Читать книгу Ist das wirklich Isabell? - Marie Louise Fischer - Страница 7

Das ist die Höhe

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Es wurde ein sehr bedrücktes Mittagessen.

Frau Grunert hatte eine klare Brühe mit Markklößchen gekocht, die Isabell so gern mochte, dann gab es gespickten Rehrücken mit Preißelbeeren und Kartoffelklößen, Isabells Lieblingsspeise. Der Platz des Geburtstagskindes war mit kleinen Rosenknospen geschmückt, aber der Stuhl davor war leer. Isabell hatte sich, außer sich vor Ärger und Enttäuschung, auf ihrem Zimmer eingeschlossen.

„Das arme Kind“, sagte Frau Grunert, „bestimmt ist sie schrecklich unglücklich … und das ausgerechnet an ihrem Geburtstag!“

Elke zwinkerte ihrem Vater zu. „Ich fürchte, Mutter tut’s schon leid, daß ihr ihr den Apparat nicht geschenkt habt!“

„Ich bin immer dafür gewesen, daß sie ihn bekommt“, erklärte Frau Grunert ernsthaft. „Ich sehe gar nicht ein, warum wir ihre Herzenswünsche nicht erfüllen sollen. Sie ist doch nun mal unser Nesthäkchen. Ihr müßt immer bedenken, daß Isabell nach den großen Geschwistern schielt und ihre Wünsche danach richtet. Das ist doch verständlich, und warum soll man ihr nicht alle Freude gönnen? Später, wenn sie größer ist, wird sie ganz von selber merken, daß nicht alles so geht, wie man gerne möchte!“

„Du bist zu gut für diese Welt, Gerda“, sagte der Vater, „das ist dein Fehler.“

„Nicht für diese Welt … nur für Isabell!“ sagte Elke. „Ich hab’ sie wirklich auch von Herzen gern, Mutter, sie ist schließlich meine kleine Schwester, und ich verstehe vollkommen, daß die Jüngste immer ein bißchen verwöhnt wird. Besonders wenn der Altersunterschied so groß ist wie zwischen Isabell und mir. Trotzdem bin ich mir vollkommen darüber im klaren, daß unser Küken es faustdick hinter den Ohren hat. Sie hat es darauf abgesehen, jeden ihrer Wünsche durchzusetzen, sonst gibt es ein Theater.“

„Bloß diesmal hat sie sich ins eigene Fleisch geschnitten“, sagte Bernd voller Genugtuung, „geschieht ihr ganz recht, daß wir ihren Geburtstagsbraten ohne sie aufessen. Schmeckt übrigens ausgezeichnet, Mutter … Kann ich noch einen Löffel Preißelbeeren haben?“

„Ob ich nicht doch noch mal an ihre Tür klopfen sollte?“ sagte Frau Grunett. „Wenn ich ihr einen Teller hinstelle … vielleicht holt sie ihn dann herein.“

„Untersteh dich!“ sagte der Vater. „Nur wer krank ist, darf im Zimmer essen. Sonst niemand. Das wollen wir gar nicht erst einreißen lassen.“

„Aber sie muß doch Hunger haben!“

„Wenn sie es nicht mehr aushalten kann, wird sie sich schon entschließen, ihre Höhle wieder zu verlassen! Und wenn zehnmal ihr Geburtstag ist — dies Benehmen ist mir zu dumm. Ich bitte dich sehr, Gerda, endlich einmal mit dieser dummen Verzärtelung aufzuhören. Letzten Endes gesdchieht Isabell nichts Gutes, wenn sie so maßlos verzogen wird.“

Sie aßen und taten, als ob es ihnen schmeckte.

Das schlechtgelaunte Geburtstagskind stand inzwischen in seinem Zimmer mit dem Ohr an der Tür und lauschte, ob nicht doch jemand käme, um sie noch einmal zum Essen aufzufordern. Erst hatte sie auf dem Bett gelegen und geweint, sie hatte vor Wut in ihr Kopfkissen gebissen, aber dann hatte ihr Magen zu knurren begonnen.

Sie wußte, daß es heute ihr Lieblingsessen gab — wenn sie nur an Rehbraten dachte, lief ihr schon das Wasser im Mund zusammen. Rehbraten mit Kartoffelklößen und Preißelbeeren! Die anderen saßen bestimmt schon bei Tisch und ließen es sich gut sein. Um sie kümmerte sich niemand. Dabei hatte die Mutter das gute Essen doch für sie zubereitet.

Wieder kamen Isabell die Tränen, aber diesmal schluckte sie sie ganz rasch hinunter. Sie wußte schon seit Jahren: Weinen, wenn niemand zusieht, hat wenig Sinn.

Sie glaubte ein Geräusch zu hören und lauschte wieder. Aber kein Schritt näherte sich ihrer Tür.

Isabell holte tief Luft. Und da es wenig Sinn hat, sich selbst etwas vorzuschwindeln, gestand sie sich heimlich: In diese Lage hatte sie sich selber gebracht; also mußte sie auch selber sehen, wie sie wieder hinauskam. Mit einem Ruck warf sie ihr Haar in den Nacken, öffnete die Tür, ging rasch und entschlossen zum Eßzimmer.

Als alle Blicke sich auf sie richteten, wurde sie doch ein bißchen rot. Aber sie tat, was sie sich vorgenommen hatte. „Was?!“ rief sie erstaunt. „Ihr eßt schon? Warum habt ihr denn nicht auf mich gewartet?“

Alle lachten, und gerade das hatte Isabell erreichen wollen. Sie lachte mit.

„Komm her zu mir, Kleines“, sagte der Vater, während die Mutter schon dabei war, ihren Teller zu füllen, „sicher hast du mir etwas zu sagen, nicht wahr?“

„Entschuldige, bitte, Paps“, sagte Isabell mit reuiger Miene, „ich glaube, ich habe mich furchtbar blöd benommen.“

„Das kann man wohl sagen!“ Dr. Grunert gab seiner kleinen Tochter einen zärtlichen Kuß. „Hauptsache, du bist doch noch zur Einsicht gekommen!“

„Ja, Paps!“ Isabell setzte sich auf ihren Platz und begann mit gutem Appetit zu essen. „Ich hab’ mir überlegt“, sagte sie mit vollem Mund, „schließlich kann ich mir das Radio grad so gut zu Weihnachten wünschen …“

Dem Vater verschlug es die Sprache, Bernd lachte.

„Isabell, du bist unverbesserlich“, sagte Elke.

„Ich meine, wenn ich mir nur das eine wünsche und sonst gar nichts, dann …“

Dr. Grunert hatte sich wieder gefangen. „Ein für allemal“, sagte er energisch, „ich will von nun an kein Wort mehr über diese blödsinnige Radioangelegenheit hören, sonst … sonst stifte ich alle Geschenke, die du heute bekommen hast, einem Waisenhaus!“

Isabell hatte eine Entgegnung schon auf der Zunge, aber sie schwieg wohlweislich. Sie spürte doch, daß sie zu weit gegangen war.

Frau Grunert war es, die das Thema wechselte, und Isabell ging sofort darauf ein. Sie plauderte unbefangen, zeigte sich von ihrer liebenswürdigsten Seite, und Dr. Grunert, der eine Schwäche für seine Jüngste hatte, bekam, wie nach jeder Auseinandersetzung, das Gefühl, doch zu streng gewesen zu sein.

Isabell, die ihren Vater sehr gut kannte, spürte genau, was in ihm vorging. Nach dem Mittagessen — es hatte zum Abschluß Äpfel im Schlafrock gegeben — schlängelte sie sich zu ihm. Dr. Grunert saß in seinem bequemsten Sessel, las die Zeitung, rauchte eine Zigarre und wartete auf den Kaffee.

Isabell legte von hinten die Arme um seinen Hals, rieb ihr Gesicht an seiner Wange.

„Na, Kleines, was gibt’s?“ fragte er, ohne sie anzusehen.

„Mein guter, holder Papa … ich habe eine große Bitte!“

„Im vorhinein bewilligt … falls es sich nicht um du-weißtschon-was handelt!“

„Aber nein, Papa! Was glaubst du denn von mir! Es ist nur eine ganz einfache winzige kleine Bitte, eigentlich ist es sogar mehr ein Wunsch!“

„Eben war die Bitte noch sehr groß, wenn ich dich richtig verstanden habe!“

„Nun ja, tatsächlich ist sie so mittel … mittelgroß, meine ich. Darf ich wohl … hättest du etwas dagegen, wenn ich heute nachmittag mein neues Kleid anziehe?“

Dr. Grunert ließ die Zeitung sinken und sah seine Tochter erstaunt an. „Wieso fragst du mich? Für Kleiderfragen war ich doch niemals zuständig!“

„Aber du bist der Herr im Hause. Du mußt entscheiden!“

„Aha, mir schwant etwas, du Schlange. Mutter hat es verboten, und nun versuchst du, mich herumzukriegen!“

„Papa!“ sagte Isabell mit Würde. „Du tust mir wirklich unrecht. Ich habe Mutter überhaupt noch nicht gefragt!“

„Ist das wahr?“

„Ich habe noch nie gelogen!“

„Gut, ich glaube dir. Wenn Mutter nichts dagegen hat … von mir aus mach, was du willst!“

Isabell ließ sich das nicht zweimal sagen. Sie schnappte ihr neues moosgrünes Samtkleid und die Ballerinenschuhe vom Geburtstagstisch, rannte in die Küche, wo Frau Grunert Kaffee filterte, rief: „Hurra! Ich darf mein Neues anziehen! Hurra, hurra, hurra!“

„Wer hat dir das erlaubt?“ fragte Elke, die schon mit dem Spülen begonnen hatte.

„Vater!“

„Hör mal, Liebling“, sagte Frau Grunert, „meinst du, daß das wirklich richtig ist: Das Kleid ist doch viel zu fein für eine Kindergeburtstagsgesellschaft!“

„Für meine Geburtstagsgesellschaft kann gar nichts fein genug sein!“

„Laß dir mal von deiner großen Schwester was sagen“, mischte Elke sich ein. „Zu den Grundbegriffen des guten Benehmens gehört es, daß man sich als Gastgeberin nicht wer weiß wie herausputzt. Du solltest dich so anziehen, daß alle deine Freundinnen sich wohl fühlen, auch die, die vielleicht gar nichts besonders Schickes haben. Bloß eine alberne Gans will immer und überall die Schönste sein.“

„Danke für die Blumen“, sagte Isabell schnippisch, „nur gut, daß du mir gar nichts zu befehlen hast!“

Frau Grunert nahm den Filter von der Kanne, stellte sie auf ein Tablett. „Mir kommt es fast vor, als ob Elke recht hätte“, sagte sie. „Sicher sind nicht alle deine Freundinnen so verwöhnt wie du wirklich, findest du dieses gute Kleid nicht doch übertrieben? Außerdem ist es sehr empfindlich. Schon der geringste Fleck …“

Isabell umarmte ihre Mutter so stürmisch, daß sie fast die Kaffeekanne zu Boden riß. „Mach dir nur keine Sorgen, Mamutschka, ich paß schon auf!“

Ehe Frau Grunert noch etwas einwenden konnte, war sie aus der Küche gesaust.

Isabell nahm sich sehr viel Zeit zum Umkleiden. Das moosgrüne Samtkleid wirkte, wie sie fand, angezogen noch schöner und machte sie fast erwachsen. Nachher drehte sie sich vor dem Spiegel und war mit ihrem Aussehen sehr zufrieden.

„Na, wie gefalle ich euch?“ fragte sie strahlend, als sie fix und fertig angezogen ins Wohnzimmer trat.

Aber niemand antwortete ihr. Der große Raum war leer. Dr. Grunert war schon ins Büro gegangen, Bernd arbeitete sicher auf seinem Zimmer.

Eine Sekunde lang war Isabell enttäuscht, dann benutzte sie rasch die Gelegenheit, das goldene Kettchen aus dem weich ausgepolsterten Kästchen zu nehmen und es sich um den Hals zu legen.

Sie lief in die Küche. Das Mittagsgeschirr war fortgeräumt, die Mutter war gerade dabei, die Kaffeetassen wieder an ihren Platz zu stellen.

„Wie sehe ich aus?“ rief Isabell glücklich.

„Sehr schön, mein Liebling“, sagte Frau Grunert. Aber das hatte wenig zu bedeuten, denn Isabell wußte, daß sie für die Mutter immer schön war.

Sie konnte es kaum erwarten, bis ihre Freundinnen kamen, aber bis dahin war noch eine gute Weile Zeit. Nicht sehr freudig half sie den Kaffeetisch decken, war froh, als Elke sie ablöste.

Gerade wollte sie sich heimlich, still und leise auf ihr Zimmer verdrücken, als der erste Gast erschien: es war Lolo Klausner, ihre beste Freundin. Sie trug unter dem Wintermantel ein geblümeltes Seidenkleid.

Lolo brachte ein Buch und einen kleinen Kaktus, sie gratulierte sehr herzlich und bewunderte Isabells Geschenke.

Die beiden Freundinnen blieben nicht lange allein, fünf Minuten später kamen Sybill und Christine, beide hübsch, aber ganz und gar nicht aufwendig angezogen. Susanne folgte ihnen auf dem Fuß.

Natürlich war es Susanne, die die Frage stellte, auf die Isabell innerlich schon lange gewartet hatte. „Na, wo hast du denn dein neues Radio, Isabell?“ fragte sie heuchlerisch.

Isabell zuckte die Achseln. „Leider … Fehlanzeige!“

„Aber … du hast uns doch gesagt …!?“ rief Sybill, nicht ohne Schadenfreude.

„Tut mir leid. Man sagt eben viel, wenn der Tag lang ist.“

„Ein Wellensittich ist doch viel … viel induvidueller!“ versuchte Lolo der Freundin zu helfen, wobei sie sich bei dem schwierigen Fremdwort fast die Zunge verstauchte.

„Kann er Musik machen?“ fragte Susanne scheinheilig.

„Das nicht … aber sprechen lernen!“

Bevor die Freundinnen sie noch weiter ärgern konnten, streckte Elke ihren Kopf ins Zimmer und rief: „Es hat wieder geklingelt, Isabell … möchtest du nicht aufmachen?“

„Das ist bestimmt Rosemarie!“ sagte Isabell und lief in die Diele hinaus.

Sie hatte sich nicht geirrt.

Als sie die Wohnungstür öffnete, stand Rosemarie Berger vor ihr, sehr elegant in einem Wintermantel mit Pelzkrägelchen, wie Isabell mit einem Blick feststellte.

Von dieser Sekunde an waren Isabells Gefühle für die andere vorwiegend feindlich, denn sie konnte es nicht ertragen, wenn jemand außer ihr selber gut angezogen war. Außerdem war nicht zu leugnen, daß Rosemarie hübsch war, sehr hübsch sogar, und das gab Isabell den Rest.

Mit Mühe zwang sie sich zu einem Lächeln, als sie Rosemarie die Hand schüttelte. „Fein, daß du kommst“, sagte sie. Rosemarie übergab ihr Geschenk, betrachtete Isabell von Kopf bis Fuß. „Ich glaube, ich habe noch eine Überraschung für dich!“ sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Ah, wirklich?“ fragte Isabell ohne großes Interesse.

„Hast du dein Kleid schon lange?“

„Heute bekommen. Warum fragst du?“

„Dann halte dich fest, damit du nicht umfällst!“

„Ach, ich bin gar nicht so schreckhaft“, behauptete Isabell, „ich …“

Weiter kam sie nicht, ihr Mund blieb offen, ohne daß sie noch ein Wort hervorbrachte.

Rosemarie hatte ihren Mantel ausgezogen und — zum Vorschein kam genau das gleiche Kleid, wie Isabell selber es trug: aus moosgrünem Samt mit glattem Oberteil, dreiviertellangen Ärmeln, rundem Ausschnitt und einem angekrausten, stark gebauschten Rock.

„Nein“, sagte Isabell, „o nein!“

„Leider doch!“ sagte Rosemarie und warf einen selbstgefälligen Blick in den Garderobenspiegel. „Aber mach dir nichts draus. Unsere Wege werden sich außer diesem einen Nachmittag ja kaum allzu oft kreuzen.“

Isabell rang um Fassung. „Schließlich“, sagte sie mühsam, „was ist weiter dabei? Wir tragen dasselbe Kleid. Das ist ja immer noch kein Beinbruch.“

„Eben!“ meinte das Mädchen.

Rosemarie war nicht schüchtern. Sie wartete gar nicht erst darauf, daß Isabell sie mit den anderen Mädchen bekannt machte, sie stellte sich selber vor. „Rosemarie Berger“, sagte sie und fügte mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Kein Zwilling von Isabell, wenn’s auch fast so aussieht!“

Die anderen lachten, und Isabell — lachte mit. Aber in ihrem Inneren kochte es.

„Ja, das ist wirklich komisch“, sagte sie, scheinbar ganz vergnügt, „wir hätten es nicht besser verabreden können. Das ist ein Spaß! Ich bin mal gespannt, was Mutter und Elke für Gesichter machen …“

Frau Grunert und die große Schwester staunten gebührend, sie lachten, und Elke versprach, eine besonders schöne Aufnahme zu machen, auf der nur sie beide in ihren gleichen Kleidern zu sehen sein sollten.

Dann traten alle um den langen, hübsch gedeckten Tisch. Isabell hatte schon Wochen vorher mit Elkes Hilfe lustige Tischkarten gemalt, so daß jedes Mädchen wußte, wo es zu sitzen hatte. Rosemarie als Ehrengast bekam den Platz an Isabells Seite — seinerzeit hatte Isabell das ganz und gar nicht eingeleuchtet, aber jetzt war sie froh darüber.

Sie legte sich ihre Serviette auf den Schoß, wartete mit bravem Gesicht, bis die Mutter ihr ein Stück Torte vorlegte. Elke ging währenddessen mit der großen Kanne herum und goß Kakao ein.

In dem Augenblick, als Elke neben Isabell stand und Rosemarie eingießen wollte, rutschte Isabells Serviette vom Schoß. Sie bückte sich und — bumste mit ihrem Kopf gegen die Kanne, so daß sich ein dicker Strahl Kakao über Rosemaries Kleid ergoß.

Rosemarie schrie auf. Alle quietschten durcheinander vor Entsetzen. Elke stellte rasch die Kanne ab, zog Rosemarie hoch.

Isabell starrte scheinbar voll Entsetzen auf das, was sie angerichtet hatte. „War ich daran schuld?“ rief sie. „Bitte, entschuldige, Rosemarie! Ich habe es bestimmt nicht mit Absicht getan!“ Rosemarie schluchzte.

„Zieh rasch das Kleid aus, Rosemarie“, sagte Elke, „ich wasch’ es dir aus … bis du nach Hause gehst, ist alles wieder in Ordnung!“

„Das ist ein guter Gedanke“, sagte Frau Grunert, „du kannst derweil etwas von Isabell anziehen …“

„Natürlich!“ sagte Isabell sofort. „Sei nicht traurig, Rosemarie … du kannst dir von meinen Sachen aussuchen, was du willst!“

Elke nahm die schluchzende Rosemarie beim Arm und führte sie aus dem Zimmer.

„Soll ich mitkommen?“ erbot sich Isabell.

„Nicht nötig!“ sagte Elke mit einem seltsamen Blick.

„Die arme Rosemarie“, sagte Isabell voller Mitgefühl, „so ein Pech!“ Aber es gelang ihr nur mit Mühe und Not, ihren Triumph zu verbergen.

Zehn Minuten später kam Rosemarie zurück. Die Tränen waren versiegt, sie hatte ihr Gesicht gewaschen und sah in Isabells hellblauem Wollkleid sehr nett aus.

„Bist du mir noch böse?“ fragte Isabell herzlich, als Rosemarie sich neben sie setzte.

„Nicht im geringsten“, gab Rosemarie zurück, aber ihre Stimme klang nicht gerade herzlich.

„Dann ist es ja gut!“ sagte Isabell strahlend.

Von nun an verlief der Geburtstag ohne Zwischenfälle. Isabell war eine liebenswürdige Gastgeberin. Es fiel ihr leicht, großmütig zu sein, denn seit Rosemarie ihr schönes Kleid hatte ausziehen müssen, war sie selbst unbestritten die Königin des Festes.

Am späten Nachmittag, als die Freundinnen sich verabschiedet hatten, nahm Elke sie einen Augenblick beiseite. „Isabel!“, sagte sie ernst, „schämst du dich eigentlich nicht?“

Isabell machte große Augen. „Weswegen?“

„Weil du Rosemarie den Kakao über das Kleid geschüttet hast! Mit voller Absicht!“

„Nein!“ rief Isabell empört. „Wie kannst du nur so etwas behaupten?“

Die große Schwester sah sie kopfschüttelnd an. „Isabell, Isabell“, sagte sie, „mir kannst du nichts vormachen. Du bist ein schreckliches kleines Biest. Ich frage mich nur, ob jemals ein vernünftiger Mensch aus dir werden wird!“

Ist das wirklich Isabell?

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