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Mesut Özil: Notruf im Silicon Valley
In der Gegenwart arbeite ich fast ausschließlich mit Sportvereinen und -verbänden zusammen. Das war nicht immer so. Vor wenigen Jahren habe ich auch Einzelathleten für das digitale »Personal Branding« unter Vertrag gehabt. Sehr erfolgreiche Fußballer. Deutsche Nationalspieler. Das war eine sehr aufregende Zeit. Aber auch eine sehr schmerzhafte. Ich wurde persönlich stark enttäuscht und bin vorsichtiger seitdem.
Ich bin nach Auslandseinsätzen in England, den USA, Australien und Asien für global agierende Technologieunternehmen im Jahr 2005 nach Deutschland zurückgekehrt und habe 2008 mit der Gründung der RESULT mein Comeback im Sport gefeiert. Nach vielen Investitionen in den Anfangsjahren begann ich irgendwann, Geld zu verdienen und personell aufzustocken. Meinen ersten Angestellten verpflichtete ich im Sommer 2012, wir wollten gemeinsam etwas Größeres aufbauen.
Wir vereinbarten, unsere Aufgaben und Kompetenzen aufzuteilen. Mit zusätzlicher Manpower wollten wir das Portfolio der RESULT vergrößern. Wir wollten einzelne Athleten neu gewinnen und operativ betreuen. Ich brachte meine Erfahrung und mein technisches Know-how ein und konnte nützliche Daten aus meinem Crawler zuarbeiten. Zu dieser Zeit waren Profifußballer verstärkt auf der Suche nach Agenturen, weil sie professionelle Hilfe für ihr Social-Media-Management brauchten. Dadurch herrschte in den Jahren 2012 bis 2014 eine echte Goldgräberstimmung. Das »Personal Branding« wurde immer gefragter.
Dann fragte Mesut Özil bei uns an. Ich war in diesen Prozess kaum involviert, mein Mitarbeiter kümmerte sich darum, und nach einer Weile hatten wir tatsächlich Özil als Kunden gewonnen. Das war natürlich eine Riesensache. Mesut war schon damals der erfolgreichste deutsche Fußballer in den sozialen Medien. Er war von nun an unser Faustpfand bei der Akquise weiterer Profifußballer.
Als nächster ›Großer‹ kam Ilkay Gündoğan dazu, der zu diesem Zeitpunkt noch bei Borussia Dortmund spielte. Gündoğan und Özil sind dicke Kumpels. Beide sind türkischstämmig, beide haben ihre Wurzeln im Ruhrpott, beide sind in Gelsenkirchen geboren. Obwohl die beiden auf Profiebene bislang – außer in der deutschen Nationalmannschaft – nie für die selbe Mannschaft kickten, sind ihre Karrieren eng miteinander verknüpft. Es sprach sich herum, dass die beiden nun in unseren Händen waren. Der Profifußball ist ein Dorf. Weitere Kunden der RESULT wurden dann auch noch Antonio Rüdiger (damals VfB Stuttgart/heute Chelsea London), Emre Can (damals Bayer Leverkusen/heute Borussia Dortmund) und der griechische Verteidiger José Holebas (damals Olympiakos Piräus/heute FC Watford). Zusätzlich kümmerten wir uns um die Sängerin Mandy Capristo, die damalige Freundin von Özil. Viel Arbeit, dementsprechend stockten wir personell auf. Mitte 2013 hatte ich eine Handvoll festangestellter Mitarbeiter.
Ich habe damals mit meiner Familie in München gewohnt. Mit meiner Frau Hong Chi (Jahrgang 1978), meinen Söhnen Kevin (Jahrgang 2002) und Noah (Jahrgang 2012) sowie meiner Tochter Helen (Jahrgang 2005) bewohnten wir ein Haus in Waldperlach. Die RESULT stand auf festen Beinen. Die Dienste meines Crawlers nahmen immer mehr Vereine in Anspruch. Mir ging es gut. Ich hatte mir nach vielen Jahren im Ausland wieder ein Fundament in Deutschland gegossen. Ich ahnte nicht, dass es bald die ersten Risse geben sollte.
Emojis gegen Hass
Unsere Aufgabe in der Betreuung von Mesut Özil, Ilkay Gündoğan, Antonio Rüdiger, Emre Can, José Holebas und Mandy Capristo bestand darin, deren Social-Media-Präsenzen zu pflegen, zu professionalisieren und auszubauen. Bei Özil kamen neben den gängigen Plattformen wie Facebook, Twitter & Co. noch zwei chinesische Netzwerke hinzu: Sina Weibo und Tencent QQ. Das war total spannend. Denn Social Media funktioniert in China anders als bei uns.
Sina Weibo ist ein Kurznachrichtendienst mit den Bausteinen Text (bis zu 2.000 chinesische Zeichen), Foto und Video. Vom Umfang und der Funktionalität also ähnlich wie Twitter. Nur schicker. Sina Weibo ist die einzige chinesische Plattform, die bis heute mit 700 Millionen täglichen Nutzern nationale Relevanz hat. Weibo heißt übersetzt Mikroblogging. Diese Plattform ist – wie jedes asiatische Netzwerk – stark getrieben von Emojis und unterhaltsamen Elementen, weil das nun mal Teil der fernöstlichen Kultur ist. Übrigens: Facebook hat bei uns erst 2014 die Emojis eingeführt. Als Antwort darauf, dass der Umgangston auf dieser Plattform in Deutschland immer aggressiver wurde. Mit zunehmenden Beleidigungen, Anfeindungen, Verletzungen und purem Hass. Die Emojis sollten dieses Problem lösen, um eine andere Form der Diskussion anzubieten. Und dieser Plan ist tatsächlich aufgegangen. Zumindest kurzfristig.
Tencent QQ hingegen ist quasi ein Klon von Facebook. Dieser Instant-Messaging-Dienst gehört zum Tencent-Konzern, dem größten Internetunternehmen Chinas, zu dem unter anderem auch WeChat zählt, der meistverbreitete Chat-Dienst des Landes (vergleichbar mit WhatsApp), der mittlerweile auch einen »Mobile-Payment-Service« anbietet (ähnlich wie Apple Pay oder Google Pay). Dazu muss man wissen: In der Volksrepublik China herrscht eine Internet-Zensur. Westliche Social Networks sind komplett verboten. Die chinesische Staatsregierung hat sehr früh erkannt, dass US-Plattformen wie Facebook & Co. riesige Datenkraken sind und letztlich den Drang und Zwang haben, Wissen und Know-how der Gesellschaft abzusaugen. Sobald die User ein Foto auf Facebook, Instagram oder WhatsApp hochladen, geben sie das Recht am eigenen Bild an das Imperium von Firmengründer Mark Zuckerberg ab. So steht es in den Geschäftsbedingungen, die aber kaum ein User liest. Deswegen haben die Machthaber Chinas diesen Plattformen schnell den Riegel vorgeschoben. Ein kluger Schachzug.
Der Auftritt von Borussia Dortmund bei Tencent QQ im Jahr 2014, die chinesischen Plattformen setzten damals schon auf Werbeeinblendungen. Der BVB hatte zu diesem Zeitpunkt 23 Beiträge veröffentlicht und 22.500 Follower.
Übrigens: Das Social Network mit den aktuell am schnellsten wachsenden User-Zahlen weltweit kommt auch aus China und heißt TikTok. Das ist ein Videoportal mit starkem Fokus auf Musik und Full-Playback-Karaoke-Elementen. Es gehört zum Beijing Bytedance Technology-Konzern und wurde im August mit Musical.ly, einer weiteren populären chinesischen Kurzvideo-Social-Plattform, fusioniert. Fast eine Milliarde Menschen sind hier weltweit monatlich aktiv. In Deutschland sind es vier Millionen, die täglich knapp eine Stunde auf dieser Plattform verbringen. Im Schnitt sind sie 16 bis 24 Jahre alt. TikTok ist das einzige soziale Netzwerk, das weltweit zum Download zur Verfügung steht.
Auch zahlreiche Fußballklubs und -stars sind auf TikTok aktiv. Mit über zwei Millionen Followern ist der FC Barcelona im Dezember 2019 vor dem FC Liverpool (1,2 Millionen) und Real Madrid (1,1 Millionen) die Nummer eins in Europa. Auch der FC Bayern und der BVB nutzen diese Plattform, um ihre Popularität im in der jungen Zielgruppe weltweit und besonders im Reich der Mitte zu steigern. Wer es noch nicht weiß: Der größte Konkurrent des Fußballs ist in China Basketball. Es gibt 350 Millionen aktive Basketballer im Land, aber nur 50 Millionen aktive Kicker. Das liegt an Yao Ming, der von 2002 bis 2011 für die Houston Rockets in der NBA spielte. Der 2,29 Meter große Schlaks löste einen riesigen Basketball-Boom in Fernost aus. Die weiterhin beliebteste Sportart im Land ist aber Tischtennis.
Feiertagsgrüße nach Fernost
Zurück zu Özil. Der Impuls, dass Mesut auch in den chinesischen Netzwerken Sina Weibo und Tencent QQ aktiv wurde, kam von den Plattformen direkt. Sie haben uns damals angeschrieben und ihn proaktiv eingeladen. Normalerweise brauchte man nämlich eine lokale Handynummer, um sich da anmelden zu können. Der erste westliche Fußballer, der auch in Fernost eigene digitale Präsenzen hatte, war – Cristiano Ronaldo, klar. Mesut gehörte zu den ersten 15. Schnell zu Relevanz auf Chinas Plattformen kommt man, wenn man sich selbst nicht zu wichtig nimmt, nicht überspitzt formuliert und dadurch auch nicht polarisiert. Während bei uns das Motto oft »Auffallen um jeden Preis« lautet, mag der Chinese Bodenständigkeit und harte Arbeit. Wenn man ihm dann noch an seinen Nationalfeiertagen Grüße sendet, schließt er einen schnell in sein Herz. Auch das Interaktionsbedürfnis ist viel größer als bei uns. Es wird erwartet, dass einem geantwortet wird. Die Chinesen wollen wissen, ob das auch der »Echte« ist, der da schreibt. Veräppeln lassen ist nicht!
Um zu gewährleisten, dass wir auch den asiatischen Markt bedienen können, habe ich mit Jennifer Yeo meine erste Mitarbeiterin außerhalb Deutschlands angestellt. Sie arbeitete von Malaysia aus, hat Kurztexte im Namen von Özil verfasst, diese in chinesische Schriftzeichen übersetzt und dann gepostet. Noch heute bin ich mit RESULT begleitend für den BVB und Eintracht Frankfurt auf Sina Weibo aktiv.
Damals, im Jahr 2012, ging es noch stark um Crossposting. Das bedeutet, es war gängig, Botschaften mit demselben Text und demselben Foto durchgängig auf möglichst vielen unterschiedlichen Plattformen zu verbreiten. Der Hype um Social Media begann gerade erst. Spezifische Kommunikationsstrategien für einzelne Kanäle gab es damals noch nicht. Die Devise lautete: Follower »einfangen«. Je mehr, umso besser. Die chinesischen Netzwerke haben das geschickt lanciert. Schon nach dem ersten Post auf Sina Weibo hatte Özil nach 48 Stunden 250.000 Follower auf diesem Kanal. Nach einer Woche waren es bereits unglaubliche 1,8 Millionen Follower. Ausschließlich Chinesen. Und die waren nur ein Jahr später im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert …
Arsenal schielt nach Asien
Mesut Özil spielte damals bei Real Madrid und war eigentlich happy. Er zählte bei einem der weltweit größten Klubs zum Stammpersonal, war hervorragend integriert, angesehen, verdiente gutes Geld und schätzte die Lebensqualität in der spanischen Hauptstadt. Aber sein Vater Mustafa, der gleichzeitig auch als sein Berater auftrat, forcierte hinter den Kulissen trotzdem einen Vereinswechsel. Er wollte den Wert seines Sohnes auf dem Transfermarkt zu Cash machen. Und zwar sofort! Weil Real zu Beginn der Saison 2013/14 mit Mittelfeldregisseur Isco einen weiteren Konkurrenten für seinen Junior verpflichtete, witterte Mustafa Özil zu diesem Zeitpunkt die Chance auf schnelles (Hand-)Geld – und lotete im Verborgenen mit Arsenal London einen Transfer aus. Die Engländer hatten zu diesem Zeitpunkt mit Trainer Arsène Wenger große Ambitionen und waren händeringend auf der Suche nach Verstärkungen im offensiven Mittelfeld.
Obwohl Mesut nicht zwingend wechseln wollte, drängte ihn sein Vater dazu. Die Aussicht auf das lukrative Gehalt, das auf der Insel auch noch wöchentlich ausbezahlt wird, war zu verlockend. Papa Özil träumte davon, dass sein Spross irgendwann auch mal den Ballon d’Or gewinnt. Aber dafür musste er Real verlassen, weil er neben Cristiano Ronaldo perspektivisch immer nur höchstens die zweite Geige spielen würde. Davon war Mustafa Özil überzeugt.
Besonders spannend an diesen Tagen kurz vor der Schließung des Transferfensters im Sommer 2013 in England war, dass Arsenal neben Özil noch zwei weitere Spieler an der Angel hatte, deren sportliches Potenzial ähnlich groß war wie das von Mesut. Die Stunden bis zum »Deadline Day« verrannen. Wen holen? Dann traf Arsenal eine Entscheidung – pro Özil. Und zwar nicht ausschließlich aus fußballerischen Gründen. Auch wirtschaft-liche Aspekte rund um die globale Marketingstrategie des Klubs spielten eine Rolle. Mesut hatte früh die neu entstandenen Möglichkeiten von Social Media für sich entdeckt, war sehr aktiv in den sozialen Netzwerken und hatte so auf unterschiedlichen Plattformen schnell Millionen Follower weltweit zu seinen Fans gemacht. Er hatte eine eigene, riesige Community. Unter anderem eben in China.
Mit der Geburt von Social Media eröffneten sich plötzlich Möglichkeiten, völlig neue Märkte zu erobern. Das wussten natürlich auch die Arsenal-Bosse. Sie schauten also ganz genau hin: Welchen Mehrwert bringt welcher Spieler? So fiel ihre Wahl letztlich auf Özil. Denn sie wussten, dass sie über Mesuts Digitalkanäle Zugang zu Menschen in Zielmärkten bekommen würden, in denen Arsenal noch sehr dünn aufgestellt war und dementsprechend Nachholbedarf hatte. Allen voran in China. Aus Vertriebund Marketingsicht war Özil – neben seinen herausragenden Leistungen am Ball – also die ideale Verstärkung. Wie schon gesagt: Ich weiß, dass heutzutage Social-Media-Präsenzen bei sich anbahnenden Transfers (mindestens) die letzten fünf Prozent Zweifel ausräumen können. Am 2. September 2013, dem letzten Tag der Transferperiode, wurde der Wechsel des deutschen Nationalspielers von Madrid nach London offiziell verkündet. Die Ablösesumme betrug 47 Millionen Euro. Özil bezieht aktuell ein Gehalt von rund 400.000 Euro – pro Woche!
Selbstverständlich ist auch heutzutage die sportliche Leistung eines Athleten das Hauptkriterium dafür, ob er von einem Klub verpflichtet wird oder nicht. Aber: In Zeiten von Social Media und einer dadurch immer globaleren und marketinglastigeren Denkweise von Profiklubs sind Likes und Follower sehr wichtig. Sie können letztlich den Ausschlag dafür geben, ob Spieler A oder Spieler B verpflichtet wird. Das war bei Neymars Wechsel 2017 von Barça zu PSG so. Das war bei Ronaldos Wechsel 2018 von Real zu Juve so. Und das war – bereits einige Jahre zuvor – auch bei Özils Wechsel zu Arsenal der Fall. Damals habe ich es das erste Mal hautnah miterlebt.
Flucht nach vorn
Als feststand, dass Mesut im Spätsommer 2013 nach London weiterzieht, begann unsere Arbeit erst richtig. Wir standen vor allem vor der Beantwortung einer wichtigen Kernfrage: Wie kommunizieren wir diesen Wechsel auf Özils eigenen Kanälen, ohne dass er viele Follower verliert? Er hatte nämlich in seinen drei Jahren in Madrid eine große spanische Community gesammelt. Die wollten wir natürlich mit nach England nehmen und niemanden zurücklassen.
Von außen betrachtet sah Mesuts Abflug nach England aus wie eine Flucht. Diesem Eindruck wollten wir kommunikativ entgegentreten. Daher haben wir sehr stark und emotional für die spanische Community gepostet und die neue sportliche Herausforderung in einer neuen Liga in den Mittelpunkt seiner Beiträge und Tweets gesetzt. Der Plan ging auf. Özil hat rund um seinen Arsenal-Transfer kaum spanische Follower verloren. Stattdessen aber zum Beispiel 500.000 neue Anhänger auf Twitter gewonnen, weil dieses Netzwerk in England eine größere Relevanz hat als auf der Iberischen Halbinsel. Sein Wechsel hat sich also auch in der digitalen Welt für ihn gelohnt. Auch Arsenal hat profitiert. Die »Gunners« haben eine Million neue Seiten-Likes eingesammelt. Vor allem aus Regionen, aus denen Özils Community kam, und eben auch … China. Bingo!
Ruhe kehrte nun jedoch nicht ein. Im Gegenteil. Jetzt ging der Trubel erst richtig los – ausgelöst ausgerechnet durch Mustafa Özil. Wir mussten Nachtschichten einlegen. Was war passiert? Wenige Tage nach seiner Ankunft in London entschied Mesut, sich von seinem Vater als Berater zu trennen. Künftig sollte sein Bruder Mutlu als sein Manager fungieren.
Arsene Wenger, damaliger Trainer von Arsenal, begrüßt Mesut Özil mit seinem neuen Trikot des Arsenal Football Club.
Auslöser dieses Rauswurfs waren die geplatzten Verhandlungen mit Real. Mesut wollte – wie ja schon beschrieben – ursprünglich am liebsten in Madrid bleiben und sogar verlängern. Aber sein Vater entpuppte sich in seinen Augen im Poker mit Reals Klub-Boss Florentino Pérez als unfähig. Mustafa Özil war den Tricksereien seines Gegenübers offenbar nicht gewachsen und verlor die Beherrschung. »Es führte dazu, dass mein Vater wutschnaubend das Büro verließ und die Tür zu Perez’ Geschäftszimmer hinter sich laut krachend ins Schloss warf«, schildert Mesut die Situation in seinem Buch »Die Magie des Spiels« (Bastei Lübbe, 2017). »So war ich beim Big Boss meines Vereins in Ungnade gefallen, obwohl ich selbst überhaupt nichts gemacht hatte.« Ein Fakt, den Mesut seinem Vater sehr übelnahm – und der das Tischtuch der beiden bis heute zerschnitten hat. Ihr Kontakt ist nur noch sporadisch.
Aber statt etwaige Fehler einzusehen, übte Mustafa Özil digitale Rache! Im Oktober 2013 löschte er einfach Mesuts Twitter-Profil, auf das er als Administrator uneingeschränkten Zugriff hatte. Zwei, drei schnelle Klicks – und die Präsenz seines Sohnes auf dieser Plattform hatte sich in Luft aufgelöst. Boooom! Mesut hatte auf einen Schlag Millionen von Followern verloren. Von der einen auf die andere Sekunde. Wir bemerkten das natürlich sehr schnell und suchten den Kontakt mit Özil. Alarm!
Was nun?
Wir suchten den direkten Draht zu Twitter, zum Glück hatten wir direkte Ansprechpartner beim Anbieter. Zwei Tage, inklusive zweier Nachtschichten, und Mesuts Profil war per Backup reaktiviert. Außer seinen Tweets der vergangenen sieben Tage konnte alles wiederhergestellt werden. Gleichzeitig entzogen wir Mustafa Özil jegliche Administrationsrechte und wandten uns prophylaktisch auch an Facebook. Sicher ist sicher! Denn in diesem Netzwerk hatte Mesut zu diesem Zeitpunkt noch mehr Follower als auf Twitter – nämlich 17 Millionen! Und auch auf dieser Plattform hatte Mustafa Zugang zum Profil seines Sohnes. Wir haben es im Silicon Valley vorsichtshalber spiegeln lassen, damit nichts verloren ging.
Was hat uns das gelehrt? Um Social-Media-Präsenzen aufzubauen, braucht man einen langen Atem – und vor allem die richtige Strategie. Um Social-Media-Präsenzen einzureißen oder zu löschen, braucht man nur verletzten Stolz. Ein falscher Moment, wenige Klicks – und ein digitales Leben ist beendet. Ausgelöscht. Rechte für seine Profile in den sozialen Netzwerken sollte man nur jemandem gewähren, von dem man denkt, dass er zu 100 Prozent loyal ist. Aber auch dieses Vertrauen kann eiskalt ausgenutzt werden. Das bekam ich zwei Jahre später am eigenen Leib zu spüren.
Es gibt keine Probleme, nur Lösungen
Mit dem »Personal Branding« war es für mich 2015 abrupt wieder vorbei. Unfreiwillig. Im Sommer jenes Jahres teilte mir mein Mitarbeiter, der als Vertrauensperson für Özil fungierte, mit, dass er das Unternehmen verlässt. Mit Mesut Özil im Gepäck. Er wolle sich selbstständig machen und Özil solle sein Aushängeschild werden. Oha! Das war ein Schock. Mein Geschäftspartner. Weg.
Wir gingen fortan nun also getrennte Wege. Mist! Damit hatte ich nicht gerechnet. Darauf war ich nicht vorbereitet. Und ich verlor nicht nur Özil. Er nahm einen weiteren Mitarbeiter mit, dazu noch Ilkay Gündoğan, Antonio Rüdiger, Emre Can, José Holebas und Mandy Capristo. Nur einen Monat später waren alle Aufgezählten weg. Ich stellte fest, dass in unseren Verträgen mit den Spielern und Capristo relativ kurze Ausstiegsklauseln verankert waren. Innerhalb von nur vier Wochen konnten sie sich aus den Vereinbarungen lösen. Und von diesem Recht machten sie nun auch Gebrauch. Mich beschlich das ungute Gefühl, als sei dies von langer Hand geplant gewesen. Ich war menschlich schwer enttäuscht. Und beruflich am Boden.
Weil sehr kurzfristig Einnahmen für die kommunikative Beratung der Spieler wegbrachen, musste ich Insolvenz anmelden. Nicht mit der RESULT. Aber mit der Haimspiel Media, die ihren Sitz in Bergisch-Gladbach hatte. Diese Firma hatte Dennis Wegner im Jahr 2010 gegründet. Sie war ein Software-Vertriebsunternehmen, das umfangreiche digitale Lösungen anbot und unter anderem Facebook-Apps gebaut hat. Das war hochspannend. Im Dezember 2012 wurde die RESULT Mitgesellschafterin der Haimspiel Media. Im März 2014 habe ich die Firma komplett übernommen, und Wegner wurde mein Angestellter.
Haimspiel Media wurde damals zum Exklusivpartner des Sportvermarkters Lagardère für Facebook-Content. Wir haben unter anderem Adventskalender- und Fan-Gating-Module für die Lagardère-Kunden gebaut, zu denen beispielsweise Borussia Dortmund, der HSV oder Hannover 96 gehörten, aber auch Klubs wie Werder Bremen vertrauten auf die Apps. Fan-Gating hatte das Ziel, mehr Fans für Facebook-Seiten zu generieren, indem die User eine Seite liken mussten, um Zugriff auf bestimmte Inhalte wie zum Beispiel Gewinnspiele oder Werbeangebote zu erlangen. Zusätzlich haben wir auch Dienstleistungen für das Eishockey-Team Kölner Haie übernommen. Dazu zählte die Einführung eines Livetickers.
Letztlich entwickelte sich die Haimspiel Media aber nicht wie gewünscht. Zum einen schob Facebook dem Fan-Gating im Verlauf des Jahres 2014 einen Riegel vor, weil nach den neuen EU-Richtlinien jedem die Chance geboten werden sollte, an einem Gewinnspiel teilzunehmen, ohne dass die Pflicht bestand, eine Seite vorher zu liken. Zum anderen wollten meine Softwareentwickler und auch Lagardère immer mehr von den erzielten Erlösen abgreifen. Nach dem Weggang meines Mitarbeiters – und den damit verbundenen Umsatzeinbrüchen – konnte ich die Haimspiel Media nicht mehr querfinanzieren und musste die Insolvenz einleiten. Zum Glück ging das alles relativ geräuschlos über die Bühne.
Aber auch die RESULT geriet Ende 2015 in Schieflage. Ich stand vor einem Scherbenhaufen. Ich musste mich von drei Mitarbeitern aus finanzieller Not trennen. Am Ende stand ich nur noch mit meinen Projektmanagern Andy Eyring und Hanna Kavalevich da. Sie waren meine letzten beiden Mitarbeiter. Und jetzt?
Mein Motto – damals wie heute – lautet: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen. Um das auch zu leben, brauchte ich einen Tapetenwechsel. Ich wollte Distanz und bin mit meiner Familie Anfang 2016 nach Hessen gezogen. In meine Heimatstadt Büdingen. Nach all den Jahren, in denen ich überall auf der Welt zu Hause war, stand ich plötzlich wieder am Ort meiner Kindheit. Das war eigentlich nicht so geplant, fühlte sich aber extrem gut an. Wir wollten ursprünglich in Bayern bleiben, hatten aber durch Zufall ein Haus in Büdingen besichtigt, das uns sofort gefiel. Für meine schulpflichtigen Kinder war ein Umzug zu diesem Zeitpunkt der letztmögliche, bevor sie in die Pubertät kamen, in der man oft enge Freundschaften fürs Leben schließt.
Die RESULT meldete ich in München ab – und in Büdingen wieder an. Ich musste mich erst mal neu sortieren. Ich wollte nach vorn schauen, nicht zurück. Ich wollte auch keine schmutzige Wäsche waschen, das gehört sich nicht! Vor allem nicht im Profisport. Der ist ein ganz eigener Kosmos, ein eigenes Biotop. Ein kleiner, geschlossener Kreis. Wer das eigene Nest beschmutzt, kommt nur ganz schwer wieder rein. So sind die Spielregeln. Das wollte ich nicht riskieren. Ich musste die Kröte also schlucken. So schwer es mir auch fiel. Gute Freunde wie David Görges oder René Rudorisch, ehemaliger Geschäftsführer der Eispiraten Crimmitschau und von 2015 bis heute der Geschäftsführer der DEL2, haben mich ermuntert und gesagt: »RESULT ist viel größer als Özil.« Sie sollten recht behalten. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wer aktuell Özil, Gündoğan & Co. betreut, weiß ich nicht. Was aber nicht von der Hand zu weisen ist: Nach ihrer Zeit bei RESULT lief in der Kommunikation der Genannten einiges schief. Im August 2016 wurde versehentlich eine Botschaft von Özil auf Gündoğans Twitter-Profil gepostet. Und im Mai 2018 – kurz vor der Fußball-WM in Russland – ließen sich die beiden in London mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ablichten. Daraus entbrannte eine hitzige Diskussion, die darin mündete, dass Özil im Juli 2018 seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft verkündete.
Heute habe ich in Deutschland vier Angestellte und zwei freie Mitarbeiter, die ich zügig ebenfalls fest verpflichten möchte. Letztlich waren die erzwungen und notwendigen Umstrukturierungen reinigend für mich. Und der Beginn vieler neuer Reisen mit der RESULT. Unter anderem zum FC Barcelona, Manchester City, Celtic Glasgow und der UEFA.