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1.9Was beinhaltet gemeinsame elterliche Sorge konkret?

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Viele Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass das neue Sorgerecht im Nachscheidungsalltag nicht viel verändern werde. Es sei ein guter gesetzlicher Rahmen, der allerdings nicht die Bedeutung haben werde, wie man es jetzt darstelle. Zwischen rechtlicher Sorge und faktischer Sorge bestehe ein wichtiger Unterschied.

Bettina Bannwart erzählt: «Väterorganisationen sagen: Wir wollen nicht nur Zahlväter sein, sondern auch etwas vom Kind haben. Aber die rechtliche Sorge hat ja nichts damit zu tun, wie der getrennt lebende Elternteil das Kind tatsächlich betreut. Tatsächliche Betreuung heisst zeitliches Engagement. Es heisst verstehen, was das Kind berührt, welche Sorgen es hat, was es erzählt, wenn es aus dem Kindergarten kommt – und nicht nur die ‹Quality-Time› am Abend oder am Wochenende mit dem Kind verbringen. Dass die Ungleichverteilung der effektiven Betreuungsarbeit zwischen den Eltern während des Zusammenlebens kaum thematisiert wird, finde ich bedauerlich.»

Wenn man den Alltag von Kindern und Erwachsenen im Fokus hat, geht es also nicht (nur) um die elterliche Sorge an sich, sondern um konkrete Fragen. Es geht um die Aufgaben- und Rollenteilung: Wer macht was? Welche Arbeitsteilungsmuster gibt es? Was bewährt sich daran und was nicht?36 In vielen Köpfen spukt die unzutreffende Vorstellung, gemeinsame elterliche Sorge bedeute gemeinsame Betreuung. Faktisch ändert sich an den Rollenteilungsmustern nach Trennung oder Scheidung aber meist nicht viel, ausser dass viele Frauen wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder diese ausbauen. Der Besuch des Vaters, der früher vielleicht zu Hause mitgeholfen hat, reduziert sich allerdings auf die Besuchszeiten. Diesbezüglich macht das Gesetz ja keine Vorgaben.

Wie stellt sich Heidi Simoni vom Marie Meierhofer Institut für das Kind die optimale Zuordnung der Entscheidungsbefugnisse bei gemeinsamer elterlicher Sorge vor? Ihre Devise lautet: «Einvernehmlich ausgehandelt, als Grundlage für die Zusammenarbeit schriftlich fixiert, in der Anwendung flexibel und mit dem Kind wachsend. Entscheidungsbefugnisse müssen sich nach dem Alltag richten. Jetzt ist es so, dass vor allem jener entscheidet, bei dem das Kind lebt. Wenn eine partnerschaftliche Betreuung besteht, müssen sich die Entscheidungsbefugnisse danach richten.»

Die nacheheliche Familiensituation muss sich also permanent weiterentwickeln, damit sie den Bedürfnissen sowohl der Erwachsenen als auch der Kinder weiterhin entspricht.

Auch das Besuchsrecht muss der Entwicklung des Kindes gegebenenfalls angepasst werden. Dazu Nationalrätin Jacqueline Fehr: «Aus Sicht der Kinder ist die nacheheliche Familie ein wachsender Organismus. Wenn Kinder grösser werden, stimmt die Wo­chen­end­re­ge­lung vielleicht nicht mehr, weil sie ihre Zeit mit den Kollegen und Koleginnen verbringen wollen. Man muss eventuell Weihnachten anders gestalten. Man muss den Kopf und den Fächer öffnen, um flexibel zu sein, das beinhaltet auch Chancen für die Kinder.»

6Art. 297 Abs. 1 ZGB.

7Art. 297 Abs. 2 ZGB.

8Art. 311 und 312 ZGB.

9Art 133 Abs. 1 ZGB.

10Art. 133 Abs. 3 ZGB.

11Vgl. auch im Zusammenhang mit der Scheidungsrate, hier.

12Inkl. Verwitwete. In Klammern sind die Zahlen für eingetragene Partnerschaften auf­geführt.

13Art. 298, Abs. 1 ZGB.

14Art. 298a, Abs. 1 ZGB.

15Art. 286 ZGB.

16Art. 275 ZGB.

17Nach Art. 111 ZGB.

18Art. 296 ZPO.

19Art. 133 ZGB.

20Art. 134 ZGB.

21Art. 298a ZGB.

22Art. 298a Abs. 4.

23Art. 298a Abs. 2.

24Art. 298a Abs. 3.

25Art. 298a Abs. 5.

26Art. 298b Abs. 1.

27Art. 301 Abs. 1bis ZGB.

28Art. 301a Abs. 2 ZGB.

29Art. 301a Abs. 3 ZGB.

30Art. 301a Abs. 4 ZGB.

31Art. 12 Abs. 5 ZGB.

32Da noch keine entsprechenden Bundesgerichtsurteile vorliegen.

33Es bleibt damit beim heutigen Art. 220 StGB, der einzig das Entziehen von Unmündigen – die Kindesentführung – unter Strafe stellt.

34Vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Elterliche Sorge) vom 16.11.2011, S. 9096 f.

35Die Botschaft erwähnt als Beispiele namentlich Deutschland, Österreich, ­Belgien, ­Frankreich, Italien, England, Wales sowie Dänemark.

36Vgl. dazu Abschnitt 7.4.

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