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Denkmuster 2: Die Perspektive der russischen Puppen

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Unternehmerische Aktivitäten spielen sich nicht im luftleeren Raum ab, sie sind in gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge eingebettet. Die Gesellschaft – oder präziser die Zivilgesellschaft – führt auf der Grundlage gemeinsamer Wertvorstellungen durch formale Regeln und abstrakte Vorgaben Individuen zusammen, die sonst keine enge Beziehung zueinander haben. Die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft regelt die Austauschbeziehungen in Form von idealerweise freien Märkten. Beide zusammen geben so den Rahmen jeglicher unternehmerischen Tätigkeit vor. Unternehmen schließlich nutzen diesen Spielraum, um als kleinste produktive Einheiten zur Sicherstellung des Wohlergehens des größeren Ganzen beizutragen.

Weitere Teile der Gesellschaft – wie etwa der Staat, die Wissenschaft, die Kultur – üben einen prägenden Einfluss auf die Unternehmen aus. Hier soll aber vorerst der Fokus auf das Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen gelegt werden. Dieses gestaltet sich nach dem Prinzip der russischen Puppen – «Matrjoschka», aus Holz gefertigte, bunt bemalte, ineinander schachtelbare Puppen. In ihren Grundzügen sind sich diese drei Systeme sehr ähnlich, aber sie können nur in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit verstanden werden.

Die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Unternehmen sind komplexe Systeme, sie setzen Wertvorstellungen um, sie sind im Prinzip dem Gemeinwohl verpflichtet, und sie dienen dem Wohlergehen der Menschen. Diese Eigenschaften bestimmen die Möglichkeiten und Grenzen unternehmerischen Handelns. Aber nur durch eine grundlegende Einsicht in das Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen lassen sich die unternehmerischen Spielräume optimal erkennen und nutzen.

Das Denkmuster der russischen Puppen ermöglicht den Zugang zum wichtigsten Bindeglied von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen: Sie alle sind komplexe Systeme. Diese lassen sich weder analytisch noch statistisch noch mittels «Big Data» vollständig erfassen und abbilden. Sie zeichnen sich durch Eigendynamik aus und lassen [30] sich deshalb nicht prognostizieren. Und sie lassen sich auch nicht direkt steuern oder «managen». Und trotzdem gibt es Wege, sich mit und in ihnen zurechtzufinden.

Armin NASSEHI (2017) charakterisiert auf eindrückliche Weise die Gesellschaft als komplexes System. Sie zeichnet sich durch verteilte Intelligenz aus, wobei eine Vielzahl von eigenständigen Logiken miteinander konkurrieren, ohne dass sie sich aufeinander abbilden lassen. Wirtschaft, Politik, Kultur, Medien, Wissenschaft, Rechtssystem haben ihre eigenen Problemlösungsperspektiven, die sie stets weiter optimieren. Sie definieren sich in ihrer Perspektivendifferenz zu den anderen Bereichen und kämpfen um die «narrative Autorität». Die Lösung (oder besser Bewältigung) für die Gesamtheit der Gesellschaft wichtiger Probleme ist deshalb äußerst schwierig. Nicht nur die Interessen, sondern auch die jeweiligen Sprachen lassen einen Diskurs nicht zu. Der streitbare Philosoph Peter SLOTERDJIK hat dies treffend mit einem Bonmot unter Verweis auf die Systemtheorie des Soziologen Niklas LUHMANN festgehalten:

Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt

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