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Die Legende von Bodhisatta Padmapani

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Vor unzähligen Kalpas lebte der große Buddha Odpadmed in vollkommener Seligkeit im Paradies Dewahan, umgeben von den Glücklichen, die dem ewigen Kreislauf enthoben waren.

Blickte aber Buddha Odpadmed hinab in die Menschenwelt, betrübte ihn das Elend und der Jammer der Erde. Da beschloß der Wahrhaft-Vollendete unbeschreiblich strahlende Buddha Odpadmed zur Errettung der Kreaturen einen Bodhisatta in die Welt hinabzusenden.

Er wünschte aber, daß die Herrscher der Erde dem Erlösungswerk sich wohlwollend zeigen sollten und er wollte deshalb, daß der Bodhisatta als ein großer König geboren werde.

Buddha Odpadmed schickte einen glänzenden weißen Strahl aus seinem rechten Auge in die Welt. So entstand der Bodhisatta.

Damals aber lebte ein König namens Mangli. Er beherrschte die vier Weltteile und war unermeßlich reich und mächtig. Obgleich er tausend strahlend schöne Gemahlinnen hatte, war ihm kein Sohn beschieden. Er betete zu allen Göttern und Schutzgeistern und erflehte einen Erben. Reiche Opfergaben spendete Mangli und ließ die Altäre der Gottheiten regelmäßig mit Blumen und Gewürzen schmücken. Er schickte seine Leute immer nach dem nahen See Padmatu-Nur, wo schöne rosa Lotosblüten wuchsen.

Nun geschah es einmal, daß die Männer, die um Blumen gesandt wurden, die Nachricht brachten, daß inmitten des Sees eine Riesenlotos erblüht sei.

Der König hörte von dieser Wunderblume und er beschloß, sofort hinzueilen und auf dem Blütenkelch einen Tempel zu errichten.

Im ganzen Lande sprach man über dieses Wunder, das man aber vergeblich zu deuten versuchte.

Für den König stellte man besondere Flosse her, welche ihn und sein Gefolge zu der Lotos bringen sollten. Mit vielen Opfergaben, mit Gesang und Paukenschlägen fuhr der König und der ganze Hofstaat über den See, um die Wunderblume zu ehren und anzubeten.

Als man aber zu der Stelle kam, sahen alle voll Erstaunen, daß der Kelch der Lotosblume sich langsam öffnete und ihm ein unvergleichlich schöner Jüngling mit einer Krone auf dem Haupt entstieg. Mit wohllautender Stimme rief er: „Gnade und Heil allen Kreaturen.”

Der König und der ganze Hofstaat fielen auf die Knie und beteten den Jüngling an. Man hüllte ihn in köstliche Gewänder, hob ihn in die königliche Karosse und führte ihn, von allen bewundert, in den Palast.D urch den Oberpriester verkündete Buddha Odpadmed auch den Namen des Bodhisatta und man nannte ihn Padmapani.

Der Bodhisatta lernte unaufhörlich und seine Weisheit wurde grenzenlos. Er sah mit voller Klarheit auch das verborgenste und nichts in der Welt blieb ihm unbekannt. Er erschauerte, als er erfahren mußte, wie Ungerechtigkeit überall wie ein ungestümes wildes Meer sich ausbreitete, wie Bosheit und Zorn gleich feurigen Flammen wüteten. Er sah Unwissenheit und Torheit alles verdunkeln und verdüstern. Er sah, wie Hoffart gleich hohen Bergen anwuchs, und wie Leichtfertigkeit gleich dem Sturmwind alles zerstörte.

Als der Boddhisatta so viel Jammer ansah, war er bereit, das Leid aller Kreaturen auf sich zu nehmen, um alle Qual aus der Welt zu schaffen. Als er all seine schwere Sendung dachte, begannen seine Tränen zu fließen. Sie fielen auf die Erde und aus ihnen entstanden zwei Göttinnen. Sie neigten sich liebevoll über den Bodhisatta und versprachen ihm Beistand und Hilfe. Darauf verschwanden sie.

Zufällig war König Mangli Zeuge dieses merkwürdigen Geschehens und er fragte den Boddhisatta, was dies bedeute.

Padmapani antwortete: „Über den unendlichen Jammer aller Kreaturen mußte ich weinen, und die Göttinnen erschienen, um mir Trost in meiner Seelennot zu bringen, und um mir Hilfe und Unterstützung zu versprechen.”

Darauf begab sich der Bodhisatta in den tiefsten Wald und lebte in vollkommener Abgeschiedenheit. Seine inbrünstigen Gebete klangen wie der Gesang des Vogels Galah-bing-gah. Einmal, als er gerade in andächtiger Meditation versunken war, erschien in seiner Einsamkeit Buddha Odpadmed in unbeschreiblichem Glanz. Liebevoll und gütig versprach er dem Boddhisatta, ihm beizustehen und ihm zu helfen, die Menschen aus ihrem Elend zu erlösen.

Darauf wurde der auserwählte Bodhisatta von allen elf Millionen siegreich-vollendeten Buddhas als der neue Erretter und Erlöser aller Kreaturen gepriesen. Der Bodllisatta verneigte sich tief nach allen vier Himmelsrichtungen und legte folgendes Gelübde ab:„Sollte ich ermüden und verzweifeln, bevor meine Aufgabe vollbracht ist, alle Kreaturen zu erlösen und alle Verdammten aus den Höllen für immer zu befreien, so möge mein Haupt in tausend Stücke zersplittern.”

Nach diesem Schwur widmete sich der Bodhisatta Padmapani ganz dem Erlösungswerk. Er zeigte den Menschen ihre Gebrechen und allen Jammer und macht sie sehend. Er rief alle Unerlösten aus der Verdammnis und rettete sie vor ewiger Qual. Bald wurden die Höllen leer, und das Elend schien von der Welt verschwunden. Endlich glaubte Padmapani, seine Aufgabe erfüllt zu haben. Er stieg auf den Berg Sumeru, den höchsten Gipfel der Erde, und ließ sich dort nieder. Aber bald sah er, wie sich die Höllen wieder füllten, wie die Menschen immer tiefer in Sünde gerieten und wie schnell alles, was er tat, vergessen war. Da zweifelte er an der Errettung und Erlösung der Kreaturen und unendliche Sehnsucht überkam ihn nach seiner himmlischen Heimat Dewahan. Kleinmut und Zweifel rächten sich furchtbar an ihm. Sein Gelübde erfüllte sich und sein Kopf zersprang in tausend Stücke.

Buddha Odpadmed, sein göttlicher Vater, war aber von tiefem Mitleid für seinen unglücklichen Sohn erfüllt und er brachte den zerschmetterten Bodhisatta nach Dewahan und formte aus den tausend Splittern zehn neue Köpfe. Als Padmapani aus seiner tiefen Ohnmacht erwachte, gab Buddha Odpadmed ihm den Trost und die Hoffnung, daß es einmal doch gelingen würde, die Menschen ganz zu erlösen.Seit dieser Zeit erscheint der Bodhisatta Padmapani zehnköpfig.

Ihn ehrt das Gebet der Tibetaner: „Om Mani padme hum” (0, du Juwel der Lotos).

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