Читать книгу Der silberne Vorhang - Margarita Atzl - Страница 5
Sternenstaub
ОглавлениеDie Sprachmelodie der mit goldenem Staub durchzogenen Halle erfüllte Jasminas Herz mit dem Gefühl unendlichen Glücks. Staunend betrachtete sie die verspiegelten Wände mit den zum Takt der beschwingenden Töne sich sanft wiegenden Gestalten, die sie mit einem fröhlichen Lied willkommen hießen.
Behutsam wurde sie von sanften Händen vor einen der goldenen Spiegel geleitet, die den Raum mit einem schimmernden Glanz schmückten. Saphir-blaue Augen mit langen, geschwungenen Wimpern krönten das edle Gesicht mit der hübschen Nase und den leicht geröteten Lippen, die sich gerade zu einem freudigen Lächeln öffneten. Jasmina staunte. Sie sah sich im Spiegel und fand sich schön. Umrahmt von den leichten Wellen des goldfarbenen Haares blickte ihr ein, den freundlichen Engelsfiguren der großen Künstler gleichendes, Wesen entgegen. Das kurze blau geblümte Kleid rundete diese Erscheinung ab. Passende Schuhe, aus denen die spitzengeklöppelten Socken hervorblitzten, schmückten ihre pudrig glitzernden Beine.
Als sie endlich ihren Blick von diesem Anblick lösen konnte, wandte sie sich dem geduldig neben ihr wartenden, mit weißen Locken ausgestatteten, Elfenjungen zu, der sie spitzbübisch angrinste.
Sein elfenbeinfarbenes Hemd war, ebenso wie die helle, in hohen Stiefeln steckende Hose mit goldenen Staubkörnern bedeckt. Warme graue Augen blinzelten ihr freundlich zu und Jasmina fühlte, wie ein wohliger Schauer durch ihren Körper zog.
»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Prinz Helauneval. Im Namen meiner Mutter, der hochwohlgeborenen Königin Qwina-Wuno und meines Vaters, des großen Königs Lacotavar, Herrscher über alle Elfen des Planeten, heiße ich dich bei uns willkommen. Du darfst mich aber, wie alle meine Freunde es tun, Sternenstaub nennen.«
Erstaunt betrachtete Jasmina den Prinzen. Elfen hatte sie sich anders vorgestellt. In Sagen und Märchen wurden sie als kleine, zierliche Gestalten beschrieben, dieser Elfenprinz jedoch war groß und schlank. Ohne seine überaus spitz zulaufenden Ohren hätte man ihn für einen Menschen halten können.
Prinz Sternenstaub grinste Jasmina an. »Ja, du hast richtig gehört. Ich bin ein Elfenprinz. Genauer gesagt ein Großelfenprinz. In alten Sagen und Erzählungen werden wir Großelfen auch Elben oder Alben genannt. Genaugenommen gehören wir zur Alben-Familie. Mein Vater, der große König Lacotavar, herrscht über uns Großelfen ebenso, wie über alle anderen Elfen, die auf unserem Planeten wohnen. Es gibt auch winzige Elfen auf unserem Stern.«
Überrascht hörte Jasmina zu, was der Elfenprinz zu sagen hatte. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken hin und her. Obwohl sie nichts gesagt hatte, schien er alles verstanden zu haben. Scheinbar konnte er ihre Gedanken lesen, was schon ein wenig gruselig war.
Sternenstaub nickte und flüsterte leise in Jasminas Ohr: »Ich lese gern die Gedanken der anderen Wesen. Aber Fußball spiele ich noch lieber. «
Der kleine Prinz wirbelte einmal um seine Achse und breitete die Arme aus, während er auf die Gestalten zeigte, die Jasmina so nett musikalisch empfangen hatten. »Darf ich dir meine Freunde vorstellen? Wo sie sind, wirst du auch mich finden, denn sie begleiten mich überallhin.«
Nach und nach verbeugten sich die Großelfenkinder und nannten ihre Namen. Zunächst trat Zaida nach vorn. Ihre grünen Augen blickten neugierig in die Welt. Das silbrige Haar war mit dem gleichen Puderstaub bedeckt, das Jasmina auf der Kleidung des Prinzen wahrgenommen hatte. Ihr in Falten geworfener Rock hüpfte bei jeder ihrer Bewegungen fröhlich auf und ab. Im Schlepptau hatte sie ihren jüngeren Bruder Anion, der Jasmina durch die Gläser seiner getönten Nickelbrille aufmerksam betrachtete. Die Zwillinge Athavar und Azariell waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Während der in bunte Tücher gehüllte Athavar immer zu lustigen Streichen aufgelegt war, befasste sich Azariell mit der Erstehung von Planetenwelten. Er trug für seine Forschungen stets ein goldenes Fernrohr bei sich. Mit einem ebenfalls goldfarbenen Stift schrieb er Formeln und Zahlen in ein dickes in echten Goldstaub gefasstes Buch, das seinen Platz in dem großen Rucksack hatte, der über der linken Schulter des Jungen baumelte. Die mutigen Großelfen-Jungen Ancoron und Arminas sorgten dafür, dass Sternenstaub gut behütet den goldenen Planeten, auf dem der Großelfenkönig sich mit seiner Gefolgschaft niedergelassen hatte, erkunden konnte. Denn in den Wäldern wohnten Kobolde, Hutzelmännchen, Wurzel-Gnome und Berg-Zwerge, die es nicht immer gut mit den Elfen meinten und schon so manchen Streich ausgeheckt hatten, um den großen König Lacotavar zu schwächen und ihm seine Macht zu nehmen.
Zum weiteren Gefolge des Prinzen zählten die Großelfen-Mädchen Xenia, Yasmine und Zandra sowie ihre Cousins Albion und Elank. Auch der kleine Ivan, dessen Nase ständig lief, und der auf pummeligen Beinen mal hierhin und mal dorthin purzelte, um urplötzlich hinter einem der Spiegelwände zu verschwinden, gehörte zum Gefolge. Von seinen Ausflügen kehrte Ivan stets mit kleinen Geschenken, die aus goldenen Federn, glitzernden Kristallen und silberglänzenden Steinen bestanden, zurück.
Inmitten dieser Gruppe wagte es Jasmina den Saal zu verlassen, die Regenbogentreppe zu betreten und über die farbigen Stufen ins Untergeschoss zu gehen. Große, bunte, mit weichem fransigem Fell ausgestattete Beförderer warteten dort bereits auf den Prinzen und seine Freunde. Jasmina durfte hinter Sternenstaub auf Taxas, dem Reit-Tier des Prinzen sitzen. Staunend bewunderte sie das bunte Gefieder, während der so Begutachtete seine junge Passagierin mit seinen schwarzen Augen listig anblitzte. Taxas verbeugte sich tief vor seinem Herrn, während seine goldglänzende, schnabelähnliche Schnauze sein Geschenk, ein großes Stück der Himbeer-Schokolade, die Sternenstaub in seiner Tasche versteckt hatte, entgegennahm.
Nachdem alle Begleiter des Elfenprinzen auf ihren Reit-Tieren saßen, konnte die Reise zum Schloss des Königs beginnen. Das Auf und Ab des tragenden Tieres ließ Jasmina in einen leichten Schlaf fallen. Ihre Augen wurden schwer. Sie lehnte sich an Sternenstaubs Rücken und umarmte ihn fest. So gesichert und vor Stürzen geschützt, genoss Jasmina den Ritt durch die weiten Ebenen des goldenen Sternes.