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Das Multikulti-Haus

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Das Siedelwebernest ist eine Art „Multikulti-Haus“: Leerstehende Wohnungen im sozialen Wohnungsbau werden auch von anderen kleinen Vogelarten wie Rosenpapageien, Aschenmeisen oder Perlkäuzen genutzt. Auch Bilchmäuse und Dickfingergeckos suchen gerne einmal Unterschlupf im Multikulti-Haus. Häufigster Untermieter ist jedoch der Halsbandzwergfalke, ein kleiner Raubvogel, der sich normalerweise von kleinen Vögeln ernährt – und dazu gehören eigentlich auch die Siedelweber. Erstaunlicherweise verschont der räuberische Untermieter seine Vermieter jedoch weitgehend und schlägt nur sehr selten einen Siedelwebernestling. Ganz im Gegenteil: Halsbandzwergfalken, die für ihr ausgeprägtes Territorialverhalten bekannt sind, verteidigen ihr Revier, in dessen Zentrum das zur Untermiete bewohnte Gemeinschaftsnest liegt, erbittert gegen Artgenossen und andere Raubvögel – ein Verhalten, das wiederum der Sicherheit der Webervögel zugutekommt. Auch das Dach des riesigen Siedelwebernests findet bei anderen Vogelarten eine Verwendung. Große Vögel, wie Sekretäre oder Eulen, nutzen es gerne als Plattform für den eigenen Nestbau.

In extremen Dürrejahren, wenn im Süden Afrikas kaum noch ein frischer Grashalm auf den Weiden und Feldern zu finden ist, gehen manche namibische Farmer dazu über, die riesigen Gemeinschaftsnester aus Gras regelrecht von den Bäumen zu ernten, um sie anschließend als Viehfutter zu verwenden. Schließlich kann man mit einem durchschnittlich großen Siedelwebernest immerhin 40 Schafe 2 Tage lang sattbekommen. Langfristig gesehen ist die Entnahme der Nester jedoch kontraproduktiv: Denn die Siedelweber sind eifrige Schädlingsvertilger, die das Weideland in einem Umkreis von bis zu 1,6 Kilometern von gefräßigen Heuschrecken oder den als Weidevernichtern gefürchteten Grasschneidetermiten freihalten.

Aber worin liegt der Vorteil dieser riesigen Gemeinschaftsnester gegenüber einem Einzelnest? Warum unterziehen sich Siedelweber der Mühe, mit viel Einsatz einen gigantischen Massenwohnblock zu errichten, diesen ständig instand zu halten oder bei einem Absturz sogar komplett wieder neu aufzubauen? Nach Ansicht von Ornithologen spielen hier zwei Faktoren eine wichtige Rolle – Energieeffizienz und Sicherheit: Im Verbreitungsgebiet der Siedelweber, im südwestlichen Afrika, besonders in oder am Rande der Kalahari-Wüste, herrschen Temperaturen, die durchaus als lebensfeindlich bezeichnet werden dürfen: Glühendheiße Tage mit sengender Hitze werden von bitterkalten Nächten abgelöst. Aber im Gemeinschaftsnest der Siedelweber herrschen, dank dicker Polsterung, Tag und Nacht angenehme Temperaturen. Somit können sich die kleinen Vögeln dauerhaft in einer Gegend ansiedeln, in der sie das ohne diese Gemeinschaftsbauten nicht könnten. Zudem benötigen die Siedelweber durch den Bau von Gemeinschaftsnestern insgesamt deutlich weniger Nistmaterial. In einer Halbwüste bzw. Wüste ist dies ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt. Außerdem ist ein Gemeinschaftsnest deutlich leichter zu verteidigen als ein Einzelnest. Nähert sich ein Fressfeind dem Nest, hält die gesamte Siedelweberkolonie zusammen und verteidigt ihren „Wohnblock“ gemeinsam. Da 300 Augenpaare mehr als 2 sehen, wird eine potenzielle Gefahr oft viel früher wahrgenommen. Auch der Erfahrungsaustausch in einem Gemeinschaftsnest ist von Vorteil – beispielsweise können durch interne Kommunikation neue Futterquellen oft schneller und effektiver erschlossen werden. Auch das hilft beim Energiesparen.

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