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Happy Birthday Charlie

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Logbucheintrag zur Gesamtsituation: Mein Schädel brummt.

Zur Feier des Tages trage ich ein neues Kleid von Louis – ein Teil seines Geburtstagsgeschenks – wie er sagt. Es ist toll – karminrote Spitze mit V-Ausschnitt.

Im Labor angekommen, treffe ich auf Timothy, der mich anscheinend bereits sehnsüchtig erwartet hat.

„Ah, Charlize, guten Morgen. Gut, dass Sie hier sind.“ Er wirkt gestresst. Unter seinen Achseln zeichnen sich dunkle Ränder ab. Was ist denn los, Mr. Perfect? Ich winke Teddy, der die Geste erwidert.

Timothy sieht aus wie ein Geläuterter und gesteht flüsternd: „Ich habe Mist gebaut. Mister Gregory wird mich sicher feuern.“ Was? Hat er das jetzt gerade laut gesagt?

Ich kann mir nicht helfen, aber Mister Profilierungsneurotischster-Assistent-der-westlichen-Welt wird gerade kreidebleich angelaufen. Ich zwinge mich dazu, ein Lachen zu unterdrücken.

„Was ist denn los, Timothy?“, will ich vor Neugierde platzend wissen. Seine Hände zittern. Er sieht aus, als stünde er kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Seine sonst so perfekt sitzende Frisur ist vom Haareraufen schon ganz strubbelig.

„Unglücklicherweise habe ich einen Termin von Mister Gregory … übersehen. Und jetzt ist er in Dublin. Die Leute sitzen bedauerlicherweise bereits im Konferenzzimmer und warten.“ Tja, Scheiße gelaufen, würde ich sagen. „Ich wusste nicht, wo ich hingehen sollte. Bitte Charlize, können Sie mir helfen und den Termin übernehmen?“

Er sieht so aus, als würde er gleich bettelnd auf die Knie fallen – als würde sein Leben von meiner Antwort abhängen.

Ich zucke mit den Schultern: „Okay.“ Mir doch egal.

Ich hab zwar keine Ahnung, worum es geht, doch das hält ja andere auch nicht davon ab, einfach Blödsinn zu faseln.

Ungläubig mustert er mich und fällt mir im nächsten Moment schreiend um den Hals. Ich dachte, nur Frauen hätten den Hang zur Übertreibung. Hm, er hat wohl zu viele weibliche Hormone abbekommen.

Wenn ichs nicht besser wüsste, würd ich sagen, er wär schwul. Aber es geht das hartnäckige Gerücht um, dass er es mit der halben weiblichen Belegschaft treibt. Was durchaus bemerkenswert ist, nach so kurzer Zeit im Unternehmen.

Er scheint erst jetzt zu bemerken, was durch seine absolut übertriebene Reaktion geschehen ist, räuspert sich und lässt mich verlegen frei.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Konferenzzimmer, während Timothy mehr Details über sein Missgeschick gesteht. Anscheinend hat er keine Ahnung, worum es in dem Termin geht, geschweige denn, wer uns da beehrt hat.

Eine Empfangsdame hat die Herrschaften in das Konferenzzimmer geführt und kann sich nicht mehr an die Namen erinnern. So viel zu unseren Pappnasen.

Komischerweise ist es mir eigentlich egal, wer da drin sitzt. Irgendetwas fällt mir schon ein.

Timothys Toi-toi-toi-Blick inklusive seiner erhobenen Daumen lassen Aggressionen in mir aufsteigen, bevor ich die Tür öffne.

Scheiße – es ist Damian mit Konsorten. Die haben mir gerade noch gefehlt.

Er sieht total fertig aus. Sag mal, ist das ein Schattenwurf oder sprießt da tatsächlich der Ansatz eines Dreitagebartes an seinen Backen? Sieht – das muss man ihm einfach an der Stelle zugestehen – echt sexy an ihm aus.

Seine Überraschung vermag er kaum zu verbergen. Mit mir hatte er wohl überhaupt nicht gerechnet.

Blitzschnell erhebt er sich von seinem Stuhl, was ihm die anderen sogleich nachmachen. Mit ihm befinden sich noch zwei ältere Herrn im Raum – einer davon ist Abraham Smith – sein Winkeladvokat.

Damian ist so perplex, er kriegt keinen Ton raus, also breche ich mit einem „Meine Herren“ das Schweigen.

Abraham übernimmt das Reden: „Ah, Charlize, welch eine Freude, Sie wiederzusehen.“ Er küsst meine Hand.

Eigentlich kann ich mich nicht erinnern, ihm meinen Vornamen genannt zu haben, aber ihm kann man nicht lange böse sein. Er ist ein ziemlich charismatischer Mann.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite Doktor Smith“, erwidere ich.

„Ah, bitte nennen Sie mich Abraham.“ Okay. „Darf ich Ihnen meinen Kollegen Doktor Gordon vorstellen. Mister Anderson kennen Sie ja bereits.“ Tja, kann man wohl sagen.

Ich schüttle die Hand von diesem Doktor Gordon, der ziemlich gelangweilt aus der Wäsche kuckt.

„Mister Gregory ist leider unabkömmlich.“ Hey, das ist nicht gelogen. „Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Ihnen an seiner Stelle Gesellschaft leiste?“ Suggestivfragen sind doch immer wieder ganz praktisch.

Damian blickt immer noch wie gebannt auf mich.

Abraham antwortet: „Ah, natürlich nicht. Mit dem allergrößten Vergnügen erfreuen wir uns Ihrer geschätzten Gesellschaft, meine Teure. Dennoch möchte ich Ihre kostbare Zeit nicht mit Paragraphen verschwenden und schlage daher vor, den Termin einfach zu verschieben.

Mister Gordon, was halten Sie davon, wenn wir den Patentvertrag nochmals ausführlich im Wagen zurück zum Büro diskutieren?“ Nicht viel, seinem Gesichtsausdruck zufolge.

Ich habe Abraham durchschaut. Er will, dass Damian und ich allein sind.

Ich weiß noch nicht, ob ich das gut finden soll.

Wir verabschieden uns und die zwei Anwälte sind schneller zur Tür raus, als ich „einstweilige Verfügung“ sagen kann.

Damian hat die Distanz zwischen ihm und mir in nur drei großen Schritten überwunden und zieht mich sehnsüchtig an sich.

Ein schmerzerfüllter Laut entweicht mir, als er mich an meinem Rücken berührt, was ihn dazu bringt, augenblicklich von mir abzulassen.

„Verzeih mir, ich … Hab ich dir wehgetan?“, fragt er total verunsichert. Meine Fresse – der ist aber ziemlich durch den Wind.

„Nein … schon gut, Damian.“

Sein Blick wird qualvoll. „Wie geht es dir?“

„Gut.“ Lügnerin.

„Ich hätte dich nicht alleinlassen sollen. Scheiße Charlie, was hat er dir angetan?“ Frag nicht.

„Mach dir darüber keine Gedanken. Ich will das Ganze nur schnell vergessen“, rede ich mich raus. Das schreit nach einem Themenwechsel.

„Als ich zurück war, lag da deine Tasche am Boden.“ So viel zum Themenwechsel. „Ich wusste gleich, dass etwas nicht stimmt.

Die Überwachungsbänder der Galerie, die Magnus und ich gleich daraufhin eingesehen haben, …“ Er muss sich sichtlich dazu zwingen, nicht die Fassung zu verlieren. „Der Scheißkerl, Verzeihung, hat dich betäubt und in einen Wagen gezerrt.

Laut Polizei waren die Nummernschilder gestohlen, doch ich wusste, dass es dieser verdammte Arzt ist.

Ich hatte solche Angst um dich. Habe überall nach dir gesucht – das Krankenhaus, seine Wohnung, eure Wohnung – nichts.“ Woher wusste er, wo Josef gewohnt hat? „Ich hatte keine Ahnung, wo er dich hingebracht hat. Die Polizei hat mir gesagt, sie hätten dich gefunden und du wärst im Krankenhaus.

Louis hat dich aus deinem Zimmer getragen. Da habe ich deine blauen Flecken gesehen. Scheiße Charlie – er hat dich doch nicht …“

„Nein“, stelle ich klar. Er ist sichtlich erleichtert und sieht aus, als hätte ich ihn von seiner selbst auferlegten Last befreit.

Okay, können wir bitte jetzt das Thema wechseln?

„Bitte lass uns nicht mehr darüber sprechen, Damian. Okay? Das zieht mich irgendwie voll runter“, gebe ich zu.

Er nickt stumm und umarmt mich – diesmal so, als bestünde ich aus Glas.

„Happy Birthday, Charlie“, flüstert er in mein Ohr und küsst meine Wange. Woher weiß er denn das schon wieder? Ah, der Pass.

Ich lächle und blinzle Tränen weg, die sich bereits wieder in meinen Augen sammeln. Er hat es natürlich bemerkt und mustert mich besorgt.

„Danke“, hauche ich.

Sein Blick durchdringt mich. „Es ist dir doch sicher bewusst, dass ich dich ab jetzt nicht mehr aus den Augen lassen werde“, droht er. Ich lächle.

„Charlie, sag mir, was du brauchst?“ Du könntest mein Gedächtnis löschen.

„Ich brauch etwas Zeit, okay? Das war ganz schön … viel … für mich.“

Er nickt. „Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst und dann feiern wir deinen Geburtstag.“

Damian sieht so aus, als plane er etwas.

„Was hast du vor?“, stelle ich ihn zur Rede.

„Eine Überraschung.“ Toll – ich liebe Überraschungen. Mein Gesichtsausdruck wird gequält.

„Du steckst mich doch nicht wieder in dein Flugzeug, oder?“,

Sein Ausdruck ist amüsiert. „Nein, keine Angst. Ich hatte es schon länger für morgen geplant, aber ich kann es absagen. Das ist kein Problem. Wie gesagt, du bekommst so viel Zeit, wie du brauchst.“

Na toll, er hatte bereits etwas geplant. Mein schlechtes Gewissen meldet sich.

„Nein, Damian, schon gut – morgen ist okay“, knicke ich ein.

„Tatsächlich, ich meine, ich will dich nicht drängen.“

„Nein, schon gut.“ Ein Strahlen erobert sein Gesicht.

„Dann hol ich dich um sechs Uhr morgens ab.“ Was? Sechs Uhr morgens? Geht’s nicht noch früher?

Ich stoße ein skeptisches „Okay“ aus.

Langsam nähert er sich meinen Lippen, als würde er mir genug Zeit lassen, damit ich mich rechtzeitig seiner Berührung entziehen kann, doch ich tus nicht.

Mein Herz beginnt bereits schneller zu schlagen, da hat er mir den zärtlichen Kuss noch gar nicht auf die Lippen gehaucht.

Ich bin immer noch von seinem Geständnis am Eiffelturm irritiert. Seine Worte kommen mir wieder in den Sinn: „Verdammt nochmal Charlie, ich bin in dich verliebt.“

Hm, das ist doch die Vorstufe zu Liebe. Ich meine verliebt, in mich – Damian – der Traum aller Frauen. Ich kapiers immer noch nicht.

Seine Hand streicht über meine Wange. Da ist definitiv ein verliebtes Funkeln in seinem Blick erkennbar.

Im nächsten Moment ist er bereits zur Tür raus.

Erwartungsvoll kommt mir Timothy entgegen. Will er jetzt ein Protokoll, oder was?

Das Telefon an seinem Schreibtisch klingelt. Er sprintet – ja, richtig gehört – hin und hebt ab. Elender Ehrgeizling.

Langsam aber sicher verliert er wieder an Gesichtsfarbe. Das ist bestimmt Ian.

Die Stimme meines Chefs klingt, als wäre er auf 180. Zumindest brüllt er so laut, dass ich sogar von meiner Entfernung aus jedes einzelne Wort verstehen kann.

BLACK, ICH SEHE GERADE EINEN TERMIN MIT ANDERSON ENTERPRISES IN MEINEM KALENDER. KANN ES SEIN, DASS SIE MIR DAS MEETING, IN DEM WIR DIE PATENTIERUNG DES SPEZIELL FÜR UNS ENTWICKELTEN COMPOSITES BESPRECHEN WOLLTEN, GENAU IN MEINE GESCHÄFTSREISE GELEGT HABEN?“ Schätze, das liegt durchaus im Bereich des Möglichen.

Timothy beginnt bereits, irgendetwas Zusammenhangloses zu stammeln, als ich ihm den Hörer aus der Hand reiße.

Ian klingt echt wütend „… BIN ICH DENN HIER UMGEBEN VON LAUTER …“ „Hi Ian, Charlie hier“, unterbreche ich seinen cholerischen Anfall. „Ja sorry, das war mein Fehler. Ich hab Mister Black gebeten, den Termin zu organisieren und hatte deinen Kalender nicht gecheckt. Hab aber alles im Griff“, lüge ich.

Stille. „… Ach so.“ Mein Boss klingt deutlich besänftigt. „Ach, vergiss den Termin. Wie geht es dir? Hab gehört, du warst im Krankenhaus.“ Aha, das sind ja ganz unerwartete Töne.

„Es geht mir schon viel besser, danke Ian.“ Lügnerin.

„Gut, das zu hören … Ja ich seh mir das gleich an … Ich muss Schluss machen, Charlie. Bye.“ Er hat bereits aufgelegt.

Timothy starrt mich mit offenem Mund an.

Um zu prüfen, ob er noch atmet, klopfe ich ihm zweimal auf die Schulter, was ihn verblüfft blinzeln lässt. Bevor er zu sich kommt, bin ich bereits über alle Berge.

Erst jetzt bemerke ich den fremdartigen Gegenstand auf meinem Schreibtisch. Es ist eine Blume aus Draht, nein das sind gelbe Leuchtdioden, die zu einem Geflecht gedreht wurden.

Sie ist von Teddy, der verschmitzt grinst. Das ist ja total lieb.

Gerade bin ich damit beschäftigt, ihn zu knuddeln, als im nächsten Moment die Labortüre aufspringt, die mir einen gefühlten Herzinfarkt beschert.

Unsere Putzfrau, die sich mit gestrecktem Zeige- und Mittelfinger zuerst andeutungsweise in die Augen piekt und dann mit den zwei Fingern zuerst auf mich und dann auf Teddy zeigt, steckt ihren massiven Schädel zur Tür rein.

Was soll das denn heißen? Ja okay, es herrscht Chaos, aber wie war das noch mal mit Genie und Wahnsinn?

Wir räumen das Feld, um weiteren Drohgebärden zu entgehen und genehmigen uns erstmal einen Kaffee.

Um kurz nach ein Uhr bin ich aus der Firma raus

Im Flur im Eingangsbereich meines Wohnhauses erwartet mich bereits die nächste Überraschung. Stimmen von Connor und der Knusperhexe sind zu hören. Sie scheinen sich zu unterhalten.

Da die beiden mich noch nicht bemerkt haben, lausche ich unverblümt ihrer äußerst angeregten Unterhaltung.

„… ja Officer, in diesem Haus gehen merkwürdige Dinge vor sich …“ Was du nicht sagst. „… Eines Abends sah ich die junge Frau vollkommen aufgelöst und mit zerrissener Kleidung nach Hause kommen…“

Wollen mal sehen, wie du nach einem Verlaufen-zum Affen gemacht-von Damian angemacht-Fahrrad gestohlen-von Elijah ignoriert- an Henry geklammert-von Williams Töle angefallen-Tag aussiehst.

„… und ich habe beobachtet, dass sie nur einen Schuh anhatte …“ Wow ein Indiz, das den Fall lösen wird.

„… ich vermute, sie ist in dunkle Machenschaften verwickelt und prostituiert sich selbst …“ Was? Du hast sie ja nicht mehr alle. Die hat definitiv zu viel Lebkuchen gefressen – oder Kinder.

„… Die Ärmste hat am selben Abend wie verrückt geschrien, dass ich es sogar in meiner Wohnung hören konnte – wahrscheinlich ein Freier, der sie dominiert hat.“ Hey, geht’s noch? Das war ich nicht, das waren Céline Dion und Barbra Streisand a cappella.

„Interessant“, stellt Connor fest. „Hat sie etwas gesagt, als Sie ihr begegnet sind?“ Ich geb dir gleich dein „Interessant, du Schnüffler.

„Nein Officer. Sie ist sehr verschwiegen. Wahrscheinlich ist das so üblich, wenn man in dem Gewerbe tätig ist …“ Gewerbe? Jetzt gehst du zu weit „… aber da fällt mir ein, ein paar Tage später war da dieser Skinhead …“ Wie bitte? „… der sie über seine Schulter die Treppe nach oben getragen hat …“ Das war Henry – ein Cop – kein Skinhead.

„ … Sie hat ihn angefleht, sie runterzulassen, …“ Hey, das war bloß Spaß. „… doch er hat sie verschleppt – sie war total verängstigt, hat es aber verneint, als ich sie fragte, ob ich die Polizei rufen solle …“ Das ist ja total übertrieben.

„…Ich habe davon gelesen – das sind so Vergewaltigungsrollenspiele“, flüstert sie verschwörerisch. Meine Fresse, die hat sie ja nicht mehr alle.

„Wie hat er ausgesehen, Miss Harriet?“, will Connor wissen. Ph, Miss Harriet, geht’s noch?

„Er war furchterregend, behaart wie ein Affe, mit ausländischem Akzent – sicher ein Gangster.“ Was? Ich schlage mir die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Das hat sie wohl geträumt.

„… und an einem Abend, da habe ich sie im Aufzug erwischt, als sie sich“ Ach du Scheiße – William – Aufzugsex „ … an einen Polizisten prostituiert hat. Sie hat schnell etwas in ihrem Ausschnitt versteckt, als sie mich gesehen hat. Das war ein Bündel Geld, ich habs genau gesehen …“ Hey, das war seine Visitenkarte – das Kleid hat keine Taschen.

„… Sie ist sicher Edelnutte, Officer. Hat sie Ihnen auch schon Sex angeboten?“ Ich hämmere meinen Schädel lautlos gegen die Briefkästen.

„Ähm … nein“, antwortet Ethan sich räuspernd.

„Das kommt noch“, prophezeit sie ihm.

Halt die Klappe, du Intrigantin. Er glaubt dir sowieso kein Wort – ich meine, die Story ist ja sowas von an den Haaren herbeigezogen. Damit kannst du keinen Bundesbeamten täuschen.

„Lebkuchen?“, prustet sie.

Ich strecke Daumen und Zeigefinger zu einer gestischen Waffe und puste mir pantomimisch den Kopf weg. Jetzt bietet sie ihm tatsächlich auch noch Lebkuchen an. Ist die Frau noch zu retten?

„Nein danke – ich muss los. Sie haben mir sehr weitergeholfen, Miss Harriet.“ Dass ich nicht lache.

„Bitteschön Officer, wenn Sie noch weitere Fragen haben. Es ist Wohnung Nummer sieben, eine Glückszahl. Ich bin immer zu Hause – Tag und Nacht.“ Au Backe. Hat sie echt gerade Nacht gesagt?

Aufgeschreckt laufe ich zur Tür, als Schritte ertönen.

Kaum draußen angekommen, mache ich kehrt und bewege mich wieder in Richtung Eingangstüre.

Da kommt mir Connor bereits entgegen und läuft mich fast über den Haufen. Sein Blick ist besorgt und distanziert zugleich. Sag mal, glaubt er diese Scheiße etwa?

Ein Räuspern seinerseits beendet unser gegenseitiges Anschweigen.

„Miss Jones – welch Überraschung“, bemerkt er gekünstelt.

„Naja, ich wohne hier, also hält sich die Überraschung in Grenzen, wenn ich durch die Tür komme“, entgegne ich schulterzuckend.

Er lächelt unbehaglich und ignoriert meinen Satz. „Gut, dass ich Sie antreffe. Ich hätte da noch ein paar Fragen an Sie.“ Ob ich Edelnutte bin, zum Beispiel?

„Da muss ich Sie enttäuschen, ich habe bereits etwas vor.“ Das ist nicht gelogen. Ich geh mit Louis an den Pier – das ist Tradition. Geburtstags-Tradition.

„Wie wärs mit morgen?“, schlägt er vor.

„Da bin ich bereits verabredet.“ Ebenfalls nicht gelogen.

„Mit wem?“ Nicht mit einem Freier, wenn du das meinst.

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, knalle ich ihm hin.

„Miss Jones … “ Sein angestrengter Blick lässt seine Zornesfalte heraustreten „… Sie sind doch nicht in Schwierigkeiten, oder?“ Ich glaub das einfach nicht. Er hat das wirre Gefasel der Knusperhexe echt vollkommen geschluckt.

„Ähm, nein … nicht, dass ich wüsste, ähm wieso jetzt?“, antworte ich so als würde ich absolut nicht wissen, worauf er hinaus will.

„Nur so, ich meine, Sie haben viel durchgemacht und … wie wärs mit Sonntag?“ Guter Versuch, Cowboy.

„Ich weiß nicht …“ „Gut, also dann Sonntag.“ Hey, das war kein Ja. Bevor ich protestieren kann, schlüpft er bereits durch die Tür.

Ich hätte so richtig Lust, ein animalisches Knurren auszustoßen, aber über diese Entwicklungsstufe bin ich bereits hinweg.

Louis empfängt mich mit einer Tröte, die mich zuerst zu Tode erschreckt, nur um mich hinterher daran zu erinnern, dass ich ihm ab sofort den Zugang zu Koffein verwehre – und Partyzubehör.

Bewaffnet mit Picknickkorb und Decke machen wir uns auf zum Strand und lassen uns standesgemäß die Sonne auf den Bauch scheinen.

Der Stress der vergangenen Tage fällt langsam von mir ab, während ich Louis dabei zusehe, wie er sich in die Fluten schmeißt und auf seinem Surfbrett eine Baywatch-Figur macht – bei null Wellengang wohlgemerkt. Das schafft auch nicht jeder. Naja, die rote Boje fehlt noch.

Gerade bin ich dabei einzudösen, als etwas gegen mein Knie knallt. Schreiend fahre ich hoch. Okay, so viel zum Thema Schreckhaftigkeit.

Genervt kicke ich den scheiß Football weg, der mich gestreift hat und versuche, die Was-ist-denn-das-für-eine-Psychopathin-Blicke zu ignorieren, die nun auf mich gerichtet sind. Was glotzt ihr so?

„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht treffen.“ Geblendet von der Sonne, lässt sich der Ursprung der Stimme nicht genau ausmachen.

Der vermeintliche Besitzer des Footballs tritt in Form einer Silhouette näher und ich erkenne einen Muskelprotz in dunkelblauen Shorts.

Sein Haar ist dunkelblond und strubbelig. Der geht glatt als Calvin Klein Unterwäschemodel durch. Seine Zähne sind strahlend weiß und seine Augen haben die Farbe des Ozeans. Meine Fresse.

Wäre ich nicht noch fertig von der Schrecksekunde und den Erlebnissen der vergangenen Tage, würde ich ihn anschmachten. Aber selbst dazu fehlt mir momentan die Kraft.

„War ja nichts dahinter“, kommentiere ich seinen Wurf. Das ist ein Spruch aus so einem Dahinschmacht-Film, den ich immer schon mal sagen wollte. Wie tief kann man eigentlich sinken? Jetzt zitiere ich schon aus C-Movies.

Ich bin bereits in der Phase, mich wieder meinem Vor-mich-hin-Grübeln zu widmen, als ich ein „Ist wirklich alles in Ordnung?“ vernehme.

„Klar“, pruste ich.

Bis auf die Tatsache, dass ich gerade erst entführt, gequält und gedemütigt wurde ist alles in Butter. Wow, das kauf ich mir nicht mal selbst ab.

Er mustert mich interessiert. Ja Mann, jetzt hau ab, du hast dein Ei wieder. Ist das zu viel verlangt, mal einfach in Ruhe gelassen zu werden.

„Es ist nur so … ich erkenne eine posttraumatische Belastungsstörung, wenn ich sie sehe“, hat er jetzt nicht tatsächlich gesagt. Wie bitte? Posttraumatische Belastungsstörung? Will er damit etwa sagen, ich wäre gestört?

Müssten die Psychologiestudenten nicht um die Zeit in der Uni sein? Wieso entlässt man die eigentlich vor ihrem Abschluss in die freie Wildbahn?

Ich merke gerade, dass meine Hände zittern, die ich ziemlich offensichtlich in der Picknick-Decke vergrabe.

Warte mal, woher weiß er das so genau? So armselig sehe ich auch wieder nicht aus. Hoffentlich. Hm, das kann kein Zufall sein.

Mal sehen. Ah, erwischt – dieser Connor will mich wohl für dumm verkaufen.

„Und ich erkenne einen Schnüffler von Interpol, wenn ich ihn sehe“, kontere ich.

Ihm fällt gerade die Kinnlade runter. Daraufhin lächelt er kopfschüttelnd. Versuch es ja nicht abzustreiten.

„Was hat mich verraten?“, will er schmunzelnd wissen. Scheiße, ich hatte recht. Selbstbewusstseinspush.

„Ihre Uhr“, antworte ich. Die gleiche trägt dieser Schnüffler Connor. Henry übrigens auch. Danke photographisches Gedächtnis – wieder mal hast du mir gute Dienste erwiesen.

Nach einem kurzen Blick auf sein Handgelenk lässt er sich neben mir in den Sand nieder. Hey, deine Tarnung ist aufgeflogen – zieh Leine.

„Ich bin Richard“, stellt er sich vor. Das interessiert hier niemanden. Er streckt mir seine Hand entgegen, die ich natürlich nicht ergreife.

„Ist das der Plan? Wollten Sie mich mit Ihrem Waschbrettbauch und Ihrem Zahnarztlächeln ködern? Mein Vertrauen gewinnen? Mir mit subtilen Methoden Informationen entlocken?“, mutmaße ich.

„Eigentlich bin ich hier, um Ihnen zu helfen ….“ Helfen? Mir? „… Agent Connor macht sich Sorgen um Sie und hat mich gebeten, nach Ihnen zu sehen. Er meinte, Sie würden nie mit mir sprechen, wenn ich mich als Psychiater zu erkennen gebe, also dachte ich, es wäre besser, ein unverbindliches Strandgespräch zu führen.“ Er zuckt mit den Schultern. „Das war der Plan.“ Er schickt mir einen Seelenklempner! Ist er noch zu retten? Der ist höchstens zweiunddreißig und sieht nicht aus, als wäre er einer von diesen Irrenärzten.

„Das nennen Sie also ein ‚unverbindliches Strandgespräch führen‘, wenn Sie mir nach dem zweiten Satz Ihre Diagnose an den Kopf knallen“, entgegne ich stirnrunzelnd.

Er lächelt scheu. Er ist ziemlich nett wie ich finde – ich meine, für einen Psychiater.

„Naja, zugegebenermaßen bin ich eher selten undercover unterwegs. Das ist eine neue Erfahrung für mich“, gibt er zu. Also undercover in Badehose. Unsere Blicke treffen sich. Das macht mich grad etwas nervös.

„Hören Sie auf damit“, tadle ich ihn. Ich sehe genervt zur Seite.

„Womit?“, fragt er scheinheilig.

„Mich zu analysieren.“

„Machen ich und mein Waschbrettbauch Sie etwa nervös?“, stößt er wissend aus. Scheiße ja. Das lässt mir Röte ins Gesicht steigen, während ich ihn böse anfunkle.

Daraufhin schüttle ich amüsiert den Kopf. „Sagen Sie Mister Connor, er möge mir seine Beamten vom Leib halten.“ Und jetzt hau ab.

„Hm, da haben wir erhöhte Schreckhaftigkeit, Angstzustände bei Berührung. Haben Sie das Gefühl, verfolgt zu werden? Leiden Sie unter Schlafstörungen? Panikattacken?“ „Stopp“, unterbreche ich ihn forsch. Was soll das werden, wenn es fertig ist?

Das nimmt ihm ganz schön den Wind aus den Segeln. Ich glaube, er wollte gerade voll mit seiner Psychoanalytik loslegen.

„Ich brauche keinen Psychiater“, stelle ich selbstsicher fest. Geh endlich weg.

„Natürlich nicht. Ich meine, Sie haben einen Doktor der technischen Wissenschaften. Ihr Intelligenzquotient liegt bei 140 und Sie verfügen über ein photographisches Gedächtnis. Ich würde niemals Ihre geistigen Fähigkeiten anzweifeln. Dennoch haben Sie in den letzten Tagen schreckliche Dinge erlebt. Das kann einen schon mal aus der Bahn werfen.“ Was zum …

Jetzt bin ich echt sauer. „Das ist privat. Meine Universitätsakte untersteht dem Datenschutz“, der anscheinend für euren Verein nicht gilt.

„Bitte lassen Sie mich Ihnen helfen, Charlize. Ich bin jetzt nicht als Psychiater hier, sondern als ein Vertrauter. Sie können sich mir anvertrauen. Haben Sie keine Angst.“ Jetzt kommt er auch schon mit so einer gequirlten Psychokurs-Scheiße an.

„Diese Unterhaltung ist nun beendet“, herrsche ich ihn an.

Einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, er wollte noch etwas sagen, doch dann nickt er stumm und verschwindet. Aber nicht, ohne vorher noch ein paar Zahlen in den Sand vor meine Decke zu ziehen. Wohl seine Telefonnummer. Als ob ich mir die merken werde – verdammt nochmal natürlich werde ich sie mir merken. Das weiß er auch.

Mir bleibt echt nichts erspart.

Nachdem ich aus dem Krankenhaus zurück bin – mit tollen Nachrichten, denn meine Wunden verheilen gut, also hat mir Elijah Samstag und Sonntag freigegeben, entdecke ich im Briefkasten eine Geburtstagskarte von William:

Happy Birthday. Dein Geschenk wartet auf dich. William.

Das ist sooooo süß von ihm.

Auf meinem Schreibtisch in meinem Zimmer finde ich ebenfalls einen Umschlag – er ist von Henry – sicher ist er hier eingebrochen, um ihn herzulegen.

Prima, ich sollte die Sicherheitsmaßnahmen unserer vier Wände überdenken, obwohl mich das irgendwie anmacht, mir vorzustellen wie er mit Tarnkleidung an unserem Schloss rumfummelt.

Charlie,

Ich habe einen Einsatz und bin ein paar Wochen außer Landes.

Deinen Geburtstag feiern wir, wenn ich zurück bin.

Happy Birthday!

Pass auf dich auf

In Liebe

H.

Hitzewallungen schwappen durch meinen Körper. Da steht echt: In Liebe.

Mann, wie soll ich mich jemals für einen von ihnen entscheiden? Verdammt. Verdammt. Verdammt.

Mrs. Jones and me

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