Читать книгу Lustige Märchen - Marco Fogliani, Marco Fogliani - Страница 5
ОглавлениеDER FISCHER OSVALDO
Ich traf meinen Freund Osvaldo in der Bar.
„Und, Osvaldo, wie war dein Fischfang letztes Mal?“, fragte ich ihn. Wir hatten uns ungefähr zehn Tage zuvor am Hafen gesehen, als er gerade mit seinem kleinen Boot zum Fischen hinausfuhr, und ich hatte ihm viel Glück gewünscht.
„Gut, gut, danke. Anfangs hat lange nichts angebissen, so dass ich sogar glaubte, dich zu treffen hätte mir Unglück gebracht. Aber dann ...!“
„Dann?“
„Naja, ich war wie immer weit rausgefahren und hatte den Motor abgestellt. Dann hatte ich das eine Ende der Angelschnur an der kleinen Ankerwinde festgebunden und das andere Ende der Schnur hing im Meer. Sehr lange passierte nichts und ich wäre fast eingeschlafen. Also habe ich, so wie ich es immer in diesem Fall mache, meine Glöckchen an die Angelschnur gehängt, damit ich aufwache, sobald etwas anbeißt. Aber nach einiger Zeit merkte ich, dass das Boot sich bewegte, sei es durch den Wind oder den unregelmäßigen Wellengang, fast so als wäre es ein Segelboot. Aber du weißt ja, dass das Boot keine Segel hat.
Die Angelschnur war so stark gespannt, dass ich mich wunderte, wieso sie nicht abriss. Es war gerade diese Schnur, die das Boot ins Schaukeln brachte. Ich musste etwas sehr Großes gefangen haben. Ich dachte sogar, dass sich der Angelhaken in einem U-Boot verfangen hatte. Ich hätte wahrscheinlich nichts machen können, wenn ich nicht die Ankerwinde benützt hätte - nicht umsonst fische ich auf diese Art. Allerdings hatte ich große Mühe, meinen Fang an Bord zu ziehen und ich hatte Angst, dass jeden Moment die Schnur reißen könnte. Aber letztendlich erschien der Fisch aus dem Wasser, erst der Kopf dann der Rest: Es war ein Riesenfisch, mindestens so lang.“
Osvaldo musste aufstehen und zur Seite gehen, um mir mit ausgestreckten Armen die Länge seines Fanges zeigen zu können.
„Ach komm, übertreib nicht. Du bist sicher eingeschlafen und hast von dem Fisch geträumt“, sagte ich zu ihm.
„Nein, nein, ich versichere es dir. Aber das Erstaunliche war nicht so sehr die Größe des Fisches, sondern, dass ich auf einmal eine Stimme hörte. Aber ich war ja alleine mitten auf dem Meer.“
„Ich bitte dich, nimm mir dieses Ding aus dem Mund und werfe mich lebend zurück ins Wasser. Du wirst sehen, ich werde dich dafür reich belohnen."
„Du kannst dir ja vorstellen, wie sprachlos ich war... ein sprechender Fisch. So etwas war mir nie zuvor passiert!“
„Mir ist so etwas auch noch nie passiert“, wandte ich ungläubig ein.
Und als ich ihn überrascht fragte:
"Was, du kannst sprechen?", antwortete er mir:
„Ja natürlich, und ich spreche fließend fünf eurer Sprachen. Aber jetzt bitte ich dich, wirf mich zurück ins Wasser.“
Beim Anblick dieses verzweifelnd zappelnden Fisches bekam ich fast Mitleid, aber trotzdem zögerte ich.
"Aber ich hätte dich zu einem leckeren Abendessen für mindestens zehn Personen verarbeitet. Und wenn ich dich jetzt befreie ...“
„Woher willst du wissen, dass mein Fleisch gut ist? Wenn du mich gehen lässt, werde ich dir so viele köstliche Fische besorgen, dass du nicht zehn, sondern zwanzig Personen zum Essen einladen kannst, das verspreche ich dir. Du musst nur genug Körbe am Rand deines Bootes befestigen und ich werde diese innerhalb kürzester Zeit füllen. Heute und den ganzen kommenden Monat lang.“
Er hatte mich fast überzeugt. Ich ging zu ihm und wollte ihn gerade vom Haken befreien, dann zögerte ich allerdings nochmals.
„Ich möchte ein schönes Foto von dir machen, damit ich es meinen Freunden als Trophäe zeigen kann. Wenn ich dich befreie, wird mir niemand glauben, dass ich einen so großen Fisch gefangen habe", sagte ich ihm.
„Ich habe kein Problem damit, wenn du ein Foto mit mir zusammen machen willst. Hauptsache du lässt mich jetzt ein bisschen ins Wasser ...“
Ich hielt ihn ins Wasser, ließ ihn aber noch am Haken hängen. Dann holte ich meine digitale Kamera und positionierte sie für ein Selbstauslöser-Foto. Ich zog den riesigen Fisch wieder hoch, stellte den Selbstauslöser ein, ging wieder auf meinen Platz, nahm den Fisch in den Arm und wartete auf den Blitz.
"So, wenn du mich jetzt gehen lässt, hol ich dir die Fische, die ich dir versprochen habe", sagte er zu mir.
„Ich bin zwar großzügig, aber nicht doof. Wer garantiert mir, dass du nicht abhaust, sobald ich dich vom Haken befreie, ohne dein Versprechen zu halten? Auch weil ich glaube, dass es sprechende Fische, die Versprechen geben und einhalten auf der ganzen Welt nicht gibt.“
Und so befreite ich ihn zwar vom Haken, band aber zuvor seinen Schwanz an einer anderen, genauso starken, Schnur fest. Aus Angst, er könnte sich mithilfe seiner glitschigen Schuppen befreien, band ich ihn so fest, dass er wahrscheinlich mehr unter diesem Druck litt als unter dem Haken, den er zuvor im Mund hatte.
„Du misstrauischer Mensch! Aber du wirst sehen, du wirst dieses fehlende Vertrauen bitter bereuen .... wenn du mich nämlich ganz befreit hättest, hätte ich dich zum reichsten Mann der Nation gemacht. Hast du vielleicht noch nicht verstanden, dass ich ein magischer Fisch bin? Oder glaubst du etwa, dass jeder beliebige Fisch sprechen kann?“
„Ja, du kannst gerne behaupten, dass ich misstrauisch bin. Aber wenn ich im Leben immer jedem Glauben geschenkt hätte, der mir außergewöhnliche Versprechen wie deines gemacht hat, wäre ich jetzt sicher nicht hier und würde in Ruhe fischen, sondern würde irgendwo um Almosen bitten. Jedenfalls habe ich mein Wort gehalten und deinen Wunsch erfüllt, da du wolltest, dass ich dich vom Haken befreie und ins Wasser lasse. Jetzt bist du dran, dein Wort zu halten. Ich werde jetzt gleich die Körbe am Bootsrand befestigen und du wirst sie befüllen. "
Trotz meiner Vorsichtsmaßnahmen befreite der Fisch sich mit einem Ruck sofort mit dem Schwanz von der Schnur, als er im Wasser war. Er hat mich reingelegt, dachte ich und verabschiedete mich insgeheim von dem Gedanken, mit reichlich Fisch nach Hause zurückzukehren. Aber ich hatte mich geirrt.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich ein magischer Fisch bin. Aber ich habe dir nicht verraten, dass ich problemlos außerhalb des Wassers sein kann, so lange ich will und sogar gehen und laufen kann.“
Und, um mir das zu beweisen, sprang er zurück in mein Boot, tänzelte um mich herum, um mich herauszufordern ihn einzufangen. Aber nach einiger Zeit, als er sah, dass ich seine Herausforderung nicht annahm, sprang er zurück ins Wasser. Es war jetzt klar, dass er tatsächlich magisch war und dass er mich nur auf die Probe stellen wollte.
„Aber ich bin ein ehrlicher Fisch und werde mein Versprechen halten.“
Und tatsächlich hatte er innerhalb weniger Minuten alle meine drei Körbe gefüllt, die ich an Bord hatte. Einen Korb füllte er mit Weich- und Schalentieren, einen mit großen und einen mit kleinen Fischen. Einige warf er mit dem Mund hinein und andere sprangen wie von Zauberhand von alleine in die Körbe. Es waren so viele, dass ich am Fischmarkt vorbeifahren und jemanden suchen musste, der mir die Fische, die für mich zu viel waren, abkaufte.
„Sag bloß!“, meinte ich.
„Ja wirklich“, antwortete er. „Aber wenn ich es mir genau überlege, denke ich, dass dieser Fischfang teilweise auch dein Verdienst ist. Du hast mir viel Glück gewünscht und hast mir wirklich viel Glück gebracht, vielleicht so viel wie ich noch nie hatte. Ich weiß, wenn ich dich zum Fischen einlade, würdest du nein sagen. Aber willst du vielleicht heute Abend zum Essen zu mir kommen? Ich kümmere mich um alles, bring doch einfach nur eine Flasche guten Weißwein mit.“
„Warum nicht, Osvaldo. Ich werde kommen. Ist halb acht in Ordnung?“
„Ist gut. Also ich gehe dann, ich muss noch kurz zum Fischmarkt. Bis heute Abend.“
Osvaldo ging und ich blieb noch, um in Ruhe meinen Kaffee zu trinken.
„Und was denkst du darüber, was mein Freund Osvaldo erzählt hat?“, fragte ich den Barkeeper Vincenzo, der gerade damit beschäftigt war, einige Tassen zu waschen. „Glaubst du, dass nur irgendetwas Glaubwürdiges daran ist, was er gesagt hat?“
„Entschuldige, aber ich habe nicht zugehört was er gesagt hat“, antwortete er mir, ohne groß darüber nachzudenken.
„Lügen. Alles Lügengeschichten eines Fischers“, fuhr ich fort. „Ich frage mich, warum alle Fischer so sind, zumindest diejenigen, die ich kenne... voller übertriebener Fantasie. Vielleicht sind das die Auswirkungen nachts draußen zu sein, wenn man den natürlichen Rhythmus zwischen Schlafen und Wachsein überspringt. Wer weiß.“
Ich zahlte meinen Kaffee und wollte gerade gehen.
„Hey, warte. Du hast hier auf dem Tresen was liegen gelassen. Oder hat es dein Freund hier vergessen. Wie heißt er?“
„Osvaldo“, antwortete ich. Ich hatte nichts dabeigehabt. Ich schaute nach, ob es etwas von Osvaldo war. In der Tat waren es Rechnungen vom Fischmarkt und als Verkäufer stand dort sein Name. Und dann war da noch etwas, ich konnte es nicht erkennen .... was war das? Ein Foto. Eine Abendaufnahme, mit Blitz. Er hatte einen riesengroßen Fisch im Arm, fast größer als er selbst. Und - es hört sich komisch an - es sah so aus, als würde dieser große Fisch lächeln.