Читать книгу Paris. Eine Stadt in Biographien - Marina Bohlmann-Modersohn - Страница 9
ОглавлениеLOUIS XIV
1638–1715
Er war der Sonnenkönig, absoluter Herrscher über die erste Macht Europas mit leuchtendem Mittelpunkt Paris. Jeder sollte das sehen. Deswegen war seine Liebe zu einem verschwenderischen Luxus grenzenlos.
Alles muss stimmen, im Sinne der Zeit vollkommen richtig sein, bevor der Hofmaler Hyacinthe Rigaud mit dem Porträt des Sonnenkönigs beginnen kann: Haartracht, Gesichtsausdruck, Gestik, Garderobe, Insignien, Hintergrund. Prächtig das schulterlange Lockenhaar, unter dem sich kein Kahlkopf verbirgt, wie man annehmen könnte. Louis Quatorze soll sehr schönes langes Haar besessen und sich lange gesträubt haben, eine Perücke zu tragen. Aber die Mode fordert diesen Schmuck für den Mann. »La perruque« gehört dazu. Wie ein Kleidungsstück. Zur Vervollkommnung der äußeren Erscheinung.
Das Gesicht des Königs ist leicht zur Seite gewandt, den Betrachter fest im Blick. Seine rechte Hand liegt gelassen auf dem Zepter, die linke stemmt er in die Hüfte. Weiße Strümpfe zieren seine schlanken Beine. Die Füße stecken – feminin graziös – in den hochhackigen Schnallenschuhen. Rot leuchtet der Baldachin, golden der Thron, königsblau der Brokat auf dem weißen Hermelinumhang, den die Bourbonenlilie ziert, das bekannteste Symbol der französischen Monarchie. Die Macht der Krone ist eindeutig: »L’État c’est moi«. Ich bin der Staat. Daran lässt der überlebensgroß dargestellte Sonnenkönig, le Roi Soleil, keinen Zweifel. Sein Wille ist höchstes Gesetz.
Louvre, Salle Sully ( ▶ F 4). Man muss sich vorstellen: Dieser allgegenwärtige Herrscher, auf dem Gemälde schon über 60, war noch ein kleiner Knabe, als er den französischen Thron erbte, gerade einmal vier Jahre alt. Bis er mündig war, übernahmen seine Mutter, Anna von Österreich, und der Kardinal Mazarin die Regierungsgeschäfte. Mazarin sorgte für die politische Erziehung und Ausbildung des königlichen Prinzen. Louis (Ludwig) wurde in Rechtslehre, Geschichte und Militärstrategie unterrichtet, ebenso in Sprachen und Wissenschaften. Als Mazarin 1661 starb, erklärte der inzwischen 23-Jährige dem Staatsrat, er wolle nun allein weiter regieren, und sagte den berühmten Satz: »Fortan werde ich mein eigener Premierminister sein«.
Der junge Monarch will alle Macht in seiner Person vereinen. Das hat es seit dem Ende des römischen Imperiums nicht mehr gegeben, weder in Frankreich noch sonst wo auf der Welt. Regierungsumbildung, Entlassung der Minister, Reformprogramme zur Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Künsten. Abschaffung der Rechte des Klerus, der Fürsten, Gilden und Städte.
Über das ganze Land zieht sich das Netz einer wohl organisierten Beamtenhierarchie. Den selbstbewussten Feudaladel verwandelt der Herrscher in eine Hofaristokratie zum Zwecke, ihn zu umkreisen: im Sonnensystem Ludwig XIV. rotieren Prinzen, Herzöge, Grafen und Barone um ihr Zentralgestirn, den König.
Das Zeremoniell ist streng, die Umgebung prunkvoll. Politischer Einfluss und militärische Dominanz der Seemacht Frankreich werden schnell stärker. Unter Finanzminister Jean-Baptiste Colbert florieren Außen- und Kolonialpolitik, Frankreich wird zur Zentralmacht. Ganz Europa orientiert sich an seiner Kultur. Das Land erlebt sein goldenes Zeitalter, »Le Siècle des Lumières«. Und Paris ist der leuchtende Mittelpunkt.
Ludwig XIV., an der Architektur und Kunst Italiens geschult, war ein passionierter Bauherr. Paris, so schwebte ihm vor, sollte ein zweites Rom werden, mit Monumentalbauten im Stil der Renaissance. Charakteristisch dafür: Backsteinfronten, Rundbogenstil, weit gespannte Fassaden und die symmetrische Anlage von Platz und Garten.
Mit Beginn seiner Regentschaft setzt Louis den Bau des Königsschlosses Louvre 29 ( ▶ E/F 4) fort, er lässt den Viereckshof Cour Carrée errichten. Das Erlebnis, möglichst am Abend, bei Beleuchtung, in seiner Mitte zu stehen, vielleicht nach einem Glas Champagner im Café Marly 8 ( ▶ F 4) gleich nebenan, ist berückend schön.
DER KÖNIG BAUTE UND BAUTE …
Zu Ludwigs Zeiten erstreckte sich zwischen der heutigen Rue du Faubourg Saint-Honoré und der Seine eine weite, halb sandige, halb sumpfige Ebene mit Viehweiden und Gemüsegärten. Hier legte der berühmte königliche Gartenarchitekt André Le Nôtre den Jardin des Tuileries 20 ( ▶ D/E 4) an, einen der ältesten Parks der Stadt. Die Hauptallee, die sich bis zum heutigen Rond Point fortsetzte und erst später in Richtung Westen weiter führte, wurde Champs-Élysées genannt, »Gefilde der Seligen«. Bis heute gilt die rund 100 Meter breite Prachtstraße zwischen Place de la Concorde und Arc de Triomphe 1 ( ▶ B 2) als schönste Avenue der Welt.
Auch der Bau der königlichen Brücke Pont Royal ist Louis Quatorze zu verdanken. Sie stellte die Verbindung zum Vorort Faubourg Saint-Germain auf dem gegenüberliegenden Seine-Ufer her, das noch in ganz ländlicher Stille lag.
Für die verwundeten Soldaten seiner zahlreichen Kriege ließ der König das Hôtel des Invalides 19 ( ▶ C 4) mit Esplanade und Kirche errichten, eine schlossähnliche Anlage, die erste dieser Art. Jules Hardouin-Mansart, der Architekt, zeichnet ebenso für zwei der schönsten Plätze von Paris verantwortlich: Grandios die streng klassizistische achteckige Place Vendôme, an der das um 1900 errichtete Nobel-Hotel Ritz 41 ( ▶ D/E 3) liegt, und die Place des Victoires ( ▶ F 3) nahe der Börse.
Aber außer Paris und dem Louvre gab es noch andere Orte, nur einen Katzensprung von der Metropole entfernt, an denen der Sonnenkönig und seine Entourage gern Hof hielten. Fontainebleau beispielsweise. Oder Saint-Germain-en-Laye. Und vor allem Versailles. Hier stand ja bisher nur das Jagdschlösschen seines Vaters, und was konnte man aus dieser bescheidenen Hütte nicht alles machen. Ein prächtiges Schloss, beispielsweise. Eine Residenz, wie sie Europa noch nicht gesehen hatte.
VERSAILLES IST SEINE SONNE
Ludwig XIV. ruft alle renommierten Architekten, Innenarchitekten und Gartenbaukünstler zusammen – Le Vau, Hardouin-Mansart, Le Brun, Le Nôtre – und beauftragt sie mit der Ausführung seines königlichen Plans.
In Paris brummt es in den Werkstätten der zahlreichen Brokat-, Seiden- und Samtweber. Spitzenklöppler und Kristallschleifer haben alle Hände voll zu tun. Tausende von Künstlern und Kunsthandwerkern machen sich auf den Weg nach Versailles, um an der Ausstattung des prunkvollen Palastes mitzuarbeiten.
Der Spiegelsaal: ein Wunderwerk aus Gold, Silber, Marmor, Glas, Glanz und Licht. Hier bittet der Sonnenkönig dreimal in der Woche zum Menuett. Ein eigenartiger Tanz, gezwungen und anmutig zugleich, minuziös vorgezeichnet jeder Schritt, jede Verbeugung.
Im Anschluss verlustiert sich die Gesellschaft im Park mit seinen Hunderten von Springbrunnen. Wie viele Wälder umgepflanzt und Hügel abgetragen werden mussten, bevor Le Nôtre das symmetrische Gesamtkunstwerk realisieren konnte, ist noch heute ein Rätsel. Der Park von Versailles, 100 Hektar groß, ist der Inbegriff des französischen Gartens. Perfekt gestutzte Bäume, Büsche und Hecken säumen Alleen und Beete. Marmorskulpturen, Fontainen, Aussichtsplätze überall. Der größte Brunnen heißt Bassin de Neptune, die künstliche Kanalanlage Klein-Venedig. Bei den prachtvollen barocken Hoffesten werden im Park Opern und Theaterstücke aufgeführt, deswegen ist hier der Repräsentationsanspruch ebenso groß wie im Schloss.
Zur Zeit der absolutistischen Monarchie leben 20 000 Menschen in Versailles. Der Luxus, in dem der Hof schwelgt, ist verschwenderisch, die Etikette jedoch streng. Jede Geste, jede Handlung des Königs, Aufstehen, Speisen, Schlafengehen, wird zur Zeremonie.
Noch ein Blick in den königlichen Küchengarten, der sich hinter dem prachtvollen, golden verzierten Tor verbirgt: Im »Potager du Roi« herrschen paradiesische Zustände. Der Regent liebt Früchte und Gemüse und lässt anbauen, was irgendwie nur möglich ist: Feigen und Granatäpfel, Auberginen, weinrote Kartoffeln, Saubohnen und Spinat, Kräuter, Lavendel.
DER KÖNIG ZEUGTE KINDER ÜBER KINDER
Auch was seine Nachkommen betrifft, ist der König sehr fruchtbar. Ludwig XIV. hat am 9. Juni 1660 bei einer vergleichsweise bescheidenen Hochzeit im Hafenstädtchen Saint-Jean-de-Luz die Prinzessin Maria Theresia von Spanien, eine Cousine ersten Grades, geheiratet und sechs Kinder von ihr bekommen. Doch die sechs Kinder mit Maria Theresia sind bei Weitem nicht die einzigen gewesen, die Frankreichs Herrscher gezeugt hat. Allein vier waren der Beziehung mit seiner Maitresse Louise Françoise de La Vallière entsprungen, sechs hatte er mit Françoise Athénais de Montespan, und einen Sohn gebar ihm Marie Angélique de Fontanges.
Die wichtigste Frau im Leben des schon älteren Ludwig XIV. war Madame de Maintenon, die Gründerin des Mädchen-Internats Saint-Cyr. Früh verwitwet und mittellos, war sie als junge Frau in adligen Pariser Häusern als Kindermädchen tätig gewesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Irgendwann war sie Erzieherin von Ludwigs Kindern aus seiner Verbindung mit der Marquise de Montespan geworden. Damit hatte sie so viel verdient, dass sie sich das Besitztum Maintenon nahe Paris kaufen konnte. Ludwig XIV. war erst im Laufe der Jahre auf die gut aussehende, intelligente Frau aufmerksam geworden, die seine Kinder erzog. Jahrzehntelang war sie seine Vertraute und Freundin, die der König heimlich heiratete, als seine Ehefrau Maria Theresia 1683 gestorben war.
Als Ludwig XIV. am 9. September 1715 vier Tage vor seinem 77. Geburtstag und nach 72 Jahren als Herrscher über Frankreich an den Folgen eines Wundbrandes am linken Bein starb, verlor auch Versailles, die imposante Residenz des Sonnenkönigs, allmählich an Leuchtkraft, obgleich noch zwei weitere Könige, Ludwig XV. und Ludwig XVI., am prunkvollen und verschwendungssüchtigen Lebensstil ihres legendären Vorgängers mit der Allongeperücke festhielten.
Bis die Macht des Bürgertums die der Könige ablöste.
Louvre
93, rue de Rivoli, 1. Arr.
▶ Métro: Palais Royal Musée du Louvre
JARDIN DES TUILERIES 20 ▶ D/E 4
Pl. de la Concorde, 1. Arr.
▶ Métro: Tuileries
1. Arr.
▶ Métro: Palais Royal Musée du Louvre
VERSAILLES
▶ RER: Versailles Rive Gauche, Fahrzeit ca. 50 Min.