Читать книгу Unterrichten mit WhatsApp, YouTube & Co. (E-Book, Neuauflage) - Marco Stauffacher - Страница 5

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3 Pädagogisches Rad 4.1

Bei der Erarbeitung dieses Buches stellte sich die Frage, wie die Tools der E-Learning-Einheiten in eine sinnvolle Struktur aufgegliedert werden könnten. Bei der Recherche bin ich auf das Pädagogische Rad 4.1 von Allan Carrington gestossen, welches mich von seinem Aufbau her überzeugt hat. Es vereint «traditionelle» Lehr- und Lernkonzepte mit modernen Medien.

Die Entstehung, die theoretischen Grundlagen und den Einsatz des Pädagogischen Rads 4.1 möchte ich im Folgenden erläutern.

3.1 Was ist das Pädagogische Rad 4.1?

Allan Carrington, ein australischer Professor für Lernentwicklung an der Universität Adelaide, hat 2013 eine grafische Darstellung entwickelt, die auf den «Bloom’schen Taxononomiestufen» (vgl. S. 21) und auf dem «SAMR-Modell» (vgl. S. 19) von Ruben Puentedura basiert. Mit dem Pädagogischen Rad lässt sich eine Zuordnung wichtiger E-Learning-Tools für den Bildungsbereich zu den einzelnen Taxonomiestufen vornehmen.


Pädagogisches Rad 4.1 nach Carrington

3.2 Die Entwicklung des Pädagogischen Rads 4.1

Carrington (2014) beschreibt in seinem Blog auf www.teachthought.com, wie er das Pädagogische Rad entwickelt hat.

Auf einer Unterrichtsreise nach Grossbritannien im Jahr 2012 hatte Carrington die Idee, Apps in Bloom’sche Taxonomiestufen zu kategorisieren. Da ihm die Einteilung in sechs Kategorien zu unübersichtlich erschien, adaptierte Carrington die Taxonomiestufen auf der Basis von Krathwohls und Andersons Interpretation (2001). Diese stufen, anders als Bloom, die Taxonomie in fünf statt sechs Ebenen, indem sie «Erinnern und Verstehen» kombinieren.

Die erste Version des Pädagogischen Rads (1.0) hatte in ihrem Kern also die adaptierte Version der Bloom’schen Taxonomiestufen. Carrington liess diese erste Variante von Lehrpersonen testen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Besonders die Apps in den Kategorien «Analyse» und «Gestalten» kamen gut an bei den Testpersonen. Diese Version des Rads beinhaltete bereits 65 Apps. Diese Apps sollten den Lernenden helfen, bessere Ergebnisse beim Lernen zu erzielen. Aufgrund des positiven Feedbacks der Lehrpersonen und seinen Studierenden wusste Carrington, dass er auf dem richtigen Weg war mit seiner Entwicklung.

Zurück in Australien erweiterte er die Version 1.0 mit den Aspekten «Anforderungsprofil» und «Fähigkeiten», woraus sich die Version 2.0 ergab. Die Aspekte integrieren die Frage nach den Voraussetzungen der Lernenden und die nach den Fähigkeiten, welche durch die App gefördert werden sollen. Auf diese Entwicklung folgte die Ausdehnung des Rads mit dem Aspekt «Motivation» und dem «SAMR-Modell», die zu Version 3.0 führte. Diese Version liess er nun zwei Jahre unverändert. 150 000-mal wurde die Version 3.0 in dieser Zeit heruntergeladen. Im Jahr 2014 überarbeitete Carrington das Rad vorerst ein letztes Mal, indem er die 65 bisherigen Apps aktualisierte und noch einmal verdoppelte, auf nun über 130 Apps im Pädagogischen Rad 4.1. Die Version 4.1 ist mittlerweile drei Jahre alt. Eine erneute Überarbeitung dieser Ausgabe wird nur noch eine Frage der Zeit sein.

3.3 Lehr- und Lernkonzepte des Pädagogischen Rads 4.1

In diesem Kapitel schauen wir uns die zwei zentralen Lehr- und Lernkonzepte des Pädagogischen Rads 4.1 etwas genauer an. Diese erscheinen mir für das Verständnis dieses Konzepts zentral.

3.3.1 SAMR- Modell

Das SAMR-Modell wurde 2012 von Dr. Ruben Puentedura entwickelt. Die Abkürzung steht für «The Substitution Augmentation Modification Redefinition»-Model (Ersetzungs-Erweiterungs-Änderungs-Neubelegungs-Modell).

In der Diskussion um den Einsatz von Lern- und Medientechnologien an Schulen wird das SAMR-Modell immer wichtiger. Das Modell eignet sich nach Wilke (2016) hervorragend, um Lehrpersonen, die eher auf analoge Lehrmittel zurückgreifen, die Vorzüge digitaler Werkzeuge näherzubringen. Am Modell lässt sich erklären, wie die Bearbeitung und Gestaltung von Aufgaben durch den Einsatz von E-Learning-Tools verbessert werden können. Zu diesem Zweck wird zunächst die Nutzung grundlegender technischer Funktionen eingeführt und danach die Möglichkeit einer Umgestaltung von Aufgaben gezeigt. Lehrpersonen können so auf einer niedrigen Stufe einsteigen und bei Bedarf den Technologieeinsatz für die Gestaltung ihrer Aufgaben erhöhen.

Um einen groben Einblick in dieses «Selbstbeobachtungswerkzeug» zu erhalten, habe ich die SAMR-Interpretation der kanadischen Lehrerin Sylvia Duckworth (2015) neu interpretiert.

Anders als im Original, werden die Bereiche nicht als hierarchische Ordnung gezeigt. Alternativ werden die Bereiche nebeneinander als «Flug der Möglichkeiten» erklärt.


SAMR-Modell «Flug der Möglichkeiten»

Adrian Wilke (2016) von der Uni Paderborn erklärt das SAMR-Modell wie folgt:

Ersetzung

Auf der untersten Ebene wird mit der einfachen Ersetzung (Substitution) analoger Aufgaben/Materialien durch digitale Repräsentationen begonnen. Als Beispiele führt Puentedura das Lesen von digitalisierten Texten oder die Nutzung vom Computer anstelle einer Schreibmaschine auf. Dies bringt noch keine funktionalen Verbesserungen mit sich, allein die Repräsentation beziehungsweise das Medium ändert sich. Auf dieser Ebene kann der Umgang mit digitalen Medien geübt werden. Ausserdem stehen digitale Inhalte zur weiteren Verwendung zur Verfügung.

Erweiterung

Eine Verbesserung (Enhancement) wird auf der zweiten Ebene Erweiterung (Augmentation) sichtbar. Grundfunktionen, wie zum Beispiel eine Rechtschreibeprüfung oder das Ausschneiden und Ersetzen von Inhalten können genutzt werden. Ebenso spielt die Integration von Technologien eine Rolle. Multimedia-Inhalte (textuell, auditiv, visuell) können verlinkt und eingebettet werden. Puentedura nennt in Vorträgen auch das Erstellen von digitalen Karten und eine Kombination mit interaktiven Zeitlinien. Dies stellt eine funktionale Verbesserung dar, die mit rein analogem Arbeitsmaterial nur eingeschränkt möglich ist. Lernende könnten auf dem herkömmlichen Wege ein Wörterbuch hinzuziehen, Inhalte abschreiben oder verschiedenfarbige Karten auf einem Plakat befestigen.

Änderung

Der Bereich der Umgestaltung (Transformation) von Aufgaben beginnt auf der Ebene der Änderung (Modification). Aufgaben, die auch analog gestellt werden könnten, werden so umformuliert, dass eine digitale Unterstützung erforderlich ist und deren Vorzüge explizit von den Lernenden genutzt werden sollen. Beliebige zur Verfügung stehende Soft- und Hardware kann Einsatz finden. Puentedura zählt exemplarisch die Integration von Kommunikationswerkzeugen (E-Mail), Tabellenkalkulationen, grafische Darstellungen sowie textuelle, visuelle und auditive Werkzeuge auf. In den Vordergrund kann hier auch der soziale Aspekt rücken. Das gegenseitige Kommentieren von Blog-Beiträgen und die sich ergebende Diskussion kann zum Aufbau von gemeinsamen Wissen genutzt werden. Im Fokus steht hier die Neugestaltung von Aufgaben unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten. Die Umsetzung wird den Lehrenden über das Ausarbeiten konkreter Aufgaben überlassen.

Neubelegung

Aufgaben, die ohne technologische Unterstützung nicht möglich wären, sind Teil der Ebene der Neubelegung (Redefinition). Anstelle vom Schreiben von Essays kann beispielsweise das digitale Storytelling gewählt werden. Dabei sind keine eintönigen PowerPoint-Präsentationen gemeint, bei denen man sich von Folie zu Folie hangelt, sondern zum Beispiel eine Kombination von Bildern und Videos, mit denen eine Geschichte der persönlich am spannendsten wahrgenommenen Eindrücke und Informationen erzählt wird. Auch Werkzeuge zur Visualisierung schwer verständlicher Inhalte können hier genutzt werden.

3.3.2 Bloom’sche Taxonomiestufen

Taxonomiestufen können für die Einordnung von Lernzielen verwendet werden. Sie helfen, die Unterschiedlichkeit von Lernzielen nach logischen Kriterien in sechs Stufen zu gliedern. Sie sind für die Lernzielkontrolle sehr hilfreich. Die bekannteste Taxonomie ist die von Benjamin Bloom. Unten stehende Tabelle erklärt die einzelnen Stufen und ordnet ihnen eine Auswahl von Verben zu, welche die Lernzielbeschreibungen erleichtern. Jede der Stufen baut auf der vorangehenden Stufe auf und beinhaltet sie.

TaxonomiestufeBeschreibungVerben
Wissen (K 1)– Faktenwissen kennenDie Lernenden geben wieder, was sie vorher gelernt haben. Der Prüfungsstoff musste auswendig gelernt oder geübt werden.angeben, aufschreiben, aufzählen, aufzeichnen, ausführen, benennen, beschreiben, bezeichnen, darstellen, reproduzieren, vervollständigen, zeichnen, zeigen, wiedergeben
Verständnis (K 2)– Verstehen,– mit eigenen Worten begründenDie Lernenden erklären z. B. einen Begriff, eine Formel, einen Sachverhalt oder ein Gerät. Ihr Verständnis zeigt sich darin, dass sie das Gelernte auch in einem Kontext präsent haben, der sich vom Kontext unterscheidet, in dem gelernt worden ist. So können die Lernenden z. B. einen Sachverhalt auch umgangssprachlich erläutern oder den Zusammenhang grafisch darstellen.begründen, beschreiben, deuten, einordnen, erklären, erläutern, interpretieren, ordnen, präzisieren, schildern, übersetzen, übertragen, umschreiben, unterscheiden, verdeutlichen, vergleichen, wiedergeben
Anwendung (K 3)– Umsetzung eindimensionaler Lerninhalte– Beispiele aus eigener PraxisDie Lernenden wenden etwas Gelerntes in einer neuen Situation an. Diese Anwendungssituation ist bisher nicht vorgekommen.abschätzen, anknüpfen, anwenden, aufstellen, ausführen, begründen, berechnen, bestimmen, beweisen, durchführen, einordnen, erstellen, entwickeln, interpretieren, formulieren, lösen, modifizieren, quantifizieren, realisieren, übersetzen, unterscheiden, umschreiben, verdeutlichen
Analyse (K 4)– Zerlegen in Einzelteile– FallstudienDie Lernenden zerlegen Modelle, Verfahren oder anderes in deren Bestandteile. Dabei müssen sie in komplexen Sachverhalten die Aufbauprinzipien oder inneren Strukturen entdecken. Sie erkennen Zusammenhänge.ableiten, analysieren, auflösen, beschreiben, darlegen, einkreisen, erkennen, gegenüberstellen, gliedern, identifizieren, isolieren, klassifizieren, nachweisen, untersuchen, vergleichen, erlegen, zuordnen
Synthese (K 5)– Vernetzen und doptimieren– Fachübergreifend darstellen– ProjektaufgabenDie Lernenden zeigen eine konstruktive Leistung. Sie müssen verschiedene Teile zusammenfügen, die sie noch nicht zusammen erlebt oder gesehen haben. Aus ihrer Sicht müssen sie eine schöpferische Leistung erbringen. Das Neue ist aber in der bisherigen Erfahrung oder in der Kenntnis der Lernenden noch nicht vorhanden.abfassen, aufbauen, aufstellen, ausarbeiten, definieren, entwerfen, entwickeln, erläutern, gestalten, kombinieren, konstruieren, lösen, optimieren, organisieren, planen, verfassen, zusammenstellen
Beurteilung (K 6) Entspricht K 4 mit zusätzlicher Bewertung durch die LernendenDie Lernenden beurteilen ein Modell, eine Lösung, einen Ansatz, ein Verfahren oder etwas Ähnliches insgesamt in Hinsicht auf dessen Zweckmässigkeit oder innere Struktur. Sie kennen z. B. das Modell, dessen Bestandteile und darüber hinaus noch die Qualitätsangemessenheit, die innere Stimmigkeit oder Funktionstüchtigkeit. Darüber müssen sie sich ein Urteil bilden, um die Aufgabe richtig zu lösen.äussern, auswählen, auswerten, beurteilen, bewerten, differenzieren, entscheiden, folgern, gewichten, messen, prüfen, qualifizieren, urteilen, vereinfachen, vergleichen, vertreten, werten, widerlegen

3.3.3 Bloom trifft SAMR

Kathy Schrock (2013), eine amerikanische Lehrerin und Pionierin der Medienpädagogik, kombiniert das SAMR-Modell mit der Bloom’schen Taxonomie, um ihre Vorstellung von gehaltvollem Unterricht zu veranschaulichen. Schrock kommt es darauf an, dass Lehrende Aufgabenstellungen entwickeln, die von den Lernenden einerseits kognitive Fähigkeiten der höheren Ebenen des Bloom’schen Modells abverlangen und gleichzeitig eine erkennbare Auswirkung auf die Lernergebnisse haben.

Lehrpersonen mögen nun einwenden, dass es Aufgaben gibt, die dem Bereich der Neubelegung zuzuordnen sind und dennoch nur das Level des Wissens (K1) ansprechen. Doch Kathy Schrock plädiert zu diesem Einwand:

«We should be planning for technology tasks, activities, and assessments that include both the higher levels of Bloom’s Revised Taxonomy and the transformation area of SAMR model.» («Wir sollten für Aufgaben, Aktivitäten und Bewertungen versuchen, sowohl in den Bloom’schen Taxonomiestufen als auch im SAMR-Modell die nächst höhere Stufe zu erreichen.»)

Die Kombination aus SAMR-Modell und Bloom’scher Taxonomie kann Lehrpersonen bei der Entwicklung von differenzierten und kompetenzorientierten E-Learning-Aufgaben unterstützen.


Bloom trifft SAMR

3.4 Nutzung des Pädagogischen Rads 4.1

Carrington (2014) schlägt vor, das Pädagogische Rad 4.1 als Orientierungsrahmen beim Einsatz von neuen Medien von der Vorbereitung bis zur Durchführung zu nutzen.

Die Nutzung lässt sich im Wesentlichen in fünf Schritte unterteilen.

Schritt 1: Attribute festlegen → Was sollen die Lernenden am Ende der Einheit beherrschen? Welche Anforderungen und Fähigkeiten sollen mit der Unterrichtseinheit gestärkt werden? Mit diesen Fragen geben wir unserer Unterrichtseinheit eine Grundrichtung.

Schritt 2: Motivation → Stehen die Attribute fest, sollte man sich fragen, wie der Unterricht die «Autonomie», «Kompetenzen» und «Selbstbestimmung» der Lernenden fördert. Dies lässt sich nicht pauschal für jede Klasse sagen. Je nach Klassenzusammensetzung verhält sich die Situation anders. Dieser Punkt soll sorgfältig geprüft werden.

Schritt 3: Lernziele und Bloom’sche Taxonomie → Laut Carrington (2014) soll zuerst versucht werden, die Lernziele einer Kategorie («Erinnern und Verstehen», «Anwenden», «Analysieren», «Bewerten», «Gestalten») zuzuordnen. Um seine Lernziele einfacher in der Bloom’schen Taxonomie einstufen zu können, helfen einem die Aktivitätsverben im Pädagogischen Rad.

Schritt 4: Technologie → Steht das Lernziel (inklusive Einordnung in die Taxonomiestufen) fest, soll man sich für die passende Technologie entscheiden. Nicht in jedem Fall ist ein E-Learning-Tool das richtige Mittel. Der Aufwand für den Einsatz eines E-Learning-Tools soll stets mit dem Ertrag verglichen werden. Die Frage, wie der Einsatz von digitalen Medien die pädagogisch sinnvolle Unterrichtsgestaltung unterstützen kann, soll stets gestellt werden. Die Apps im Pädagogischen Rad dienen nur der Orientierung. Man soll sich stets nach Alternativen oder Neuerungen umsehen. Es können auch mehrere Apps in einer Einheit kombiniert werden.

Schritt 5: SAMR-Modell → Sind die Apps für die Unterrichtseinheit ausgewählt, stellt sich die Frage nach dem Einsatz dieser Mittel. Dazu kommt uns das SAMR-Modell zu Hilfe. Es wird Apps geben, die einem noch nicht so vertraut sind. Dementsprechend zurückhaltend wird die App wohl im Unterricht eingesetzt. Je besser ich aber eine Anwendung kenne, desto virtuoser kann ich damit umgehen und sogar neue pädagogische Dimensionen erreichen. Hier gilt die Devise: Zuerst Bewährtes ausprobieren, erst danach Neues erschaffen. Dabei darf auch mal etwas schiefgehen. Nicht jedes Tool funktioniert im Unterricht auf Anhieb wie geplant. Dadurch sollte man sich nicht entmutigen lassen.

Die beschriebenen fünf Schritte sind als Vorschlag zu sehen. Je nach Anwendung können Schritte ausgelassen oder übersprungen werden.

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