Читать книгу Gottes wundersame Faktorei - Dritter Teil: Im Zeichen des Vogels - Marianne Le Soleil Levant - Страница 7
40 Die Lust der Tomaten
ОглавлениеGott: Beim Sex und in der Liebe ist es genauso. Warum sich festlegen? Langsam aber sicher wird sich herauskristallisieren, was man mag. Abwechslung ist das halbe Leben. Die andere Hälfte, meine biologischen Vorgaben. Dadurch bewegt sich das in Bahnen. Immer dasselbe, immer wieder neu.
Jesus: Das ist zu ... für Prophetie ungeeignet.
Gott: Du bist der Prophet. Die Menschen sind nicht so verschieden. Es sind alles Menschen. Tomaten sind Tomaten. Trotzdem gibt es keine zwei vollkommen identischen. Wie soll ich eine umfassende Weisung haben, die gleichzeitig alle Varianten einschließt? Sie müssen es ausprobieren.
Jesus: Liebt euch wie die Tomaten. Probiert es aus.
Gott: Sag das dem Vogel.
Jesus: Der erzählt es den Leuten. Was machen die da d'raus?
Gott: Darum geht es doch. Auszuprobieren, was dabei herauskommt.
Jesus: Wenn die einen daraus ableiten: Macht es wie die Tomaten. Es macht keinen großen Unterschied.
Gott: In gewisser Weise auch bei den Menschen nicht. Keinen zu großen. Oder man sucht jemand, bei dem der Unterschied nicht so groß ist.
Jesus: Das ist ja deren Problem. Die Auswahl.
Gott: Man darf auch nicht kleinlich sein.
Jesus: Wie lieben sich Tomaten überhaupt?
Gott: Ich verrate nichts.
Petrus: Die Fortpflanzung erfolgt regulär. Aus den Kernen sprießen neue Stauden.
Jesus: Nicht sehr lustvoll.
Gott: Hast du eine Ahnung von der Lust der Tomaten?
Jesus: Was bedeutet das für die Menschen?
Gott: Wir sehen, was sie daraus machen.
Jesus: Wir drehen uns im Kreis.
Gott: Du drehst dich. Denk weiter.
Jesus: Tomaten sind prall mit einer dünnen, glatten Schale.
Gott: Wenn man sie schält.
Jesus: Sie sollen sich nicht nur wie gehäutete Früchte lieben.
Gott: Bei geschälten Tomaten berühren sich die Früchte, nachdem sie ihre Schale abgeworfen haben. Eine schöne Metapher.
Jesus: Es geht so.
Gott: Denk weiter. Du bist der Prophet.
Jesus: So wird es intimer, sie können, ungehindert durch die Schale, Säfte austauschen, bleiben aber noch Einzeltomaten.
Gott: Eine gute Metapher.
Jesus: Weit hergeholt.
Gott: Unendlich weit.
Jesus: Läuft es darauf hinaus, das sich die Tomaten mit ihrem Innersten vereinen, wenn sie eine Tomatensoße bilden?
Gott: Wenn es zwischen Tomaten passiert. Sind es passierte Tomaten.
Petrus verzieht das Gesicht.
Jesus: So ein elender Kalauer. Ist das Gottes würdig?
Gott: Würdig? Ich bestehe nicht nur aus Juwelen, wie Beethovens Neunter oder Michelangelo.
Erzengel Michael: Michael auf Erzengel-Sonder Kanal Lingua Italiano Due.
Gott: Falscher Alarm. Du warst nicht gemeint.
Erzengel Michael: Erzengel Sonderkanal Lingua Italiano Due frei.
Gott: Man darf nicht immer alles so ernst nehmen. Das ist zu anstrengend.
Jesus: Ist das auf menschlicher Ebene nicht Rudelbumsen? Jeder kann mit jedem und alle miteinander in einer Soße?
Gott: Warum nicht. So groß ist der Unterschied ...
Jesus: Wissen wir.
Gott: Unterbrich mich nicht.
Jesus: Wozu das Gleichnis von den Tomaten?
Gott: Im Innersten. Deine Auslegung verläuft auf der falschen Ebene. Die allgemeine Vermengung des Innersten meint die Mischung der Gene aller Völker.
Jesus: Ein großes Ziel. Das kapieren die nicht, wenn es heißt: Liebet einander wie die Tomaten.
Gott: Wir haben diese Vielzahl an Völkern mit verschieden ausgeprägten Genomen. Mit mehr Ähnlichkeiten als Unterschieden. Sie können sich alle mischen.
Jesus: Die Menschen sind noch nicht so weit. Es gibt überall Rassismus.
Gott: Der totale Blödsinn.
Jesus: Dafür aber sehr verbreitet.
Gott: Typisch menschlicher Irrtum. Petrus, erkär es ihm.
Petrus: Beschränkung des Gen-Pools aufgrund der Vorstellung, es entstünde eine Reinheit durch Kombination der immer selben oder sehr ähnlichen Erbinformationen, ist falsch. Man weiß das von den Ehen innerhalb der Familien, dem Adel, welcher sich nur mit seinesgleichen zu paaren wünscht, oder bei fast ausgestorbenen Tieren, wenn aus wenigen Exemplaren, die Gattung wieder hergestellt werden soll. Ein zu kleiner Gen-Pool führt zur Degeneration. Behinderungen, Anfälligkeit, Defizite, allgemeine Schwäche. Die Mischung macht's.
Jesus: Dazu hängen die Menschen zu sehr an ihren traditionellen Identitäten. Wenn sich alle durchmischen, glauben sie, geht Charakteristik verloren. Was kommt dabei heraus?
Gott: Eben. Das probiere ich aus. Vielleicht werden die Menschen noch Super-Wesen. Wenn sich die dominanten und guten Gene langfristig durchsetzen.
Jesus: Das ist faschistoid. Am Ende sind alle gleich, perfekt, aber gleich und langweilig.
Gott: Bleibt immer noch der Hitzetod.
Jesus: Die alltäglich Vermischung der Gene aller Völker wird aber dauern.
Gott: Lassen wir es auf uns zukommen. Bei der derzeitigen Vielfalt bleibt bestimmt genug Abwechslung. Die Kombinationen verbinden sich mit anderen Kombinationen. Wer kann schon sagen, was dabei herauskommt? Vielleicht gibt es dann diese ganzen Wesen aus den Science-Fiction-Filmen. Diese schlanken Katzenfrauen mit Leopardenkopf sind scharf.
Jesus: Es gäbe dann unzählige Kombinationen. Alles Menschen, aber ganz verschieden.
Gott: Wer weiß? Warum nicht? Im Grunde läuft es schon die ganze Zeit so. So etwas wie reinrassige Germanen, Amerikaner oder jede andere Nation gibt es nicht. In den Jahrhunderten haben sich die Völker durch Eroberung, Wanderung und überhaupt immer durchmischt. Durch den globalisierten Reiseverkehr steigt natürlich die Quote.
Jesus: Du schließt aus der bisherigen Entwicklung.
Gott: Ich wiederhole mich. Ich lasse es offen. Vielleicht werdet ihr in 5000 Jahren blaue Haut haben. Und noch ganz andere Höhen sinnlicher Erregung verspüren können.
Jesus: Ohne Sex?
Gott: Es wird sich zeigen, ob das derzeitige Modell sich weiter durchsetzt.
Jesus: Denkst du dir etwas raffinierteres aus?
Gott: Diese schönen Frauen zur Anregung des Mannes. Das lebendige Werkzeug an dem aufgeladenen Biomechanoiden zur Erfüllung der Verzückung. Hormonsteuerung, psychische Komponente. Das ist schon ausgeklügelt. Das lässt sich nicht so mir nichts dir nichts übertrumpfen.
Jesus: Aber der Akt ist seit den Säugetieren nicht relevant verändert worden. Nicht in den Grundzügen.
Gott: Willst du dich darüber beklagen?
Jesus: Guter Konter. Trotzdem bist du Gott und hast noch tollere Ideen.
Gott: Es hat keinen Sinn meine Eitelkeit zu kitzeln. Ich bin Gott. Ich besitze keine Eitelkeit.
Petrus blickt wie scheinbar kurz abgelenkt unmotiviert zur Seite.
Gott: Wozu auch? Ich bin Gott. Wer oder was sollte meinen Status bedrohen?
Jesus: Per definitionem.
Gott: Sexualität ist eine gute Idee.
Jesus: Bleibt also.
Gott: Bist du gar nicht dafür?
Jesus: Sexualität muss nicht ersetzt werden, solange nicht annähernd die ganze Menscheit das Glück darin erkundet hat.
Gott: Ihr macht das mit eurer Evolution. Ich sag doch, ich lasse es offen. Wenn ihr etwas besseres findet. Warum soll ich euch d'reinreden. Wenn die Menschen hoffentlich mit zunehmender Erleuchtung und Unschuld ihren materiellen Körper transformieren lernen.
Jesus: Interessant.