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Das tödliche Nest

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Es gibt in Deutschland eine Vogelart, die allein durch ihren Nestbau schon mehrere Menschen getötet hat. Wir sprechen hier von einem kleinen Vogel, dem man das mit Sicherheit auf den ersten Blick nicht zutrauen würde: einer Dohle. Aber wie kann das Nest eines kleinen Rabenvogels einem Menschen gefährlich werden? Dazu muss man etwas weiter ausholen: Dohlen sind sogenannte Höhlenbrüter, die in der Zeit von März bis Mai ihre Nester gerne in Hohlräumen aller Art bauen. In der freien Natur bevorzugen sie Baumhöhlen und verlassene Spechthöhlen. Aber als sogenannte Kulturfolger leben viele Dohlen auch in Dörfern und Städten. Dort nisteten die Rabenvögel früher bevorzugt in Scheunen, Mauernischen und Dachstühlen. Aber heute macht der moderne Wohnungsbau den Dohlen das Leben in Sachen Brutangelegenheiten ziemlich schwer: Es fehlen alte Scheunen oder offene Dachstühle. Auch im Mauerwerk finden sich kaum noch Spalten und Höhlen, in denen die Dohlen ihr Nest anlegen könnten. Andere Brutstätten sind durch Gebäudesanierungen unzugänglich oder zugemauert worden. Deshalb nisten Dohlen heute in unseren Städten und Dörfern vermehrt in den Schornsteinen von Wohnhäusern.

Bevor die Dohlen ein Nest im Schornstein bauen, testen sie jedoch zunächst sorgfältig aus, ob sich der Kamin überhaupt zum Nestbau eignet. Dazu lassen die Vögel, sozusagen als Testobjekte, alte Brötchen oder Knochenreste von oben in den Schornstein fallen. Am Klang des Fallgeräuschs können die schlauen Vögel hören, ob die Brötchen durch Unebenheiten der Bausubstanz anschlagen. Dann ist der Schornstein geeignet. Fallen die Testobjekte glatt durch, hat der Schornstein den Test nicht bestanden.

Wurde ein Schornstein als Nistort für gut befunden, werfen die Dohlen von oben zahlreiche Zweige in den Schornstein. Diese eingeworfenen Äste verhaken sich dann im Schornstein und bilden dadurch eine erste Grundlage für das künftige Dohlennest. Haben sich ausreichend Zweige in den Fugen des Schornsteins verkeilt, werfen die Dohlen vom Kaminrand weiteres Nistmaterial hinterher. Als Nistmaterial dient alles, was die Vögel in der näheren Umgebung finden können: Moos, Gras, Papiertaschentücher oder Plastiktüten. Der Nestbau dauert in der Regel nur wenige Tage. Die Nester, die oft drei bis vier Meter tief im Schornstein liegen, können dabei mehrere Kilogramm schwer werden und eine Mächtigkeit von über einen Meter einnehmen.

Gefährlich für uns Menschen werden die Dohlennester, wenn sie die Schornsteine so verstopfen, dass die Heizungsabgase, zum Beispiel das hochgiftige Kohlenmonoxid, nicht mehr abziehen und in der Wohnung zu einer tödlichen Gefahr für die Bewohner werden können. Da Kohlenmonoxid geruch- und farblos ist und zudem vom menschlichen Blut viel schneller aufgenommen wird als der lebensnotwendige Sauerstoff, droht den Bewohnern eine schnelle Vergiftung. Bemerkbar macht sich das Gas lediglich durch beschlagene Spiegel und Fenster oder feuchtwarme Luft im Heizungsraum. In den letzten Jahren sind in Deutschland mehrfach Menschen an einer Kohlenmonoxidvergiftung, die von Dohlen verursacht worden ist, gestorben. Die kondensierenden Abgase und die dadurch entstehende Feuchtigkeit können auch in der Wohnung große Schäden verursachen.

Sobald man ein Dohlennest im Schornstein bemerkt, sollte es der Schornsteinfeger so schnell wie möglich entfernen. Allerdings kann es jedoch passieren, dass die Dohlen dann über Nacht ein neues Nest bauen. Und das verfugen die cleveren Tieren nun oft auch noch mit Lehm, der nach kürzester Zeit hart wie Beton wird, sodass das Nest nur noch mit Spezialwerkzeugen, sogenannten „Harpunen“ bzw. „Fallgranaten“, entfernt werden kann. Als letztes Mittel bleibt das Aufstemmen des Schornsteins.

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