Читать книгу Zodiac - Gejagter zwischen den Welten VI: Schlachtfeld Erde - Mark Savage - Страница 5
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Anders lief schnellen Schrittes auf den Helikopter zu, der mit laufenden Rotoren auf ihn wartete. Der Pilot war ein Agent Crimleys, so dass Anders sein Vorhaben, vor der Rückkehr ins Pentagon noch einen Abstecher nach Tretmond zu unternehmen, wagen konnte. Das Projekt »Moonshine« schien aufs Äußerste gefährdet. Der Kontakt mit Crimley vor wenigen Minuten hatte den hohen Staatsbeamten alarmiert. Dem Geheimdienstchef blieb nichts anderes als einzugestehen, dass einer der extraterrestrischen Gefangenen sich auf spektakuläre Weise zu befreien vermochte. Die Auswertung der Videoaufnahmen belegten, dass jenes rätselhafte plasmaartige Geschöpf, welches in Atlanta ein grausiges Spektakel vor den Augen vieler Zeugen inszenierte, nicht unbeteiligt war. Das Auftauchen eines weiteren Mortlats und seine Ermordung wiesen auf einen Krieg hin, der sich vor ihrer aller Augen abspielte. Dessen Zusammenhänge und Hintergründe konnte man bislang nicht einmal erahnen.
Anders durchschaute Crimleys Arglosigkeit und ahnte, dass dieser die Sache lange nicht so im Griff hatte, wie es den Anschein gab. Ihm war bewusst, ein Risiko einzugehen, das Gelände zu betreten. Er war eine wichtige Figur, sein Leben galt als besonders schützenswert. Doch es galt in den nächsten Stunden schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, bevor das Komplott entdeckt wurde. Der Präsident war bereits mehr als misstrauisch, doch sein Vertrauen zu Anders verhinderte bisher schlimmere Folgen.
Anders nahm neben dem Piloten Platz und zog überrascht die Augenbrauen hoch, als er einen Mann aus einem der Hangars stürmen sah. Die Worte, die ihm dieser Mann entgegenbrüllte, ließen ihn bis tief in die Haarwurzeln erblassen.
»Sir, wir haben einen Code Black. Sir ...«
Anders befahl dem Piloten, sich in Bereitschaft zu halten. Er sprang aus der Kabine und rannte dem Uniformierten entgegen.
»Ich hoffe, Sie erlauben sich keinen Scherz, Mann.«
Der Mann schüttelte den Kopf. Sein Gemütszustand war aufgewühlt. Er war Sonderoffizier und wusste um die Bedeutung des Codes.
»Das ist kein Scherz. Wir erhielten soeben die genauen Daten aus Tretmond. Das Objekt konnte sich unter einem Tarnschild verbergen und so unbeobachtet in die Atmosphäre eindringen. Es rast mit mehreren tausend Kilometern in der Stunde auf Tretmond zu. Die Zielkoordinaten wurden mit 99,99% Wahrscheinlichkeit berechnet. Die Station wurde außerdem von einem Peilsignal getroffen, das eindeutig von dem Objekt kam. Wer immer in dem Schiff sitzt, er weiß von der Existenz des Moonshine-Projektes. Die Pulser starten in drei Minuten, gemäß der obersten Prioritätsordnung im Code Black.«
»Ein Objekt, sagen Sie?«
»Ja, Sir, aber wie gesagt, das Ding konnte im Mantel der Unsichtbarkeit unbe ...«
»Ich möchte die Existenz der Pulser lange als möglich geheim halten. Die US-Airforce hat ihre Staffeln sicher schon in der Luft. Die neuen Stealth-Bomber werden sicher eingesetzt. Ich möchte außerdem sofort mit McCormick sprechen.«
Der Offizier nickte, wenn ihm auch anzusehen war, dass ihm die Entscheidung missfiel.
Major McCormick hörte den Alarm und erwachte aus seinem Mittagsschlaf. Er vernahm eine Computerstimme und bekam gerade noch die letzten Worte mit. »Code Black«.
Selten zuvor wurde McCormick derart rasch wach. Da er in seiner Uniform eingeschlafen war, brauchte er nur die Flugkleidung anzulegen. Erst seit wenigen Stunden wusste er um die Bedeutung dieses Codes. Sollte ein derart großer Zufall ...
Die mechanische Stimme meldete sich erneut, und die beiden Worte »keine Übung«, zerstörten seine Vermutung, dass es sich um einen Test handeln könnte.
Die Nervosität kehrte zurück. Er hatte erst wenige Stunden in einem der Pulser verbracht, und sie zählten zu den aufregendsten seines Lebens. War er schon so weit, um in einem echten Kampfeinsatz zu bestehen?
Die Vorstellung, dass außerirdische Intelligenzen mit feindlichen Absichten aufgetaucht waren, und er in den nächsten Minuten in einen Krieg mit ihnen ziehen sollte, kam ihm absurd vor. Das musste ein Traum sein. Alles was er hier erlebte, erschien wie ein einziger Traum. Er wartete nur vergebens auf das Erwachen.
McCormick zügelte seine Emotionen, sondern dachte an den bevorstehenden Einsatz. Diese neue Technologie forderte alles von ihm, und er bezeichnete sich als Vollprofi seines Fachs. Die Angst, zu versagen, ließ ihn nicht los.
In voller Montur, den Helm unter dem Arm, rannte er aus seiner Kabine, die sich ebenfalls im Hangar, nur wenige Meter von dem Areal der Pulser entfernt, befand. Vor der Tür prallte er um ein Haar mit Anders zusammen.
»McCormick«, keuchte Anders außer Atem. »Ich muss sie enttäuschen. Die Existenz der Pulser wird nach wie vor geheim gehalten. Ein feindliches Schiff befindet sich im Luftraum über Atlanta. Ihre alte Einheit wurde bereits alarmiert. Die Tatsache, dass sich ein fremdes Objekt im Anflug befindet, lässt sich nicht mehr vertuschen. Begeben Sie sich umgehend zu Hangar 17. Dort sind drei B2-Bomber stationiert. Sie übernehmen eines dieser Dinger, unterstützen die Einheiten der Airforce und übernehmen den Befehl über Ihre alte Staffel. Wir haben das organisiert. Falls Sie gefragt werden, woher Sie kommen geben Sie keine Antwort. Sollte das fremde Schiff Unterstützung bekommen, werden die Pulser eingesetzt. Setzen Sie die Kampfkraft des Fremden auf die Probe, testen Sie ihn auf Stärken und Schwächen. Ihre Einheit besteht aus über fünfzig nagelneuen Bombern. Wir drücken ihnen die Daumen, McCormick.«
Garry Hunter ahnte nichts Gutes, als er den Helikopter unbehelligt auf dem Grundstück landete. Sein Eindringen wurde bemerkt, dessen war er sich bewusst. Aber anscheinend hatte man Wichtigeres zu tun.
Er rief sich ins Gedächtnis, was er von den Mortlats wusste. Sollte Crimley wirklich ein lebendes Exemplar gefangen halten, so hatte er sich selbst den Tod ins Haus geholt.
Die Rampe zu den unterirdischen Labors stand offen. Hunter überlegte nicht lange, verließ den Helikopter, ohne den Motor abzustellen, und rannte auf die Rampe zu. Er vernahm entferntes Dröhnen und wusste sofort, dass hier gekämpft wurde. Die Wilders schwebten in akuter Lebensgefahr, wenn er nicht gar zu spät eintraf. Er fragte sich erst gar nicht erst, wie das fremde Wesen zu besiegen war. Ihre Chance lag wieder einmal in der Flucht. Es schien nicht zu enden.
Die Gänge erschienen ihm wie ein Labyrinth. Es würde mühsam sein, den Ausweg wiederzufinden. Garrys wachsamen Blicken entgingen keineswegs die Kameraaugen ringsum. Er erkannte ebenso getarnte Türen, hinter denen sich Schussautomaten befinden mochten.
Crimley lachte nur spöttisch auf, als er Hunter in der unterirdischen Anlage herumirren sah.
»Sollen wir ihn eliminieren?«, fragte jemand.
Crimley schüttelte den Kopf.
»Wozu? Früher oder später wird er dem Mortlat in die Arme laufen. Es sei denn, unsere Einheit im Westtrakt überwältigt den Gegner. Wird sie rechtzeitig dort eintreffen? Wir haben bereits zu viele Leute verloren.«
Einer der Männer wies auf einen Lageplan, den er über Computer abrief. Die gesamte Anlage wurde hier detailgetreu nachskizziert.
»Hier befinden sich unsere Leute. Der Mortlat passiert soeben den Korridor zur rechten Seite und wird bald auf das Team treffen. Unsere Einheit wird mit gezielten Explosionen durch die linke Wand brechen, um das Wesen zu überraschen.«
Crimley nickte grimmig.
»Es muss verdammt schnell gehen, sonst ist alles zu spät. Lassen Sie die Rampe schließen, wenn ich auch keinen Sinn darin sehe. Sollte das Wesen den bevorstehenden Angriff überleben, kann es ungehindert zur Oberfläche durchbrechen. Die paar Männer, die wenigen, die uns noch geblieben sind und die wir dort zur Verteidigung einsetzen, werden ihm dann nur wenig an Gegenwehr entgegensetzen können.«
Crimley wurde nervös. Seine Skepsis war groß, doch nicht ohne Hoffnung.
Hunter erreichte den Raum, in dem der Mortlat gefangen gehalten wurde. Er wat verlassen bis auf die zerfetzten Leichen der getöteten Soldaten. Fest hielt er das Maschinengewehr umklammert, das er einem der Toten abgenommen hatte. Eine seltsame, sich zersetzende gelbliche Substanz zog sich über den Bodenbelag. Hunter vermied es, sie mit der Fußspitze zu berühren. Die Tatsache, bislang keinem lebenden Menschen begegnet zu sein, schnürte seine Kehle zusammen. Er fühlte sich aus irgendwelchen Gründen für die Wilders verantwortlich, und er würde sich für ihren Tod schuldig fühlen. Er nahm sich vor, diese Anlage nicht zu verlassen, als bis er zumindest ihre Leichen aufspürte. Der Gedanke, auf die verstümmelten Körper der beiden Kinder zu stoßen, verursachte ihm heftiges Magenziehen.
Er zwang sich zur Eile. Hastig wandte er sich in Richtung Ausgang. Erschrocken schrie er auf, da er um ein Haar mit einer riesenhaften Gestalt zusammengeprallte wäre, die praktisch aus dem Nichts heraus entstand. Hunter musste unwillkürlich an Star Trek denken. Beam me up, Scotty!
Ein Mortlat.
Hunter konnte sich nicht entfernt vorstellen, woher das Geschöpf so plötzlich kam, doch der Anblick des Wesens ließ ihn erschauern. Er sprang zurück und riss im ersten Impuls seine Waffe hoch. Doch dann erkannte er, dass das Geschöpf starb. Eine Substanz, die jener auf dem Fußboden ähnelte, überzog die Hälfte seines Körpers, der ein Bild bot, als würde er von einer entsetzlichen Art von Säure zerfressen.
Röchelnd sackte der schwere Leib zu Boden. Das Plasma trocknete in rasender Schnelle aus, fiel vom Körper des Opfers ab und nahm jene bekannte gelbliche Färbung an. Es schien so, als würde es nicht mehr die Kraft aufbringen, den Mortlat vollends aufzuzehren und nun ebenfalls sterben.
Schließlich erstarrte das Plasma. Der Mortlat starb auf grausame Weise. Den Oberkörper fast vollständig zerfressen, hauchte er nur wenige Meter vor Hunters Füßen sein Leben aus.
Der Ex-Agent betrachtete das Wesen fasziniert. Die Zusammenkunft mit einem aktiven Vertreter jener Spezies musste unweigerlich tödlich enden. Diese Kreaturen waren selbst ohne Bewaffnung wahre Titanen, die einen menschlichen Körper mit bloßen Händen zu zerreißen vermochten.
Doch dass Größe und Stärke nicht alles bewirkte, bewies jene unbekannte Plasmaform, jener der Gigant nichts entgegenzusetzen vermochte. Die rätselhafte Substanz war ihr unfreiwilliger Verbündete in diesem verzweifelten Kampf sein, der einzige, der eine Entscheidung herbeizuführen vermochte. Hunter mutmaßte, dass die Mortlats das Wesen mit ihrem Schiff einschleppten, zu welchem Zweck auch immer, und es sich gegen sie wandte.
Garry riss sich von dem Anblick los. Die Zeit arbeitete gegen ihn.
Fast zufällig fiel sein letzter Blick auf den breiten Gürtel des Wesens, der sich zur Hälfte von dem verstümmelten Körper gelöste hatte. Es musste sich um das Transportmittel handeln, mitten dessen Hilfe der Mortlat hierher gelangte. Hunter handelte aus einem Impuls heraus, als er den Gürtel vom Leib des Toten zerrte und sich den schweren Gegenstand um die Schultern hing. Möglicherweise konnte er von Nutzen sein.
Mit der Gewissheit, genügend Zeit verschwendet zu haben, machte sich Garry auf die Suche nach den Wilders. Er stieß noch unzählige Male auf Tod und Zerstörung, bis er endlich fündig wurde.
Lautes Gejohle drang aus McCormicks Helmlautsprechern, als er, flankiert von den zwei anderen Maschinen aus Area 51, auf die Stealth-Einheiten seiner ehemaligen Pilotenstaffel stieß. Sein Co-Pilot zeigte keine Regung. Er hieß Jake Palmer, mehr wusste McCormick nicht von dem Mann, er war ihm buchstäblich in letzter Sekunde zugeteilt worden. Vom Typ her wie ein Playboy wirkend, blond, sonnengebräunt, braune Augen und eine gewisse Arroganz, bewies er seine Qualitäten im Cockpit. Palmer beherrschte die Maschine blind und tätschelte fast liebevoll die Feuerknöpfe. Ansonsten verhielt er sich unpersönlich und kalt. Lag es an dem, was ihnen bevorstand oder hatte die Distanz seinen Grund? Hatte er einen Wachhund im Auftrag Anders bei sich? Es würde reichlich wenig Zeit bleiben, sich deshalb Gedanken zu machen.
Atlanta lag fast zehn Kilometer unter ihnen. Die Menschen dort ahnten nichts von der drohenden Gefahr, obwohl sie im eigentlichen Sinne bislang nicht akut war. McCormick rätselte, über welche Möglichkeiten Anders verfügte, derart exakte Angaben über das Ziel des Objektes stellen zu können. Was spielte sich in der geheimen Station auf Tretmond ab? Er nahm sich vor, diesem Kerl einige Fragen zu stellen. Im Augenblick aber überwog die Freude auf das Wiedersehen mit seinen alten Kameraden. Ihre Freude über seine Ankunft erfüllte ihn mit Stolz. Dies waren seine Männer, gute Jungs, von denen so Gott helfe, alle heil von diesem Einsatz zurückkehren mochten.
»Hey, Major, muss ich Sie jetzt mit Majestät ansprechen? Was haben die Typen Ihnen geboten, hä? Ach, drauf geschissen, Hauptsache, Sie sind hier, Mann.«
»Ey, Jungs, der Boss ist wieder da, um mit uns ‘ne Riesenshow abzuziehen. Ist das ‘ne Übung?«
Verflucht!, dachte McCormick. Sie haben sie tatsächlich völlig im Unklaren gelassen, über das, was da auf sie zukommt.
»Stimmt es, Major, dass wir so’ n Russenspion abfangen sollen? Ist ja auch egal. Mit Ihnen als Vorgesetzten treten wir den Wodkasäufern in den Arsch.«
»Verdammt heißes Baby, das Sie da fliegen.«
Dir würden die Augen rausfallen, wenn du wüsstest, mit was ich in den letzten Stunden geflogen bin.
»Ey, Major, um was geht’s wirklich?«
McCormick besaß eindeutige Befehle, den wahren Sachverhalt zu verschleiern. Die Waffentestvariante mit den Russen sollte eingestreut werden, um die Wahrheit zu vertuschen. Im Eifer des Gefechtes würden die Jungs keine Zeit bekommen, sich näher mit dem feindlichen Objekt zu befassen. Anders hielt diese Männer anscheinend für schwachsinnig.
»Wir jagen einen Außerirdischen«, erklärte McCormick, obwohl er zu genau wusste, dass jetzt irgendwo jemand laut fluchen würde. Er sah aus den Augenwinkeln Palmers Kopf in seine Richtung rucken und etwas zucken. Ray McCormick kratzte sich wie beiläufig mit gestrecktem Mittelfinger an der Wange.
»Hört zu, Jungs, das ist kein Witz. Der kleine Punkt auf euren Radarschirmen, seht ihr ihn? Der Tanz geht los. Zieht eure Maschinen westwärts, unter uns wohnen Millionen Menschen. Das Ziel des Feindes liegt ungefähr dreißig Flugmeilen von hier. Die genauen Koordinaten habt ihr bereits im Computer. Wir müssen den Kerl abschießen bevor er hier alles in Schutt und Asche legt, habt ihr kapiert?«
Die Gelassenheit der Piloten schlug in Konzentration und Kampfesbereitschaft um. Die Aussage, dass es sich bei dem Feind um ein außerirdisches Flugobjekt handelte, wurde nicht weiter zur Kenntnis genommen. Wenn Major McCormick sagte, es war ein Außerirdischer, dann war es eben einer. Das Vertrauen der Leute in ihren ehemaligen Vorgesetzten war beispiellos. Dieses Vertrauen schien sich auf Copilot Palmer nicht zu übertragen. Dieser sah geradeaus und seine Wangenmuskeln zuckten.
Fast fünfzig Bomber waren im Einsatz, weitere standen auf Bereitschaft. Die Jäger der Airforce stießen zu Dutzenden hinzu. Diese waren ihm nicht unterstellt, aber die Staffelführer und McCormick stimmten sich einvernehmlich ab. Die neuen Stealth erlebten ihre Feuertaufe, die Männer fieberten dem Einsatz regelrecht entgegen. Die Raketen, die sie mit sich führten, würden jedem Invasor so richtig einheizen. So dachte man zumindest.
Dann, plötzlich, verdunkelte sich der Himmel. Donnernd und mit mächtigen Schwingen sauste das Jägerschiff der Mortlats heran. Bereits aus weiter Entfernung eröffnete er das Feuer. Die Stealth schwirrten wie ein Schwarm Vögel auseinander und griffen ihrerseits an. Das fremde Objekt war unter eine grünliche Glocke aus Energie gehüllt, gegen den die irdischen Raketen wie Mückenstiche wirkten. Die Maschinen der Airforce sowie die Stealth zerplatzten in der Atmosphäre, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Der Schock verlangsamte die Reaktionsgeschwindigkeit der Piloten.
»Rückzug«, brüllte McCormick. »Danach wieder sammeln und auf Verstärkung warten. Der Kerl ist uns haushoch überlegen. Ich wette, der lacht uns noch aus.«
Der fremde Jäger raste weiter, verfolgt von den Bombern, denen er keine Beachtung mehr schenkte. Dann, nach schier unendlich erscheinender Zeit, tauchten etwa zweihundert schlanke Kampfjäger auf, die sich sofort McCormicks Befehl unterstellten.
Erneut warf McCormick die Einheiten in den Kampf. Der Mortlat spie Tod und Verderben, als zwanzig Stealth und dreißig Kampfjets ihn einzukesseln und zu vernichten suchten. Der Mortlat an Bord des Schiffes brüllte vor Kampfeslust und aktivierte den hochwirksamen Ultraschalldetonator. Wie von einer unsichtbaren Titanenhand in Segmente zerstäubt, vergingen die Angreifer. Der Feind flog durch die wirbelnden Staubwolken aus feinem Metall hindurch, übermächtig und stolz.
»Verdammt«, stöhnte McCormick. Sein Co-Pilot ließ ein wenig von seiner üblichen Gelassenheit fallen und verlor reichlich Farbe im Gesicht. Ray versuchte sich, die Zerstörungskraft eines der Mutterschiffe jener Rasse vorzustellen. Er erschauerte. Wahrscheinlich benötigte es keine zwei Minuten, um den Planeten aus dem Kosmos zu fegen. Doch der Major dachte nicht daran aufzugeben.
»Der verdammte Schutzschild ist es. Wenn wir ihn knacken, haben wir den Mistkerl. Jungs, hört her, ab sofort konzentrieren sich alle unsere Angriffe nur auf einen Punkt. Punktgenaues Anvisieren einer relativ kleinen Angriffsfläche, kein Schuss darf daneben gehen. Seht auf euren Schirm, ich habe die Stelle markiert und übertragen. Anvisieren, Zielen und Feuern auf meinen Befehl, verstanden.?«
Einstimmig schrien die Männer in ihre Mikrophone. Dann griffen sie erneut an.
Paula schrie auf, als der Gigant in der Biegung des Korridors auftauchte. Sie nahm ihn nur einen kurzen Augenblick wahr. Er erschien ihr wie ein drohender unheilvoller Schemen. Danach brach das Chaos los.
Die Soldaten hatten die Natur des Mortlat unterschätzt, die das Wesen mit den Instinkten und den sensiblen Wahrnehmungsorganen eines Raubtiers ausgestattet hatte. Eines übernatürlichen Raubtiers. Der Mortlat roch und sah etwa um das Zehnfache intensiver als ein irdischer Schäferhund. Er wusste genau, dass man ihm auflauerte. Und er schoss sofort.
Eine heiße Salve aus dem Thermogeschoss fauchte den Soldaten entgegen. Paula sah vier Männer sterben, noch bevor die ersten Schüsse fielen. Schützend, in der Art wie eine Mutter sich um ihr hilfloses Baby sorgen würde, lag sie über dem Körper des kleinen Außerirdischen. Er zuckte und zitterte. Sie ahnte nicht, dass Zodiac verzweifelt seinen Körper zur Regeneration anregte. Doch zu viel war in den letzten Stunden geschehen, als dass er die nötige Energie in dieser Eile aufzubringen vermochte.
Die Temperatur stieg rasend schnell an. Die Luft wurde so heiß, dass Paula kaum zu atmen vermochte. Sie schloss die Augen, um das Sterben der Männer nicht länger beobachten zu müssen, ebenso wenig wie sie dem Tod in der Gestalt eines Monsters ins Auge sehen konnte.
Eine Explosion erfolgte. Paulas Augenlider zuckten automatisch hoch. Der Mortlat kam auf sie zu, die verkohlten Leichen einiger Männer mit den Füßen aus dem Weg kickend wie Konservendosen. Seine Augen fixierten sie förmlich, während er die Waffe hob. Eine Sekunde zu spät drehte er sich zu dem entstandenen Loch in der Wand hinter seinem Rücken um. Die eindringenden Einheiten reagierten auf den Anblick des Gegners hektisch und unter Missachtung Crimleys Befehle. Ihre Maschinengewehre und Laserwaffen spuckten Feuer. Moarts Kampfmontur wurde durchlöchert und grünes Blut spritzte aus den Öffnungen. Paula zuckte beim Aufbrüllen des Mortlats erschrocken zusammen. Sie schrie, als er seinen Kopf ruckartig zu ihr umwandte. Sein Blick fixierte aber nicht sie, das glaubte sie zu erkennen. Sein Interesse galt dem Bündel unter ihr. Sein Fauchen klang enttäuscht. Er fühlte sich um seine Rache betrogen.
Doch noch lebte das Wesen.
Die Spezialeinheit kannte keine Gnade. Sie nahm ebenso wenig Rücksicht auf die Frau, die schutzlos am Boden lag. Die nächsten beiden Male schrie Paula vor Schmerz. Zwei Kugeln hatten ihre rechte Schulter durchschlagen und die Wunde blutete fürchterlich.
Der Zufallstreffer aus einer irdischen Laserpistole traf die Ladekammer der Thermowaffe, die der Mortlat auf seine Gegner abfeuerte und brachte sie zur Explosion. Der Arm des Wesens verging in roter Glut und Asche, verätzte ihm zischend die wutgeifernde Fratze.
Warum stirbt er nicht endlich?, dachte Paula entsetzt.
Ungeachtet der großen Zerstörung ringsum, welche die Stabilität des unterirdischen Gewölbes von Sekunde zu Sekunde mehr in Frage stellte, betätige der noch intakte Arm des Mortlats den Detonator. Fünfzehn Menschen starben auf entsetzliche Weise.
Sekundenlang herrschte Stille.
Bis auf das Schwelen kleinerer Brände und dem Niederprasseln des aufgewirbelten Schmutzes.
Paula weinte, als der Mortlat sich ihr zuwandte. Alles kämpfen, alles hoffen hatte sich als vergebens erwiesen. Sie versuchte, sich ihren Tod nicht auszumalen, geriet aber doch in Panik. Sie schrie! Die riesige Gestalt näherte sich taumelnd und schwerverletzt. Sie erkannte die Mordlust in seinem Blick.
Ein fernes Himmelreich schien sich für Paula zu öffnen, als Pistolenschüsse aufbellten. Die Bestie schluckte die Kugeln stöhnend und spuckte literweise Blut auf die Frau herab. Sie erkannte den Mann, der hinter dem Loch in der Wand stand und das Wesen mit Schüssen eindeckte.
»Stephen!«, wollte sie rufen, doch es wurde ein Stöhnen. »Großer Gott, verschwinde, Stephen«, ächzte sie, obwohl sie wusste, dass er sie nicht hörte. Der Mortlat hob den Detonator, gleichzeitig erfolgte ein berstendes Geräusch von oben. Grunzend fuhr sein Kopf nach oben, und er erkannte im gleichen Augenblick wie Paula, dass die Decke über ihnen langsam nachgab. Obwohl der Mortlatkrieger wusste, dass er ein Todgeweihter war, so wollte er doch die Rache an dem Zargonier vollenden. Das konnte er nicht, wenn er jetzt starb. Doch vorher würde dieser Erdling durch seine bloßen Hände sterben.
Einem lebenden Rammbock gleich rannte er los. Paula griff sich verzweifelt in die Haare. Zu ihrem Entsetzen sah sie ihren Mann lächeln, und dieses Lächeln berührte sie tief, denn sie hatte es sehr lange Zeit an ihm vermisst. Die Handgranate, die er plötzlich hinter seinem Rücken hervorzauberte war scharf. Paula erkannte nun erst die Gürtel, die er sich um den Brustkorb gebunden und ebenfalls mit Granaten bestückt hatte.
»Stephen, nein«, hauchte sie und vergaß für diese schrecklichen Augenblicke ihre Verletzung.
»Ich liebe dich!«, rief er ihr zu. Eine Sekunde später prallte der Mortlat mit ihm zusammen. Stephen Lane stopfte mit lautem Aufschrei das Wurfgeschoss in den aufgerissenen Rachen des Ungetüms. Nur einen Augenschlag darauf detonierte die Granate.
Stephen Lane und der Mortlat starben in einer gewaltigen Eruption. Wenige Meter vor Paulas Füßen sauste ein Stahlträger durch die Decke und riss tonnenweise Gestein mit sich. Dieser Teil der Anlage stand kurz vor dem Zusammenbruch. Die drohende Gefahr und die Verantwortung für das kleine Wesen trieb Paula abermals zu einem Mobilisieren der letzten Kraftreserven.
Sie stöhnte vor Schmerzen, als sie sich das kleine Geschöpf auf die Arme lud und vorwärts taumelte.
Sie entging dem Tod nur um Sekunden.
»Wir haben uns hier sinnlos verirrt«, stöhnte Babs verzweifelt. Ihre Rippen schmerzten höllisch und keiner ihrer besten Freunde hätte sie unter der Maske aus Schmutz, Staub und verkrustetem Blut als Barbara Wilder erkannt.
»Ich will hier raus«, jammerte Tommy. Seine Schwester lief fast weinend neben ihrem Bruder her. Die beiden Kinder waren völlig übermüdet, zudem brannte der Staub und die wahnwitzige Hitze in ihren Lungen. Überall lagen Felsen und Leichen. Die Suche nach einem Ausgang wurde zu einer Kletterpartie, die nicht nur die beiden Kinder äußerst strapazierte.
»Ich kann Zodiac nicht mehr spüren«, rief Judy schon das vierte Mal innerhalb von wenigen Minuten.
»Judy«, sprach Dan beruhigend auf sie ein. »Es tut mir sehr leid, aber dieses Wesen ist geradezu fanatisch besessen darauf, deinen kleinen Freund zu töten. Und ... sieh nur was dieser Kerl hier angerichtet hat. Dein Freund ist wahrscheinlich nicht mehr am Leben, so hart das klingt. Aber wir können ihn nicht suchen gehen. Das ganze Gewölbe kann jeden Moment in sich zusammenstürzen und uns unter sich begraben. Wenn dein Freund aber lebt, so hat er sicher bereits einen Ausweg erreicht und befindet sich im Gegensatz zu uns in Sicherheit.«
»Er ist hier«, behauptete Judy. »Ich weiß, dass er hier irgendwo ist und sterben wird, wenn ihm niemand hilft.«
»Es ist mir völlig egal, ob er hier ist oder nicht«, schrie Babs plötzlich. Ihre Nerven lagen blank, und die Schmerzen taten ihren Teil dazu. »Man hat uns gejagt wie Schwerbrecher, misshandelt, und verdammt viele Menschen mussten sterben, nur weil ER hier ist. Und er ist nur hier, weil DU ihn gerufen hast, verdammt noch mal. Wenn du einen kleinen Teil dazu beitragen willst, es wiedergutzumachen, dann wirst du tun, was Dad von dir verlangt. Ist das klar?«
»Babs«, drang Dan auf sie ein. Er fasste sie an den Schultern, doch sie stieß ihn beiseite, ging vor ihrer Tochter in die Knie und rüttelte sie hysterisch.
»Ist das klar?«, brüllte sie.
Tommy weinte. Seine Schwester bebte am ganzen Körper. Es kostete dem Mädchen große Überwindung, nicht in einen Schreikrampf auszubrechen. Sie wusste, dass ihre Mutter es bereuen würde, sobald sie wieder klaren Kopf erhielt, dennoch schmerzten ihr diese harten Worte. Ebenso schmerzte es sie, als sie aus Leibeskräften zurückbrüllte:
»Dann geht doch. ICH lasse Zodiac nicht hier herunten sterben.«
Bevor ihre Eltern sich versahen, rannte das Mädchen los. Diese waren so geschockt von der unerwarteten Reaktion ihrer Tochter, dass sie erst reagierten, als Judy in einen Gang bog und aus ihrem Blickfeld verschwand.
»Judy«, rief Dan verzweifelt und rannte ihr hinterher. Er erschrak, als vor ihm eine Gestalt auftauchte, die ein zappelndes Bündel in der Armbeuge hielt. Judy hing wehrlos und mit den Armen rudernd und schlagend in deren Griff. Zudem schleppte sich dieser Mann mit einem Gegenstand ab, der aussah wie ein überdimensionaler Gürtel. Erst nach Sekunden erkannte Dan die Person, und neue Hoffnung erwachte schlagartig.
»GARRY!«
Babs stieß einen Laut der Verwunderung aus, als sie Hunter erkannte. Tommys Tränen versiegten schlagartig.
»Keine Zeit zum Reden«, erklärte Hunter hastig. »Uns kann jeden Moment die Decke auf den Kopf fallen. Nehmt eure Tochter und haltet sie gut fest.«
»Hast Du eine Ahnung, wie wir hier herauskommen?«, fragte Dan erwartungsvoll.
»In dem ihr mir folgt. Wir werden uns ein Militärfahrzeug schnappen, von denen gibt es unter der Rampe genügend. Danach nichts wie über dieselbige nach draußen und in Richtung Tretmond. Mich plagt so eine Ahnung als ob wir nicht mehr viel Zeit bekämen.«
»Hast Du den Mortlat gesehen?«
»Ja! Einen toten.«
Dan schnaufte durch.
»Kein Grund aufzuatmen«, vernichtete Hunter alle Hoffnung. »Wir haben es wahrscheinlich mit mehreren Exemplaren dieser reizenden Gattung zu tun.«
Dan sah Hunter an wie einen Irren. Danach sackten seine Schultern nach vorne.
»O Gott!«