Читать книгу Schöner fremder Himmel - Marco Frohberger - Страница 8
2. PLATZ Weiße Welt Christiane Schwarze
ОглавлениеAkwasi tunkt mit der rechten Hand ein Fufu-Bällchen in die scharfe Pfeffersoße. Schluckt dann die klebrige Masse aus Maniok und grüner Kochbanane, ohne zu kauen, hinunter.
Er beobachtet das einlaufende Frachtschiff.
Als schließlich eine Containerbox nach der anderen am Haken eines Kranes in die Höhe gehievt wird, fühlt er sich seinem Traum ganz nah.
Hier am Rande des Meeres kann Akwasi tief atmen. Kein beißender Rauch in seinen Lungen.
Kein Gestank nach verschmortem Kunststoff. Keine heißen Flammen, die gemeinsam mit der sengenden Sonne seine Haut glühen lassen.
Selbst seine Füße brauchen nicht aufzupassen, denn hier knirschen unter den Gummilatschen keine scharfen Glassplitter.
Der Bauch des Schiffes ist gefüllt mit dem, was die Ferne hinter dem Meer ausgespuckt hat. Kaputte Computer, Waschmaschinen, Kühlschränke.
Akwasi stellt sich diese ferne Welt weiß vor und silbrig-glänzend.
Die Hafenarbeiter sagen: „Dorthin ist es weit.“
Akwasi schreckt das nicht. Als er mit seinem großen Bruder Yawo den Berg Atiwiredu überquert hat und zu Fuß bis in die Hauptstadt Accra gelaufen ist, dauerte der Weg auch viele Tage.
Er riecht gebratenen Fisch. Kauft aber keinen. Fufu-Bällchen sind billiger und müssen reichen.
Denn seit er den Stern gefunden hat, spart er jeden Pesewa. Immer wenn er hundert beisammen hat, lässt er sie in einen Cedi wechseln. Den Geldschein steckt er dann zu den anderen in einen Beutel, den er immer bei sich trägt.
Yawo hat laut gelacht, als er ihm den Stern zeigte, und auf das Wrack eines Autos gedeutet.
Doch er lässt sich nicht abbringen. Sterne glänzen vom Himmel. Also muss da, woher der Stern kommt, der Himmel sein.
Akwasi hat eines Abends beobachtet, wie junge Männer sich in einem Container versteckt haben und dieser kurz darauf von dem Kran auf ein Schiff gehoben worden ist.
Yawo hat gesagt: „Viele gehen hier weg, doch nur wenige kommen dort an.“
Das silbrige Weiß stapelt sich inzwischen auf offenen Lastwagen. Akwasi kennt ihr Ziel. Der Himmel hinter dem Meer wirft seinen Müll auf die große Halde am Stadtrand von Accra.
Seine Hände kennen jeden Griff: Mit einem Stein das Glas der Bildschirme zerschlagen und die Rechner zertrümmern. Festplatten und Kabel in ein Feuer werfen. Warten bis sich dicke schwarzgelbliche Schwaden mit dem Rauch der vielen anderen Feuer auf der Deponie vereinen. Wenn der Kunststoff verbrannt ist, mit Wasser löschen. Aus den schwarz verkrusteten Resten Kupfer und Aluminiumteile herausholen. Diese seinem älteren Bruder bringen. Yawo gibt ihm dann ein paar Pesewas und verkauft das Metall einem Händler.
Hundert Pesewas sind ein Cedi. Das weiß Akwasi. Aber nicht wie viel Cedi er dem Mann geben muss, damit er auch ihn in einem Container versteckt.
Doch er hat sich dessen Gesicht an dem Abend genau eingeprägt. Und erkennt ihn deshalb sofort wieder. Neben dem Fischverkäufer redet er mit jungen Männern, die ihm Geldscheine geben.
Akwasi stellt sich vor ihn und zeigt ihm seinen Beutel. Der Mann greift schnell zu und sagt: „Komm morgen Abend.“
Warum nur grinst er schief bei diesen Worten? Warum tuscheln einige der jungen Männer und andere blicken ihn mitleidig an?
Akwasis Hand umklammert den Stern.