Читать книгу Innovation durch Kooperation - Marianna G. Viscuso - Страница 6
Оглавление1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Die zunehmende Geschwindigkeit der Digitalisierung und die damit einhergehende Veränderung der wirtschaftlichen Umwelt stellt viele Unternehmen und Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Die globale Vernetzung, die einerseits aus dem technischen Fortschritt und andererseits aus der Entwicklung sozialer Netzwerke hervorgegangen ist, trägt weltweit mittels neuer Technologien zu einer offeneren Kommunikationskultur sowie zu moderneren Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung bei.1 Das Netzwerk als Mittelpunkt sozialer Interaktion zwischen Individuen und Organisationen gewinnt im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext stetig an Bedeutung.2 Unternehmensübergreifende Kooperationen, strategische Partnerschaften und damit das interaktive Teilen von Informationen und Ideen über Unternehmensgrenzen hinweg werden als moderne Werkzeuge für die Entwicklung neuer Produkte und Kundenlösungen genutzt.3 Vor diesem Hintergrund werden gängige Management-, Organisations- und Wertschöpfungsprinzipien, die im geschlossenen Rahmen von Unternehmungen vorzufinden sind, zunehmend in Frage gestellt.4
Unternehmen müssen heute schnell auf neue Kunden- und Marktanforderungen reagieren, um diesen mit der Entwicklung innovativer Geschäftsmodellen gerecht zu werden. Dabei sind Innovationen nicht gleichermassen als Innovationen zu verstehen. Innovationen unterscheiden sich in ihrem Wirkungsgrad und dem Ausmass der Veränderung. Sie beschränken sich in traditionellen Branchen oft auf inkrementelle Veränderungen, die lediglich als Verbesserung des Bestehenden betrachtet werden.5 Zu wahren, sogenannten disruptiven Neuerungen kommt es dagegen häufig nur bei neuen Marktteilnehmern.6
Als Gründe hierfür können eine Kombination aus langwierigen Prozessen, schwerfälligen Organisations- und Managementstrukturen, überholte Denkweisen, falsche Marktausrichtungen und eine fehlende Risikobereitschaft in etablierten Branchen und Unternehmen ins Feld geführt werden.7 Mit zunehmender Unternehmensgrösse geht nach gängigen Meinungen „die Fähigkeit Innovation, Kreativität und Wachstum zu fördern“8 zwangsläufig abhanden.9
Die Digitalisierung manifestiert sich nicht nur in einzelnen Unternehmen, sondern beeinflusst die Entwicklung gesamter Branchen und setzt diese neuen wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnissen aus. Neue Anbieter, sogenannte Disruptoren treten als Startups mit Ideen in den Markt ein, entwickeln innovative Geschäftsmodelle und wälzen Märkte grundlegend um.10 Die Idee der „Zerstörung“, um Neues zu schaffen, ist nicht neu. Bereits im Jahr 1911 beschrieb Joseph Schumpeter in seinem Buch „Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ das Konzept der „schöpferischen Zerstörung“, um wirtschaftliche Veränderungen in Gang zu setzen, statt sich dem fortwährenden Wandel unvorbereitet auszusetzen.11 Dabei geht es prinzipiell darum, Gewohntes infrage zu stellen und sich neuen Lösungsansätzen zuzuwenden. Durch den steigenden Wettbewerbs- und Innovationsdruck bei gleichzeitig sinkenden Produktlebenszyklen wird es auch für etablierte Organisationen immer wichtiger, Innovationsprozesse zu verbessern.12 Kooperationen zwischen Unternehmen ermöglichen neue Wertschöpfungspotenziale, die vom gegenseitigen Lernen bis hin zu Kosteneinsparungen reichen können.13 In diesem Zusammenhang prägte Henry Chesbrough im Jahr 2003 den Begriff „Open Innovation“ und beschrieb damit erstmals ein Konzept zur Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen zur Integration externer Akteure.14
Mit der Öffnung des Innovationsprozesses soll zum einen das Investitionsrisiko reduziert werden indem es auf unterschiedliche Akteure verteilt wird und zum anderen ein offener Austausch von Ideen im Suchprozess nach neuen Lösungen angeregt werden.15 In der vorliegenden Studie gilt es herauszufinden, wie sich Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen und Startups erfolgreich gestalten und umsetzen lassen.16
1.2. Fragestellung und Ziel der Studie
Damit ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sein kann, muss es ein breites Spektrum an Kompetenzen abdecken und Expertise in verschieden Gebieten ausweisen.17 Nicht jedes Unternehmen kann mit dem schnellen Wandel der Digitalisierung und dem zunehmenden Wettbewerb Schritt halten. Die Transformation der Geschäftswelt eröffnet viele neue Möglichkeiten und bringt gleichzeitig grosse Herausforderungen mit sich.18 Umso wichtiger ist es, einen Weg zu finden, um bestehende Wissenslücken zu füllen, Fähigkeiten zu erweitern, Kompetenzen aufzubauen und Innovationen voranzutreiben.19 Die Erkenntnis, dass eine Öffnung der Organisation nach Aussen eine wichtige Rolle für die langfristige Innovationsfähigkeit eines Unternehmens darstellt, ist in der Wirtschaft relativ neu.20 Um die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig zu sichern, müssen Massnahmen ergriffen werden, die das eigene Unternehmen im Wettbewerb um Kunden von anderen Anbietern unterscheidet.21
Als zentrale Stärke von Startups gilt deren Agilität bei der Umsetzung neuer Geschäftsideen sowie deren Fokus auf zentrale Fähigkeiten der Unternehmung, sogenannte Capabilities, die aus der Kundenperspektive betrachtet werden und somit einen neuen Nutzen generieren.22 Darüber hinaus werden disruptive Technologien als einfacher, günstiger, zuverlässiger und bequemer als herkömmliche Technologien wahrgenommen.23
In der vorliegenden Studie stellt sich die Frage, wie etablierte Unternehmen und Startups erfolgreich kooperieren und dabei von den gegenseitigen Stärken profitieren können. Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang im Entwicklungsverlauf strategischer Partnerschaften, die zur Schaffung neuer Synergien und Wettbewerbsvorteile initiiert werden.
Ziel dieser Studie ist es, herauszufinden, ob sich die in der Theorie identifizierten Erfolgsfaktoren einer Kooperation in der Praxis bestätigen und wie die Wahl des richtigen Kooperationspartners sowie der Aufbau einer strategischen Partnerschaft positiv beeinflusst werden kann. Um aus der Theorie die entsprechenden Erkenntnisse für weitere Annahmen gewinnen zu können, gilt es für den weiteren Verlauf der Studie folgende Fragen zu beantworten:
■ Was sind die Erfolgsfaktoren einer Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Startups?
■ Welche Kooperationsformen existieren bereits?
■ Wie identifizieren Unternehmen ideale Kooperationspartner?
■ Welche Aspekte beeinflussen den Erfolg einer Kooperation?
1.3. Aufbau und Vorgehen
Aufbauend auf dem Grundverständnis der Betriebswirtschaftslehre, die als anwendungsorientiere Wissenschaft gilt, lässt sich die vorliegende Studie anhand der definierten Forschungsfragen in einen erkenntnistheoretischen und einen empirischen Teil gliedern. Dementsprechend soll der Untersuchung keine praxisferne Grundlagenforschung zugrunde gelegt, sondern vielmehr eine Untersuchung praxisrelevanter und anwendungsorientierter Konzepte vorgenommen werden.24 Zur Bearbeitung der Fragen wird als qualitative Forschungsmethode die Grounded-Theory Methode gewählt.25 Diese stützt sich innerhalb der interpretativen Sozialforschung auf das Prinzip der Offenheit und eignet sich dadurch besonders zur Untersuchung neuer Forschungsgebiete.26 Die Erkundung theoretischer Grundlagen zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes erfolgt nach dieser Methode in einem offenen Prozess und ist durch abwechselnde Sequenzen geprägt. Dem wird in der vorliegenden Studie durch eine umfassende Auseinandersetzung mit entsprechender Literatur und einer späteren komparativen Analyse der Sekundärdaten aus der empirischen Untersuchung Rechnung getragen.27
Unter Berücksichtigung der in Abschnitt 1.1 beschriebenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen wird im Verlauf der Studie untersucht, wie etablierte Unternehmen und Startups erfolgreich kooperieren können, indem sie von den gegenseitigen Stärken profitieren und Synergien schaffen. Als Grundlage für die empirische Untersuchung werden hierfür zunächst existierende Kooperationsformen aus der Literatur betrachtet.
In Kapitel 2 „Grundlagen“ und Kapitel 3 „Umfeld- und Kontextanalyse für den Aufbau von Kooperationen zwischen etablierten Unternehmen und Startups“ erfolgt die Deskription vorhandener Theorien aus der Kooperations- und Netzwerkforschung. Um sich den Erfolgsdeterminanten einer Kooperation zu nähern, wird darüber hinaus die Transaktionskostentheorie und die Theorie der Kernkompetenzen in die Untersuchung einbezogen. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen in Kapitel 3 und 4 zur theoretischen Herleitung der Erfolgsfaktoren einer strategischen Partnerschaft zwischen etablierten Unternehmen und Startups dienen.
Neben der Deskription nimmt die Interpretation der Daten bei der Grounded-Theory Methodologie einen hohen Stellenwert für die Erschliessung des Untersuchungsgegenstandes ein.28 Ein besonderes Augenmerk wird diesem Grundsatz am Ende des vierten Kapitels gelegt.
Auf der Basis verschiedener Ansätze, wie der Transaktionskostentheorie und der Theorie der Kernkompetenzen, werden allgemeine Erfolgsfaktoren von Kooperationen identifiziert und reflektiert, die sich im Entwicklungsverlauf einer strategischen Partnerschaft auf den Kooperationserfolg auswirken können.29
Auch für den empirischen Teil dieser Studie wird eine explorative Forschungsmethode gewählt.30 Gegenstand der Untersuchung sind die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren einer Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Startups. Durch explorative Interviews mit Fach- und Führungskräften in etablierten Unternehmen und Startups wird untersucht, welche Vorgehensweisen bei der Auswahl geeigneter Kooperationspartner und -formen angewandt werden. Sofern die Kooperation über einen längeren Zeitraum erfolgreich verlaufen ist, wird analysiert, welche Aspekte hierfür verantwortlich waren und ob diese verallgemeinert werden können. Die Aspekte, die in verschiedenen Kooperationen zu finden sind, einen grossen Einfluss auf den Erfolg haben und gegebenenfalls von den theoretischen Grundlagen abweichen, können für neue Kooperationsformen wegweisend sein.
Die Erhebung der Daten erfolgt mit Hilfe eines leitfadengestützten Interviews und wird ebenfalls unter Berücksichtigung des Prinzips der Offenheit durchgeführt.31 Ziel ist es, sich damit nicht nur auf zuvor definierte Hypothesen zu stützen, sondern neue Aspekte, die sich im Verlauf der Analyse herausbilden, in den Untersuchungskontext einfliessen zu lassen. Das für diese Studie gewählte Vorgehen nennt sich „abduktives Schliessen“ und eignet sich besonders für die Hypothesenbildung wenig erforschter Themengebiete.32 Die aus der Literatur und aus den empirischen Forschungsergebnissen resultierenden Erkenntnisse werden einander im Verlauf der Untersuchung gegenübergestellt, in iterativen Schritten kategorisiert und schliesslich verdichtet. Durch die Systematisierung der theoretischen Grundlagen und die Gegenüberstellung der Forschungsergebnisse soll ein Abgleich der Daten stattfinden, der etwaige Abweichungen aufdeckt und Hinweise auf neue Erkenntnisse gibt.
1 Vgl. Picot, Reichwald, Wigand (2001), S. 2f.; Reichwald, Piller (2009), S. 1.; Enkel, Gassmann (2006), S. 3.
2 Vgl. Sydow (2010), S1.; Mau (2007), S. 27.
3 Vgl. Reichwald, Piller (2009), S. 1.; Bellmann, Hippe (1996), S. 23.
4 Vgl. Picot, Reichwald, Wigand (2001), S 2.; Riegler, Zettel (2009); Bellmann, Hippe (1996), S. 23.
5 Vgl. Christensten (2016), S. 9ff. sowie S. 30.; Harhoff (2008), S. 46-72.
6 Vgl. Christensen (2016), S. 9ff.
7 Vgl. Christensen (2016), S. 225-229.
8 Ries (2013), S. 230.
9 Vgl. ebd.
10 Vgl. Christensen (2016), S. 9-15.; Picot, Reichwald, Wigand (2001), S. 2-3.
11 Vgl. Fichter (2010), S. 181-182.; Schumpeter, J. (1934)
12 Vgl. Enkel (2006), S. 171-186.
13 Vgl. Pümpin, Amann (2005), S. 26.
14 Vgl. Chesbrough (2003)
15 Vgl. Enkel (2006), S. 171-186.
16 Vgl. Enkel, Gassmann (2006), S. 2.
17 Vgl. Enkel, Gassmann (2006), S. 161ff.
18 Vgl. Picot, Reichwald, Wigand (2001), S. 2-3.
19 Vgl. ebd., S. 7.
20 Vgl. ebd., S. 2ff
21 Vgl. Picot, Reichwald, Wigand (2001), S. 2-3.
22 Vgl. Christensen (2016), S. 161ff.
23 Vgl. ebd., S. 192.
24 Vgl. Ulrich (1981), S. 11.; Ulrich (1984), S. 172f.; Strübing (2014), S. 12.
25 Vgl. Strübing (2014), S. 2f.; Mey, Mruck (2011), S. 11f.
26 Vgl. Strübing (2014), S. 9ff.; Mey, Mruck (2011), S. 11f.
27 Vgl. ebd.
28 Vgl. Strübing (2014), S. 12.
29 Vgl. Reichertz (2014), S. 281f.
30 Vgl. Kleemann, Krähnke, Matuschek (2013), S. 19.
31 Vgl. Kleemann, Krähnke, Matuschek (2013), S. 19, S. 208.
32 Vgl. ebd., S. 22.; Reichertz (2014), S. 281f.; Strübing (2014), S. 46ff.