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Pfiffikus' Lebensgeschichte

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Das sollte sich ändern, als alle am ersten Weihnachtsfeiertag in Großmutters Stube beinander saßen. Pfiffikus spielte auf Großvaters alter Quetsche. Da fragte Blasl voll Bewunderung, wo er das denn so gut gelernt habe:

„Weißt Du“, begann Pfiffikus, „eigentlich komme ich vom Theater. Ich habe dort den dummen August gespielt, der zum guten Schluss mit der Quetsche durchs Publikum tanzt und im Hut Geld für die Schauspielertruppe sammelt.“

„Habt ihr denn keinen Eintritt verlangt?“ fragte Bäcker Blüml verwundert.

„Das ging schlecht“, fuhr Pfiffikus fort, „wir haben auf der Straße gespielt.“

„Dann gehörtest Du zum fahrenden Volk?“ fragte Gabi verängstigt, denn darunter gab es auch Diebe.

„So ungefähr“, erwiderte Pfiffikus, „aber wir waren anständige Spieler und unterhielten das Volk mit fabelhaften Stücken.“

„Und wo hast Du das Handwerkliche gelernt?“ wollte Bäcker Blüml wissen.

„Ganz einfach“, erklärte Pfiffikus, „wir hatten kein Geld, um Handwerker zu bezahlen. Da haben wir alles selbst gemacht: Kostüme genäht, Wagen repariert, Sprüche geklopft — so wird man ein Tausendsassa in allen Dingen...“

„Und wie bist Du dann zu diesem Baron Brenzig gekommen, der Dich im Wald verließ, als Euch der Räuber Rappl überfiel?“ wollte Großmutter wissen.

„Das ist eine traurige Geschichte“ meinte Pfiffikus und spielte eine traurige Weise. „Wir zogen von Ort zu Ort, spielten auf Marktplätzen und in Fürstenhöfen. Ach, wäre es doch immer so geblieben..."

Dann fuhr er leise fort: "Am 14. Oktober gerieten wir mit unseren Wagen zwischen die Fronten der Schlacht von Elchingen. Beide Heere dachten, wir wären der Feind und schossen auf uns. Da hagelte es Kugeln von beiden Seiten! Ich schwenkte einen weißen Stoff-Fetzen, das rettete uns das Leben, doch die Kulissen waren durchlöchert und zerfetzt. Weil nun die Österreicher glaubten, wir seien Spione der die Franzosen, wollte uns keiner laufen lassen. Also machten sie uns zu Gefangenen und teilten uns den Offizieren zu, die ihre Knechte verloren hatten."

Griselda und Familie Blüml hörten gebannt zu und Gabriele langte sich ans Herz, so fühlte sie mit.

"So kam ich zu Baron Brenzig, der mich bei der Flucht vor Napoleon als Pferdeknecht und Diener mitnahm. Wo hätte ich in dem Durcheinander auch hin sollen? Wir Schauspieler waren in alle Winde verstreut und hätten einander kaum gefunden. Auf dem Heimweg nach Österreich wurden wir im Wald vom Räuber Rappl angegriffen. Na, und weil der feine Herr mich im Stich ließ, bin ich bei Witwe Guglhupf geblieben, die mich viel nötiger braucht, als der Feigling im Offiziersrock."

Blasl staunte Bauklötze ob dieser spannenden Lebensgeschichte. Das war doch etwas ganz anderes, als in Glückshausen Semmeln auszutragen oder mit Schnuffi spazieren zu gehen. Andrerseits wäre er nicht so gern im Kugelhagel gestanden...

Gabi hatte vor lauter Mitgefühl ein paar Tränen geweint und wischte sie heimlich von den Wangen. Bäcker Blüml schenkte zwei Wacholderschnäpse ein, klopfte Pfiffikus aufmunternd auf die Schulter und reichte ihm ein Gläschen.

Großmutter hingegen betrachtete den Burschen versonnen und überlegte, wer wohl seine Eltern waren. Doch das wollte sie ihn ein andermal fragen. Die Erinnerungen, die ihn heute heimgesucht hatten, waren schlimm genug. Also zündete sie die Christbaumkerzen an. Und beim Singen der Weihnachtslieder war das Leid der Vergangenheit bald vergessen.

Pfiffikus als Nachtwächter

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