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Prolog

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GESELLSCHAFT FÜR PLANETENVERNICHTUNG

Natürlich war das kein Firmenname. Aber darum handelte es sich, und das war den Männern klar, die auf ihrer Fahrt hinauf zu dem isolierten Penthaus von einem der gestaffelten Aufzüge zum anderen überwechselten.

Es waren zwei, einer groß, der andere klein, und beide hatten Gesichter der Art, die man sofort wieder vergisst, ein Vorteil für Polizisten, Detektive und Geheimagenten. Die Wunder der kosmetischen Chirurgie dienen für gewöhnlich dem Zweck, Menschen auffallend schön zu machen. Ein genauer Beobachter hätte jedoch vermutet, dass derlei Künste angewendet worden waren, um jede Spur von Individualität aus den beiden Gesichtern auszulöschen. Es war raffiniert gemacht und vollständig gelungen. Sie waren zu einem Teil der Menge, jeder beliebigen Menge geworden, und das allein war schon ein Triumph. Denn sie waren weder hell noch dunkel und wären in einer Gruppe, die ausschließlich aus afrikanischen und nordischen Typen bestand, weder als eindeutig zu der einen noch zu der anderen Rasse gehörend ins Auge gesprungen. Hätte es in diesem Jahr auf der Erde noch Massai oder Pygmäen gegeben, hätten sie sich von ihnen als atypisch abgehoben. Doch in diesem Zeitalter der Rassenvermischung, in dem die extremen Merkmale für immer verschwunden waren, wurden sie überhaupt nicht bemerkt.

Sie betraten den letzten Aufzug. Einer der Männer, der den Namen Stannard benutzte und so viele Namen benutzt hatte, dass er sich an seinen ursprünglichen Namen keine zwei Mal im Jahr erinnerte, überlegte:

Die Planetenvernichter. Er war fast überall gewesen und hatte auf jedem Planeten, der ihn nicht von sich wies, fast alles getan. Aber mit denen hatte er noch nie zu tun gehabt.

Jeder im Imperium wusste über sie Bescheid. Meistens war es etwas, das man über Untergrund-Aktivitäten hörte, und man dachte vage daran, wenn das eigene Geschäft nicht von der gewaltigen Flut des planetaren Handels mitgerissen wurde. Wie vernichtet man einen Planeten, mochte sich der eine oder andere manchmal fragen, und warum liegt irgendwem daran, eine Welt zu vernichten? Es klang ein bisschen komisch, wie aus einem Drei-D-Drama.

Für Leute, die mit den Planetenvernichtern tatsächlich ins Geschäft kamen – wie ich, dachte Stannard –, war es nicht im Geringsten komisch.

Es war auch nicht tragisch.

Es war nur Geschäft.

Warum nur hatten sie es zugelassen, dass ihre Firma unter einem solchen Namen bekannt wurde?

Er verbot sich die Neugier – dafür wurde er nicht bezahlt. Der letzte Aufzug kam langsam zum Halten. Ringsherum hingen ruhige goldfarbene Vorhänge. An einem Empfangstisch prüfte ein Mädchen, fast ebenso unauffällig wie Stannard und sein Gefährte, ihre Ausweise und schickte sie durch eine Metalltür in einen kleinen, bescheidenen Raum. Was Stannard sich auch unter diesem geheimen Netzwerk, diesem halb illegalen Geschäft vorgestellt hatte, er war nicht auf eine Art Speditionsbüro mit diesen einfachen Computern, die Verkehrsströme aufzeichnen, Informationen speichern und Literaturhinweise geben, gefasst gewesen. Ebenso wenig hatte er damit gerechnet, dass der Kopf dieses weit verzweigten Unternehmens eine Frau war.

Eine Frau, schön und jung. Vielmehr – schnell berichtigte Stannard seinen ersten Eindruck – jung wirkend. Er sah keine Narben kosmetischer Eingriffe, und er war darin geschult, sie zu entdecken, aber eine gewisse Gespanntheit um die Augen strafte die Unschuld des hellhäutigen, glatten Gesichts und des faltenfreien Halses Lügen. Ihre Stimme war tief und angenehm.

»Mr. Stannard und Mr. Bruce. Bitte, nehmen Sie Platz. Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben Ihre Vorgesetzten sich bereits mit mir in Verbindung gesetzt und die Vorauszahlung hinterlegt, die wir verlangen, bevor wir Verhandlungen aufnehmen. Mein Name ist Andrea Closson, und ich habe Vollmacht, das Gespräch mit Ihnen zu führen.«

Die Männer setzten sich, und die Frau fuhr mit der gleichen ruhigen, leidenschaftslosen Stimme fort:

»An diesem Punkt bin ich bereit, Ihnen Garantien zu geben. Wie viel hat man Ihnen über diese Sache mit Darkover gesagt?«

Stannard antwortete: »So viel, wie wir für diese Konferenz brauchen, hat es geheißen.«

»Nun gut. Sie wissen natürlich, dass dies illegal ist. Durch die verschiedenen Verträge, die das Terranische Imperium abgeschlossen hat, steht jedem Planeten ein Abkommen Klasse D zu, was im Falle Darkovers bedeutet ...« – sie warf einen flüchtigen Blick auf die Glasplatte ihres Schreibtisches, wo blasse Computerschrift vorüberhuschte, gedacht für geübte Schnellleser – »... den Bau eines großen Raumhafens für ein Verkehrsaufkommen Typ B, die Erlaubnis, Personal für diesen Raumhafen anzuwerben, eine Abteilung für Erkundung und Kartografierung, gegenseitige medizinische Hilfe und deutlich abgegrenzte Handelszonen ohne terranische Infiltration in die Gebiete der Eingeborenen und umgekehrt. Der Raumhafen von Thendara auf Darkover ist in Betrieb seit ...« – wieder sah sie nach – »... achtundsiebzig darkovanischen Jahren, die aus je 389 Tagen bestehen. Handel gibt es mit kleinen medizinischen Geräten, Stahlwerkzeugen und ähnlichen Artefakten der Klasse D. Die Bedingungen einer Vereinbarung Klasse D verbieten Fabriken, Bergbau, Oberflächentransporte und ständigen Im- und Export von Waren und Dienstleistungen. Alle Bemühungen, mit darkovanischen Stellen Verhandlungen über eine Öffnung des Planeten für die Kolonisierung und Industrialisierung anzuknüpfen, sind bisher fehlgeschlagen. Richtig?«

»Eigentlich nicht fehlgeschlagen«, präzisierte Stannard. »Sie sind ignoriert worden.«

Andrea Closson tat das mit einem Schulterzucken ab. »Jedenfalls ist kein Erfolg zu verzeichnen. Deshalb wollen Sie unsere Dienste in Anspruch nehmen.«

»Planetenvernichtung«, sagte Bruce. Es war das erste Wort, das er sprach.

»Wir ziehen es vor, uns Gesellschaft für planetare Investitionen zu nennen«, erklärte Andrea gleichmütig, »obwohl wir in Fällen, wo Undercover-Agenten eingesetzt werden müssen, nicht offen als eine solche operieren können. Kurz, wenn ein Planet sich gegen die Ausbeutung wehrt – verzeihen Sie, ich hätte sagen sollen: gegen gewinnbringende Investitionen ...« – der ironische Ausdruck ihres Gesichts ließ sich nicht übersehen – »... sind unsere Agenten im Stande, der Ökonomie diese Art von – nun, kleinem Stoß zu geben, der es auf lange Sicht für jenen Planeten wünschenswert erscheinen lässt, Investoren von außerhalb einzuladen.«

»Anders ausgedrückt«, fiel Stannard ein, »Sie vergiften die Ökonomie so, dass dem in Rede stehenden Planeten nichts anderes mehr übrig bleibt, als das Terranische Imperium zu bitten, die Trümmer aufzulesen?«

»Hart formuliert, aber im Wesentlichen richtig. Und wie mir von den Investoren gesagt worden ist, profitiert der in Rede stehende Planet auf lange Sicht davon. Ich frage nicht danach, wer den Profit macht. Das ist nicht meine Angelegenheit.«

»Es ist unsere«, sagte Stannard. »Kann es im Falle Darkovers gemacht werden? Und wie schnell? Und in welchem Ausmaß?«

Andrea antwortete nicht gleich, sie drückte Knöpfe an dem Lesegerät auf ihrer Schreibtischplatte. Plötzlich schien sie etwas gefunden zu haben, das ihre Aufmerksamkeit fesselte, denn das Flackern ihrer Augen – es waren merkwürdige Augen, dachte Stannard, ein sehr helles, durchsichtiges Grau, eine Farbe, die er noch nie gesehen hatte – verlangsamte sich und hörte dann ganz auf. Stannards Meinung nach war sie bestürzt und erschrocken.

Sie fragte scharf: »Ist einer der Herren jemals auf Darkover gewesen?«

Stannard schüttelte den Kopf: »Ich weiche nie so weit von meiner Umlaufbahn ab.«

»Ich schon«, erklärte Bruce überraschend. »Ich reiste einmal hin, um – nun, das tut nichts zur Sache.« Er schüttelte sich. »Eine Hölle von einem Planeten; ich kann mir nicht vorstellen, warum irgendwer ihn öffnen möchte. Man wird den Freiwilligen eine zusätzliche Prämie geben müssen. Kalt wie der Weltraum und doppelt so trostlos. Völlig unverdorben, wie die Reisehandbücher sagen. Er könnte es vertragen, ein bisschen verdorben zu werden.«

»Nun, dafür sind wir ja da«, meinte Andrea munter und schaltete das Lesegerät entschlossen ab.

»Gentlemen, ich mache Ihnen folgendes Angebot: Für die vereinbarte Summe ...« – sie nannte einen Betrag in Milli-Credit-Einheiten, deren Kurs so schwankte, dass sie in dieser Woche ein kleines oder ein großes Vermögen darstellten – »... garantieren wir, dass der jetzt als Darkover bekannte Planet innerhalb von drei Imperiums-Standardjahren offen für die B-Erschließung sein wird. Eine Vorbereitung auf die A-Erschließung würde zwanzig Jahre dauern und wäre nicht profitabel. Eine beschränkte Gruppe von Investoren wird die Erlaubnis erhalten, Bergbau und Export zu betreiben. Die Hälfte der Summe muss jetzt in harter Titanium-Währung auf ein Nummernkonto auf Helvetia II eingezahlt werden. Der Rest wird innerhalb eines Standardmonats von dem Tag an fällig, wo Darkover zu einer offenen Welt Klasse B erklärt wird.«

Stannard erkundigte sich: »Wie können Sie sicher sein, dass unsere Auftraggeber den Restbetrag zahlen? Nicht etwa, dass sie betrügerische Absichten hätten, aber als offen kann eine Welt nur vom Senat des Imperiums erklärt werden. Ist das einmal geschehen, könnten unsere Auftraggeber doch auf ganz legale Weise investieren wie andere Leute auch?«

Andrea lächelte, und das Lächeln glich so sehr einer Stahlfalle, dass Stannard seine Einschätzung ihres Alters um dreißig Jahre nach oben revidierte. »Nach dem Vertrag, den Sie mit den echten Identitätsnummern Ihrer Vorgesetzten unterschreiben müssen, gehen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen Ihre sämtlichen Interessen an dem in Rede stehenden Planeten auf die Gesellschaft für planetare Investitionen über – die, wie Sie erwähnten, als Planetenvernichter weltbekannt ist. Außerdem wird dadurch die Geheimhaltungsklausel ungültig.«

Sie haben an alles gedacht, sagte sich Stannard. Denn Vereinbarungen zur Vernichtung eines Planeten waren überall illegal, und jeder Investor, der, um einen Planeten zu erschließen, einen Planetenvernichter für sich arbeiten ließ, durfte jenen Planeten nie mehr betreten.

»An der Oberfläche ist unser Geschäft völlig legal«, erklärte Andrea. »Sie haben sich unserer Dienste für Werbung und Public Relations versichert. Die meisten unserer Agenten, diejenigen, die jeder sieht, werden nie näher als ein Lichtjahr an Darkover herankommen. Sie werden auf Empire Center mit völlig legalen Methoden versuchen, die Gesetzgeber davon zu überzeugen, Darkover müsse zu einer offenen Welt der Klasse B gemacht werden. Ein paar Weitere werden das Gleiche bei den darkovanischen Behörden tun.«

»Und die Übrigen?«

Andrea sagte: »Die Übrigen – gehen Sie nichts an.«

Stannard war ganz ihrer Meinung. Er wollte es gar nicht wissen. Er hatte ein Lebensalter damit verbracht, Aufgaben dieser Art für tausend Hintermänner zu erledigen, und er lebte gut und fast luxuriös davon, dass er nichts wissen wollte.

Sie unterzeichneten Papiere und wiesen die Identitäten ihrer Auftraggeber sowie ihre Vollmachten nach. Und dann gingen sie wieder. Sie verschwanden auf immer aus Andrea Clossons Leben und aus der Geschichte Darkovers. Sie waren so wenig einprägsame Persönlichkeiten, dass sogar Andrea sie als Individuen fünf Sekunden, nachdem sie ihr Büro verlassen hatten, vergaß.

Aber noch in derselben Minute drückte sie von neuem den Knopf des Lesegeräts und stellte es auf STOP. So wurde die Schrift unscharf. Aber Andrea schloss die Augen und sah es innerhalb ihrer Lider, in ihrer Erinnerung umso besser.

Hohe Berge, eine wohlbekannte Silhouette vor dem karmesinfarbenen Himmel der sich senkenden Sonne; eine Sonne wie eine rote und blutige Scheibe. Nur die Gebäude der Handelsstadt, die sich unterhalb des ach so vertrauten Bildes von Bergen und Sonne abzeichneten, waren neu und überraschend.

Also nennen sie die Welt jetzt Darkover.

Leise Musik klang in ihrem Gehirn auf. Dies totale Erinnerungsvermögen hatte sie die ersten hundert Jahre unerträglich gefunden, und sie hatte getan, was sie konnte, um es einzuschränken. Und jetzt fiel ihr der Name der Melodie nicht ein. Sie verbrachte ein paar Sekundenbruchteile damit, in einer Vergangenheit zu suchen, die sie willentlich beiseite geschoben hatte, bis der Name und der seltsame, trockene Klang der Weidenflöten daraus hervorstiegen:

»Müde sind die Hügel.«

Ja, so hieß die Melodie. Ein weiteres dieser unerträglich klaren Bilder leuchtete vor ihr auf. Ein Mädchen in einer kurzen gelben Tunika spielte auf der Flöte. Dann verzerrte sich ihr Mund, und ihre Augen öffneten sich. »Ein Mädchen«, sagte sie bitter vor sich hin, »ein Mädchen war ich nicht einmal damals. Ich war – ich habe mich entschlossen, nicht darüber nachzudenken, was ich war. Ich bin hier, und ich bin eine Frau seit – Evanda und Avarra! Seit wie lange? Es tut mir nicht gut, wenn ich darüber nachdenke, wie lange ich schon hier bin!«

Aber die Erinnerung blieb, und ihre Gedanken hatten eine Bahn eingeschlagen, auf der sie ihnen nicht Einhalt gebieten konnte. Schließlich gab sie ihrer Schwäche nach, denn nur so war ein Ende abzusehen. Sie drückte einen Knopf und zog das Mikrofon näher an sich heran. Sie sprach leise.

»Bereiten Sie für mich ein sich nach Absorbierung automatisch löschendes Band vor mit allem, was je über Cottmans Stern IV, genannt Darkover, eine geschlossene Welt Klasse D, geschrieben worden ist. Ich übernehme diesen Auftrag selbst.«

Die Stimme am anderen Ende der Leitung war eingehend darin geschult worden, niemals Überraschung zu zeigen. Trotzdem hörte Andrea mit ihrem plötzlich geschärften Wahrnehmungsvermögen Überraschung heraus.

»Sie persönlich? Mit welcher Tarnung?«

Darüber dachte sie kurz nach. »Ich reise als Tierhändlerin, die die Absicht hat, auf legalem Wege kleine Stückzahlen von einheimischen Pelztieren auf andere Welten zu transportieren, wo sie sich fortpflanzen sollen«, antwortete sie schließlich. Sie war so vieles auf so vielen Welten gewesen. Sie verstand und liebte Tiere, und sie brauchte bei ihnen niemals vor aufdringlichen Gedanken auf der Hut zu sein.

Das Band war absorbiert und weggeworfen worden, sie hatte gepackt und war bereit, für den ersten Abschnitt der unglaublich langen transgalaktischen Reise an Bord zu gehen, die sie zu jenem kleinen Planeten am Rand des Nichts, jetzt Darkover genannt, fuhren würde. Da wurde sie von Furcht gepackt. In den Gehirnwindungen, die sie nur teilweise benutzte, seit sie als Mensch lebte, wachten ein paar tief vergrabene Jahrhunderte auf.

Wenn ich nun nach dieser langen Zeit, nachdem ich so viele verschiedene Personen gewesen bin, von neuem unter den vier Monden stehe und das Licht der blutigen Sonne mich trifft – wenn nun das alte Ich, das wirkliche Ich, das, was ich war, bevor ich Andrea wurde, bevor ich Wanderer, Königin, Raumfahrer, Kurtisane, Geschäftsfrau wurde, wenn nun das alte Ich zurückkehrt? Was dann?

Was dann? Dann werde ich wenigstens da sterben, wo ich geboren worden bin, dachte sie mit müder Resignation und drückte die langen Hände auf die Augen. Es war niemand da, der hätte bemerken können, dass sie in diesem Augenblick weder wie ein Mensch noch wie eine Frau aussah.

Narzain-ye kui, dachte sie in einer lange toten Sprache. Verbanntes Kind des Gelben Waldes, wohin hat es dich noch nicht verschlagen? Kehre zurück, sieh, was die schweren Füße der Zeit aus der Welt gemacht haben, die dein Volk nicht halten konnte, und dann stirb dort, stirb allein, wenn du musst, und in dem Wissen, dass nicht einmal eine Erinnerung an die Spuren deines Volkes in den Festungen der Berge des Lichts übrig bleibt ...

Die Weltenzerstörer

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