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3.3 Maßnahmen im Rahmen der unterstützenden Nachsorge

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Belegen aus der Literatur zufolge lassen sich vorteilhafte langfristige Überlebensraten für Implantate auch bei parodontal geschädigten Patienten erreichen. Voraussetzung hierfür ist eine unterstützende, individuell auf den Fall zugeschnittene periimplantäre/parodontale Erhaltungstherapie, in deren Rahmen die Erkrankung kontinuierlich auf das Eintreten und das Risiko einer fortschreitenden Erkrankung beurteilt wird (Roccuzzo et al. 2014a).

Nach heutiger Auffassung dürfen Implantatbehandlungen nicht mehr ausschließlich auf chirurgische und restaurative Gesichtspunkte reduziert werden. Vielmehr sollten sie ein Nachsorgeprogramm umfassen, das in Form einer unterstützenden Erhaltungstherapie individuell auf das Risikoprofil des einzelnen Patienten zugeschnitten ist. Daten legen ein Recall-Intervall von zumindest 5 bis 6 Monaten nahe (Monje et al. 2019). Was jedoch Interventionen zur Prävention von biologischen Komplikationen an Implantaten anlangt, besteht Unklarheit, ab welchem Punkt ein mukogingivaler Eingriff zur Verbesserung der periimplantären Weichgewebeverhältnisse angezeigt sein könnte.

Laut Definition des World Workshop 2017 (Caton et al. 2018) ist eine periimplantäre Mukositis gekennzeichnet durch Blutungen auf Sondierung und sichtbare Entzündungszeichen, wobei eine starke Evidenz für Plaque als Ursache besteht. Periimplantitis wiederum wurde definiert als Plaque-assoziiertes Krankheitsgeschehen im Gewebe an Dentalimplantaten, gekennzeichnet durch fortschreitenden Abbau des stützenden Knochens als Folgewirkung einer entzündeten periimplantären Schleimhaut. Die periimplantäre Mukositis ist somit die Vorerkrankung von Periimplantitis, die allerdings durch Maßnahmen zur Plaquebeseitigung noch reversibel ist.

Vor diesem Hintergrund sollte mit Blick auf einen niedrigen FMPS (full-mouth plaque score, Plaqueindex des gesamten Mundes) alles unternommen werden, um die Patientin oder den Patienten zu motivieren und die Voraussetzungen für eine möglichst einfache Durchführung einer konsequenten und wirksamen Plaquebeseitigung an Implantaten wie Zähnen zu schaffen. Die 6. ITI-Konsensuskonferenz (Heitz-Mayfield et al. 2018a) verabschiedete eine Empfehlung zugunsten unterstützender, individuell auf die Bedürfnisse und das Risikoprofil zugeschnittener Nachsorgetherapien einschließlich aktiver Mundhygiene, Beseitigung des Biofilms, Überwachung der Mundgesundheit und Reduzierung beeinflussbarer Risiken.

So gesehen sind beim Versuch, in lokale Risikofaktoren für das Entstehen von Periimplantitis einzugreifen (z. B. tiefe Taschen, Vorliegen eines Frenulums, Mangel an keratinisierter befestigter Mukosa), auch anatomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen kann die unterstützende Nachsorge auch eine, wie in Studien gezeigt, chirurgische Modifikation des Weichgewebes zur Erleichterung der Plaquebeseitigung umfassen.

Büyüközdemir Akın et al. (2015) untersuchten in einer kontrollierten klinischen Studie mit immunologischer und radiologischer Komponente, inwieweit zur effektiven Wahrung eines stabilen periimplantären Erhaltungszustandes keratinisiertes Gewebe benötigt wird. Hierzu wurden 40 Patienten mit Defiziten an keratinisiertem Gewebe zwei Gruppen zugeteilt. Eine war auf ein standardisiertes Erhaltungsprogramm ohne ergänzenden chirurgischen Eingriff beschränkt, die andere umfasste eine Augmentation per freiem Gingivatransplantat. Neben klinischen Parametern wurden die Volumina der periimplantären Sulkusflüssigkeit, die Konzentrationen des darin enthaltenen Interleukin-1β (IL-1β) und der Knochenabbau ausgewertet. Wesentliche Verbesserungen bei den klinischen und immunologischen Parametern über die gesamte Studiendauer fanden sich nur in der augmentierten Gruppe. Laut Schlussfolgerung der Autoren stellen freie Gingivatransplantate an Implantationsstellen mit keratinisierten Gewebedefiziten eine zuverlässige Methode dar, die erhebliche Verbesserungen in klinischer Hinsicht und bei Entzündungsparametern bewirkt.

Oh et al. (2017) beurteilten in einer prospektiven Studie an 41 Implantaten klinische und radiologische Ergebnisse mit periimplantären freien Gingivatransplantaten zur Behebung von keratinisierten Schleimhautdefiziten. Die Hälfte der insgesamt 28 Patienten erhielt solche Transplantate mit anschließenden oralen Prophylaxemaßnahmen, die andere Hälfte nur die Prophylaxemaßnahmen. Die Resultate offenbarten in der Prüfgruppe mit Gingivatransplantaten wesentlich niedrigere Werte beim Gingivalindex und beim Knochenabbau am Alveolarkamm. Die Autoren schlussfolgerten, dass freie Gingivatransplantate an Implantationsstellen, die ein Defizit an keratinisierter Mukosa aufweisen, eine valide Therapieoption zur Reduktion von Entzündungen der Schleimhaut und zur kurzfristigen Stabilisierung der Knochenhöhen darstellen.

Diese vorläufigen Resultate scheinen eine vorteilhafte Wirkung von keratinisiertem Gewebe auf die Erhaltung der periimplantären Gesundheit zu bestätigen. Mukogingivale Eingriffe an Implantationsstellen können somit bei geeigneten Indikationen als wesentlicher Bestandteil einer unterstützenden parodontalen Erhaltungstherapie gelten.

Inwieweit ein Frenulum das Entstehen von Dehiszenzen im parodontalen Weichgewebe begünstigt, ist nach wie vor umstritten. Laut Cortellini und Bissada (2018) handelt es sich um einen auf niedrigem Evidenzniveau möglichen Mitverursacher von Gingivarezessionen, zumal ein Frenulum die Durchführung einer wirksamen Mundhygiene behindern kann.

Im Rahmen des World Workshop 2017 fand dieser mögliche Einfluss eines am Implantat haftenden Frenulums keine Erwähnung.

Klinisch betrachtet könnte bei einem ausgeprägten, an gewebeschwacher periimplantärer Mukosa haftenden Frenulum und Risiko einer fortschreitenden Rezession dennoch eine Behandlung angezeigt sein. Zudem können die Auswirkungen auf die Dichtigkeit der Weichgewebeanlagerung die Plaquebeseitigung erschweren und manchmal auch Beschwerden beim Bürsten verursachen. Abbildung 10 (a bis f) illustriert einen Eingriff mit Bindegewebetransplantation zur Erleichterung der Plaquebeseitigung in einem Areal mit Frenulum, defizitärer keratinisierter Mukosa und flachem Vestibulum, durchgeführt im Rahmen einer unterstützenden parodontalen Erhaltungstherapie.

5 mm Taschentiefe mit Blutung auf Sondieren gelten an einem Zahn per Definition als pathologisch. An einem Implantat verhält es sich etwas anders. Laut AAP/EFP-Workshop lässt sich ein physiologischer Grenzwert für Taschentiefen an Dentalimplantaten derzeit nicht definieren (Schwarz et al. 2018, Berglundh et al. 2018). Unter welchen Umständen eine periimplantäre Tasche während der unterstützenden Nachsorge als behandlungsbedürftig tief gelten sollte, ist einer klaren Beurteilung nicht ohne weiteres zugänglich.

Zwei Studien suchten nach Korrelationen zwischen periimplantären Taschentiefen und Blutungen.

Merli et al. (2017) identifizierten Blutungen an 39 % von 92 analysierten Implantationsstellen, wobei bei pro Millimeter Taschentiefe die relative Wahrscheinlichkeit (odds ratio) um 1,81 (95-%-Konfidenzintervall: 1,47 – 2,23; p < 0,0001) stieg. Also stieg die Wahrscheinlichkeit von periimplantären Blutungen im Resümee der Autoren eindeutig mit den Taschentiefen.

Zu ähnlichen Befunden gelangten Farina et al. (2017) auf der Suche nach Einflussfaktoren für die Wahrscheinlichkeit von periimplantären Blutungen auf Sondieren anhand von Daten von 1725 Implantationsstellen bei 112 Patienten. Nach ihren Resultaten erhöhte sich pro Millimeter Taschentiefe die relative Wahrscheinlichkeit (odds ratio) um 1,6. Da mit der Taschentiefe also die Wahrscheinlichkeit von Blutungen steigt, sollte schon unabhängig von etwaigen Hinweisen auf biologische Komplikationen alles unternommen werden, damit die periimplantären Taschentiefen während der unterstützenden Nachsorge im Rahmen bleiben.

Darüber hinaus empfiehlt sich bei passender Indikationsstellung ein chirurgisches Vorgehen zur Modifikation des Weichgewebes, um auf diese Weise die Tiefe des periimplantären Schleimhauttrichters zu reduzieren. Dies gilt umso mehr bei gleichzeitig auftretenden Blutungen, wie hier am Fall eines 64-jährigen Patienten illustriert (Abbildung 11 a bis f).


Abb. 10 a und b Radiologischer und klinischer Zustand 2 Jahre nach Versorgen eines dünnen Alveolarkamms mit zwei Implantaten (SLA S von 4,1 mm Durchmesser und 12 mm Länge sowie S von 4,1 mm Durchmesser und 10 mm Länge; Institut Straumann AG). Vestibulär zum Implantat in Regio 26 befindet sich ein unterhalb ansetzendes Frenulum. Zwecks einfacherer Plaquebeseitigung und Verhinderung eines Fortschreitens der Rezession war eine Behandlung angezeigt.


Abb. 10 c bis e An der Implantationsstelle wurde ein trapezförmiger Spaltlappen gebildet und ein Bindegewebetransplantat für eine optimale Durchblutung vollständig gedeckt eingelagert.


Abb. 10 f Zustand 9 Jahre nach der chirurgischen Korrektur. Am mesialen (behandelten) Implantat hatte sich die Hygiene verbessert, am distalen (unbehandelten) Implantat war die Weichgewebedehiszenz größer geworden. Zu den denkbaren Mitverursachern der Dehiszenz/Rezession am distalen Implantat zählten das chirurgische Trauma ebenso wie das flache Vestibulum, das Fehlen einer keratinisierten befestigten Schleimhaut oder ein Defizit der bukkalen Kortikalis auf Alveolarkammebene.


Abb. 11 a Die Regio 27 in dieser palatinalen Ansicht war 9 Jahre zuvor mit einem Implantat versorgt worden, präsentierte eine 13 mm tiefe Tasche und eine Blutung auf Sondieren. Das Implantat in Regio 26 war neu und noch nicht belastet. Vor seiner Insertion, oder wenigstens einzeitig mit ihr, wäre eine Behandlung der tiefen Tasche in Regio 27 angezeigt gewesen.


Abb. 11 b Gingivektomie zur Beseitigung des überschüssigen Weichgewebes.


Abb. 11 c Versorgung mit einem Parodontalverband.


Abb. 11 d Früher Heilungsverlauf 6 Wochen nach dem Eingriff.


Abb. 11 e Die periimplantäre Regio 27 ist nun bei 3 mm Sondiertiefe blutungsfrei (palatinale Ansicht).


Abb. 11 f Ausschnitt aus der Panoramaaufnahme mit optimalem Erhaltungszustand des periimplantären Knochens nach 15 Jahren.

Wichtigste Ziele bei der Behandlung einer Periimplantitis sind:

• Dekontaminieren der Implantatoberfläche

• Beseitigen von infiziertem/entzündetem Gewebe

• Herstellen einer hygienefreundlichen Weichgewebearchitektur

Nicht selten muss hierzu ein Volllappen gebildet, das von der lokalen Entzündung stammende Granulationsgewebe beseitigt und die Implantatoberfläche dekontaminiert werden. Je nach Defektkonfiguration fällt die Wahl häufig auf einen rekonstruktiven Ansatz mit oder ohne Membran mit dem Risiko von negativen Folgewirkungen wie etwa dem Entstehen einer periimplantären Weichgewebedehiszenz (Heitz-Mayfield et al. 2018a, Roccuzzo et al. 2017a). Gibt eine solche Dehiszenz, zumal bei anspruchsvollen Patienten, Anlass zu ästhetischen Bedenken, können weitere Interventionen nötig werden (siehe Kapitel 5.2, Abb. 3).

Zur Vermeidung unnötiger Operationssitzungen kann man die chirurgische Behandlung einer Periimplantitis, insbesondere wenn bereits eine Dehiszenz im Weichgewebe vorliegt, auch gleich von vornherein mit einer Bindegewebetransplantation verbinden (Roccuzzo et al. 2016). Abbildung 12 (a bis i) illustriert einen solchen Fall mit Einbringen eines Bindegewebstransplantats.


Abb. 12 a und b Röntgen- und Fotoaufnahme eines im November 1994 inserierten Hohlschraubenimplantats. Die Region präsentiert sich mit einer Tasche und Weichgewebedehiszenz.


Abb. 12 c Nach Bildung eines Volllappens wurde per Titanbürste und Küretten das Granulationsgewebe beseitigt.


Abb. 12 d Dekontamination durch 2-minütige Anwendung von 24 % EDTA.


Abb. 12 e Bindegewebetransplantat aus dem Tuber maxillae zurechtgeschnitten und über den Defekt aufgelagert.


Abb. 12 f Lappenverschluss (Vicryl 4/0) zur Totalabdeckung des Bindegewebetransplantats.


Abb. 12 g Kontrolluntersuchung nach 7 Jahren. Keine Anzeichen für eine Entzündung, die Weichgeweberezession ist weniger ausgeprägt.


Abb. 12 h Zustand nach 9 Jahren mit geringfügiger Sondiertiefe ohne Blutung.


Abb. 12 i Auch 25 Jahre nach der Implantation ist die Situation immer noch stabil und ohne Anzeichen für eine Entzündung.

In einer kürzlich erschienen Publikation wurden Breitendefizite beim keratinisierten Gewebe auch dann als Risikoindikator für den Schweregrad von periimplantärer Mukositis gewertet, wenn es sich um sehr kooperative, parodontal gesunde Patienten handelt (Grischke et al. 2019). So gesehen könnte schon in Fällen von periimplantärer Mukositis bei bestehenden Defiziten an keratinisiertem Gewebe eine Augmentation von Weichgewebe angezeigt sein, um das Risiko einer rezidivierenden Erkrankung zu reduzieren. Abbildung 13 (a bis h) illustriert einen solchen Behandlungsfall von periimplantärer Mukositis mit ergänzender Augmentation per freiem Gingivatransplantat zur Verbesserung der Gewebequalität und der Aussichten auf eine gute Langzeitstabilität.


Abb. 13 a Mukositis an einem mehr als 10 Jahre zuvor inserierten Implantat (SLA S, Durchmesser 4,1 mm, Länge 8 mm; Institut Straumann AG).


Abb. 13 b Um Zugang auf das entzündete Areal zu erhalten, wurden Krone und Sekundärteil entfernt.


Abb. 13 c Die Behandlung umfasste eine sorgfältige mechanische Reinigung mit vorsichtiger Anwendung einer Titankürette und eines Ultraschallgeräts mit PTFE-beschichteter Spitze.


Abb. 13 d Freies Gingivatransplantat, vom Gaumen entnommen und mit einer 4-mm-Biopsiestanze perforiert.


Abb. 13 e Freies Gingivatransplantat nach Anlagerung rund um den glatten Implantatkragen.


Abb. 13 f Zustand nach Fixieren des Transplantats mit Nähten (5-0 Vicryl).


Abb. 13 g Zustand 6 Monate nach Behandlung.


Abb. 13 h Neue verschraubte Keramikkrone in situ.

Behandlerinnen oder Behandler sollten nicht nur Augen für die Implantate und die Prothetik haben, um langfristig erfolgreiche Therapieergebnisse zu erzielen.

Die Patienten müssen zur konsequenten Einhaltung des unterstützenden parodontalen Erhaltungsprogramms nachdrücklich motiviert werden. Sie müssen die zentrale Bedeutung der Eindämmung von Reinfektionen durch diese Nachsorge für das Langzeitergebnis der Behandlung klar verstehen. Trotz kontroverser Diskussionen angesichts einer lückenhaften Datenlage darf man auf Grundlage der vorliegenden, wissenschaftlichen Belege doch davon ausgehen, dass genügend keratinisiertes Gewebe und vestibuläre Tiefe die Gesundheit der periimplantären Schleimhaut positiv beeinflussen können. Hinzu kommt, dass Augmentationen des periimplantären Weichgewebes in gewissen klinischen Situationen sehr gute Dienste zur langfristigen Stabilitätssicherung leisten können. Nur wenn Behandler und Patient die Wichtigkeit einer unterstützenden, individuell zugeschnittenen parodontalen Nachsorge und auch die mögliche Sinnhaftigkeit eines mukogingivalen Eingriffs in deren Rahmen verstehen, lässt sich auch das Risiko von biologischen Komplikationen auf ein Mindestmaß reduzieren.

Das periimplantäre Weichgewebe

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