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KAPITEL VII

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Richard war schon sehr früh wach. Seine beiden Frauen und auch der Hund schliefen noch. Ideal um schnell noch ein paar Runden um den See zu laufen und einen klaren Kopf zu bekommen, dachte sich Richard und eilte davon.

„Ich geh noch kurz in den See mich abduschen“, sagte Richard, als er die beiden Frauen nach seinem Eintreffen schon bei der Frühstücksvorbereitung antraf. „Ja, ist gut. Der Kaffee ist gleich fertig“, sagte Tina. Sie saßen gemütlich zusammen und beschlossen dann, die Funkanlage zu überprüfen, die sich hier in der Haupthütte befand. Sie war für Notfälle gedacht, um eventuelle Notrufe abzusetzen. Sie war auf den Kanal eingestellt, der auch für den Polizeinotruf genutzt wurde. Die Anlage funktionierte tadellos. „Falls unsere Handys am Fundort nicht funktionieren sollten, können wir immer zur Hütte zurückkehren und Nachrichten absenden“, sagte Tina.

Es gingen 3 Pfade von dem Weg um den See in die umliegende Wildnis. Der eine Richtung Norden, der andere Richtung Süden und der letzte Richtung Westen. Der Weg, der sie zu den Hütten führte, kam von Osten. Jeder dieser Pfade kreuzte sich irgendwann einmal mit einem der anderen, sodass man immer den Weg zu den Hütten wieder finden würde, außer man verließ die Wege, so wie es die drei vorhatten, da ja der Fund des Knochens außerhalb des umwandernden Gebietes lag. Aber Richard hatte eine Karte, die Tina ihm gegeben hatte, dabei, und da er früher öfter hier oben unterwegs gewesen war, bestand keine Gefahr, sich zu verlaufen. Es gab verschiedene Möglichkeiten, die Himmelsrichtung zu erkennen. In der Nacht hält man nach dem Nordstern Ausschau und am Tage nach dem Stand der Sonne. Auch der Bewuchs an den Bäumen konnte helfen. So war an der Nordseite von Bäumen oftmals Moosbewuchs. Trotz allem war es in der Vergangenheit schon einmal passiert, dass ein Wanderer, der alleine unterwegs gewesen war und den Weg verlassen hatte, erst Monate später verhungert und doch nur wenige hundert Meter von einem der Wege entfernt gefunden worden war. Aber auch in anderen Gegenden der Rockys hörte man dann und wann solche Geschichten.

„Seid ihr bereit?“ fragte Tina die anderen. „Ja, bereit“, sagte Kathrin und sah Richard an, der bejahend nickte.

Es war etwa 09:30, als sie es schafften aufzubrechen.

In der gleichen Formation, in der sie zu den Hütten gelangt waren, gingen sie nun Richtung Fundort. Richtung Südwesten. Kathrin und Tina unterhielten sich wieder eifrig. Richard fragte sich, worüber Frauen sich immer unterhalten können. Sie müssten sich doch dauernd wiederholen.

Der vom See sich lichtende Wald ging schon nach einigen Metern in dichten Waldbewuchs über. Sattes Grün säumte den schmalen Pfad. Hier und da konnte man, wenn die Bäume nicht allzu dicht standen, einen Blick links oder rechts des Weges in die üppige Vegetation werfen. Den Stand der Sonne konnte man hier schon nicht mehr richtig erkennen. Ab und an lichtete sich mal das Blätterdach, aber da die Bäume sehr dicht standen, war der Blick nicht immer frei.

Sie kamen nach ca. 3 Km an einen kleinen künstlich angelegten Platz. Der Weg weitete sich ein wenig. Zwei Holzbänke standen vor einem Holzpfahl. An dem Pfahl war eine Hinweistafel hinter einer Plexiglasscheibe befestigt, um sie nicht ungeschützt der Witterung auszusetzen. Hinter der Scheibe befand sich der komplette Rundweg vom See und wie viele Rastplätze sich noch auf der Route befanden. Jetzt konnte man erkennen, dass es kein kleiner Rundgang war.

Wenn man sich normal fortbewegte, konnte man diesen Pfad in 8 Stunden bezwingen. So unterschieden sich die Wege, die vom See weggingen, von leicht für Anfänger, über schwer für Fortgeschrittene, bis hin zu sehr schwer für Profis, was sich in Steigung der Höhenunterschiede zum Teil mit Klettereinlagen und auch Länge des Weges widerspiegelte. Die vier hatten den leichten Weg eingeschlagen. Mit den vielen Kindern wäre es nicht zu empfehlen gewesen, gleich die schwereren Varianten zu wählen. Es gab auf den Wegen noch ein oder auch zwei Plätze, wo die Wanderer sich zur Nacht niederlegen konnten mit einer kleinen Hütte dort und mit den nötigen Survivals wie Schlafsäcken und Proviant- eine schöne Übernachtungsmöglichkeit im Wald.

Des Weiteren wurden die Plätze angezeigt, die als Rastplatz dienten. So waren neben diesem Hinweisschild die hier wachsenden Bäume und Pflanzen sowie die hier lebenden Tierarten auf kleinen Karten angezeigt und unter der jeweiligen Baum- oder Tierart ein kleiner Text um was es sich handelte.

Das gab Tina natürlich die Möglichkeit, mit ihren Schulkindern verschiedene Rätsel zu veranstalten. So macht Unterricht erst richtig Spaß.

Bei einer dieser Aktionen war dann die kleine Gruppenschar auf den Knochen im Unterholz gestoßen.

Der Weg war etwa 25 Km lang. Auf ihm gab es alle 3-4 Km einen dieser Rastplätze, also sieben insgesamt. Einer dieser Rastplätze, der 4. diente auch als Übernachtungsstätte. Würde man alle Rastplätze für etwa eine halbe Stunde nutzen, so würden acht Stunden nicht ausreichen, um den Weg bis zum See zu umrunden.

Etwa kurz vor dem 5.Rastplatz kreuzte der etwas schwerere Weg den leichteren. So war es möglich, falls einem der Weg zu leicht vorkam, auf den schwereren Weg überzuwechseln oder auch andersherum.

„Beim nächsten Rastplatz müssen wir den Pfad verlassen und dann ins Unterholz. Vorher sollten wir dort einen kleinen Halt machen und ein wenig rasten. Im Unterholz wird es beschwerlicher sein sich fortzubewegen“, sagte Tina zu Ihrem Bruder, während sie den ersten Platz passierten.

„Ja, ist gut“, antwortete Richard. Dein Hund sieht aus, als könne er bald eine Pause gebrauchen.“ „Ja, das kann gut sein Richard. Sie ist eher fürs Wasser geschaffen als fürs Land.“ Das konnte er nach der gestrigen Einlage im See gut nachvollziehen.

„Seit wann habt Ihr Merle?“ fragte Kathrin. „Seit Ende August. Wir haben sie mit 12 Wochen bekommen. Ach sie war als unser Kinderersatz gedacht“, sagte Tina. „War?“ fragte Kathrin erneut etwas erstaunt. „Das erzähle ich dir, wenn wir alleine sind. Feind hört mit“, sagte Tina und nickte mit ihrem Kopf in Richards Richtung. Kathrin kicherte. Sie wusste, dass Tina und Marc sich schon lange ein Baby wünschten. Es hatte aber nie geklappt, ähnlich wie bei Kathrin und Richard. Nur hatte Kathrin bereits zwei Fehlgeburten gehabt, und die Ärzte hatten ihr nicht mehr viel Hoffnung eingeräumt. Ihr Hausarzt Dr. Jon hatte ihr eine Chance von 10% eingeräumt, ein Kind auszutragen.

Nach etwa einer Stunde Fußmarsch gelangten sie an den Platz, von wo aus es im Unterholz weitergehen sollte. Na ja, Unterholz war wohl etwas übertrieben. Die Bäume standen nicht allzu nah beisammen, und auch die niederen Pflanzen waren nicht so am Wuchern wie ein paar Minuten zuvor. Es waren sehr große stämmige Zedern. Man kannte sie besser unter dem Namen Red Zeder. Sie wird gerne für den Hausbau als ganzer Stamm verwendet, da sie unempfindlich gegen Krankheiten und Käferbefall ist. Auch Richard hatte mal darüber nachgedacht. „Wenn ich mir ein Haus baue, dann muss es ein Holzhaus aus roter Zeder sein“, hatte er zu Kathrin gesagt.

Sie nahmen auf den beiden Bänken, die wieder vor einem Hinweisschild standen, Platz, öffneten ihre Proviantschachteln und genossen dabei die Natur. Das Wetter war wieder sehr ausgeglichen, nicht zu warm und nicht zu kalt. Tina holte eine Flasche Wasser hervor und sagte zu Richard, er solle mit den Händen eine Schale formen. Sie füllte das Wasser langsam in seine Hände, und Merle hatte so einen hervorragenden Trinknapf in ihm gefunden. Sie schlabberte so extrem, dass das Wasser und ihr Sabber an Richards Armen und Oberkörper hochspritzten. „Igitt Merle“, sagte er und Merle wedelte vor Freude mit dem Schwanz.

„Oh, sie scheint dich immer mehr zu mögen“, sagte Tina zu Richard und grinste dabei.

„Nach dieser ausgiebigen Rast sollten wir das Tageslicht noch ausnutzen und uns auf den Weg machen. Wer weiß, was uns noch bevorsteht.“ „Ja“, sagten die beiden Frauen fast zeitgleich, packten ihre Vorräte zurück in Ihre Rucksäcke und gingen voran. Diesmal hielt Tina Merle jedoch mit einer Leine vorn bei sich fest. „Hier entlang“, sagte Tina, in der einen Hand Merle und in der anderen die Karte mit der verzeichneten Fundstelle. Diesmal ging es im Entengang hintereinander her. Da sie durch Gestrüpp und über umgestürzte kleinere Bäume steigen mussten, war dieses Vorankommen mühseliger als vorher auf dem Pfad.

„So weit sind deine Kinder in den Wald gelaufen?“ „Nein, nein“, antwortete Tina, „wir machen nur einen kleinen Bogen. So ist es einfacher zu gehen. Das habe ich gemacht als wir den Rückweg von der Fundstelle aus gingen. Der andere Weg geht durch einige Dornenbüsche. Das wollte ich uns diesmal ersparen. Sieh nur, Richard, da vorne an der großen Zeder. Rechts davon ist ein blühender Busch mit rosa Blüten. Darunter lag der Knochen.“

Dort angekommen, rochen sie einen wunderbaren Duft, der von dem Busch ausging. „Ah, riecht das lieblich“, sagte Kathrin. „Ja, sagte Tina, „das war letztendlich auch der Grund für die Kinder hierher zu gehen, dem fruchtigen Duft zu folgen, wie sie es sagten.“

Der Busch bestand aus mehreren Büschen, die eng aneinander standen. Der Duft war schon in einem Umkreis von 10 Metern zu riechen. Es war der einzige seiner Art hier in der Umgebung.

Kathrin sagte: „Das ist erstaunlich, dass sich der Busch hier und dann noch in einem so großen Ausmaß befindet. In solchen Höhen ist er nur in Südamerika bekannt, in wärmeren Gefilden.“ „Du kennst diesen Busch?“ fragte Tina.

„Ja“, antwortete Kathrin. „Man nennt ihn Kleopatra Busch. Seinen Namen erhielt er durch den milchigen Saft in seinen etwa 2 cm großen gelben Früchten. Der Saft hat einen für den Menschen neutralen Duft aber einen fein duftenden für Tiere. Er ist für den Menschen auch giftig. Der Saft der Frucht sorgt bei Einnahme für Übelkeit, Kopfschmerz und Erbrechen. Jedoch bei kleinen Hautreizungen, wie zum Beispiel bei Sonnenbrand oder Mückenstichen, sorgt er für Linderung. Der Saft ist milchig, leicht cremig. Der herrliche Duft der Blüten, die nach Erdbeere- Himbeere- Orange duften, veranlasste den Entdecker zu diesem außergewöhnlichen Namen, da sich Kleopatra ja angeblich in Eselsmilch und Rosenblütenblättern gebadet haben soll, die sehr denen des Busches ähneln.“

Tina gab Kathrin Merle, bevor sie unter den Busch schaute, damit Merle nicht noch irgendwelche Spuren zerwühlte. „Sieh her, Richard, hier ist die Stelle.“ Sie zeigte mit dem Zeigefinger auf die Stelle, wo sie den Knochen gefunden hatte. Sie war aufgewühlt. Laubreste des Busches waren am Rand der Erdaufwühlung zu sehen. „Wie hast du den Knochen vorgefunden? War er mit Laub bedeckt?“ fragte er. „Nein“, antwortete Tina, „er war etwas eingewühlt, aber die Oberfläche schaute gut sichtbar und unbedeckt hervor.“ Richard inspizierte die nähere Oberfläche unter dem Busch. Dabei bemerkte er eine weitere Furche unter dem Laub. „Sieh nur“, sagte er zu Tina, „es scheint eine Art Spur zu sein“. Er schippte mit seiner Hand das darauf befindliche Laub beiseite und legte einen kleinen Graben frei, der noch weiter unter dem Busch verlief. Er kniete sich hin und folgte kriechend der Fährte, wie er sie nannte. Er schob immer wieder Laub mit seiner Hand beiseite, welches sich in der Furche angesammelt hatte. Er vergaß alles um sich herum und folgte der Spur unaufhörlich bis er bemerkte, das er sich nicht mehr unter dem Busch befand sondern schon einige Meter davon weg im Tannennadelboden. Er drehte sich um und sah Tina und Kathrin etwa 20 Meter weiter weg stehen. Er rief sie und bat sie zu sich herüber. „Ach, da bist du Richard“, sagte Tina erstaunt. „Wir haben dich ganz woanders vermutet.“ Er wollte gerade lächeln, als ihm ein rosa Lappen durchs Gesicht fuhr und ihn mit Sabber bedeckte. „Pah, Merle, du Ferkel.“

„Es scheint so, als wäre der Knochen hierher verschleppt worden. Es muss sich dabei um ein kleineres Tier gehandelt haben, sonst hätte es nicht diese Furche hinterlassen. Es war ihm wohl zu schwer zu tragen.“ „Ab hier kann man die Spur auch erkennen, ohne auf dem Boden herum zu kriechen“, sagte Kathrin. „Ja, du hast recht, mein Schatz“, sagte Richard und begab sich in die Höhe. „Was kann das für ein Tier gewesen sein, Richard?“ fragte Kathrin. „Es könnte ein Marder oder etwas von ähnlicher Größe gewesen sein, “ sagte Tina. „Du sprichst es wahrscheinlich deswegen an, um zu erkennen, wie weit es diesen Knochen geschleppt haben könnte, nicht wahr?“ „Genau“, antwortete Kathrin. „Nun, das Revier selber ist nicht so groß, etwa 0.2 -0.5 km², jedoch können ihre Jagdpfade und Vorratspfade bis über 14 Km lang sein. Es kann durchaus noch ein Weilchen dauern, bis wir den ursprünglichen Ort des Knochens finden.“

„Dann lasst uns die Fährte weiterverfolgen“, sagte Richard und ging langsam mit Blick auf den Boden voran. Die anderen folgten. Der Boden hier war nur von Laub und alten Nadeln bedeckt. Kaum ein Strauch querte hier die Furche.

Sie waren gut eine Dreiviertelstunde gegangen, als sich der Wald lichtete. Die Sonne schien auf die Gesichter der drei, während sie auf eine Lichtung traten. „Seht nur, eine Lichtung. Ich hätte nicht gedacht, so was hier vorzufinden“, sagte Tina. „Sie ist auch nicht auf der Karte verzeichnet. „Vielleicht ist sie zu klein.“ „Das mag sein“, antwortete Richard.

Kathrins Handy klingelte mit einem Mal mit einer sanften Melodie von Metallica.

„Es ist die Nummer von Dr. Jon“, sagte sie zu den anderen und nahm ab. „Hallo Dr. Jon. Ja, aha, oh, das ist ja wunderbar. Ich hatte mir schon Ähnliches gedacht, oh, vielen Dank für ihren Anruf, ja mach ich, danke.“ Sie legte auf. „Dr. Jon?“ fragte Richard, „was wollte der denn so dringend?“ „Ach“, sagte Kathrin, „ich habe letzte Woche ein großes Blutbild machen lassen, und er hat mir die Ergebnisse mitteilen wollen, damit ich mir keine Gedanken mache.“ „Und?“ fragte Richard. „Alles in Ordnung“, sagte Kathrin, „alles in bester Ordnung.“ Ihr Kopf bewegte sich zur Seite und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Sie sahen alle auf die Lichtung. Sie war etwa so groß wie ein Footballfeld. Der Boden war mit kurzem Gras und Moosen bedeckt, hier und da ein paar Felsen, aus denen ein paar Sträucher hervor wuchsen. „Jetzt wird es schwieriger, die Spur zu verfolgen. Es ist keine Fährte mehr zu erkennen“, sagte Richard. In dem Moment der Ahnungslosigkeit ging Tina mit Merle an ihm vorbei. „Sie scheint etwas zu wittern“, sagte sie und konnte Merle kaum halten. Kathrin ging wie gewohnt hinter Tina und schritt auch an Richard vorbei, gab ihm aber noch flüchtig einen Kuss auf den Mund. Er lächelte verdutzt und folgte ihnen.

Sie gingen etwa auf Mitte der Lichtung nach rechts und wieder in den Wald. Nach etwa einer Viertelstunde kamen sie erneut an eine Lichtung. „Ist das die gleiche wie vorhin?“ fragte Kathrin, die durch das hin und her von Merle ein wenig die Orientierung verloren hatte. „Nein“, sagte Tina. „Sieh nur, sie ist kleiner als die zuvor. Merle hatte hier und da einen Umweg gemacht. Zurück zur anderen Lichtung wäre bestimmt ein kürzerer Weg denkbar.“ Die Lichtung war etwa halb so groß wie die davor. „Was ist das da hinten?“ fragte Tina. „Hm, es sieht aus, als wären dort Felsen. Da geht es wohl nicht weiter“, sagte Richard. Aber weiter brauchten sie auch nicht zu gehen. Auch hier war der Boden mit kurzem Gras und Moosen bedeckt. Die Felsen waren nur außen um die Lichtung herum zu erkennen. Sie betraten die Lichtung, als Merle abrupt stehen blieb und sich niedersetzte. „Was ist?“ fragte Richard. „Kann sie nicht mehr laufen?“ „Doch, ich glaube schon. Sie will nur nicht mehr“, antwortete Tina. „Warum?“ fragte Richard. „Weil wir am Ziel sind“, sagte Tina. „Seht nur“, sagte sie zu Kathrin und Richard und deutete mit dem Finger auf eine aufgewühlte Stelle vor ihnen.

Das Moos an dieser Stelle war aufgewühlt und beiseite geschoben. Man sah Kratzspuren und Schabspuren um die Stelle herum. Ein paar kleine Findlinge, die anscheinend auf der aufgewühlten Stelle gelegen waren, lagen nun daneben.

„Schaut“, sagte Richard. Es scheint als lägen da noch mehr von diesen kleinen Findlingen. Als wenn jemand damit etwas verdecken wollte.“ An der Stelle, wo sie standen, waren viele kleine Findlinge, zwischen denen sich Sand, Gras, Moos und kleine Zweige vermischten. Schien der Boden durch das Moos nass zu sein, so war er doch trocken. „Das Loch, welches wohl den Knochen beherbergt hatte, muss mindestens 70 Zentimeter tief sein“, sagte Richard, nachdem er mit dem Arm versucht hatte, den Boden des Loches zu erreichen. Es war ihm nicht gelungen, da er mit der Schulter an den Lochrand stieß. Dennoch hatte er etwas aus dem Loch geholt. „Das steckte im Sand, als ich eben hinuntergriff“, sagte Richard und zeigte den Fund den beiden anderen. Ein flacher Stein, dachte er im ersten Moment, doch bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass es wie ein Knochenstück aussah. Es glich eher einer Kniescheibe.

Das Loch verlief von links oben nach rechts unten. „Das Tier, welches sich den Knochen geholt hat, muss sich regelrecht dazu vorgegraben haben“, sagte Richard. In der Art eines Hasenbaus zum Beispiel, vermutete Tina währenddessen.

„Wir müssen die Steine entfernen und graben, wenn wir an das, was ich vermute, ran kommen wollen“, sagte Richard. „Was vermutest du denn?“ fragte Kathrin. „Ich glaube, wir haben hier das Grab eines bis jetzt noch nicht identifizierten Lebewesens.“ „Aber welches Lebewesen außer einem Menschen würde denn seine Toten beerdigen?“ fragte Tina. „Nun, um das herauszufinden, sollten wir graben. Auf jeden Fall scheint das Grab schon etwas älter zu sein, wenn ich mir es so anschaue und diesen Knochenteil begutachte“, sagte Richard. Tina nahm ihn entgegen und bemerkte, dass dieser Teil des Knochens etwas poröser zu sein schien als der, den sie bei sich zu Hause im Gefrierschrank hatte. Das lag vielleicht daran, dass der Knochen kleiner und dünner war.

„Was ist das?“ prustete Richard heraus, als er sich erhob und sein Blick über das vermeintliche Grab zur Lichtung schweifte. Bleibt hier stehen. Ich glaube, ich habe etwas entdeckt. Er ging vorsichtig an den Findlingen vorbei. Der Boden war mit trockenem Moos bedeckt und brach unter seinen Füßen auseinander. Richard war fast am Ende des Steingebildes angelangt, als er sich wieder niederbeugte. Er fühlte mit seiner Hand über den Boden. „Was machst du da?“ fragte Kathrin.

„Ich habe hier einen Abdruck gefunden“, sagte Richard. „Seht nur mal. Ich habe einen Abdruck gefunden!“ rief er euphorisch. „Er scheint in einer Art Tonerde hinterlassen worden zu sein. Der Boden ist mit Tonerde vermischt und konnte so den Abdruck erhalten. Er ist alt, aber lange nicht so alt wie das Grab.“ „Merle bleib“, sagte Tina, welches der Hund sofort befolgte und sich niedersetzte. Sie ging langsam auf Richard zu, um zu sehen, was er mit, einen Abdruck, meinte, als sie unvermindert hinter ihm zum Stehen kam. „Oh, jetzt weiß ich, was du mit Abdruck meintest“, sagte sie. „Aber du kannst ihn doch noch gar nicht sehen. Ich bin doch darüber gebeugt“, sagte Richard. „Das stimmt, den sehe ich auch nicht, aber ich sehe die anderen“, sagte sie. „Was meinst du mit anderen?“ fragte er erstaunt. Er begann sich hinzustellen. Doch schon beim Aufstehen begann sein Blick dem von Tina zu folgen. Die Sonne hatte wohl zuvor so in einem Winkel auf den Boden geschienen, dass man es vorher nicht sehen konnte. Der gesamte Boden um das vermeintliche Grab war umsät von Fußspuren, nackten Fußspuren. Sie verliefen in alle Richtungen, als wenn jemand hier im Kreis gelaufen wäre. „Der Fußabdruck, den ich eben näher angesehen habe, mag um die 45-50 cm lang gewesen sein. Dass scheinen die anderen auf den ersten Blick auch zu sein“, sagte er. Er drehte sich zu seiner Schwester um. Seine Augen strahlten vor Unfassbarkeit.

„Lass uns vorsichtig zu Kathrin gehen“, sagte er. „Nur nichts von dem Gefundenen durch Unachtsamkeit zerstören. Vielleicht sind auch frischere Spuren dabei. Wie es scheint, haben wir ihn gefunden“, sagte er zu Kathrin.

„Wie es scheint, haben wir Bigfoot gefunden“, wiederholte er und strahlte seine Freundin an. Sie lächelte zurück und deutete auf die Stelle, wo zuvor Richard sich befunden hatte. Erst jetzt wurde einem das Ausmaß bekannt. „Ich habe es schon von hier aus sehen können“, sagte sie zu Richard. „Der nahezu gesamte Boden um die Steinformation ist mit übergroßen Fußabdrücken übersät“, strahlte auch sie. Tina jedoch war skeptisch und sprach: „Ich würde aber trotzdem deine Euphorie etwas bremsen, Richie. Es sind Abdrücke, wie es scheint sehr alte Abdrücke, vielleicht ähnlich wie der Knochen des Grabes.

Richard ließ sich jedoch nicht beirren. Er kam aber wieder etwas der Realität näher und sagte: „Da ist sie ja wieder, die Skeptikerin. Das habe ich doch schon lange vermisst. Ich hatte mich eigentlich schon gewundert, dass alles, was wir bisher erlebt haben, ohne Wenn und Aber von dir aufgenommen wurde.“ Ohne sich von Tina abbringen zu lassen fuhr er fort: „Wir müssen alles dokumentieren und Gipsabdrücke nehmen, die Steine beiseiteschaffen, die Erde vorsichtig entfernen und nachsehen, was uns im Loch darunter erwartet.“ Er sah wieder zu seiner Schwester und grinste sie an. „Meine kleine Skeptikerin ist wieder da. Wie sehr ich dich doch vermisst habe“, sagte er in ironischer Art und freute sich über seine Aussage.

Er war noch ganz aufgewühlt von den vielen Entdeckungen in kürzester Zeit. Es war fast zu viel für ihn. Kathrin schien in diesem Moment noch einen kühlen Kopf bewahrt zu haben und sagte: „Richard, bevor wir hier graben, sollten wir uns Verstärkung von den anderen holen. Ich werde versuchen, Eileen mit dem Handy zu erreichen.“

Sie holte das Handy aus der Gesäßtasche ohne auf die Antwort von Richard zu warten und versuchte zu wählen, aber es tat sich nichts. „Ich habe hier keinen Empfang“, sagte sie. Die anderen beiden taten es Kathrin gleich und holten ihre Handys raus. „Nichts, kein Empfang“, sagten sie fast zeitgleich. „Okay Mädels, auf der anderen Lichtung hattest du mit deinem Handy ja noch telefonieren können. Also schlage ich vor, wir gehen dorthin zurück, merken uns den Weg hierher und schlagen unser Lager bei der größeren Lichtung auf, um hier nichts zu zerstören.“ „Das ist eine gute Idee, das machen wir“, antwortete Kathrin. „Übrigens, Tina, du hast da einen ganz tollen Hund, “ sagte Richard, „Wer hat ihr das denn beigebracht?“ fragte er. „Tja, das weiß ich auch nicht“, sagte Tina und schaute Merle an. Merle freute sich und wedelte mit dem Schwanz, als wenn sie verstanden hätte, dass es im Gespräch um sie gegangen wäre.

So machten sie sich auf den Weg zur größeren Lichtung.

Sie hatten sie noch nicht ganz erreicht, als sich die Handys der drei durch ein düdelütt wieder meldeten. Nur Tinas Handy spielte noch eine andere Melodie dazu. „Ich habe eine Nachricht bekommen. Es ist eine SMS von Marc. Er ist jetzt in Denver angekommen und macht sich nun auf die Suche nach dem Museum, wo David arbeitet. Das war vor etwa einer Stunde.“ „Das ist gut“, sagte Richard, „aber ich denke auch, dass du Eileen benachrichtigen kannst, dass sie den anderen Bescheid gibt, die Sachen zu packen. Wir brauchen jetzt jeden Verfügbaren aus dem Team. Ich will wissen, was sich da unten im Grab befindet. Die weitere Untersuchung des Knochens in Denver kann noch etwas warten“, bestätigte Richard Kathrins Meinung.

Der Tau

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