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(b) Verletzung der Aufsichtspflicht

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Die sichtbare Compliance-Relevanz der Vorschrift lässt sich daran erkennen, dass die Sanktion an das Unterlassen beispielhaft, aber nicht abschließend (vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG: „auch“) benannter Aufsichtsmaßnahmen anknüpft, die sich auf die Verhinderung von Zuwiderhandlungen gegen inhaberbezogene Pflichten richten.[231] Da jenseits weniger Ausnahmeregeln keine generelle Compliance-Pflicht existiert (siehe Rn. 116 ff.),[232] sind Aufsicht und Compliance keine synonymen Begriffe.[233] Fehlt es gänzlich an entsprechenden Maßnahmen oder sind sie unzureichend, kann hierin nur dann eine Verletzung der allgemeinen Aufsichtspflicht gesehen werden, soweit Compliance das im Einzelfall gebotene Instrument zur Erfüllung dieser Pflicht ist. Dies ist keineswegs selbstverständlich, so dass aus Verteidigungssicht die Betonung der Unterschiede von Aufsicht und Compliance notwendig sein kann. Da § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG ein Dauerdelikt darstellt, liegt im Übrigen nur eine einzige Aufsichtspflichtverletzung vor, wenn es als Folge fehlender oder unzureichender Compliance zu mehreren Zuwiderhandlungen kommt.[234]

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Selbst wenn Compliance das gebotene Instrument zur Erfüllung der Aufsichtspflicht ist, bestehen Grenzen, da § 130 OWiG dem Inhaber keine Totalkontrolle, sondern lediglich erforderliche und zumutbare (vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG „gehörige“) Aufsichtsmaßnahmen abverlangt.[235] Aus dem Merkmal der Erforderlichkeit ist abzuleiten, dass von mehreren gleich wirksamen Compliance-Maßnahmen diejenige gewählt werden kann, die Unternehmen und Mitarbeiter am wenigsten belastet.[236] Insoweit wird man unter Verteidigungsaspekten insbesondere auf die erheblichen Kosten von Compliance-Tätigkeiten hinweisen dürfen, die keineswegs von allen Unternehmen aufgebracht werden können. Darüber hinaus begrenzt die Voraussetzung der Zumutbarkeit den Kreis erforderlicher Aufsichtsmaßnahmen, weshalb insbesondere Reaktionen wie die Belohnung von Denunziantentum ausscheiden; die Grenzen zum Whistle-Blowing sind jedoch fließend.[237] Ein strukturelles Problem besteht darin, dass die Sanktionsinstanz im Wissen um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung ex post über die im Vorfeld einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu treffenden Compliance-Maßnahmen entscheidet: Zwar hat sie die zu ergreifenden Maßnahmen konkret darzulegen,[238] im Nachhinein lassen sich jedoch leicht „erforderliche“ und „zumutbare“ Aufsichtsmaßnahmen benennen, durch die eine Zuwiderhandlung vermieden oder wesentlich erschwert worden wäre.[239] Vor diesem Hintergrund ist aus Verteidigungssicht stets zu hinterfragen, ob aus einer ex ante-Sicht wirklich Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nach Art und Intensität nahe lagen, die einen Anlass für die später postulierten Aufsichtsmaßnahmen darstellten.[240]

Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung

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