe herunter. Sie wirkten sehr vertraut miteinander.

„Hallo Faith.“ Die Rothaarige sprach sie an.

„Wer seid ihr und was habt ihr mit meinen Eltern gemacht?“

Lüstern leckte sich die Rothaarige über ihre vollen Lippen und erwiderte. „Sie sind tot! Und wenn du schön brav mit uns mitkommst, verschonen wir vielleicht deine kleinen Freunde.“

Die blonde Frau neben ihr lachte höhnisch auf.

Faith versuchte die Situation zu verinnerlich. Diese beiden aufreizenden Frauen hatten offensichtlich ihre Eltern auf dem Gewissen. Sie sollte mit ihnen mitkommen und Marcel und Shirley waren wohl ebenfalls in Gefahr. Faith hatte mit ihren Freunden den zahlenmäßigen Vorteil, doch erschienen die beiden Frauen nicht als wären sie hilflose Tussis, sondern als wüssten sie was sie taten.

„Was zum Teufel, wollt ihr Beiden von mir?“

„Das verraten wir dir erst, wenn du dich ohne Widerstand uns anschließt.“

„Und was ist, wenn nicht?“

„Dann wird meine kleine Freundin ihren Hunger an deinen Freunden stillen.“

Faith blickte schockiert auf die Blondine. Sie verzog ihren Mund, spielte mit ihren kräftigen Kiefermuskeln, ehe am Oberkiefer, wo eigentlich die Eckzähne sein sollten, zwei lange spitze Zähne hervorragten.

Faith war fassungslos. Sie hatte Vampire mit Gruselromanen und Horrormärchen in Verbindung gebracht, aber nie vermutet, dass diese wirklich existierten.

Wie in Zeitlupe stürzte sich die blonde Frau auf Marcel, gerade als sie ihn zu erreichen drohte, wurde sie an die Wand geschleudert. Zwei Armbrustpfeile hatten sie getroffen und sie an der Wand festgenagelt. Ein Zischen erfüllte die Luft und zwei weitere Pfeile befestigten die Rothaarige an der Wand.

Faith blickte sich um. Ein Mann mit einer Armbrust und einem Schwert bewaffnet und er trug einen langen braunen Mantel. Er blickte Faith und die Anderen kurz an.

„Wenn ihr Überleben wollt, kommt mit mir.“

Diese Aussage genügte Faith nicht. „Wer sind Sie?“

„Alles zu seiner Zeit, Faith. Erst einmal bin ich für euer Überleben verantwortlich.“

Faith blickte zu ihren Freunden. Ein kurzer Blickwechsel und sie antwortete dem Fremden: „Dann bringen Sie uns raus.“

Der Mann führte die drei durch die Haustür zu einem schwarzen Jeep. Mittlerweile hatte sich ein kräftiges Gewitter über Norfolk entladen. Sie stiegen ein und ihr Retter trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch, dass die Räder quietschten. Faith, Shirley und Marcel blieb fast keine Zeit die Sicherheitsgurte anzulegen. Nach einer Weile hatte Faith ihre Sprache wieder gefunden.

„Wer sind Sie?“

„Mein Name ist Chris Bane.“

„Was waren das für Menschen, die meine Eltern getötet haben?“

„Die eine war eine Vampirin, wie du gesehen hast. Die Andere verfügt über magische Kräfte, wie eine Hexe.“

„Und was wollen die Beiden von mir?“

Chris blickte aus den Augenwinkeln zu Faith rüber. „Sie arbeiten für die dunkle Seite und haben es sich zum Ziel gesetzt, dich für ihre Zwecke zu benutzen.“

Faith war verwirrt: „Und dafür wollten sie mich töten?“

Chris schüttelte kurz den Kopf. „Nein. Sie löschten dein Umfeld aus. Marcel und Shirley hätten auch dran glauben müssen, wenn ich nicht gekommen wäre. Dich aber, brauchen sie lebend.“

„Warum? Was ist das Besondere an mir?“

Er wirkte nachdenklich.

„Das erkläre ich dir zu später. Erst einmal müssen wir euch in Sicherheit …“

Er unterbrach sich. Ein heftiges Donnern und Grollen über dem Fahrzeug ließ die Insassen zusammenzucken.

„Was war das?“, fragte Marcel erschrocken.

„Ich weiß es auch nicht“, antwortete Chris. „Es könnte sein, dass …“

Ein spitzer silberner Gegenstand durchbohrte die Windschutzscheibe des Jeeps. Instinktiv machte Chris eine Vollbremsung. Aufgrund der Witterungsverhältnisse drehte sich das Fahrzeug um die eigene Achse und auch der Führer des Gegenstands flog vom Auto und landete auf dem Asphalt. Die vier Insassen stiegen aus. Dann sahen sie es. Hatten Faith und ihre beiden Freunde ein solches Schwert vor etwas mehr als einer Stunde in einen billigen japanischen Action-Streifen gesehen, so wären sie wegen dieser Waffe jetzt beinahe draufgegangen. Der Angreifer schien von seinem Sturz kaum benommen zu sein. Er stürzte mit gezücktem Schwert auf die Gruppe zu. Chris machte sich zum Kampf bereit. Er wandte sich an Faith:

„Wenn der Kampf losgeht, wirst du dich mit den Anderen in Sicherheit bringen. Hast du das verstanden?“

„Ja, aber …“

„Kein aber, Faith. Du bringst dich mit den Anderen in Sicherheit.“

Für weitere Worte blieb keine Zeit. Der Angreifer war komplett in schwarz gekleidet. Er trug einen schwarzen Hut, eine schwarze Kapuze und einen langen schwarzen Umhang. Im bleichen Licht der Laterne hatte er etwas von dem Sensenmann. Chris stellte sich ihm in den Weg und wehrte den Angriff mit einem ähnlich großen Schwert, wie das des Angreifers ab. Funken flogen bei jeder Berührung. Geschickt wehrten die Kontrahenten die Hiebe des Gegenübers ab. Der schwarze Mann änderte seine Taktik und probierte es mit einem flinken Wechsel der Schlaghand und zog seinen Schwerthieb durch, doch Chris hatte reagiert, rollte sich zur Seite ab, der Schwertschlag ging ins Leere und der Angreifer hatte in den Asphalt gehackt, wo das Schwert stecken blieb. Chris nutzte den Moment und wollte dem Angreifer den finalen Schlag versetzen, doch mit einem raschen Fußtritt wehrte er den Schwerthieb ab, dass Chris sein Schwert verlor und mit dem nächsten Fußtritt landete der Beschützer Faith‘ auf dem nassen Asphalt. Faith, Shirley und Marcel hatten sich hinter dem schwarzen Jeep versteckt und beobachteten durch die Seitenscheibe den Kampf. Ihr Angreifer hatte es geschafft das Schwert aus dem Asphalt zu ziehen und stürzte sich auf den am Boden liegenden Chris. Er setzte die Schwertspitze an die Kehle. Ein roter Blutstropfen erschien am Hals.

„Nun hat dein letztes Stündlein geschlagen. Überlass mir Faith und ich verschone dein erbarmungswürdiges Leben und das ihrer Freunde.“

„Niemals überlasse ich dir Faith. Ich werde sie bis zum Äußersten verteidigen.“

Der Angreifer grinste. „Du willst es nicht anders. Dann mach dich auf dein Ende gefasst.“ Er holte Schwung, doch in dem Moment, als er sein Schwert in die Kehle von Chris rammen wollte, sprang Faith hinter dem Wagen hervor. Sie hatte eine unglaubliche Geschwindigkeit und stürzte sich auf den Angreifer. Obwohl sie schmächtiger war, schaffte sie es den Angreifer von Chris zu stoßen. Beide schlugen auf dem Asphalt auf. Durch die Wucht des Zusammenstoßes ließ der schwarzgekleidete Mann sein Schwert fallen und sowohl Faith als auch der Angreifer lagen benommen am Boden. Faith erkannte als Erste ihre Chance. Verschwommen nahm sie im strömenden Regen das Schwert des Angreifers wahr. Sie erfasste die Benommenheit des Angreifers, eilte auf allen Vieren in Richtung Schwert, erreichte es vor dem Angreifer und wehrte den Faustschlag mit einem gezielten Fußtritt ab. Doch damit hatte sie ihren Gegner noch immer nicht außer Gefecht gesetzt, dieser setzte ihr nach und brachte sie zu Fall. Dann stürzte er sich auf sie. Er blickte auf sie herab in ihre blauen Augen.

„Ich will dich nicht töten, Faith und auch nicht verletzen. Geh mit mir und du hast deinen Frieden gefunden.“

Sie blickte in sein Gesicht. Die Kapuze verhüllte fast alles. Sie blickte in graue blutunterlaufene Augen und er schien viele Narben im Gesicht und am Kopf zu haben. Wer so aussah, konnte nichts Gutes im Sinn haben, dachte sie. Faith nahm ihre letzte Kraft zusammen und rammte ihm das Schwert in die Brust. Erschrocken und von Schmerz gepeinigt stolperte er von ihr herunter und versuchte sich das Schwert aus dem Leib zu ziehen. Faith ging zu Chris und half ihm auf die Beine. Shirley und Marcel gesellten sich dazu. Die Gefahr schien gebannt, denn ihr Angreifer war damit beschäftigt sich von seinem Schwert zu befreien. Chris nahm sein Schwert auf und steckte es ein. Marcel hatte als Erstes seine Sprache wieder gefunden.

„Wer war das?“

Erschöpft und müde vom Kampf antwortete Chris: „Das war Hunter.“

„Und sollen wir ihm nicht nachsetzen und ihn töten?“

„Nein“, entgegnete Chris. „Das wäre zu gefährlich. Wir sind zu sehr geschwächt. Ich bringe Euch zu meinem Anwesen, dort seid ihr in Sicherheit und dann können wir neue Kräfte tanken.“

Shirley stützte die vom Kampf geschwächte Faith. „Das war unglaublich. Du warst so schnell und kräftig, Faith. Du trainierst doch nicht etwa heimlich?“

„Ich … Ich weiß nicht.“ Der nachlassende Adrenalinpegel ließ sie wieder klar denken. Ihr wurde bewusst, dass sie ihre Eltern nie wieder sehen würde. „Meine Eltern waren unschuldig“, stammelte sie unter Tränen. „Warum mussten sie sterben?“

Darauf hatte Chris keine Antwort. „Ich weiß es nicht Faith. Ich werde alles Notwendige für die Beerdigung deiner Eltern veranlassen. Wenn du möchtest, kannst du bei mir bleiben, solange du willst.“

„Sehr gerne, Chris. Ich danke Ihnen. Sie haben so viel für mich getan. Ich wünschte … Ich wünschte, ich hätte meine Eltern retten können. Ich …“

Faith verließen die Kräfte. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie brach zusammen. Chris und Shirley fingen ihren Sturz ab und trugen sie in den Jeep, wo sie die ohnmächtige Faith auf die Rückbank legten. Chris startete den Motor und fuhr die Freunde zu seinem Anwesen, am Rand der Stadt.

Mittlerweile war es Hunter gelungen das Schwert aus seinem Leib zu ziehen. Er stöhnte von Schmerz gepeinigt, doch hatte es ihn kaum geschwächt. Sein Ziel lag im Elternhaus von Faith. Dort sammelte er seine zwei Gehilfinnen ein und gemeinsam begaben sie sich in ihr Versteck in den Katakomben unter der Stadt. Sie waren verärgert und sauer über ihre Niederlage und darüber, dass sie Faith nicht bekommen hatten.

„Dieser blöde Chris hat alles verdorben“, fluchte die Blonde. „Wir hatten sie schon fast. Ein Glück haben die Wurfsterne und Pfeile mich nur an der Kleidung getroffen. Sonst wäre ich jetzt mit Silber durchflutet gewesen und tot.“

Hunter war selbst verärgert und Vorwürfe seiner Mitstreiter gingen ihm auf die Nerven. „Sei still, Vulpina. Es war doch eure eigene Schuld. Ihr hättet einfach nur Faith‘ Freunde ausschalten müssen. Nein, stattdessen probierst du mit Manuela das Schlafzimmer der Millers aus.“

„Ist doch gut, Hunter“, warf Manuela ein. „Du hast es aber auch nicht fertiggebracht das Balg und Chris auszuschalten.“

„Chris zu besiegen, wäre kein Problem gewesen. Nur die kleine Faith hat ihre Kräfte entdeckt und das macht sie verdammt gefährlich. Es ist für uns nicht leichter geworden, sie von unserer Sache zu überzeugen.“

Ein lautes Telefonklingeln unterbrach die Stille.

„Es klingelt“, brummte Vulpina genervt.

Hunter antwortete ebenso genervt: „Ich habe es gehört.“ Er schlurfte zum Schrank, auf dem das Telefon stand und nahm den Hörer ab.

„Ja!“

Der Anrufer schien sehr wütend und vom Ausgang des Auftrags enttäuscht zu sein. Hunter versuchte ihn zu beruhigen.

„Selbstverständlich habe ich das Ziel unserer Sache nicht vergessen. Ich versichere Ihnen, dass wir alles in unserer Machtstehende tun werden, um Faith auf unsere Seite zu ziehen.“

Wieder ein paar Worte des Anrufers.

„Wir werden ein wenig Geduld haben müssen, aber ich werde unseren Teil der Abmachung erfüllen.“

Das Gespräch endete.

„War das unser Auftraggeber?“, fragte Manuela mit gespielter Freundlichkeit.

„Oh ja. Und er ist sehr wütend auf Chris.“ Hunter lachte lauthals auf.

Am nächsten Morgen in einem Anwesen am Rand der Stadt. Im Schlafzimmer im Dachgeschoss des Hauses. Nach einer langen traumlosen Nacht, wachte Faith auf. Marcel und Shirley saßen an ihrem Bett und freuten sich über das Erwachen ihrer Freundin.

„Guten Morgen, du Langschläferin.“, begrüßte sie Shirley.

Faith rieb sich müde die Augen. „Guten Morgen. Wie spät ist es?“

„11 Uhr.“

Faith schüttelte den Kopf. „Hab ich so lange geschlafen. Fast 12 Stunden. Das ist heftig.“ Sie blickte sich um. „Ist das das Haus von Mr. Bane?“

Marcel nickte. „Jepp. Das ist es. Wie geht es dir, Faith? Du weißt, wenn du mit jemanden reden möchtest, wir helfen dir und sind für dich da.“

„Genau“, warf Shirley ein.

Faith richtete sich auf und Shirley nahm ihre Freundin in den Arm. Es tat Faith gut, dass ihre Freunde sie in dieser schweren Zeit nicht alleine ließen.

An der Zimmertür klopfte es.

„Ja, bitte. Herein“, sagte Faith.

Chris betrat das Zimmer. „Wie geht es dir? Alles in Ordnung mit dir? Ich meine, es ist klar, dass nicht alles in Ordnung ist, aber …“

„Es ist schon gut, Chris. Mir geht es ganz gut. Ich bin nur müde und einfach unendlich traurig, dass meine Eltern nicht mehr leben.“ Sie schluchzte und Shirley reichte ihr ein Papiertaschentuch.

Chris blickte die Freunde von Faith an. „Lasst ihr mich einen Moment alleine mit Faith reden? Es ist sehr wichtig.“

„Na klar“, sagte Marcel. „Bis dann, Faith.“

„Wir sehen uns“, verabschiedete sich Shirley.

Chris wartete bis die Beiden das Zimmer verlassen hatten.

„Ich nehme an, du hast eine Menge Fragen, Faith. Ich werde sie dir alle so gut wie möglich beantworten.“

„Eigentlich nur eine, Mr. Bane. Warum sind dieser Hunter und sein Gefolge so wild darauf, mich zu verfolgen?“

Chris blickte sie ernst an. „Das ist schwierig. Ich muss dazu sehr weit zurück in deine Vergangenheit gehen, Faith. Bist du bereit darüber zu erfahren?“

Faith nickte und Chris erzählte ihr, die Geschichte ihres Lebens. Er erzählte ihr, dass ihre eigentlichen Eltern Andrew und Mona van Helsing hießen. Andrew war ein direkter Nachfahre des niederländischen Okkultisten Dr. Abraham van Helsing. Sie und ihr Ehemann bekämpften das Böse auf dieser Welt, zum Beispiel solche Gestalten, wie Hunter. Bei einer dieser Aktionen kam Andrew ums Leben und Chris kümmerte sich um die schwangere Witwe. Es kam wie es kommen musste, die beiden verliebten sich und heirateten kurze Zeit später. Ein paar Wochen später kam Faith auf die Welt. Dann kam der schwarze Freitag 1987, wo Hunter mit seinen Schergen, die komplette Sippschaft der van Helsings auslöschte. Als Chris seine tote Frau fand, gab er Faith zur Adoption in die USA frei. Er hoffte, dass wenn er sie nicht finden konnte, würde Hunter sie auch nicht ausmachen können. Vor einem halben Jahr machte sich Chris dann doch auf die Suche und obwohl er nur den Vornamen Faith‘ kannte, fand er sie und hatte seitdem ein Auge auf seine Tochter. Doch auch Hunter hatte auf geheimnisvolle Weise Wind von dem Verbleib der letzten Nachfahrin Abraham van Helsing bekommen und so kam es zu dem brutalen Mord an den Millers. Als Chris geendet hatte, blickte er Faith an.

„Alles in Ordnung?“

„Ich danke dir Vater.“

Sie umarmte ihn. „Ich verspreche dir, auch wenn du nicht mein leiblicher Vater bist, dass ich als Letzte der van Helsings mein Erbe antrete und das Böse bis zum Letzten bekämpfen werde.“

Chris lächelte. Die Aussage seiner Stieftochter erfüllte ihn mit Stolz. Er verließ das Zimmer und ließ Faith mit ihren Freunden alleine.

Im Erdgeschoss des Anwesens, in einem Nebenzimmer des großen Wohnzimmers hatte Chris sein Arbeitszimmer. Er betrat das Zimmer, als auf einem Bürostuhl ein großer breitschultriger blonder Mann saß.

„Wie kommst du denn hierher?“, fragte Chris. „Nein, ich weiß, du hast deine Fähigkeiten, um überall hinzukommen.“

„So ist es“, entgegnete der blonde Hüne. „Nach den Ereignissen der Nacht, musste ich hierher kommen.“

Chris nahm auf einem Schemel gegenüber des Mannes Platz.

„Du hast davon gehört?“

„Selbstverständlich. Der Gilde bleibt so etwas nicht verborgen, das weißt du. Wie geht es der Kleinen?“

„Den Umständen entsprechend. Der Schock über den Verlust ihrer Adoptiveltern sitzt sehr schwer bei ihr. Und ihre Kräfte scheinen erwacht zu sein.“

„Das ist gut. Kennt sie die Wahrheit über ihre Herkunft?“

„Ja, das heißt nein. Sie kennt einen Teil.“

Der Blonde blickte ihn ernst an. „Das heißt, den unangenehmen Teil hast du weggelassen? Auch die Wahrheit über dich?“

Chris nickte. „Es ist noch nicht der richtige Zeitpunkt. Sie muss das Geschehene erst einmal verdauen.“

„In Ordnung. Auch, wenn ich es für einen Fehler halte und du sie dadurch verlieren könntest. Weiß sie denn von der Prophezeiung?“

„Nein.“

Die Augen von Chris‘ Gegenüber rollten. „Na toll. Und wann soll ich in Erscheinung treten?“

„Bald. Sie möchte den Kampf gegen das Böse annehmen. Das heißt, wir werden sie darauf vorbereiten müssen, damit sich die Prophezeiung erfüllen kann.“

„In Ordnung.“ Der Blonde stand auf und verließ das Anwesen. Chris blickte ihm nach. Dann holte er sich eines seiner vielen wissenschaftlichen Bücher und begann darin zu lesen. Er wusste, dass der Kampf mit Hunter und seinen Konkubinen nur ein Vorgeschmack war, auf das was noch kommen würde.

Faith - Chroniken einer Jägerin

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