Читать книгу Lass die Sterne nach dir greifen - Marie Lu Pera - Страница 5
Kapitel 3
Оглавление„Ich bin sowas von bereit“, antworte ich auf die Frage, die mir mein Dad schon dreimal gestellt hat. Er hat sogar kontrolliert, ob ich Schuhe anhabe.
Den Joke, dass Cinderella sicher nicht ohne Schuh auf den Ball geht, hat er nicht kapiert.
Meine Mum hat mich in ein beerenfarbenes Abendkleid gesteckt, nachdem ich für die Antwort, dass Blau meine Lieblingsfarbe sei beinahe einen Kopf kürzer war. Ich vergaß, Wasser ist ja böse.
Ein bisschen durchs Haar gewuschelt und et voilà: Texas, ähm Kaja, wie aus dem Ei gepellt ist bereit, endlich auf die Piste zu gehen.
Es gibt eine unsichtbare Kuppel zwischen dem Gebäude und dem Raumschiff-Parkplatz, daher werden wir nicht nass. Es regnet nämlich immer noch. Nein, Regen trifft es nicht ganz, das ist eine kleine Sintflut, die da ununterbrochen runterkommt. Ich frage mich, ob der Meeresspiegel ansteigen wird und wir bald unter Wasser grillen können – wie SpongeBob.
Meine Schwester geht mit ihrem Freund auf die Party und wurde schon abgeholt.
Daher steige ich mit meinen Eltern ins Schiff. Ich setze mich brav an den mir zugewiesenen Platz und halte die Flossen dicht an meinem Körper, um nichts anzufassen, was mir mein Vater ausdrücklich verboten hat, der eine Uniform trägt. Meine Mum hat ein rotes, seidiges Abendkleid an. Ihre Zöpfe trägt sie in einer aufwändigen Hochsteckfrisur.
Als wir losfliegen, kralle ich mich in den Sitz, denn mein Magen rutscht mir gefühlt bis in die Kniekehlen. Gibt’s hier auch irgendwo Kotztüten? Ich bin wohl noch immer nicht ganz auf dem Damm.
Wir fliegen gefühlte zehn Minuten, da geht eine Erschütterung durch das Teil, was mich kurz aufschreien lässt. Mein „Stürzen wir ab?“ dementiert mein Vater mit den Worten: „Das war die Landung.“
„Das üben wir aber noch“, spotte ich. Er lacht nicht. Hm.
Wir steigen über eine sich öffnende Laderampe aus und werden schon von einer sensationslustigen Meute Paparazzi (keine Ahnung, wie die hier heißen) empfangen.
Hier gibt es aber kein Blitzlichtgewitter, nein, hier wird man gleich mal von allen Seiten mit diesen Metallkugeln beworfen, vor denen ich mich so richtig schön wegducke. Mein Vater zieht mich am Ellbogen hoch, da schwirren sie erneut um mich herum.
Es sind Kameras, murmelt zumindest mein Vater. Das „Die tun dir nichts“, hätte er aber steckenlassen können.
Eine Gruppe sensationslustiger Aliens, die auf eine Story aus sind, drängen sich an uns heran. Mann, hier ist wohl sonst nichts los, wenn die sich wie die Geier auf mich stürzen. Die Quasselstrippen bombardieren mich alle gleichzeitig mit ihren Fragen, wodurch nur ein einziges, lautes Stimmengewirr verstehen kann.
Der Quadratschädel taucht neben mir auf und hält die Leute auf Abstand. Ist er etwa unser Bodyguard?
Ich schreite an der Seite meines Vaters durch die sich teilende Menge. Niemand folgt uns, als wir das Gebäude betreten, das wie ein schwarzer, glänzender Stahlbauklotz aussieht. Das muss dann mal das Parlament sein.
Wir treten durch eine große Halle, an dessen Decke neun riesige, rotierende Planeten projiziert werden. Mir fallen fast die Augen raus, so viele Eindrücke will ich auf einmal sammeln.
Ich stolpere sogar über meine eigenen Füße, aber mein Vater zieht mich schnell weiter und so erreichen wir einen riesigen Garten. Da gibt es zwar nur ein paar vereinzelt stehende Bäume, aber das reicht schon aus, um mich ein bisschen wie Zuhause zu fühlen.
Gefühlte dreihundert Aliens starren gleichzeitig auf mich. Krass. Mein Vater ist vor der steilen Treppe, die in den Garten führt, stehengeblieben. Das ist definitiv zu viel Aufmerksamkeit für einen einzigen Organismus.
Wie so viele Leute so mucksmäuschenstill sein können, ist mir echt ein Rätsel. Ist beinahe gespenstisch.
Ein Metallball schwirrt mir wieder um die Birne, da flüstert mein Vater: „Sag etwas.“ Okay, verlangen die jetzt eine Mörderansprache, oder was?
Ich lächle. „Ich nehm mir vor, mit Ihnen allen zu tanzen.“ Meine Stimme hallt abartig laut über den Garten, bevor Gelächter ausbricht.
Mein Vater sieht mich lächelnd an, es reicht aber nicht bis zu seinen Augen. Was denn? Das war zum Eisbrechen.
„Wo wart Ihr, Kronprinzessin Kaja“, ruft jemand aus der Menge.
Ich weiß, dass ich dazu Stellung nehmen muss, immerhin stehen wir ja in der Öffentlichkeit. Königsfamilie, und so.
Daraufhin erkläre ich: „Ich liebe Geschichten, also werde ich meine erzählen.
Es war einmal ein alter Mann, der ein Mädchen, das sein Gedächtnis verloren und in seinem Feld umhergeirrt ist, fand. Ein bleiches Wesen mit verschiedenfarbigen Augen. Er hat sie bei sich aufgenommen wie seine eigene Tochter. Gab ihr Kleidung, etwas zu essen, ein Zuhause und einen Namen. Texas.
Er hat Texas alles beigebracht, was wichtig ist. Wie aus kleinen Körnern ganze Felder wachsen, zum Beispiel. Dass man jedes Lebewesen mit dem höchsten Maß an Respekt behandelt, auch wenn es anders ist, als man selbst.
Sein größter Traum war es, ins All zu fliegen. Diejenige zu treffen, die dort leben. Doch Texas hatte vergessen, was dort oben bei den Sternen auf sie wartet. Sie hat ihn ausgelacht, ihn für verrückt erklärt.
Auch wenn er seltsam und scheinbar wirr im Kopf war, hat ihn Texas sehr gemocht und erst jetzt erfahren, dass sein Traum wohl in Erfüllung gegangen ist, denn er stand den Sternen und denen, die dort leben, näher als er dachte.
Sein Name ist John Peters. Jeden meiner Atemzüge widme ich ihm. Ich vermisse ihn sehr, diesen verrückten, alten Mann mit dem Herzen am rechten Fleck.
Nun, wo war Texas die ganze Zeit über? Sie war an einem wundervollen Ort. Texas ist nicht traumatisiert, war zu keinem Zeitpunkt in Gefangenschaft. Sie hatte dort ein sehr schönes Leben, von dem sie keinen einzigen Tag missen will.
Dennoch ist sie froh, wieder bei ihren Eltern zu sein, die die Suche nach ihr nie aufgegeben haben. Auch wenn sich Texas an sie und ihr Leben im Weltraum noch nicht erinnern kann.“ Ich lächle. „Ich erinnere mich nicht. Nicht an meine Entführung, auch nicht an das Leben davor. Habe nur die letzten drei Eonen, die ich bei dem Mann gelebt habe.
Ich möchte wieder zur Schule gehen und alles aufholen, was ich verpasst habe, will mich verlieben und dort weitermachen, wo ich aufgehört habe.
Sie haben sicher tausend Fragen. Die habe ich auch, aber bis ich die Antworten dazu habe, möchte ich gerne Zeit mit meiner Familie verbringen und erstmal einen draufmachen.“ Viele lachen laut auf.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute … Meine Augen brennen bei dem Gedanken an John.
Mein Vater nimmt mich in den Arm, küsst mich auf die Stirn und flüstert: „Wie erwachsen du doch geworden bist.“ Hey, was ist los? Wie jetzt? Kein Vorwurf.
Naja ich hab Schlappen an und hier gibt es augenscheinlich auch keinen Brunnen, in den ich fallen könnte. Somit hab ich schon die zwei größten Risikofaktoren ausgeschaltet, mit denen ich ihn enttäuschen könnte.
An seiner Seite schreite ich die Stufen hinab. Als ich unten angekommen bin, beginnt jemand, einen Stock auf die Erde zu stoßen. Ein paar stimmen mit Klatschlauten ein. Wiederum andere brüllen etwas, das ich nicht verstehen kann. Jeder macht irgendwie Lärm, was total abgefahren ist. Das ist total nett, dass sie mich so willkommen heißen. Ich kann gar nicht anders, als Küsse in die Menge zu werfen und zu winken, als wär ich Queen Margret höchstpersönlich.
Viele kommen auf mich zu, verbeugen sich vor mir und begrüßen mich persönlich. Da werde ich reihenweise mit der Stirn berührt, gedrückt oder an die Schulter geklopft. Das ist so nett, dass mir Tränen in die Augen schießen.
Viele Frauen streichen mir über die Wange und sagen mir, dass sie froh sind, dass ich wohlauf bin. Ich bin eigentlich so damit beschäftigt, nicht loszuheulen wie eine Boje, dass ich kaum mitkriege, wie viele unterschiedliche Lebensformen mich beherzt an sich ziehen.
Nach gefühlten Stunden bin ich so fertig, dass ich mich hinter einen Baum rette, um mal kurz durchzuatmen. Außerdem ist mir schon wieder so komisch schwindlig.
„Du willst dich also verlieben“, stellt Maxim fest, der verschmitzt grinsend vor mir auftaucht, nur um meine Worte von dem Interview zu wiederholen.
„Welche Frau will das nicht?“, kontere ich schulterzuckend.
Er setzt sein perfekt einstudiertes Verführerlächeln auf und kommt näher. „So ein Zufall, ich mich auch.“ Hätte ich ihr Gespräch nicht belauscht, wär ich glatt weggeschmolzen.
Ich lächle so, als hätten mich seine Worte eingelullt. „Hör mal gut zu, du Scheißkerl. Ich hatte Zuhause den berüchtigtsten, rechten Haken von ganz Texas, also solltest du dich woanders verlieben gehen, denn hier ist bereits besetzt. Ich steh nämlich mehr auf hässliche Verrückte. Die passen besser zu mir.“
Ihm steht der Mund offen, als ich meinen Wohlfühlbereich wieder herstelle, indem ich ihn mit aller Kraft von mir schubse und ihn einfach stehenlasse.
Zurück bei der Party-Gesellschaft setzt Musik ein und ich werde munter herumgereicht. Ich versuche, das zu tun, was ich mit Jakob gemacht habe, nur diesmal imitiere ich die verschiedenen Tanzstile. Auch wenn es noch so bekloppt aussieht, es macht Spaß.
Ich lache ausgelassen und hab sichtlich Spaß dabei, mich zum Affen zu machen, wenn ich mit Wesen tanze, die sich wie Zombies bewegen oder welchen, die ihre Rüssel um den Hals gebunden haben.
Menschen scheint es hierher nicht verschlagen zu haben, aber das hält mich nicht davon ab, ein paar Erdentanzstile reinzumischen.
Plötzlich zieht mich jemand an sich. Es ist meine Schwester, die sich lächelnd an mich drückt und scheinbar für ein Foto posiert, mich umarmt und dann wieder stehenlässt. Wow, was war das denn? Die Frau ist echt gruslig.
Gefühlte Stunden später ist es wieder diese plötzlich einkehrende Stille, die mich aufhorchen lässt. Der Roboter neben mir, der ein Tablett mit Gläsern hält, kniet nieder. Sein Blick ist zu Boden gerichtet.
Auf den Treppen steht ein Roboter – ah scheinbar ihr Anführer. Die Leute haben Angst vor ihm – ihren Blicken zufolge. Versteh ich total, denn mir ergeht es nicht anders. Er ist viel größer als die anderen Ceflapoiden, hat einen breiteren Körperbau und trägt einen schwarzen Umhang.
Er schreitet die Treppen hinab, als wär er Darth Vader höchstpersönlich (nur ohne Atemgeräusche) und kommt auf mich zu – auf mich. Das muss man sich mal vorstellen.
Mir geht der Arsch aber sowas von auf Grundeis, was ich mir niemals anmerken lassen würde. Naja, wenn er meinen Herzschlag, wie Jakob, spüren kann, dann bin ich sowieso ein offenes Buch für ihn.
Er ist beinahe bei mir, da geht ein aufgeregtes Tuscheln durch die Reihen und mein Vater taucht neben mir auf.
„Du bist hier nicht willkommen“, herrscht er ihn an. Der Roboter ignoriert ihn und baut sich vor mir auf – überragt mich beinahe um zwei Köpfe.
Okay, ganz ruhig, Kaja. „Willkommen“, grüße ich ihn. „Ich bin Kaja.“ Ein Schnauben geht durch die Reihen.
„Mein Name ist Aroc, Herrscher über die Ceflapoiden.“ Jakobs König, ich werd verrückt.
„Hallo.“ Ich strecke ihm die Hand hin, die er ein paar Sekunden lang mustert und sie dann ergreift. Ein paar der weiblichen Wesen schreien sogar leicht auf. Wohl schwache Nerven. Okay, er ist hier scheinbar der Bösewicht.
Warte mal. Was tu ich hier eigentlich? Das ist voll der Wahnsinn. Er könnte meine Hand wie Knetmasse zerquetschen, wenn er wollte. Einfach so. Und eigentlich hätte ich ja dieses Stirnding mit ihm machen sollen. Händeschütteln macht man bei den Byzantinern nicht als Begrüßungsgeste.
Aber da war Johns Händedruck sogar fester als der seine, daher war meine Angst unbegründet. Ich weiß gar nicht, wie froh ich darüber bin.
Dieses unangenehme Schweigen breitet sich zwischen uns aus.
„Wollen wir tanzen?“, verlässt meine Kehle, bevor mir bewusst wird, was zum Teufel ich hier eigentlich tue. Naja, er wird mich ja nicht vor allen Leuten zerquetschen, oder?
Dem Blick meines Vaters zufolge wohl eher doch, denn er zischt ein „Kaja“, doch da ergreife ich schon die mir dargebotene Roboterhand.
„Nein, das erlaube ich nicht“, geht mein Vater dazwischen.
„Ist schon gut“, beschwichtige ich.
Ich weiß auch nicht, warum ich das tue. Meine Beine zittern sogar, weil ich mich vor ihm fürchte, aber die Neugierde siegt. Mich würde zu gerne interessieren, was er von dieser Sklavengeschichte hält, naja, er ist sicher angepisst. Aber was soll ich denn sagen? Tut mir leid, dass wir Sklaventreiber sind?
Die Musik erklingt eher zögerlich, nachdem die Leute beinahe panisch zurückgewichen sind und wir so reichlich Platz zum Tanzen haben.
Der König geht in Tanzposition, zieht mich an sicher heran und beginnt, sich zu bewegen. Es war vorher schon klar, wer hier führen wird.
„Ihr zittert am ganzen Körper“, stellt er fest. Verdammt, er spürt es. Naja Kunststück, ich könnte als Presslufthammer durchgehen.
„Ich habe Angst“, gebe ich zu.
„Warum habt Ihr darum gebeten, mit mir zu tanzen, wenn es Euch ängstigt?“
Man muss sich seinen Ängsten stellen, wiederhole ich Johns Worte in Gedanken.
„Ich habe zugesagt, mit allen zu tanzen, die hier sind und ich stehe zu meinem Wort“, antworte ich. „Aber das ist nicht der einzige Grund“, gebe ich zu und lächle scheu.
„Welche Gründe hattet Ihr noch?“, hinterfragt er meine Worte.
„Ich glaube, wir haben eine Gemeinsamkeit“, antworte ich, „Wir befinden uns inmitten einer Menge, aber sind dennoch total einsam. Jeder auf seine eigene Art und Weise.“
Der König stoppt synchron zur Musik. Dennoch löst er sich nicht von meinem Blick.
Es wäre einfach für ihn, mir den Gar auszumachen. Er könnte es tun und es wäre vermutlich vorbei, bevor ich es überhaupt mitbekomme. Womöglich steckt er sogar hinter meiner Entführung und hat den Roboter auf die Erde entsandt, aber ich würde mir eher den Arm abbeißen, als bei dem Gedanken schreiend zurückzuweichen.
Stattdessen lächle ich: „Danke für den Tanz.“
„Seht Euch vor, Prinzessin“, flüstert er und lässt mich los. War das eine Drohung? Obwohl es total irrational ist, lächle ich.
Es ist eher so eine Art gequältes Grinsen einer Alice im Wunderland, die alle Erinnerungen eingebüßt und grad in den Kaninchenbau gefallen ist.
Er nickt und verlässt die Party wieder auf demselben Weg, auf dem er reingekommen ist. Erst als er außer Sichtweite ist, entspannen sich die Leute fühlbar.
So viel zum hohen Gruselfaktor. Er könnte eine Menge Kohle machen, wenn er für Halloween-Partys buchbar wäre.
Am Frühstückstisch herrscht – passend zum Abschluss des Abends – Gruselstimmung. Okay, was hab ich jetzt schon wieder falsch gemacht?
„Es ist, weil ich mit dem Roboterkönig getanzt habe, oder? Ihr seid sauer“, mutmaße ich.
Mein Vater sieht zu mir auf und meint: „Nein. Du konntest nicht wissen, dass er unser Feind ist, obwohl du es ja an der Reaktion der Anwesenden hättest ablesen können. Und an meiner.“
„Du bist also sauer“, stelle ich fest.
„Also gut, ich bin etwas … erbost“, beginnt mein Vater, aber ich unterbreche ihn. „Du sagtest, du bist nicht sauer.“ Er sieht aus, als würde er mich gleich durch Sonne Mond und Sterne schießen, da knurrt er: „Du hast ihn angelächelt.“
„Wen denn?“, frage ich.
„Den Ceflapoiden-Herrscher.“
„Oh, wie konnte ich nur“, spotte ich theatralisch. „Was ist denn daran bitte verkehrt?“
Mein Vater schnaubt abfällig.
„Liebling“, versucht es meine Mum. „Wir zeigen unsere Emotionen nicht so freizügig. Die Kontrolle unseres Geistes ist eine hohe Kunst, die die Byzantiner ausmacht.“
Mein Vater schaltet sich erneut ein: „Kannst du mir verraten, warum du unserem Feind ein Lächeln schenkst und unsere Verbündeten von dir stößt. Ich war außer mir, als ich sah, wie du Maxim angegriffen hast.“ Er wird’s überleben. Hey, steh ich etwa unter Beobachtung?
Ich zucke mit den Schultern. „Ich entscheide selbst, wer Freund oder Feind ist.“
„Das tust du nicht. Ich sage dir, was du zu denken hast“, herrscht mich mein Vater an. Wow.
„Ich darf also keine Emotionen zeigen, nur in Begleitung nach draußen, soll nichts anfassen, brav gehorchen, mir ist es nicht erlaubt, etwas dazuzulernen und selbstständig denken darf ich auch nicht. Erklärt mir mal was, denn das würde mich brennend interessieren: Was genau ist jetzt der Unterschied zwischen mir und einem Ceflapoiden-Sklaven?“ Auf die Frage waren sie wohl nicht gefasst.
Meine Mutter tauscht Blicke mit meinem Vater aus, die ich nicht deuten kann und antwortet: „Weißt du was, ich nehme dich heute mit in die Schule.“
„Echt?“, frage ich wie ein Honigkuchenpferd strahlend. Sie teilen meine Freude nicht so ganz – sehen eher gequält aus.
Dass ich mich zu früh gefreut habe, merke ich spätestens, als ich das Klassenzimmer betrete, in dem lauter Siebenjährige sitzen. Erste Klasse – wow – auf zum Mond.
Ich komm mir vor wie eine Zurückgebliebene, die auf das geistige Niveau eines Schulanfängers eingestuft worden ist.
Dementsprechend verblüfft sehen die Kleinen auch aus.
„Setz dich, Kaja“, bietet meine Mum an und zeigt auf einen der freien Plätze mit den Ministühlen, auf denen wohl kaum mein Hintern passen wird. Das ist jetzt nicht ihr Ernst.
Die Beine muss ich wahrscheinlich ganz durchstrecken, sonst haben die unter dem Tisch gar nicht Platz.
Ich will sie nicht vor ihrer Klasse bloßstellen, also tue ich, wonach sie verlangt.
Der Sessel knarrt unter mir, was einige Kinder lachen lässt. Okay, ich bin wohl ganz unten angekommen.
Ich weiß ja, dass ich mit dem Stoff zurückliege, aber ich dachte ehrlich gesagt an High-School oder College – nicht an Kindergarten. Meine Mum hat mich sogar in die Schuluniform – ein schlichtes, graues Kleid – gesteckt. Die gabs aber glücklicherweise in meiner Größe.
Sie beginnt, die Schriftzeichen zu erklären, die echt Ähnlichkeit mit Chinesisch haben und auch genauso schwer sind.
Das kleine Mädchen neben mir kichert, als sie die krakeligen Zeichen, mit denen ich meinen Namen geschrieben habe, sieht. Mann, kümmer dich um deinen Scheiß.
In der Mittagspause schleiche ich mich davon und mache mich auf den Weg zum Parlament, das nur durch einen riesigen Steingarten von der Schule getrennt liegt, um meinen Dad bei der Arbeit zu besuchen.
Ich weiß, dass ihn das ärgern wird, aber ich machs trotzdem. Irgendwie haben wir doch ein recht eigenartiges Vater-Tochter-Verhältnis. Vielleicht sollten wir uns einfach besser kennenlernen – Zeit miteinander verbringen.
Ich frage mich, ob mir noch Gefahr droht, wieder entführt zu werden, aber mein Vater sagte mir, ich sei in der Hauptstadt sicher, da hier überall Überwachungskameras wären. Er hat die Metallkugeln aber Cybots genannt.
Viele Passanten bleiben stehen und glotzen mich an. Ein paar trauen sich sogar an mich heran, drücken meine Hand, wünschen mir alles Gute und andere nette Sachen – dass alles wieder gut wird zum Beispiel.
Über mir schwirren Raumschiffe, was dem Ganzen hier einen Hauch vom Film „Das fünfte Element“ mit einer Prise „I, Robot“ gibt.
Sogar unter den künstlichen Lebensformen errege ich Aufmerksamkeit. Mann, an das muss ich mich erst gewöhnen. Zu Hause hat sich nie jemand nach mir umgedreht.
Viele Leute strömen in das Parlamentsgebäude oder verlassen es emsig. Als Wachen haben sie Ceflapoiden mit Feuerwaffen aufgestellt, die mir irgendwie Angst machen. Naja, das soll ja abschreckend wirken. Funktioniert schon mal.
Dem Portier, der hinter einer kleinen Rezeption sitzt – keine Ahnung, wie man das sonst nennt – steht der Mund offen.
„Hi, ich bin Kaja und wollte meinen Vater besuchen. Wie finde ich ihn nochmal?“, strahle ich ihn an.
Der Alien mit Schweinsrüssel-Nase blinzelt ein paar Mal und sagt dann: „Den Gang entlang und dann rechts den Transporter bis ins oberste Stockwerk, Königliche Hoheit.“ Königliche Hoheit. Wow. Er steht sogar auf und verbeugt sich vor mir. Vor mir.
Ich frage mich, ob er ein Kringelschwänzchen hat und vermag meine Belustigung über den Gedanken nur schwer zu verbergen.
„Wie heißen Sie?“, frage ich ihn.
„Ludwinius, Königliche Hoheit.“
„Nennen Sie mich Kaja, Ludwinius. Danke. Bis später“, winke ich und folge seiner Wegbeschreibung. Dabei wanke ich immer wieder, weil mir diese Weltraumkrankheit noch in den Knochen steckt.
Ich komme zu so einer Art Aufzug, dessen Tür automatisch öffnet.
Im Inneren der Kabine gibt es aber keine Knöpfe. „Ähm, oberstes Stockwerk“, stammle ich, was das Teil sich in Bewegung setzen lässt. Aber so abrupt, dass es mich von den Füßen wirft und mir der Magen ausgehoben wird.
Ich habs noch nicht geschafft, das Schleudertrauma zu überwinden, da geht die Tür bereits auf. Meine Fresse, das nenn ich mal hochgebeamt.
Ich hechte aus dem Teil und halte mich an der Wand fest. Bin wohl doch noch nicht ganz auf dem Damm.
Obwohl ich nicht weiß, welches das Büro meines Dads ist, halte ich mich an die aufgebrachten Stimmen, die hier durch die Gänge hallen.
Eine Frau mit Schlangenhaaren, die mich total an Celia von der Monster AG erinnert, hat gerade ein Zimmer fluchtartig verlassen, aus dem wildes Brüllen von mehreren Männern dröhnt.
„Die schlagen sich die Köpfe ein“, haucht sie zu einer Kollegin, die ihr entgegenkommt. Wer schlägt wem den Kopf ein? Dad?
Aufgebracht betrete ich den riesigen, runden Raum, der lauter kleine eiförmige Logen als Zuschauerbereich hat, die die kathedralen-hohen Wände säumen. Sie sind aber leer.
Im Zentrum des Raumes steht ein runder Tisch, an dem ein Haufen erwachsener Männer gerade dabei ist, sich verbal zur Schnecke zu machen. Sie sind alle aufgesprungen und funkeln sich herausfordernd an. Dass sie kurz davor sind, sich die Fresse zu polieren, ist kaum zu übersehen.
Mein Dad versucht, die Meute in den Griff zu bekommen, aber seine Rufe gehen im Chaos unter. Mich hat noch niemand bemerkt, zu beschäftigt sind sie damit, sich gegenseitig fertigzumachen.
Plötzlich eskaliert eine verbale Attacke und zwei Aliens gehen aufeinander los. Bevor sie sich an die Gurgel gehen können, stecke ich zwei Finger in den Mund und Pfeife bis zur äußersten Schmerzgrenze, was sie allesamt zusammenzucken lässt. Tja, das hat wehgetan, ich weiß. Genießt es.
Schlagartig drehen sich alle Köpfe im Raum zu mir. Sag mal, spüre ich grad ein leichtes Aggressionspotential, das sie in meine Richtung lenken?
„Wenn das jemand sieht, stufen sie eure Planeten ein paar Buchstaben zurück“, stoße ich mit in die Hüften gestemmten Armen aus. „Ist ja zum Fremdschämen, ihr Ritter der Tafelrunde.“
„Kaja“, ruft mein Vater aufgebracht und kommt auf mich zu. „Was machst du hier?“
„Dich besuchen“, erkläre ich, klopfe ihm auf die Schulter und nehme auf einem der freien Stühle Platz. „Weitermachen. Tut einfach so, als wär ich nicht da. Ich will lernen, wie ein hoch entwickeltes Parlament funktioniert“, spotte ich, da nehmen alle wieder zögerlich Platz. Unter ihnen erkenne ich die Prätoren, Imperatoren und Oberhäupter der neun Planeten, die mir auf der Party vorgestellt wurden. Mit ein paar von ihnen hab ich sogar getanzt. Dann sind also die, mit denen ich nicht das Vergnügen hatte, eine flotte Sohle aufs Parkett zu legen, wohl unsere Feinde. Sind ja ganz schön viele.
Mein Vater sieht echt nicht begeistert aus, räuspert sich aber und sagt: „Das waren dann alle Tagesordnungspunkte.“
„Oh, perfekt, kann man noch Punkte einbringen?“, will ich wissen und sehe in die Reihen der Alienpolitiker, die mich interessiert mustern. Maxims Dad ist auch unter ihnen.
Mein Vater zieht die Augenbrauen hoch. „Das ist nur Mitgliedern des hohen Rates vorbehalten.“
„Perfekt. Ich bin für die Aufhebung der Sklaverei auch für künstliche Lebensformen“, stoße ich lächelnd aus.
Ein belustigtes Schnauben geht durch die Reihen. „Das steht nicht zur Debatte“, erklärt mir mein Gegenüber – ein dicker Alien, der entfernt Ähnlichkeit mit einem Walross hat.
„Wieso nicht?“, frage ich und löse erneut diese Atemgeräusche aus.
„Weil das im vierten Abkommen der Intergalaktischen Taktaren festgehalten ist. Eine fakultative Verfassungsragda, die bindend ist.“
Ich greife mir an meine Ohren und meine: „Vater, ich glaube, mit meinem Chip stimmt etwas nicht, ich versteh nur wirres Zeug.“
Mein Dad kommt auf mich zu, zückt so ein Gerät, das piepst und kommt zu dem Schluss: „Damit ist alles in Ordnung.“ Ich weiß.
Ich grinse, was ein paar Männern am Tisch ein Lächeln entzieht.
Mein Vater versucht mich mit den Worten: „Meine Tochter wird uns jetzt verlassen“ loszuwerden. Hey, komm schon, das war ein Scherz.
„Kommt jetzt wieder der Part, wo wir uns gegenseitig anbrüllen und hauen? Oh, das will ich auf keinen Fall verpassen“, stoße ich frech aus.
Mein Dad krallt sich meinen Arm und zieht mich grob vom Sessel hoch.
„Wo sind deine Schuhe?“, zischt er ärgerlich, bevor er mich vor die Tür setzt. Ich sagte doch, ich lauf gerne barfuß. Unglaublich, dass er mich einfach so rauswirft.
Er hat sogar den Sicherheitsdienst gerufen – zwei Stiernackenaliens – die mich bis zum Aufzug eskortieren, in den sie mich förmlich schieben.
Bevor ich einen Mucks von mir geben kann, schließt die Tür und der freie Fall haut mich wieder voll aus den Latschen. Das ist ja echt lebensgefährlich das Teil.
Stolpernd laufe ich vorbei an zahlreichen Glotzern zurück in Richtung Rezeption. Mir ist echt speiübel. Da sollte eine Sicherheitswarnung an das Teil: Nichts für Zartbesaitete.
Plötzlich ertönt ein abartig lauter Knall, der von der Halle in zahlreichen Echos zurückgeworfen wird.
Ich ducke mich, halte mir die Ohren zu und erkenne, dass Rauchschwaden in Wellen über den Boden schwappen, als hätte jemand Tränengas geworfen. Sofort bricht Tumult aus. Frauen schreien, Männer brüllen und ein Strom in Panik geratener Aliens zieht gen Ausgang.
Ich bin wie erstarrt. Mein einziger Gedanke ist es, das Zeug, das mir bis zu den Knien reicht, nicht zu viel aufzuwirbeln, wenn das tatsächlich sowas wie Tränengas oder Giftgas sein soll. Man hört auch schon, wie sich einige die Seele aus dem Leib husten.
„NEIN, NICHT BEWEGEN“, versuche ich die Leute zu beruhigen, doch sie sind so verängstigt, dass sie kaum klar denken können. Ich auch, aber ich zwinge mich dazu, stehenzubleiben.
Während ich die Umgebung nach Fluchtwegen absuche, fallen Schüsse, die gen Decke gerichtet sind. Die Nebelschwaden reagieren sofort auf die kleinste Bewegung. Ich bin nur kurz zusammengezuckt und steh jetzt bereits hüfthoch drin. Frauen schreien laut auf, aber sie sind bereits von dem Gas eingeschlossen, sodass man nur erahnen kann, wo sie sich befinden. Und dann wird alles still.
Plötzlich schreitet jemand durch die Nebelwand wie ein absoluter Gott. Es sieht beinahe so aus, als würden die Schwaden vor ihm zurückweichen.
Unsere Blicke treffen sich und wenn es sowas wie Liebe auf den ersten Blick gibt, dann hats mich grad aber sowas von erwischt. Mein Herz ist nahe am Kammerflimmern, meine Haut kribbelt bis in die Fingerspitzen und ich hab ein megamäßiges Déjà-vu, als wär mir das hier schon mal passiert. In einem früheren Leben oder – was viel realistischer ist – in meiner Vergangenheit, an die ich mich nicht erinnern kann.
Meine Fresse, der Kerl ist der absolute Wahnsinn. Also, so überblicksmäßig: Jung, tiefblaue Augen, Wahnsinns-Strubbelhaare, toller Body, sexy Blick, Beschützertyp, ein Riese von einem Mann – das volle Programm.
Er trägt schwarze Lederkleidung und eine Atemschutzmaske. Seine muskulöse Brust wird durch Waffengürtel, die sich quer über seinen Oberkörper ziehen, verdeckt.
Ich hab dieses absolut intensive Gefühl, mich zu ihm hingezogen zu fühlen. Sein Blick hält mich gefangen und obwohl mir klar ist, dass das hier sowas wie ein Terroranschlag ist, kann ich doch keinen einzigen klaren Gedanken fassen, als er auf mich zukommt.
Sein Blick ist so intensiv, dass die Welt um mich herum beinahe aufgehört hat, zu existieren.
Ich bin in meinem eigenen rosa Nebel gefangen. Auch wenn das jetzt total krank klingt, aber ich wünsch mir grad nichts weiter, als dass er mich berührt, mich an sich zieht und beschützt.
Jemand ruft etwas, das ihn kurz hinter sich blicken lässt, bevor er sich wieder mir widmet. Bedauerlicherweise wirbelt das den Nebel weiter auf. Ich erkenne die Waffe in seiner Hand.
Das holt mich irgendwie wieder in die Realität zurück. Was tu ich hier eigentlich?
Verängstigt durch mein total absurdes Verhalten, ihn hier anzuschmachten, obwohl er mich gleich gefangen nehmen oder töten könnte, tue ich das Dämlichste, was ich in so einer Situation machen kann – ich motze ihn an: „Worauf wartest du noch?“ Moment. Ich hab grad erneut dieses Mega-Déjà-vu und stolpere zurück.
Der Rauch steigt mir in die Nase und lässt mich husten. Ich atme schon schwer, wanke und drohe, in den Nebel zu fallen, was auch grad passiert. Ich hab noch nicht mal den Boden erreicht, da raubt mir dieses Zeug bereits das Bewusstsein.
„Kaja, Kaja.“ Schwerfällig öffne ich die Augen und erkenne meinen Vater über mir, der meine Wangen tätschelt. „Bist du verletzt?“, haucht er vollkommen überwältigt.
„Nein, mir geht’s gut“, antworte ich. Glaub ich zumindest.
Mein Vater drückt mich sanft von sich und streicht mir über die Wange. „Es war sehr schlau, sich hier herauf zu retten.“
Ich drehe den Kopf und erkenne, dass ich ganz oben auf der Galerie der Parlamentshalle liege. Moment. Nebel. Terroranschlag. Süßer Typ mit Maske.
Hey, ich war das nicht. Bin unten zusammengeklappt. Vor dem heißen Terroristen.
Hat er mich etwa hier raufgetragen? Mein Herz schlägt höher. Wahnsinn, ich werd verrückt. Dann hat er es vielleicht auch gespürt, was da zwischen uns abgegangen ist. Die Funken sind ja ordentlich geflogen.
„Wer waren die?“, frage ich ihn.
„Separatisten. Gegner des Regimes“, antwortet mein Vater, der mich in seine Arme hebt. Heilige Scheiße, er ist ein Regimegegner. Wie krass ist das denn. Und eigentlich kann ich von Glück reden, dass er mich nicht abgemurkst hat.
Beim nächsten Gedanken fällt mir das Herz beinahe in die Hose. Er hat mich sicher erkannt. Ich bin ja sowas von Parlamentarier.
Der Typ hätte mich entführen, Lösegeld fordern oder abartige Sachen mit mir anstellen können, die ich mir lieber nicht ausmalen will. Wieso lässt er sich die Gelegenheit, sich die Byzantinische Kronprinzessin zu schnappen, entgehen? Wieso verschont er mich? Rettet mich sogar. In dem Zeug wär ich womöglich erstickt. War er es überhaupt, der mir geholfen hat oder konnte der Sicherheitsdienst einschreiten und die haben mich hier raufgelegt?
„Wurde jemand verletzt?“, will ich wissen.
„Viele sind im Krankenhaus, weil sie den Rauch eingeatmet haben“, klärt mich mein Vater auf. Die hätten mich doch auch ins Krankenhaus gebracht, wenn sie mich gefunden hätten, oder?
„Was wollten die hier?“, frage ich.
„Sie haben Waffen gestohlen und Technologie, die sie selbst nicht herstellen können.“ Er ist wahrscheinlich auch Klasse G, wie ich. Scheiße, ich glaub, ich bin verliebt.
Der Doc hat mir strenge Bettruhe verordnet, obwohl ich mich nur ein bisschen erschöpft fühle, aber das war ich vorher auch schon. Ich glaube, das bisschen Luftverschmutzung hat meinen smogentwöhnten Lungen ganz gutgetan.
Trotzdem habe ich beim Gedanken an den heißen Terroristen ein Dauergrinsen aufgesetzt. Mann, ich weiß nicht, ob mir übel ist oder ob die Schmetterlinge in meinem Bauch das anrichten. Diese sexy Augen bekomm ich einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und er hat mich gerettet – zumindest deutet alles darauf hin. Ich seufze wie ein liebestoller Teenager.
„Liebling, der Sklave des Kronprinzen Maxim ist hier, um dir in seinem Namen eine gute Genesung zu wünschen“, aus dem Munde meiner Mum, die gerade in mein Zimmer geschneit ist, lässt mich hochfahren, so ertappt bin ich.
„Schick ihn rein“, verlange ich. Hoffentlich hat sie dieses Honigkuchenpferdgrinsen nicht gesehen. Eigentlich sollte ich ja total verängstigt sein. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Außerdem, Hallo, er gehört zur anderen Seite, da wird sowieso nichts zwischen uns laufen.
„Du bist wohl kaum richtig angezogen, um Gäste zu empfangen“, tadelt sie mich.
„Mach schon, Mum“, verlange ich, da schnaubt sie, kommt wenig später mit dem vermummten Jakob zurück und verabschiedet sich, weil sie zur Arbeit muss.
Als sie uns alleinlässt, um zur Arbeit zu gehen, lächle ich ihn an. „Hallo, Jakob.“
„Hallo, Kaja. Der Kronprinz überbringt dir die besten Wünsche zur Genesung.“
„Danke“, erkläre ich. „Setz dich doch und leiste mir Gesellschaft“, biete ich an, was er sogleich tut.
„Hast du etwas herausgefunden, was auf dem Filmstreifen an meiner Kette zu sehen war?“, flüstere ich verschwörerisch.
„Ja“, antwortet er.
„Und?“, hinterfrage ich neugierig. „Was dabei, das ich verwenden kann? Mein Versuch, die Aufhebung der Sklaverei beim Parlament einzubringen, lief nicht so gut. Könnte Verstärkung gebrauchen.“
„Du hast beim Parlament auf eine Gesetzesänderung plädiert?“, hinterfragt er.
„Naja, habs versucht“, erwidere ich schulterzuckend.
„Bist du gescheitert?“, mutmaßt er.
„Kann man so sagen. Mein Dad hat mich rausgeschmissen, aber einen Versuch wars wert.“
„Danke, Kaja, aber du solltest aufpassen. Man gilt schnell als Regimegegner.“ Ich glaube, ich hab noch den Dumpfbackenbonus, aber ich weiß, wovon er spricht. Fast unweigerlich drifte ich in einen Tagtraum mit dem sexy Terroristen ab.
„Was hast du herausgefunden?“, meine ich kopfschüttelnd, um die Bilder, in denen er mich die Treppen zur Galerie hochträgt, zu vertreiben.
„Am besten du siehst es dir selbst an, aber du solltest die Türe abschließen“, rät er mir. Eigentlich bin ich allein im Haus – zumindest glaube ich das – aber man kann ja nie wissen.
„Gute Idee. Wie geht das nochmal?“, hake ich nach.
„Du brauchst nur daran zu denken“, war irgendwie logisch.
„Okay, hab dran gedacht“, bestätige ich, da händigt er mir einen kleinen, flachen Bildschirm aus, auf dem ein Flimmern zu sehen ist, das sogleich in ein wackliges Bild übergeht.
Hey, da landet echt gerade ein Raumschiff in einem nächtlichen Weizenfeld. Jemand dreht die Kamera auf sich selbst. Grandpa John! Er hat echt eine Landung auf Band. Ich werd verrückt.
„Ich wusste es“, prustet er stolz in die Kamera, wie nur Entdecker es draufhaben, und lächelt. Tränen schießen mir in die Augen. „John“, hauche ich und streiche über sein Gesicht.
Daraufhin schwenkt er die Kamera wieder in die Richtung der Aliens.
Man kann jemanden erkennen, der aussteigt und eine bewusstlose Frau im Arm hält, die am Kopf blutet. Hey, das bin ich, glaub ich. Das Video ist so verwackelt. Man kann kaum was erkennen.
Grandpa John hat echt meine Entführung mitsamt Aussetzung auf der Erde gefilmt. Also wusste er von Anfang an, was ich bin.
Der Wind weht dem Typen, der mich im Arm hält, den Kapuzenumhang untenrum weg und ich erkenne Roboterbeine. Meine Hand schießt automatisch zu Jakobs, die ich fest drücke.
Er umschließt die meine nur ganz leicht, ohne Druck auszuüben. Nun legt mich der Roboter im Film inmitten des Feldes ab, genau vor die riesige Erntemaschine.
Hätte mein Grandpa nicht auf Alienlauer gelegen, hätte er das Teil womöglich am nächsten Morgen gestartet und mich damit überrollt. Das macht mich grad dermaßen fertig, dass ich mir die Hand vor den Mund schlage.
Aber was ich jetzt sehe, als sich der Typ umdreht und zurück zum Schiff geht, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
Da steht eine Frau und sieht dem Roboter dabei zu – hat es ihm scheinbar befohlen, mich dorthin zu legen.
Es ist meine Schwester Eleonike, was ich nie geglaubt hätte, hätte ich es nicht grad mit eigenen Augen gesehen. Sie hat mich entführt und ausgesetzt – hat sogar dabei zugesehen. Hat einen Ceflapoiden dafür benutzt, mich aus dem Weg zu räumen. Ohne Worte, echt.
Als das Raumschiff startet und in die Atmosphäre aufsteigt, ruckeln Johns Bilder und brechen abrupt ab.
Mein Atem geht stoßweise und Tränen schießen in meine Augen. „Neeeiinnnn“, hauche ich gequält.
„Kaja, beruhige dich. Dein Herz“, rät mir Jakob.
Ich knalle den Monitor auf den Tisch und laufe im Zimmer umher, um runterzukommen. Dabei stoße ich Keuchlaute aus, weil ich nur schwer Luft bekomme.
Jakobs Körper stoppt mich. „Ist schon gut, Kaja. Hab keine Angst. Du hast die Türe abgeschlossen.“
Aus einem Impuls heraus presse ich mich an ihn und heule mir die Seele aus dem Leib. Wie konnte sie das nur tun? Meine Zwillingsschwester wollte mich töten.
Das erklärt auch ihre unermessliche „Wiedersehensfreude“. Dass ich noch am Leben bin, hat ihr wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Jakob drückt mich an sich, als meine Beine nachgeben.
Plötzlich erfüllt mich blanke Wut, die ich in die Welt hinausbrülle.
„Beruhige dich, Kaja“, flüstert mir Jakob ins Ohr.
„Ich muss zu meinem Vater. Bitte bring mich zu ihm“, verlange ich.
Im Raumschiff kauere ich mich zitternd in eine Ecke und drücke den Monitor an mich, als würde mein Leben davon abhängen. Tausend Gedanken schießen mir gleichzeitig durch den Kopf, dennoch vermag ich keinen einzigen davon zu erfassen, wippe nur stoisch vor und zurück.
„Dein Herz schlägt viel zu schnell, Kaja“, stellt Jakob fest.
Ich ignoriere ihn und sprinte aus dem Raumschiff, als wir in der Nähe des Parlaments landen. Ohne Rücksicht auf Verluste knalle ich in jeden, der nicht rechtzeitig ausweicht. Es ist mir sowas von scheißegal. Ich drücke mich an ein paar Aliens vorbei ins Innere des Parlamentsgebäudes. Der Portier grüßt mich freundlich von Weitem, doch ich bin zu aufgebracht, um etwas zu erwidern.
Beim Aufzug angekommen, nehme ich den heraustretenden Typen gleich wieder mit ins Innere, da ich ihm frontal reingeknallt bin.
„Kaja?“ Es ist Maxim. Verdammt, auch der noch.
„Aus dem Weg“, verlange ich schnappatmend, als er mich festhält, weil ich fast zu Boden gegangen wär.
„Was ist denn los? Hast du geweint?“, will er wissen, doch da drücke ich mich schon an ihm vorbei. Blöderweise steigt er nicht aus, aber dafür habe ich jetzt keine Zeit.
Ich speie das Kommando, das mich in den obersten Stock gelangen lässt, förmlich aus mir heraus. Erneut reißt mich der Schub von den Füßen, aber diesmal war es Maxim, der mich vorher abgefangen hat.
Mein Atem ist nur noch ein asthmatisches Keuchen.
„Kaja, beruhige dich. Was ist denn geschehen?“, beschwört er mich, aber ich starre weiterhin geradeaus und stolpere im obersten Stockwerk aus dem Teil.
„VATER!“, brülle ich und peile den Sitzungssaal an, in den ich so richtig schön reinplatze.
Alle erheben sich synchron.
„Kaja, was ist denn passiert? Wieso bist du nicht Zuhause und erholst dich von dem Anschlag?“, ruft mein Vater aufgebracht. Mein Anblick scheint ihn zu beunruhigen. Dazu hat er auch allen Grund, wenn ich ihm gleich das Video zeige.
„Können wir mal reden – unter vier Augen“, hauche ich gequält, da knicken mir die Knie weg.
Maxim fängt mich ab, aber ich entreiße mich ihm gleich wieder, humple zu meinem Vater und gebe ihm den Monitor.
„Was soll ich damit?“, knallt er mir hin. „Kaja. Das hier ist eine wichtige Sitzung. Du unterbrichst uns.“
„Das ist also wichtiger als deine Tochter, die dich grad braucht“, knalle ich ihm hin. Er ist sichtlich in der Zwickmühle, ob er mir die Hölle heißmachen oder mich vor die Tür setzen soll.
„Das kann sicher warten“, versucht er mich eindringlich loszuwerden. Was ist das bloß für ein Vater? John hätte mich nie abgewiesen, wär ich so aufgebracht zu ihm gekommen. Diese ganze Familie ist doch ein einziger Witz.
„NEIN, KANN ES NICHT“, brülle ich. „Da ist meine Entführung drauf“, lässt ihn beinahe vom Glauben abfallen. „Die Aufzeichnung stammt von dem Mann, der mich gefunden hat. John. Ich hatte sie die ganze Zeit über an meiner Kette hängen. Er hat alles mitangesehen und gefilmt. Das ist das Abartigste, was ich jemals gesehen habe.“
Mein Vater reißt mir förmlich den Monitor aus den Händen. Als er die Aufzeichnung starten will, wende ich ihm den Rücken zu und verlasse den Raum, um bloß nichts davon nochmal mitansehen zu müssen.
Maxim, den ich ignoriere, stürmt mir nach. Ich suche das Weite, rutsche an der Flurwand entlang, vergrabe meinen Kopf in meinen angezogenen Knien und heule.
Wie konnte sie mir das nur antun? Was zum Teufel hab ich ihr getan?
Maxim lässt sich neben mir nieder und zieht mich fest an sich. Die Umarmung hat etwas Tröstliches, deshalb gebe ich mich ihr wehrlos hin und weine bittere Tränen in sein Hemd.
„Wer war es?“, haucht er.
Das Brüllen meines Vaters lässt mich zusammenzucken und mich fester in Maxims Hemd krallen. Es fühlt sich so an, als gelte die Wut meines Dads mir.
Sie hat keine Regung gezeigt, als sie meine Schwester abgeholt haben. Zumindest sieht es auf den Bildschirmen so aus, die ihre Festnahme immer und immer wieder zeigen. Es ist einfach überall zu sehen. Ihre Gefühlskälte lässt mir die Gänsehaut aufsteigen.
Das Schlimmste ist, irgendwie habe ich das Gefühl, ich sei an allem schuld, denn meine Eltern sind seit dem Vorfall noch verschlossener mir gegenüber als sonst.
Meine Mum ist ständig nur am Heulen und mein Dad ist fertig, weil er sie nicht beruhigt kriegt. Dann senden sie mir wieder Blicke zu, die so absolut vorwurfsvoll sind, dass es mich schaudert. In ihren Blicken liegt so ein Ausdruck, als hätte man die falsche Tochter eingesperrt. Eleonikes Freund hat denselben Blick drauf, wenn er mir vor der Schule begegnet.
Ich halt das nicht mehr aus, deshalb hab ich auch einen Brief hinterlassen, dass ich fortgehe. Mit dieser Schuld, die ich – zumindest aus meiner Sicht – nicht verdient habe, kann ich nicht leben.
Meinem ursprünglichen Plan folgend, hab ich Jakob darum gebeten, mich mit Maxims Raumschiff zur Erde zu bringen. Bis zuletzt wollte er es mir ausreden, aber mein Entschluss stand fest.
So kommt es, dass ich auf der Veranda meines Zuhauses sitze und Jakob mich – laut meinem Wunsch – noch ein bisschen im Arm hält, bevor er zurückkehrt.
„Ich werde dich vermissen, Jakob. Besuchst du mich mal?“
„Ich werde es versuchen, Kaja.“
Ich weine stille Tränen und küsse ihn zum Abschied auf die Wange, bevor ich ins Haus gehe, damit er mich nicht für den gefühlsdusligsten Menschen auf dem Planeten hält.
Ich mache mich gleich an die Feldarbeit. Zuvor habe ich Johns Überreste begraben, ein paar Worte gesagt und auch ein bisschen geweint. Das zählt nicht gerade zur Top 10 meiner schönsten Momente, aber das war ich ihm schuldig.
Niemand scheint unsere Abwesenheit bemerkt zu haben. Naja, wir leben hier sehr abgeschieden und mein Grandpa hat eigentlich kaum die Farm verlassen. Da er überall als verrückter Spinner gilt, hat er auch keine Freunde, die ihn vermissen würden. Ich eigentlich auch nicht, da ich die Enkeltochter des verrückten Spinners bin und gerade Schulferien sind. Die nächste Nachbarfarm ist ein ganzes Stück weit weg.
Darüber hinaus war ich nur eine Erdenwoche weg. Es kommt mir aber so vor, als wär ich jahrelang fort gewesen. Es ist nicht dasselbe ohne ihn. Ich glaube immer noch im ersten Moment, er ist wiedermal unten im Keller auf Alienjagd, wenn knarrende Geräusche durch die alte Farm tönen.
Mein kleiner Gemüsegarten ist voll hinüber, also mache ich mich gleich dran, zu retten, was noch zu retten ist, was nicht sehr viel zu sein scheint. Die abendliche Sonne tut so gut auf meiner Haut, dass ich förmlich die Sonnenstrahlen über meine Haut kitzeln spüre.
Ein „Hier bist du also“, lässt mich zusammenzucken.
Mein Dad steht hinter mir und hat die Hände vor der Brust verschränkt – zumindest denke ich, dass er es ist. Seine Stimme klang danach. Meine Mum ist an seiner Seite. Sie sind eingemummelt, als würden hier arktische Temperaturen herrschen, nicht gefühlte vierzig Grad im Schatten und haben mich ganz schön erschreckt mit dieser Verkleidung.
Ich stehe auf und klopfe mir den Dreck von der Latzhose, umarme meine Mum, der ich meinen Strohhut aufsetze, damit sie keinen Sonnenbrand auf den Augenlidern bekommt, was das Einzige ist, das bei ihr noch rauskuckt. Daraufhin drücke ich meinen Dad an mich.
„Willkommen auf der Erde. Ich hoffe, ihr kommt in Frieden“, begrüße ich sie. „Dad, du parkst doch nicht im Weizenfeld, oder?“
„Ich glaube schon“, gibt er zu. Glücklicherweise ist ihr Raumschiff unsichtbar, sonst würde das die NSA oder Akte X auf den Plan rufen.
„Du plättest mir die ganze Ernte. Geh umparken. Auf die Wiese dort drüben zum Beispiel. Ich mach uns Kakao“, erkläre ich, schnappe mir meine Mum und ziehe sie aus der Sonne.
Sie stolpert über die kleine Stufe unter der Eingangstür und nimmt begierig jedes Detail des Farmhauses in sich auf, bevor ich sie auf einen Stuhl bei Tisch drücke und Milch aufsetze.
Mein Dad kommt in dem Moment zur Tür rein, in dem ich gerade dabei bin, die Tassen zu füllen. Er dreht sich auch im Kreis, um alles genauestens zu beäugen.
Vor der Kuckucksuhr zucken sie beide zusammen. Ich lächle. Jetzt wissen sie, wie ich mich immer gefühlt habe.
„Achtung, der Kakao ist heiß“, warne ich sie vorsichtshalber und stelle die Tassen vor ihnen ab.
Sie zögern, da informiere ich sie: „Da ist kein Wasser drin. Naja, die Kuh hat Wasser getrunken, bevor sie Milch gegeben hat.“ Sie scheinen sowieso nicht durstig zu sein.
„Maxim hat nach dir gefragt, Liebling“, meint meine Mum. Ach tatsächlich. „Du hast dich gar nicht bei ihm verabschiedet“, wirft sie mir förmlich vor.
„Wieso sollte ich? Immerhin hat er mich eine hässliche Verrückte genannt“, kontere ich schulterzuckend und nehme einen großen Schluck.
Ihr steht der Mund offen. „Das wusste ich nicht“, gibt sie zu und blickt scheu zu Boden.
„Die Leute reden auch schon. Ich weiß nicht mehr, was ich ihnen sagen soll“, flüstert sie. Wie können die schon darüber reden? Bin doch noch gar nicht lange weg.
„Die Wahrheit? Dass ich ausgezogen bin, aber ihr mich oft besuchen kommt“, schlage ich vor und drücke ihre Schulter, weil sie etwas niedergeschlagen wirkt. Naja, ich kann sie verstehen, sie hat grad beide Töchter verloren. Irgendwie.
„Dieses Leben ist einer Byzantinischen Kronprinzessin nicht würdig“, meint sie und sieht auf meine Fingernägel, die schwarz von der Arbeit im Beet sind.
„Aber das ist das Leben, das ich für mich gewählt habe, Mum“, argumentiere ich. Sie sieht meinen Dad mit so einem Sagst-du-dazu-auch-mal-was-Blick an.
„Du siehst glücklich aus, Kind“, stellt mein Vater fest.
„Bin ich, naja ihr fehlt mir – sehr sogar“, gebe ich zu.
„Du fehlst uns auch. Deine Nachricht hat uns ganz schön zugesetzt. Immerhin bist du noch viel zu jung, um alleine so weit weg von deinem Zuhause zu leben.
Wir sind gekommen, um dich zurückzuholen, aber jetzt, wo ich dich so freudestrahlend sehe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dich zum Schiff zerren soll“, spricht mein Vater seine Gedanken laut aus.
„Kommt, wir gehen spazieren“, biete ich an und knalle meinem Dad Grandpa Johns Strohhut auf die Birne, bevor ich sie aus der Tür schiebe.
Ich zeige ihnen die gesamte Farm, erkläre, wie die Pflanzen heißen und was man davon essen kann.
Sie sehen sich andauernd an und schmunzeln. Ich glaube, die primitiven Landwirtschaftsgeräte belustigen sie.
Das ist mit Abstand der schönste Moment, den ich bisher mit ihnen hatte. Wir kommen uns langsam näher.
Ich biete ihnen sogar an, ein paar Tage bei mir zu bleiben, aber sie lehnen ab, weil sie arbeiten müssen, steigen in ihr Raumschiff, ohne dass mein Dad seine Drohung wahrmacht, mich zu entführen.
Ich heul trotzdem wie ein Schlosshund, als sie weg sind. Was von ihnen bleibt sind die Kornkreise.
Ein paar Tage später
Ich mache gerade eine kleine Spritztour mit dem Traktor, um mir den Zustand des Weizenfeldes anzusehen, da erkenne ich jemanden am Feldrand stehen. Es ist Maxim. Was will der denn hier?
Ich stoppe mein Gefährt und steige ab. Er mustert meine Latzhose interessiert und zieht die Augenbrauen hoch.
„Hier lebst du also jetzt“, bricht er unser Schweigen.
„Was verschafft mir die Ehre Eures persönliches Besuches, Kronprinz, oder willst du nur sehen, wie primitiv ich lebe, damit du da oben was zu erzählen hast“, fordere ich ihn heraus.
Er lächelt verschmitzt. „Ich wollte dich wiedersehen.“
„Ja klar“, motze ich. „Steig auf“, biete ich an und besteige mein Gefährt. Er tut, wonach ich verlange, sieht aber nicht begeistert aus, als ich das abartig laute Teil starte.
„Mit welchem Treibstoff wird diese Maschine angetrieben?“, will er wissen.
„Erdöl, hochexplosiv“, verarsche ich ihn.
Er sieht total alarmiert aus, was mich laut lachen lässt.
„Was gibt’s da oben Neues?“, frage ich ihn, nachdem ich ihm Limonade auf der Veranda eingeschenkt habe, auf der er in der Hollywoodschaukel Platz genommen hat.
„Es gibt Gerüchte, dass die Ceflapoiden eine Invasion planen“, knallt er mir ohne Rücksicht auf Verluste hin und trinkt. Vor Schreck ist mir fast der Krug aus der Hand gerutscht.
„Du hast sie nicht mehr alle“, mache ich meiner Überraschung Luft.
„Die meisten Sklaven sind verschwunden. Wir vermuten, dass der Ceflapoiden-König sie zu sich beordert hat.“
„Was?“, zische ich.
„Kaja, du bist hier nicht sicher. Ich weiß nicht, ob sie nicht auch Halt vor diesem Planeten machen.“ Ich schlucke laut.
„Meine Eltern waren vor ein paar Tagen hier, aber davon haben sie nichts erzählt“, wende ich ein. „Keine Silbe.“
„Ich weiß. Das Parlament versucht, es geheim zu halten, solange es geht, damit keine Panik ausbricht, aber sie werden dich bald holen kommen.“
„Nein, ich geh nicht von hier weg“, hauche ich halbherzig. „Wir haben denen doch nichts getan. Bei uns gibt’s nicht mal Roboter, die wir versklaven könnten. Naja, zumindest sind die ziemlich unterentwickelt.“ Ich hoffe, die nehmen uns das mit den Staubsaug- oder Rasenmährobotern nicht übel.
Maxim nimmt meine Hand in seine. „Allein hast du keine Chance.“
„Die haben dich geschickt, oder? Meine Eltern. Du sollst mich dazu bringen, freiwillig mitzukommen, damit sie mich nicht gewaltsam hier wegzerren müssen“, mutmaße ich und entziehe ihm meine Hand.
Er antwortet nicht, nimmt nur einen weiteren Schluck und sagt: „Ich werde dich morgen abholen kommen. Wenn es sein muss, gewaltsam. Hau bloß nicht ab, ich finde dich überall auf diesem Planeten“, sagt er doch echt.
„Wieso tust du das? Ich bin dir doch egal“, motze ich.
„Ich wollte nicht, dass du das Gespräch mit meinem Vater mitanhörst. Ich habe das nicht so gemeint“, redet er sich raus.
„Ja klar“, fauche ich. „Nur weil ich G-Klasse bin, heißt das nicht, dass ich dumm bin, Maxim.“
Er greift unter mein Kinn, sodass ich gezwungen bin, ihn anzusehen. „Du bist nicht G-Klasse, Kaja. Du bist eine Byzantinische Kronprinzessin.“ Sein Blick scheint in meinen Zügen nach irgendetwas zu suchen.
„Nein. Ich bin Kaja von der Erde“, berichtige ich ihn und entreiße mich seinem Griff. „Sieht so etwa eine Prinzessin aus“, ergänze ich mürrisch und streiche mir die dreckige Hose glatt.
Ich weiß nicht, ob er nicht nur auf die Macht aus ist, die ihm eine Verbindung mit mir bringen wird, also kann ich ihm nicht vertrauen, wenn er mir mit dieser Verführer-Masche kommt. Von wegen, er hat das nicht so gemeint.
„Ich muss jetzt gehen. Wir sehen uns morgen“, bestimmt er.
„Schickst du dann auch wieder deinen Ceflapoiden, der mich aufgabelt?“, will ich wissen, in der Hoffnung, Jakob wiederzusehen.
Maxim zieht die Augenbrauen hoch. „Welcher Ceflapoide?“
„Na den, den du mir schon ein paar Mal geschickt hast, um mir Nachrichten zu überbringen. Dein Sklave, schon vergessen?“
„Ich habe keinen Sklaven, Kaja.“ Was zum Henker.
„Wie bitte?“, pruste ich.
„Ich bin nicht im Besitz eines Ceflapoiden“, klärt er mich auf.
„Nein warte, das kann nicht sein. Ich bin ihm begegnet, schon ein paar Mal. Am Tag als wir uns das erste Mal begegnet sind zum Beispiel. Er … hat mich besucht und … behauptet, er wär dein Sklave.“ Ach du Scheiße.
Was, wenn Jakob sich mein Vertrauen nur erschlichen hat und er eigentlich vom Roboter-König entsandt wurde, um uns auszuhorchen. Was, wenn er ein böser Roboter ist und bei seinem nächsten Besuch seine Freunde mitnimmt? Wie gut kenne ich Jakob eigentlich wirklich? Okay, was läuft hier?
Maxim wirft mir so einen Ich-lass-dich-lieber-in-deiner-Welt-allein-du-Bekloppte-Blick zu.
Er erhebt sich bereits, da krieg ich es mit der Angst zu tun und überlege stark, ob ich nicht lieber heute schon mit ihm kommen soll.
Aber wenn mir Jakob was tun wollte, hätte er es doch bereits getan, oder? Immerhin bin ich ja auf seiner Seite und missbillige diese Sklavengeschichte. Vielleicht hat er ja erkannt, dass ich zu den guten Menschen gehöre.
„Oder er vollendet das, was der Roboter, der mich angegriffen hat, verbockt hat“, säuselt die böse Stimme hinterlistig.
Ich will nicht von hier weg. Es ist einfach zu verlockend, noch einen Tag hierzubleiben, daher sehe ich Maxim dabei zu, wie er zurück zu seinem Raumschiff geht, das er natürlich wieder in meinem Weizenfeld geparkt hat. Ich muss da mal eine Parkverbotstafel aufstellen. Das mit Jakob ist mir echt nicht geheuer und geht mir lange nicht aus dem Kopf.
Ich gehe unter die Dusche und kuschle mich in meine Kissen.
Die Grillen singen mich in einen unruhigen Schlaf, in dem ich immer wieder von einem bösen Roboter massakriert werde.