Читать книгу 30 Minuten Gewohnheiten ändern - Markus Hornig - Страница 7

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1. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Warum fällt es den meisten Menschen so schwer, sich von negativen Gewohnheiten zu befreien bzw. gut gemeinte Vorsätze dauerhaft in die Tat umzusetzen? Die Zahlen sprechen alljährlich dieselbe Sprache: Über die Hälfte der Deutschen nehmen sich zum Jahreswechsel vor, ihr Leben zu ändern. Regelmäßig Sport treiben, abnehmen, weniger Stress haben oder mehr Zeit mit der Familie verbringen, sind die Klassiker unter den Neujahresvorsätzen. Leider schaffen es nur weniger als ein Viertel, diese Vorsätze nachhaltig in den Alltag zu integrieren. Welche „psycho-logischen“ Voraussetzungen gilt es auf dem Weg der Veränderung zu beachten? Welche Grundlagen des Gehirns sind dabei zu berücksichtigen und welche Strategie führt langfristig zum Erfolg?

1.1 Die (Miss-)Erfolgsquote der Veränderung

Dass die Deutschen durchaus gewillt sind, sich zum Besseren zu verändern, zeigt sich immer wieder zum Jahreswechsel. Gemäß dem Motto „Am 1. Januar fange ich an!“ wiederholen sich die Neujahresvorsätze, wie eine repräsentative Studie des Forsa-Instituts auch für das Jahr 2015 feststellte: Demnach nehmen sich 60 % der Deutschen vor, im neuen Jahr stressfreier zu leben. Auf Platz zwei und drei landen, jeweils mit 55 %, die Vorsätze, mehr Sport zu treiben und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. 48 % wollen sich mehr Zeit für sich selbst nehmen, 34 % wollen abnehmen, 28 % sparsamer sein, und 15 % nehmen sich vor, weniger fernzusehen bzw. online zu sein. Dazu passt ein aktuelles Ergebnis von Forschern der Universität von Pennsylvania: Sie haben nachgewiesen, dass der Begriff „Diät“ jeweils am 1. Januar um 82 % häufiger bei Google eingegeben wird als an den folgenden Tagen des Jahres. Gesundheit und Entschleunigung sind demnach die beiden Hauptkategorien, in die sich die Vorsätze der Deutschen zusammenfassen lassen. Diese Top 10 der gut gemeinten Vorsätze wiederholen sich Jahr für Jahr, was nicht verwunderlich ist, denn nur die wenigsten dieser Versuche der persönlichen Selbstoptimierung sind von Erfolg gekrönt. Leider schleicht sich zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein scheinbar nur äußerst schwer zu überwindender Widersacher ein: der innere Schweinehund! Er ist dafür verantwortlich, dass es nur ca. einem Viertel der Veränderungswilligen gelingt, die Vorsätze in die Realität umzusetzen. So berichtet der Focus in seiner Titelstory „So erreichen Sie Ihre Ziele“ (Focus, 47/2015), dass die Erfolgsquote bei der Umsetzung der Neujahrsvorsätze bei den Männern bei 28 % und bei Frauen bei 19 % liege.

Schockierend in diesem Zusammenhang ist das Ergebnis einer Studie des Psychologen Robert Kegan von der Harvard University. Er stellte fest, dass es nur einem von sieben Herzinfarktpatienten nach einer Bypass-Operation gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören bzw. sich gesünder zu ernähren. Konsterniert stellt er fest: „Wir glauben, die Patienten ändern ihr Verhalten, wenn für sie das Leben auf dem Spiel steht. Selbst der baldige Tod scheint nichts zu bewirken.“ (Focus, 2/2013, S. 104)

Studien belegen, dass es offenbar sehr schwer ist, den inneren Schweinehund zu überwinden. Die meisten guten Vorsätze werden nicht umgesetzt.

1.2 Veränderung ist möglich

Auch wenn diese Zahlen alles andere als optimistisch stimmen, darf man davon ausgehen, dass die Erfolgsquote um ein Vielfaches höher läge, hätten die Veränderungswilligen zwei Dinge zur Verfügung: fundiertes Wissen darüber, wie Veränderung im Gehirn funktioniert, und eine entsprechende Strategie. Der Emotionsforscher Rolf Arnold bringt es auf den Punkt: „Selbstveränderung ist möglich. Wir brauchen dazu Wissen und Mut. Zunächst gilt es zu lernen, nach welchen Mechanismen unser Denken, Fühlen und Handeln funktioniert“. (Zeit Wissen, 2/2010, S. 22)

Die Gehirnforschung hat mittlerweile einen guten Überblick darüber gewonnen, welche Mechanismen des Gehirns zu berücksichtigen sind, will man Vorsätze erfolgreich umsetzen. Das Credo der Neuroforscher lautet: Wir können uns ändern! Unser Gehirn kann umerzogen werden, wir können uns antrainieren, in bestimmten Situationen nicht mehr routine- bzw. gewohnheitsmäßig zu reagieren. Dafür sind zwei Voraussetzungen entscheidend: eine gehirngerechte Strategie, die auch die Bedeutung der Emotionen berücksichtigt, sowie eine Portion Geduld und Beharrlichkeit.

Denkbar ungünstig ist dagegen die irrige Annahme, ein Veränderungsprozess könne quasi nebenbei, sozusagen im Handumdrehen, abgewickelt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Persönliche Veränderung ist motivationspsychologisch betrachtet ein hartes Stück Arbeit. Wer sich dessen nicht bewusst ist, dessen Erfolgschancen stehen von Anfang an schlecht. Als „False-Hope-Syndrom“ bezeichnen es die beiden Wissenschaftler Janet Polivy und C. Peter Herman von der University of Toronto, wenn Menschen unterschätzen, wie schwierig die Auseinandersetzung mit sich selbst ist. Ihre Studien belegen, dass vor allem diejenigen, die zu viel auf einmal wollen – gemäß dem Motto: „Jetzt kremple ich mein ganzes Leben um!“ –, zum Scheitern verurteilt sind. Hoch motiviert, aber schlecht informiert ist eine denkbar ungünstige Ausgangsposition, die schnell zu unrealistischen Erwartungen und damit zur vorprogrammierten Enttäuschung führt.

Veränderung als Projekt betrachten

Generell erweist es sich als günstig, den Veränderungsprozess als persönliches Projekt zu betrachten. Wer sich z. B. sagt: „In Zukunft gehe ich jeden zweiten Tag eine halbe Stunde joggen!“, bei dem tauchen postwendend innere Widerstände auf. Besser ist es, sich erst einmal einen überschaubaren Zeitraum vorzunehmen, wie z. B.: „Mein persönliches Projekt für die nächsten zwei Monate besteht darin, zweimal in der Woche zu joggen!“ Darüber hinaus ist es sinnvoll, sein persönliches Projekt mit einem Slogan zu versehen, etwa: „Der Herbst 2016 wird der Herbst des Laufens!“

Solch eine mentale Ausgangsposition verspricht von Anfang an größere Erfolgschancen, weil es sich zum einen um einen überschaubaren Zeitraum handelt und weil man sich zum anderen die Option offenhält, nach Ablauf dieses Zeitraums wieder zum alten Leben zurückzukehren. Ob dies dann tatsächlich der Fall sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Trick dabei ist: Wer erst einmal in Fahrt gekommen ist und erste Erfolgserlebnisse ausgekostet hat, dessen Chancen steigen, das gewünschte Verhalten auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.

Die Chancen, das eigene Verhalten zu ändern, steigen, wenn man sich bewusst ist, dass sich Gewohnheiten nicht einfach so nebenbei ändern lassen.

1.3 Gehirngerechte Strategie

Dass es nicht so einfach ist, Gewohnheiten zu ändern und gute Vorsätze in die Tat umzusetzen, zeigt schon der Blick in die Anatomie unseres Gehirns. Sitz unserer Vernunft ist die Großhirnrinde, genauer gesagt der sogenannte präfrontale Kortex. Diese überaus kleine Struktur mit dem Durchmesser einer halben Streichholzschachtel und einer Dicke von lediglich drei Millimetern ist zuständig für unser bewusstes Denken, das Treffen von Entscheidungen, das Umsetzen von Vorsätzen sowie das Unterdrücken von Impulsen. Alle anderen unter dieser ca. drei Millimeter dünnen Schicht der Großhirnrinde liegenden, tieferen Strukturen des Gehirns arbeiten hingegen unbewusst.

Als einen regelrechten Wettstreit der Systeme bezeichnen die Psychologen Professor Fritz Strack und Professor Roland Deutsch von der Universität Würzburg den Konflikt zwischen Selbstbeherrschung auf der einen und der Macht des inneren Schweinehunds auf der anderen Seite, also den Kampf zwischen dem „reflektiven“ und dem „impulsiven“ System. Das reflektive System ist zuständig für die Kontrolle des Verhaltens. Es ermöglicht uns, unsere Aufmerksamkeit auf etwas zu richten und uns zu konzentrieren, und ebenso benötigen wir es, um Entscheidungen abzuwägen und zu treffen, und nicht zuletzt, um unerwünschte Impulse zu unterdrücken. Es ist immer dann gefordert, wenn es darum geht, langfristige Ziele umzusetzen und dabei gegenwärtige Versuchungen im Zaum zu halten. Letztendlich dient es der Selbstbeherrschung, der Selbstkontrolle und dem Selbstmanagement. Demgegenüber steht das impulsive System, das auf unmittelbaren Lustgewinn ausgerichtet ist und das man als den Wohnsitz des inneren Schweinehunds beschreiben könnte.

Wenn es darum geht, Vorsätze nachhaltig umzusetzen, gilt es, dieses Modell zu verstehen und durch systematisches Training die zwei Systeme zu synchronisieren und zu einem Team zu formen.

Mehr als die Hälfte aller Deutschen haben Neujahrsvorsätze, doch weniger als einem Viertel gelingt es, diesen Vorsätzen dauerhaft Taten folgen zu lassen. Dabei fehlt es weniger am Willen als vielmehr an einer gehirngerechten Strategie sowie am Wissen darüber, wie Selbstveränderung aus psychologischer Sicht funktioniert.
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