Читать книгу Hamburg. Eine Stadt in Biographien - Marina Bohlmann-Modersohn - Страница 8

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KLAUS STÖRTEBEKER

ca. 1370–1401

Woher dieser legendäre Seeräuber kam, weiß heute niemand so genau. Sein blutiger Tod auf dem Großen Grasbrook im Hamburger Hafen machte ihn unsterblich – und zu einem Mythos der Hansestadt.

Es ist die Pest! Kein Handelsschiff ist mehr vor ihnen sicher. Schon seit Langem treiben die Piraten ihr Unwesen auf der Ost- und Nordsee, inzwischen haben sie bereits die Mündung von Elbe und Weser erreicht. Gnadenlos überfallen sie die Mannschaften der Hansekoggen auf Kurs nach England oder Skandinavien, und wenn ein angegriffenes Schiff sich nicht umgehend ergibt, scheuen die Ganoven auch Mord und Totschlag nicht. Als Kopf der Bande ist ein Mann bekannt, der Klaus Störtebeker heißt. Seitdem sein blutrünstiges Geschwader aus den Wattengebieten der Nordsee heraus operiert und den Kaufleuten fässerweise Bier und Heringe raubt, leidet die Hansestadt unter einer schweren Wirtschaftskrise. Denn schließlich beruht Hamburgs Reichtum vor allem auf dem Export von Bier.

Mit 460 Brauhäusern, die vorwiegend an den Fleeten liegen, wird die Stadt als »Brauhaus der Hanse« gerühmt: Gerste und Hopfen gedeihen prächtig in den umliegenden Marschen, der Getreidehandel an der Oberelbe sorgt für die Produktion von reichlich Malz. Aber es ist nicht nur das Bier. Auch der Hering bringt Hamburg dank des Transithandels mit Ländern wie Skandinavien und Holland gutes Geld und hohes Ansehen. Kaum hat Mitte August die Fangzeit begonnen, herrscht im Heringhaus am Alten Fischmarkt in der Innenstadt Hochbetrieb. Mit Stichproben auf ihre Qualität geprüft – schließlich geht es Hamburg darum, beim heiß umkämpften Heringshandel seinen Monopolanspruch zu verteidigen – werden Tonnen von Fisch gewaschen, gesalzen und für den Transport ins Binnenland vorbereitet.

Inzwischen ist der kleine silbrige Fisch als Nahrungsmittel höchst populär, und mancher isst ihn am liebsten sogar »grün«, also frisch. Getrocknet, leicht gesalzen und geräuchert wird er bald als »Bückling« auf den Tellern der Bürger liegen, eine Spezialität, die dem Holländer Johannes Böckel zu verdanken sein soll.

»Heringsbändiger« haben die Binnenländer Hamburgs Kaufleute oft abschätzig genannt und das Meerestier als »Fisch kleiner Leute« verpönt. Vermutlich ohne zu wissen, dass der Handel mit dem Hering viele Menschen ernährte. Außerdem erblühte das Handwerk der Böttcher, die alle Hände voll zu tun hatten, die hölzernen Heringstonnen anzufertigen.

Apropos Heringe: Nach durchzechter Nacht zieht es Hamburger am frühen Sonntagmorgen nicht ins häusliche Bett, sondern auf den St. Pauli Fischmarkt. Ob im Sommer oder Winter, bei Nieselregen oder Sturm, ab sechs Uhr in der Früh treffen auf Hamburgs ältestem Wochenmarkt südlich des Pinnasbergs, wo die Große Elbstraße beginnt, Schwärme von Menschen ein, um sich nach einem St. Pauli-Vergnügen noch ein erfrischendes Bier zu gönnen und den Biss in ein herzhaftes Brötchen mit Hering, Zwiebelringen und Gewürzgurke zu genießen. Oft übertönt der »Frische Fische«-Ruf der Händler noch das Kreischen der Möwen, wenn die Männer an ihren Ständen Krabben und Krebse, Schollen und Schellfisch feilbieten, aber auch Obst und Gemüse, Kaninchen und Kakteen, Kitsch und Kunst und viel Trödelkram.

DIE HANSE MACHT GEGEN STÖRTEBEKER MOBIL

Hamburg, 1401. Jetzt reicht es! Hamburg, Lübeck, Bremen, Wismar, Rostock – die gesamte Hanse ist von den Überfällen der Piraten betroffen. Bei jedem Versuch, sie zu fangen, sind die beiden kühnen Haupträuber Klaus Störtebeker und Goedeke Michels immer wieder entwischt. Laut klagen die hanseatischen Kaufleute über hohe finanzielle Verluste und schwören Rache. Es muss unbedingt etwas geschehen, um weiteres Unheil abzuwenden. Eine bewaffnete Aktion scheint unvermeidlich. Im April tauchen die Piratenanführer wieder auf der Nordsee auf. Mehr als 40 Koggen begleiten Störtebeker und sein Boot »Roter Teufel«. Ihr Ziel ist die Felseninsel Helgoland. Für Hamburg ist der Augenblick gekommen, zum entscheidenden Schlag auszuholen.

Unter dem Kommando des Schiffshauptmanns Simon van Utrecht verlässt das Flaggschiff »Bunte Kuh von Flandern« am 22. April 1401 mit einer Flotte den Hamburger Hafen. Der Trick: Die Kriegsschiffe sind als Handelsschiffe getarnt. Sie sollen die kapernden Seeräuber um Störtebeker – die Vitalienbrüder – endlich in die Falle locken.

Tatsächlich geht Störtebekers Rechnung dieses Mal nicht auf: Seinem Angriff auf die vermeintlichen Frachtschiffe folgen erbitterte Kämpfe auf offener See, bei denen mehr als 40 Piraten umkommen und er selbst mit 70 seiner Leute gefangengenommen wird. Was für ein Erfolg für die Hansestadt Hamburg! Er war möglich geworden durch die Hilfe eines Verräters, erzählt die Legende. Als Fischer verkleidet soll ein Sympathisant der Hanse unbemerkt flüssiges Blei in die Steueranlage der Kogge »Roter Teufel« gegossen und Störtebekers Schiff manövrierunfähig gemacht haben.

Auf dem Großen Grasbrook in Hamburgs neuem Stadtteil HafenCity 8 ( ▶ G 7), dort, wo 2007 die Grundsteinlegung der Elbphilharmonie 7 ( ▶ E 7) erfolgte, steht auf einem Sockel ein kleiner Mann 28 ( ▶ H 6) aus Bronze mit Bart, die Hände vor dem Bauch gefaltet, den Blick über die Schulter in Richtung Innenstadt gewandt. Kaum vorstellbar, dass dieses schmächtig wirkende Kerlchen jener Klaus Störtebeker sein soll, der vor 600 Jahren die reichen Hansestädte an der Ost- und Nordsee das Fürchten lehrte.

Wie der legendenumwobene Freibeuterkapitän zu seinem Namen und wo er überhaupt herkam, ob er Klaus und nicht etwa Claas oder wohlmöglich Nikolaus hieß und am Ende gar kein Pirat, sondern ein Kaufmann aus Danzig war – kein Mensch kann es genau sagen. Genauso wenig wie erwiesen ist, ob Störtebeker tatsächlich so trinkfest war, wie sein Name, der so viel wie »Becher-Herunterstürzer« heißt, nahelegt.

Tod durch Enthauptung! So lautet das Urteil, nachdem das Kriegsschiff »Bunte Kuh« Störtebeker und seine Räuberbande in Hamburg abgeliefert und das Gericht kurzen Prozess mit ihnen gemacht hat. Aber so einfach lässt sich ein Klaus Störtebeker seine Freiheit, geschweige denn das Leben, nicht nehmen. Wenn er Hamburg eine goldene Kette schenke, die um die ganze Stadt reiche, würde der Senat ihm dann seine Strafe erlassen und ihn nicht enthaupten? Der Senat reagiert empört, doch lässt er Störtebekers Kogge nach dem versprochenen Gold durchsuchen. Vergeblich! Später soll ein Zimmermann bei der Zerlegung des Schiffes dann doch noch auf das edle Metall gestoßen sein, verborgen in den hölzernen Masten, und mit dem Goldschatz, so will es die Legende, eine Krone für den Turm der Hamburger Kirche St. Katharinen in Auftrag gegeben haben.

Ebenfalls ist es wohl eher ein Märchen, der berüchtigte Seeräuber habe dem Hamburger Bürgermeister noch kurz vor seiner Hinrichtung das Versprechen abgenommen, alle Piraten vom Tod durch das Schwert zu verschonen, an denen der Verurteilte nach seiner Enthauptung noch vorbeigehen könne. Ein Raunen geht durch die Menge, als Störtebeker, sein Kopf liegt schon längst am Boden, immerhin elf seiner verurteilten Kollegen noch erreicht, bis ihm der Scharfrichter ein Bein stellt und den Geköpften zu Fall bringt. Anderen Quellen zufolge warf er ihm den Richtblock vor die Füße. Jeder Barkassenskipper erzählt seinen Hafenrundfahrtgästen gern vor Ort diese schaurige Geschichte und schmückt sie mehr oder minder fantasievoll aus, wobei mancher das alte Volkslied zitiert: »Vor vielen Jahren lebte, o Graus, noch oben im Norden, der wilde Klaus.«

Und das bürgermeisterliche Versprechen? Keine Rede mehr davon. Von ihrem Gefängnis aus müssen alle 73 Piraten in einer langen Prozession den Weg zu ihrer Hinrichtungsstätte auf dem Grasbrook antreten. Nur wenig später kann man die Köpfe der Enthaupteten auf Pfähle gespießt entlang der Elbe sehen.

EIN INSEL-WEHRTURM GEGEN PIRATEN

Im Hamburgmuseum 11 ( ▶ C 4) erinnern Abbildungen, aufgespießte Seeräuberschädel und ein Flugblatt an jenen 20. Oktober 1401, an dem Störtebeker und seine Männer geköpft wurden. Ihre Hinrichtung sollte auch eine Warnung sein und der Abschreckung dienen. Aber ausgehend von ihrem Hauptquartier im friesischen Emden trieben die Piraten auch ohne ihren Anführer Störtebeker weiterhin ihr Unwesen auf dem Meer. Es wurde erst von seinen wilden Raubzüglern befreit, als 1525 der Hamburger Ditmar Koel mit seiner Flotte vor der friesischen Küste eine besonders gefährliche Bande überwältigte.

In der südlichen Nordsee, dort, wo die Elbe mündet, liegt eine kleine Insel, die seit 700 Jahren zu Hamburg gehört. Sie heißt Neuwerk, und auf dem höchsten Punkt dieses flachen Eilands steht ein Leuchtturm. Er ist Hamburgs ältestes Bauwerk, zu Zeiten der Hanse und Störtebekers als Wehrturm errichtet. Von hier oben aus hatte die bewaffnete Besatzung einen weiten Blick über das Meer und die Möglichkeit, sich nähernde Seeräuber mit warnenden Schüssen in die Flucht zu treiben. Auf einem hölzernen Gerüst neben dem Turm brannte bis 1814 Tag und Nacht ein offenes Kohlenfeuer. Seit 1924 steht der Leuchtturm unter Denkmalschutz. Ein Sinnbild für die Verteidigung der Elbmündung, hilft er bis heute bei schlechter Sicht den Schiffen.

Man kann die Insel Neuwerk besuchen. Bei Niedrigwasser von Cuxhaven-Duhnen aus barfuß durch das Watt laufen. Dabei Tausende von Watt- und Wandervögeln beobachten und dem Ruf der Gänse lauschen. Sich an den Robben erfreuen, die auf ihren Sandbänken liegen. Für Gehunwillige ist die Pferdekutsche ein originelles Beförderungsmittel. Wäre der Untergrund fest, die Zweispänner mit den schweren Wagen würden schneller vorankommen. Doch der Meeresboden ist weich, teilweise verschlammt, manchmal von tiefen Rinnen, den Prielen, durchzogen. Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer heißt dieses 13750 Hektar große, beeindruckend schöne Naturschutzgebiet, aus dem sich eines der ältesten Leuchtfeuer des nordwestlichen Europa erhebt.

HAMBURGMUSEUM 11C 4

Holstenwall 24, Neustadt

www.hamburgmuseum.de

▶ U-Bahn: St. Pauli

INSEL NEUWERK

Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer

www.nationalpark-wattenmeer.de

▶ Mit dem Zug stündlich vom Hauptbahnhof nach Cuxhaven, dann mit dem Bus nach Duhnen oder Sahlenburg (ca. 2 Std.)

STÖRTEBEKER-DENKMAL 28H 6

Brooktorkai/Osakaallee, Altstadt

▶ U-Bahn: Meßberg

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