Читать книгу Hamburg. Eine Stadt in Biographien - Marina Bohlmann-Modersohn - Страница 10

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JULIUS CAMPE

1792–1867

Er war mehr als nur ein Verleger. Er machte seinen Verlag zur Heimat der Andersdenkenden: für Literaten und Poeten, für Revolutionäre und Feuerköpfe. All das verkörperte sein Schützling Heinrich Heine.

Imposant, das Villenensemble mit einem Neubau als zusammenfassender Mitte, umgeben von uralten Bäumen, üppigen Rhododendren und hügeligen, zur Straße hin sanft abfallenden Rasenflächen. Hinter der exquisiten Adresse am Ufer der Außenalster in Hamburgs vornehmem Stadtteil Harvestehude verbirgt sich nicht die private Residenz irgendeines hanseatischen Kaufmanns. Hier hat der traditionsreiche Literaturverlag Hoffmann und Campe seinen Sitz. Alle Werke des großen Erzählers Siegfried Lenz sind bei HoCa erschienen, die Bücher von Doris Lessing, Carlos Fuentes und Lew Kopelew. »Ich fliege über dunkle Täler« von Maximilian Schell zählt ebenso zu den Bestsellern des Hauses wie Benjamin Leberts »Im Winter dein Herz« und »Ed King« von David Guterson.

Im Garten, vor dem Haupteingang, erinnert eine Gedenkplakette an Heinrich Heine. Der promovierte Jurist und rebellische Republikaner war Starautor des Hauses, entdeckt und unter dem Druck der preußischen Zensur gefördert von seinem Verleger Julius Campe. Aber natürlich fing alles nicht am grünen Alsterufer an, sondern in der Nähe des alten Hamburger Rathauses.

Benjamin Gottlob Hoffmann hieß der Verleger und Buchhändler, der seit 1781 als einer der Ersten eine Buchhandlung in der Innenstadt führte. Dann kamen die Franzosen. Bis 1814 hielten Napoleons Truppen die Hansestadt besetzt, zwangen ihr eine Blockade gegen England auf. Das wirtschaftlich ruinierte Hamburg sah traurig aus. Der Hafen verödete, die Arbeitslosigkeit stieg, Hamburgs Patrioten reagierten mit Zorn, als an Stelle des hamburgischen Wappens der napoleonische Adler rückte.

Unter diesen bedrückenden Umständen hatte Hoffmann irgendwann die Freude an der Verlagsarbeit verloren. Welch’ glückliche Fügung, als sich seine Tochter Elise in den Buchhändler Franz August Gottlieb Campe aus Braunschweig verliebte und ihn heiratete. Schwiegervater und Schwiegersohn legten ihre beiden Geschäfte zusammen – zur Buchhandlung Hoffmann und Campe.

Julius Campe kommt 1805 nach Hamburg, mit 13 Jahren. Als Lehrling im Buchladen seines Halbbruders August macht er sich gründlich mit dem Buchgeschäft vertraut. Militärdienst, zwei Jahre Italien und dann, zurück im Familienunternehmen, 1823 die Übernahme des gesamten Sortiments, das der kränkelnde August Gottlieb Campe an Julius verkauft. Julius Campe ist nun alleiniger Inhaber des Hoffmann und Campe Verlags. Ein unabhängiger Geist, intellektuell hellwach und ein beschlagener Kaufmann. »In seinen Augen liegt eine lauernde Schlauheit, die sich erst recht verräth, wenn er sich die Mühe gibt, durch Blick und Worte sich als treuherzigen so grundehrlichen, uneigennützigen Geschäftsmann darzustellen. Er ist dann so weich in seiner Sprache, in seinen Reden so milde, so theilnehmend, dass man irre werden könnte, wenn er uns selbst nicht davor bewahrte, denn es dauert nicht lange, so ist er wieder in seinem eigentlichen Fahrwasser: schmerzhaft und witzig, rücksichtslos, bissig. Jedenfalls ist er ein gewandter, umsichtiger Buchhändler, der sein Publikum, seine Zeit und seinen Vorteil sehr genau kennt.«

Hoffmann von Fallersleben ist nur einer der zahlreichen Autoren, die bei Hoffmann und Campe publizieren. Alle wollen dort veröffentlichen. Unter der Ägide des temperamentvollen Verlegers, der meistens schwarz gekleidet ist und besonnen spricht, selbst wenn er innerlich vor Zorn bebt, wächst der Verlag. In seinem Haus, das sich zunehmend zu einem einflussreichen literarischen Zentrum entwickelt und bald weit über Hamburgs Grenzen hinaus berühmt ist, wird auch leidenschaftlich politisiert.

CAMPE – EIN GLEICHGESINNTER

Campe veröffentlicht bedeutende Namen. Aber vor allem ist er an den jungen, noch unbekannten Schriftstellern des »Jungen Deutschland« interessiert: Heinrich Heine und Ludwig Börne, Friedrich Hebbel, Karl Gutzkow. Diese jungen Liberalen, an Frankreichs revolutionären Vorbildern orientiert und publizistisch einflussreich – es ist die große Zeit des satirischen Feuilletons, der Flugschriften und Kampflieder –, opponieren gegen die restaurative Politik Preußens und gelten als staatsgefährdend. Bald hat es sich herumgesprochen, dass sie in Julius Campe einen Gleichgesinnten an ihrer Seite haben, der sich mutig für sie engagiert und mithilfe ihrer Bücher gegen die verhasste Bürokratie und für ein zivilisiertes gesellschaftliches Miteinander kämpfen will. Die Publikationen des Verlags unterliegen der Zensur, er allein trägt die Verantwortung. Latent lauert die Gefahr des Verbots seiner Bücher, drohen ihm Geld- oder Gefängnisstrafen.

Heinrich Heine war im Sommer 1816 zum ersten Mal nach Hamburg gekommen. Hier lebte sein jüdischer Onkel Salomon Heine, Bankier und Mäzen, der neben seinem Stadtpalais einen Sommersitz an der Elbe besaß. Unter seiner Anleitung sollte der Neffe eine Banklehre machen. Aber den 19-Jährigen beschäftigte vielmehr die Liebe zu seiner Cousine Amalie als die Ausbildung im Rechnungswesen. Ein Leben als Kaufmann, das wusste er bald, würde nicht seine Sache sein. Onkel Salomon finanzierte daraufhin Heines Jurastudium in Bonn, Berlin und Göttingen, wo Heine schließlich promovierte. Im Jahr 1826 begegnen sich Julius Campe und Heinrich Heine zum ersten Mal persönlich:

»Mein erstes Zusammentreffen war folgendermaßen: ich stand in meinem Laden und verkaufte, da trat ein junger Mann herein und forderte Heine’s Tragödien. Ich reichte ihm ein sauber gebundenes Exemplar. ›Ach, das ist mir lieb, dass das Buch gebunden ist.‹ Während er das Exemplar besah, ging ich nach der Seite, wo die Dichter aufgestellt waren, brachte ihm die Gedichte desselben Verfassers. ›Lieber Herr‹, fiel er mir hastig in das empfehlende Wort, ›die mag ich nicht – ich verachte sie!‹ – ›Wie‹, sagte ich, ›Sie verachten sie? dann haben Sie es mit mir zu thun!‹ – ›Lieber Herr, ich kenne sie besser als Sie, denn ich habe sie geschrieben!‹ – ›Nun, mein Herr Doctor, wenn Sie wieder einmal so etwas Werthloses produciren, und Sie haben gerade keinen besseren Verleger, so bringen Sie es mir und ich werde mir eine Ehre daraus machen, meine Firma darauf zu setzen.‹

Am anderen Tage kam Heine, bezog sich auf jenes Gespräch und sagte: ›Sie waren gestern so freundlich, sich zu meinem Verleger anzubieten, in der That habe ich etwas druckfertig … Es sind Reisebilder, Harzreise, 77 Gedichte.‹ – ›Es ist gut: Sie geben mir ein Buch, auf dessen Titel Ihr Name steht, und das 25 Bogen ausfüllt. Wie viel Honorar nehmen Sie in Anspruch?‹ – ›30 Louisdor.‹ – ›Gut!‹ … Seit diesem Tag war Heine jeden Tag in meinem Laden und wir wurden intime Freunde.«

Ein Abenteuer, diese Freundschaft zwischen dem hochmütigen Poeten und seinem streitbaren Verleger. Die Fetzen können fliegen, wenn Campe Honorarzahlungen hinausschiebt: »Ich finde es so übel, so verdrießlich, dass Sie bei jedem neuen Artikel einen neuen Preis per Bogen bedingen … Denken Sie daran, in Deutschland wird viel gelesen, aber wenig gekauft.«

Woraufhin Heine seinen Unmut in freundliche, doch direkte Worte fasst: »Von den großen Honorarerhöhungen, die für Sie zu befürchten standen, sollen Ihnen auch die Haare nicht grau werden. Ich habe nie daran gedacht, mir ein Vermögen zu erschreiben; wenn ich eben habe, was ich brauche, bin ich zufrieden. Knausereyen von Ihrer Seite führten immer dahin, dass ich mich lukrativeren Beschäftigungen hingeben musste. Sie handelten in dieser Hinsicht immer unpolitisch. Ich brauche dies Jahr noch 2000 Mark Banko, ich will sie von Ihnen haben.«

Dann geht man Austern essen, im Nu sind alle Missverständnisse beseitigt, und Heine weiß, dass sein Verleger zu ihm hält, seine satirischen Schriften druckt, die Obrigkeit nicht fürchtet, auch die geforderten Honorare zahlt, wenn es denn sein muss.

»Ich aß und trank, mit gutem Appetit,

und dachte in meinem Gemüte: der Campe ist ein wirklich großer Mann,

ist aller Verleger Blüte.

Ein anderer Verleger hätte mich

vielleicht verhungern lassen,

der aber gibt mir zu trinken sogar;

werde ihn niemals verlassen.«

Heine hat Hamburg oft besucht und immer wieder überlegt, sich als Advokat an der Elbe niederzulassen. Nach der Enttäuschung mit Amalie verliebte er sich in deren Schwester Therese, aber auch diese erwiderte Heines Avancen nicht, sondern heiratete einen Hamburger. Mit dem Poem »Schöne Wiege meiner Leiden« schrieb Heine sein Hamburg gewidmetes Abschiedsgedicht:

»Schöne Wiege meiner Leiden,

schönes Grabmal meiner Ruh,

Schöne Stadt, wir müssen scheiden, –

Lebe wohl! ruf’ ich Dir zu.«

Auf dem Rathausmarkt erinnert das Heinrich-Heine-Denkmal 15 ( ▶ G 4) an den Dichter. Er hatte ein gespaltenes Verhältnis zu »Hammonia«. Von keiner deutschen Stadt fühlte er sich so angezogen und abgestoßen zugleich, und wer sein Buch »Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski« liest, hört ihn spotten über die Rolle von Börse und Bank, den kühlen Geschäftssinn der Kaufleute und die »wohlhabende Sinnlichkeit« der Hamburgerinnen. Heinrich Heine ging, in Deutschland verkannt, 1831 nach Paris.

In Hamburg setzte sich Julius Campe weiterhin für die Jungen ein, wie der große Verleger es selbst einmal formulierte: »Die Jungen sind es allemal, denen die Zukunft gehört; indem ich mich ihnen anschloß, war ich sicher, immer dem Fortschritte treu zu bleiben.« Und obgleich Hoffmann und Campe seine Produktion 1841 zwangsweise einstellen musste und der Große Brand von 1842 das Verlagsgebäude zerstörte, gelang es Campe, ein neues Haus in der Schauenburgstraße zu erwerben, das bis zur Jahrhundertwende Verlagssitz blieb, und an die früheren Erfolge anzuknüpfen.

Es war ein Triumph für ihn, als 1861 bis 1863 die erste rechtmäßige Gesamtausgabe Heinrich Heines bei Hoffmann und Campe erscheinen konnte. Julius Campe starb am 14. November 1867; er wurde zunächst auf dem Friedhof von St. Petri beigesetzt und später in die Familiengruft der Campes auf dem weitläufigen Ohlsdorfer Friedhof umgebettet. Ein tempelartiges Portal kennzeichnet die letzte Ruhestätte dieses großen Verlegers.

GRABMAL FAMILIE CAMPE

Ohlsdorfer Friedhof

Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorf

▶ U- und S-Bahn: Ohlsdorf

HEINRICH-HEINE-DENKMAL ▶ G 4

Rathausmarkt, Altstadt

▶ U-Bahn: Rathaus

HOFFMANN UND CAMPE VERLAG

Harvestehuder Weg 42, Harvestehude

www.hoffmann-und-campe.de

▶ U-Bahn: Hallerstraße oder Klosterstern

Hamburg. Eine Stadt in Biographien

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