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Оглавление[21]II. | Spezifische Herausforderungen – Individuelle Bedingungen |
Worum es geht:
Die spezifischen Herausforderungen in der Wissenschaft ergeben sich nicht nur aus institutionellen Rahmenbedingungen, sondern vor allem aus individuellen Faktoren. Auch diese müssen in Rechnung gestellt werden, damit einzelne Methoden der Selbstorganisation nachhaltige Verbesserungen bewirken können. Dazu gehören ein Bewusstsein der eigenen Werte und Klarheit über dadurch bestimmte Rollenbilder, Selbsterkenntnis in Bezug auf individuelle Verhaltenspräferenzen und die Berücksichtigung des ganzen Lebenshorizonts, innerhalb dessen alle großen Lebensziele zu integrieren sind.
„Wir haben nicht zu wenig Zeit, aber wir verschwenden zu viel davon. Auch zur Vollbringung der größten Dinge ist das Leben lang genug, wenn es nur gut angewendet wird.“
Seneca: Von der Kürze des Lebens 1
1 | Orientierung durch Wertbewusstsein und Rollenklarheit |
Worum es geht:
Werte steuern Lebensweisen und Entscheidungen und geben Orientierung für das Denken und Handeln des Menschen. Sie prägen die Identität und werden in Zielen operationalisiert. Persönliche Werte entstehen schon sehr früh durch das soziale Umfeld, meist Elternhaus und Schule, und entwickeln sich später weiter aus einer fortlaufenden Wahl und Gewichtung, geformt durch eigene Erfahrungen und Lebensumstände. Wie Sie die Welt und die Menschen sehen, Ihre Zeit gestalten, welchen Arbeitsplatz in welcher Organisation Sie wählen, wie Sie Entscheidungen treffen, wie Sie Ihren Neigungen nachgehen, Ihren Beruf ausüben, die Art und Weise, wie Sie mit Kollegen und Kolleginnen umgehen, sich in ein Team einfügen oder es führen, hängt sehr von den eigenen Werten ab.
Sie brauchen eine Vorstellung davon, was Ihnen wirklich wichtig ist, um mit sich, den getroffenen Entscheidungen und Ihrem Lebensstil im Reinen zu sein. Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Werte in der Arbeit zu leben, wird sie Ihnen Freude, Befriedigung und Erfolg bringen. Das Gleiche gilt für Ihr Privatleben.
Unsere Gesellschaft wandelt sich rasch, und entsprechend ist viel von einem generellen Wertewandel zu hören, mit der allgemeinen Tendenz von Pflichtwerten hin
[22]zu Selbstentfaltungswerten und von materiellen zu postmateriellen Werten. Umso wichtiger ist es, einen persönlichen Wertekatalog zu erstellen. Klaffen die eigenen Werte und die der Organisation auseinander, so führt dies zu einer inneren Anspannung, die ein zielgerichtetes Arbeiten nur mehr schwer zulässt. Darum implementieren Unternehmen Instrumente des „Wertemanagements“.
Mithilfe dieses Kapitels können Sie sich bewusster werden, welche Werte für Sie unverzichtbar sind, und welche anderen, vielleicht auch abhängig von der jeweiligen Lebensrolle oder bestehenden äußeren (wirtschaftlichen) Zwängen, nicht immer oder weniger intensiv gelebt werden können. So werden Sie flexibler und zugleich stärker in Ihrem Agieren.
Motive – Zufall oder Selbstverwirklichung?
Werte motivieren Menschen. Welche Motive sind es, die wissenschaftlich Tätige leiten, Phasen der Frustration aushalten und durchstehen lassen und oft sogar in die Selbstausbeutung treiben? Welche Werte bringen Sie z.B. dazu, mehr Zeit als unbedingt notwendig in Projekt X zu investieren, sich für Kollegin Y einzusetzen, eine Funktion in einem nicht prestigeträchtigen Gremium zu übernehmen oder die Ziele anderer vor die eigenen zu stellen?
An intrinsischer Motivation mangelt es Menschen, die sich für eine wissenschaftliche Laufbahn entscheiden, nicht. Wissenschaft ist kein Beruf, sondern Berufung: „Es ist mein Beruf, es ist mein Leben, es ist meine Liebe.“5 Wissenschaft ist, so will es nicht nur der Mythos, sondern zeigt auch immer wieder die Realität, kein „nine to five“-Job. Arbeit und Freizeit fließen ineinander über. Die eigentliche Forschungstätigkeit findet sehr oft erst in den Abendstunden oder am Wochenende statt. So klagen Teilnehmende unserer Seminare immer wieder, dass es ein Spezifikum im deutschsprachigen Raum sei, dass Forschung zur Privatsache deklariert wird und gleichzeitig den Kern der universitären Tätigkeit darstellt.
Wer weiterkommen will, muss publizieren. In der Praxis beherrschen aber oft administrative Tätigkeiten oder zeitaufwendige Funktionen in Studien- oder Austauschprogrammen den wissenschaftlichen Alltag. Je tiefer in der Hierarchie man angesiedelt ist, umso geringer ist die Chance, sich hier auszuklinken. Wissenschaftliches Tätigsein erfordert also auf lange Sicht gesehen ein sehr hohes Maß an Selbstmotivation und Frustrationstoleranz.
[23]Der Eintritt in die Wissenschaft ist häufig durch Zufall bestimmt. Er geschieht z.B. im Rahmen eines Tutoriums oder einer Projektmitarbeit und resultiert später oft in einem „Wursteln“ von Projekt zu Projekt. „Einmal auf den Zug universitärer Gelehrsamkeit aufgesprungen, ,ergibt‘ sich alles andere von selbst“, wie das häufig ausgedrückt wird. „Es hat sich einfach ergeben. Die Laufbahn war da. Ich habe sie nur mehr beschreiten müssen. Das ging wirklich … relativ von selbst durch diesen Anstoß am Anfang … und so lief das eben weiter. Mehr oder minder wie auf Schienen, muss ich sagen.“6
Doch die „Laufbahn auf Schienen“ hat sich seit dem österreichischen Universitätsorganisationsgesetz von 2002 und vergleichbaren Reformen in anderen Ländern ziemlich aufgehört. Die Frage der Anstellung wird immer mehr zu einem Lotteriespiel. Das „drittmittelfinanzierte“ Leben ist einerseits für die meisten auf Dauer, mit zunehmendem Lebensalter oder wachsenden familiären Verpflichtungen nicht wirklich erstrebenswert. Andererseits hat man jedenfalls nach einer Promotion schon einen guten Teil seines Lebens in die Wissenschaft investiert. Da der Umstieg in die Privatwirtschaft oder Selbständigkeit für über Vierzigjährige oft nur schwer möglich ist, müssen berufliche Motive und Ziele immer wieder reflektiert und Entscheidungen getroffen werden.
Welchen Stellenwert hat der wissenschaftliche Beruf für mich?
Inwieweit ist er eine Berufung, inwieweit ein Job?
Beinhaltet die wissenschaftliche Existenz für mich das Ziel, ein Gebildeter oder eine Intellektuelle zu sein – über die Fachexpertise hinaus?
Wie viel Zeit bin ich bereit, in meine Berufsrollen zu investieren?
Wie soll daneben mein Familien- und Privatleben aussehen? Wie will ich es gestalten?
Wie gut kann ich mit Ungewissheit leben?
Wie gehe ich mit Frustrationen um?
Wie gut kann ich mich selbst motivieren?
Klarheit über die motivierenden Werte hilft, eine negative Motivationsdialektik zu vermeiden, von Hoffnung über Verzweiflung zum Trotz.
Dient Wissenschaft der Selbstverwirklichung oder dem Wunsch, einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten, oder der Wissbegierde und dem Forschungsdrang? Trifft eine dieser Wertkonstellationen zu, so unsere[24] Erfahrung, lässt sich vieles an Frustration, zeitlichem Mehraufwand und Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen. Überwiegt hingegen das Zufallsprinzip oder fehlen berufliche Alternativen, so wird sich der Weg in der Wissenschaft, so wie er sich heute abzeichnet, nur mit sehr viel Selbstdisziplin gehen lassen.
Lehre, Forschung und Administration –Die Kunst, allen Berufsrollen gerecht zu werden
Wie viele Rollen von Ihnen gelebt werden, hängt von Ihrer momentanen beruflichen und privaten Lebenssituation ab. Wie Sie diese ausfüllen möchten, hängt von Ihnen selbst, also Ihren Zielen, Prioritäten, Erwartungen und Werten ab. Vor allem Ihre Werte bestimmen, wie viel Zeit Sie – jenseits des Minimums – in verschiedene Aufgaben investieren.
Per definitionem beschreibt und erklärt die Rollentheorie einerseits die Rollenerwartungen und -festlegungen und andererseits, welche Spiel- und Handlungsfreiräume dem Individuum in einer Rolle offenstehen. Sie beschäftigt sich damit, wie gesellschaftlich vorgegebene Rollen erlernt, verinnerlicht, ausgefüllt und modifiziert werden.
Das eigene Rollenbild zu entwerfen, es immer wieder weiter zu entwickeln und zu pflegen, ist eines der Geheimnisse erfolgreicher Lebensentwürfe. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Ihre Rollen regelmäßig einer Inspektion zu unterwerfen, um herauszufinden, ob Sie sich noch auf dem richtigen Weg befinden und über genügend Ressourcen für die Erledigung aller Aufgaben verfügen. Aber auch Lebensvision und -ziele sollten immer wieder überprüft und gegebenenfalls adaptiert werden.
Ist in meinem persönlichen Rollenbild die Lehre prioritär oder verstehe ich mich selbst eher als forschungsorientiert?
Sehe ich meine Rolle primär im Umfeld meiner Universität oder will ich eine internationale Wirkung entfalten?
Wie sieht meine ideale Balance zwischen berufsrelevanten und privaten Rollen aus?
Wann immer Sie eine neue Position antreten, stellen Sie sich selbstkritisch und ganz unbeschönigt die Frage, welche Aufgaben damit verbunden sind, ob diese in Ihren Lebensentwurf passen und wie Sie sie ausfüllen möchten. Insbesondere wenn Sie Führungsverantwortung übernehmen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie damit ein gänzlich neues [25]und anderes Aufgabengebiet übernehmen, oft fern der bisherigen Expertentätigkeit. Hier gilt es vor allem ein Team zusammenzuhalten, Konflikte zu schlichten, Gelder aufzutreiben und sich und die Organisation zu vermarkten.
Ob Sie sich hier eher als ein Handlungssubjekt mit der notwendigen Leichtigkeit und Gestaltungsmöglichkeit sehen oder als eine Person, der das Leben immer wieder Rollen oktroyiert, entscheidet in hohem Ausmaß darüber, wie selbstbestimmt und autonom Sie sich erleben. Wer versucht, allen (vermuteten) Rollenerwartungen der anderen zu entsprechen, kann sehr rasch in einen Teufelskreislauf geraten nach dem Motto „Allen Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“. Vorbilder helfen hier auch nicht immer weiter. Zu sehr hat sich das Berufsleben in den letzten Jahren verändert mit seiner Forderung nach steter zeitlicher Flexibilität, örtlicher Mobilität, Geschwindigkeit im Tun und Erreichbarkeit rund um die Uhr. Es bedarf hier einer konsequenten Festlegung und Absteckung des eigenen Weges, um nicht zum Handlanger anderer Interessen zu werden. Denn ob man sich als Gestalter bzw. Gestalterin oder als Opfer seiner Rollen erlebt, bedeutet einen großen Unterschied für die Lebenszufriedenheit. Das Gefühl, das eigene Leben selbst in der Hand zu haben, ist die beste und einfachste Prophylaxe gegen Burnout.
Mögliche Rollen: 7
Forschung
Lehre
Autor/Autorin bzw. Herausgeber/Herausgeberin
Organisation von Kongressen und Tagungen
Vortragende/-r
Mentoring
Gutachten
Gremientätigkeit
Führungskraft
Kollege/Kollegin
„Lokalmatador“ oder „global player“?
Private Rollen: Sohn/Tochter, Freund/in, Vater/Mutter etc.
Die meisten Rollen lassen sich noch in Unterrollen aufteilen, die wiederum die unterschiedlichsten und oft völlig gegensätzlichen Anforderungen an Sie stellen. Extrovertiert und Menschen zugewandt in der Lehre, akribisch [26]genau und auch des Alleinseins fähig in der Forschung, rhetorisch brillant und sprachkundig bei Vorträgen, einfühlsam und zielgerichtet zugleich bei Besprechungen und beim Netzwerken, effizient in der Administration... All diese Qualitäten in sich zu vereinen, erinnert an die Forderung nach einem wissenschaftlichen „Wunderwuzzi“, der Sie kaum gerecht werden können. Sie müssen also Prioritäten setzen, die Weiterentwicklung mancher Fähigkeiten in langfristigen Plänen auf später verschieben und Kompromisse schließen. Halten Sie sich an Ihre ganz persönlichen Rollendefinitionen8 und konzentrieren sich auf die Stärken in den einzelnen Rollen, denn nur so können Sie Exzellenz entwickeln.
Welche und wie viele Lebens- und Berufsrollen kann und möchte ich derzeit wahrnehmen?
Wie möchte ich die einzelnen Rollen leben?
Wie werde ich den unterschiedlichen Anforderungen, die die einzelnen Rollen an mich stellen, gerecht? Wo sehe ich meine Stärken, aber auch Schwächen?
Was, glaube ich, erwarten andere (Organisation, Vorgesetzte, Kollegen/ Kolleginnen, Gesellschaft, Familie, Freunde) von mir in diesen Rollen?
Werde ich diesen Erwartungen gerecht bzw. möchte ich das überhaupt?
Wie werde ich mit der Diskrepanz zwischen Erwartungen anderer und meinen eigenen Erwartungen an die unterschiedlichen Rollen umgehen?
Werden Sie sich über Ihre Rollen und Aufgaben klar und wie Sie diese erfüllen möchten, insbesondere wenn Sie sich beruflich (neu) orientieren. Je eher Sie dies tun, umso besser können nicht nur Sie selbst, sondern auch Ihre Umgebung sich darauf einstellen.
Halten Sie sich dabei nicht zu sehr an die Vorstellungen der anderen oder an erlebte Vorbilder, sondern schaffen Sie eine für Sie maßgeschneiderte Lösung.
Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit zur Standortbestimmung, priorisieren Sie Ihre Rollen, reflektieren Sie die Ziele, die Sie sich darin stecken. Haben Sie den Mut, Rollen und Aufgaben aufzugeben. Halten Sie sich dabei an das Prinzip: Wann immer ein Bereich dazukommt, wird etwas anderes abgegeben oder reduziert.
Oft liegt die Herausforderung gar nicht in der Vielzahl an Rollen und der Zeit, die sie kosten, sondern in der Energie, die hier investiert wird. Überprüfen[27] Sie also regelmäßig, ob es auch die für Sie selbst wirklich wichtigen Rollen sind, für die Sie die meiste Energie aufbringen.
Das Leben ist natürlich häufig ein Kompromiss. Gegen den Strom zu schwimmen, kostet oft unnötig Kraft. Überlegen Sie daher, wo Sie Kompromisse machen können und wollen. Bedenken Sie aber auch, dass ein Leben gegen die eigenen Werte und Vorstellungen auf Dauer zu Unzufriedenheit oder sogar Burnout führen kann.
Wertediskrepanzen
Wann immer Sie berufliche Entscheidungen zu treffen haben, sollten Sie die Werte, die in der betreffenden Organisation gelebt werden, überprüfen und mit Ihren eigenen vergleichen.9 Überlegen Sie, in welcher Unternehmenskultur Sie sich wohlfühlen und Ihr Bestes bringen können. Entscheidende Faktoren können etwa die Größe einer Organisation, die Anzahl der Subeinheiten, die Frage der Internationalität, herrschende Strukturen, Verwaltungsabläufe, Hierarchien sowie der Umgang miteinander sein.
Sehr oft werden wissenschaftliche Institutionen im Vorfeld glorifiziert. Da die Beschäftigung mit Wissenschaft einer „besseren Sache“ dient, müssen zwangsläufig auch die Akteure „bessere Menschen“ sein, so die Vermutung des wissenschaftlichen Nachwuchses.10 Umso größer ist natürlich später die Enttäuschung, wenn die beim Bewerbungsgespräch besprochenen, oft sogar in Leitbildern niedergeschriebenen Werte im Alltag nicht gelebt werden. Solche Erfahrungen können sein, dass statt eines Miteinanders Konkurrenzdenken vorherrscht und Entscheidungen nicht auf sachlichen, sondern rein emotionalen oder taktischen Überlegungen beruhen. Es kann aber auch sein, dass sich der Job immer mehr zu einer administrativen Tätigkeit entwickelt, die mit unvorhergesehenen Repressalien eingefordert wird, und dass Habilitierte sich um ihre Zukunft und [28]somit ihren Lebensentwurf betrogen sehen, da mündliche Zusagen von heute auf morgen ihre Gültigkeit verlieren.
Organisationswandel bedeutet sehr oft auch Wertewandel. So berichten unsere Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen immer wieder, dass viele der Qualitäten, deretwegen sie sich für den Arbeitgeber Universität entschieden hätten, verloren gegangen seien. Dies führt zu einer wachsenden Unzufriedenheit, die sich wiederum immer stärker auf die Leistung und das eigene Arbeitsverhalten auswirkt. Es fehlt etwa Zeit für gute Gespräche sowohl fachlicher Natur als auch für Zwischenmenschliches. Unsichere Karriere- und Vertragsverhältnisse sowie zunehmender Druck unterbinden das gemeinsame Denken und Tun, weshalb Wissen und Ideen oft nicht mehr ausgetauscht, sondern im Geheimen entwickelt werden.
Freiheit in der Zeit- und Arbeitseinteilung, selbständiges Arbeiten, Selbstbestimmung sind unserer Erfahrung nach sehr oft Motive, sich für die Wissenschaft und den Arbeitsort Universität zu entscheiden. Wie im Kapitel I. erläutert, erfordert diese Freiheit aber auch ein hohes Maß an Selbstdisziplin und eine Selbstverpflichtung zu den gesteckten Zielen. Was man vermeiden wollte, nämlich die Bestimmung durch andere, bedeutet nun, sich selbst disziplinieren zu müssen. Das heißt, konsequent zu planen, Tagesstrukturen einzuhalten, den wichtigen Arbeiten Priorität einzuräumen und sich nicht in den vielen nebensächlichen Tätigkeiten zu verlieren. Denn oft ist niemand da, der Abgabetermine einfordert, Arbeitsfortschritte wahrnimmt, Probleme bespricht oder ganz einfach im Arbeitsalltag unterstützt. Es fehlt das Feedback, das gerade für junge Menschen so wichtig wäre, um zu wissen, ob man fachlich und auch persönlich auf dem richtigen Weg ist.
Diese Realität führt sehr oft zu einem Verschieben von Fristen und Terminen, zu Selbstzweifeln über den eingeschlagenen Weg und einzelne Tätigkeiten, schließlich zu wachsender Unzufriedenheit mit sich selbst. Die Freiheit im rechten Maß nützen zu können, ist eine Kunst, die es oft erst zu erlernen gilt.
Vergleichen Sie bei beruflichen Entscheidungen Ihre Werte und jene der Organisation. Rechnen Sie aber auch damit, dass es hier zu Änderungen kommen kann. Versuchen Sie gegebenenfalls, mit den veränderten Bedingungen produktiv umzugehen anstatt gegen nicht Veränderbares ständig anzukämpfen.
Jede Sache hat – mindestens – zwei Seiten. Wenn Sie vermehrt mit administrativen Belangen betraut werden, so kostet dies Zeit, aber Sie lernen auch eine Menge dazu (z.B. Projekt- und Personalorganisation, Rechnungswesen[29] etc.), was Ihnen später in einer Leitungsfunktion zugute kommen kann.
Sehen Sie Ihre Situation fallweise mit distanziertem Blick, so als ob jemand anderer betroffen wäre.
Lernen Sie, mit Konkurrenzsituationen umzugehen, Angriffe nicht zu ernst und auch nicht (zu) persönlich zu nehmen. Distanz erweitert Ihr persönliches Handlungsrepertoire und damit Ihre Souveränität.
Bedenken Sie, dass Freiheit und Selbstbestimmung einen Preis haben. Ohne eine gute Planung, materielle Bescheidenheit und Selbstdisziplin werden Sie Ihre Ziele nur schwer erreichen.
Werteprofil
Werte sind lebensbegleitend und identitätsstiftend. Trotzdem können sich Ihre Werte im Lebensablauf und von Rolle zu Rolle verschieben. Was privat an erster Stelle steht, ist möglicherweise beruflich weniger wichtig oder kann hier vielleicht im Moment nicht gelebt werden. Auch innerhalb der beruflichen Rollen wird es immer wieder zu Verschiebungen kommen, meist ausgelöst durch persönliche Erfahrungen oder existenzielle Notwendigkeiten. Wenn Sie eine Familie erhalten müssen, werden Sie sich vermutlich weniger für rein ideelle Tätigkeiten und eher für lukrative Aufgaben (bezahlte Gutachten, Projekte mit der Wirtschaft u.Ä.) entscheiden.
Wenn Sie sich hier immer wieder Klarheit über das Verhältnis zwischen Ihren Wünschen und der momentanen Lebens- bzw. Berufsrealität verschaffen, wird das Ihrem Wohlbefinden und Energiehaushalt, Ihrer Zielgerichtetheit und Leistungsfähigkeit gut tun.
Eine Priorisierung Ihrer Werte als Mensch, bei der Arbeit und in unterschiedlichen Rollen verhilft Ihnen zu mehr Klarheit bei Entscheidungen und im Umgang mit Zeit: Vielleicht ist es Ihnen wichtig, bei der Benotung von Prüfungsarbeiten besondere Fairness walten zu lassen. Das bedeutet eine zeitliche Investition in die Erarbeitung von Bewertungskriterien, die klar nachvollziehbar sind. Wenn Ihnen viel an einem guten Klima im Team liegt, dann werden Sie wahrscheinlich Zeit für konstruktive Gespräche reservieren. Vielleicht können Sie Ihre Arbeit erst dann zur Seite legen und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen, wenn Sie Ordnung und Struktur in Ihren Unterlagen oder auf Ihrem Schreibtisch geschaffen haben. Dann sollten Sie dies für Ihre eigene Zufriedenheit tun, ohne aber auf allen Gebieten möglichen perfektionistischen Ansprüchen nachzugeben.
Sie brauchen ein persönliches Qualitätsmanagement, sodass Ihre Arbeitsweise möglichst gut Ihrem Werteprofil entspricht. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass manche Werte polar zueinander und damit nicht gleichzeitig verwirklichbar sind. Sie kontrastieren, ohne einen ausschließenden Gegensatz zu bilden, der eine Entweder-oder-Entscheidung erforderte. Genauigkeit und Schnelligkeit des Arbeitens etwa sind beides positive Werte (gegensätzliche Unwerte wären Schlamperei und Trödelei), oder Sie müssen bei einer gegebenen Aufgabe entscheiden, auf wie viel Geschwindigkeit Sie verzichten, um hinreichend genau zu arbeiten und wie Sie Ihren Perfektionismus zähmen, um schnell genug zu sein.
In Bezug auf Benotungen wären Gerechtigkeit und Nachsicht (oder Rücksicht z.B. auf sprachliche Schwierigkeiten bei ausländischen Studierenden) ein ähnliches polares Wertepaar. Zwischen einer Haltung, die mit der Maxime „fiat iustitia, pereat mundus“ charakterisiert wird, und dem Unwert der Ungerechtigkeit gibt es ein Spannungsfeld zwischen wertvoller Gerechtigkeit und ebenso wertvoller Milde oder Billigkeit. In Anbetracht einer Herausforderung oder Gefahr geht es beispielsweise nicht nur um den Gegensatz von Mut und Feigheit, sondern auch um die Kontraste von Mut und Vorsicht zwischen den Untugenden und Unwerten des Übermuts und der Feigheit.11
[30]
Wenn wir kritisiert werden, neigen wir oft dazu, unser Verhalten vom entgegengesetzten Unwert abzuheben („Ich kann doch nicht ewig dieses Kapitel verbessern“ oder „Ich kann doch keinen schlampigen Beitrag einreichen“). Doch die Kunst besteht darin, die rechte Mitte zu verwirklichen, die sowohl sachangemessen wie auch mit den eigenen Werten kompatibel ist.
Es gibt Werte, die Sie um Ihrer selbst willen auf jeden Fall einlösen müssen, und solche, auf die Sie fallweise verzichten können. Werden Sie sich [31]der Beweggründe und Motive Ihres Handelns bewusst und erstellen Sie einen nach Rollen gegliederten Wertekatalog. Bewusstheit schafft Handlungskompetenz und befreit Sie aus einer Opferrolle.
In welchen oder zwischen welchen Bereichen meines Lebens kommt es (immer wieder) zu Wertekonflikten? Wie ging ich bisher bzw. wie gehe ich derzeit damit um?
Wie löse ich externe Wertkonflikte, wenn ich etwa Beruf und Familie den gleichen Stellenwert gebe, meine Umgebung dafür aber wenig Verständnis zeigt?
Persönliche Werte-Hierarchie
Werte sind in aller Munde und auch in Soziologie und Philosophie wieder viel diskutiert. Dennoch gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Werten (etwa im Unterschied zu Tugenden oder Fähigkeiten) und keinen Konsens, wie verschiedene Arten von Werten zu klassifizieren sind.12 Diese Fragen und auch die alten Debatten um die Subjektivität oder Objektivität von Werten, um deskriptive oder präskriptive, substantielle oder attributive Verwendungsweisen des Begriffs müssen hier ausgeklammert bleiben. Der Zweck der folgenden, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden Tabelle ist ausschließlich praktischer Natur: Sie soll zu etwas mehr Klarheit bei der Selbsterkenntnis und -bestimmung verhelfen.
Dafür wurde hier eine einfache Einteilung in drei Kategorien vorgenommen. Manche Wertbegriffe sind genereller oder prinzipieller Natur (wie etwa Dankbarkeit, die hier gar nicht zugeordnet wurde), andere spezieller. Der Phänomenreichtum ist wichtiger als eine strikte Klassifikation. Einteilungskriterium gemäß der linken Spalte ist, ob ein Wert am meisten auf einen selbst, auf andere oder auf Sachen bezogen ist, aber natürlich betreffen viele auch die beiden anderen Bereiche. Eine hohe Trennschärfe zu erwarten, ist hier fehl am Platz.13
Sie können in den rechten Spalten jedem Wert 1 bis 5 Punkte geben, um abzuschätzen, wie wichtig er Ihnen ist. Suchen Sie dann Ihre zehn wichtigsten Werte und schreiben Sie diese unten heraus, um sie abschließend nochmals in eine Reihenfolge zu bringen.
[32]
[33]
[34]
[35]2 | Selbsterkenntnis: Individueller Verhaltensstil |
Worum es geht:
So unterschiedlich wie die spezifischen Herausforderungen an wissenschaftlich Tätige aufgrund ihres Faches, ihrer Stelle und Position, so verschieden wie ihre Lebenssituationen, Ziele und Werte sind auch ihre persönlichen Charakterzüge, Verhaltensstile und Arbeitsweisen mitsamt individuellen Stärken und Schwächen. Darauf ist einzugehen, damit Sie diejenigen Methoden auswählen und umsetzen können, die eine nachhaltige Verbesserung der Selbstorganisation bewirken. Denn die persönlichen Verhaltenspräferenzen haben erheblichen Einfluss auf das Zeitmanagement.
Individualität und Zeitgestaltung
Jeder Mensch ist einzigartig, ist ein Individuum im emphatischen Sinn. Das betrifft alle Ebenen: die biologische (vgl. Fingerabdruck oder genetische Ausstattung), die kognitive (Intelligenzprofil14), die ethische im Sinn des in Werten und Zielen ausgeprägten Ethos, die geschichtliche, kulturelle und gesellschaftliche Lebenssituation mit ihren Einflüssen, aber auch den Verhaltensstil. Selbstverständlich hängt das alles miteinander zusammen und bedingt sich gegenseitig mehr oder weniger. Vieles davon beeinflusst die persönliche Zeitgestaltung, etwa die Tagesleistungskurve, der Energiehaushalt, der Denkstil, die Reihenfolge der zu verwirklichenden Werte, Traditionen und sozialer Status sowie vor allem der Charakter.
Manche springen frühmorgens voller Energie aus dem Bett, andere sind erst am späten Vormittag ganz einsatzbereit, dafür aber auch spät abends noch wach. Italiener halten, wo möglich, eine lange Mittagspause, während Amerikaner gewohnt sind, das Essen nach einer halben Stunde zu beenden und an den Schreibtisch zurückzukehren. Die einen sind in der Lage, sich leicht zwei Stunden lang auf eine Sache zu konzentrieren, während die anderen öfters zwischen verschiedenen Tätigkeiten wechseln. [36]Manchen helfen große Tabellen und detaillierte Pläne beim Zeitmanagement, andere werden davon in Schrecken versetzt und kleben sich lieber Erinnerungszettel mit kleinen Bildchen oder Symbolen auf den Computer und die Schreibtischplatte oder an die Türe. Die einen haben immer ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen, weil sie für sie da sein wollen, während die anderen begrenzte Sprechstunden einführen und ansonsten die Bürotüre schließen und das Telefon abstellen. Die eine analysiert und entscheidet schnell, der andere hält das für schlampig und besteht auf einer gründlichen Diskussion aller relevanten Gesichtspunkte.
Viele Zeitmanagement-Ratgeber und Trainings nehmen auf die Individualität wenig Rücksicht und können es auch schwer, da es objektiv schwierig ist, in einem Buch, dessen Leser unbekannt sind, oder in einem kurzen Seminar allen möglichen Stilen gerecht zu werden und individuell treffsichere Hilfen anzubieten. Sie beschränken sich notgedrungen auf allgemeine Regeln und Standardtipps und überlassen deren Auswahl und Adaptierung ganz der Leserin oder dem Trainingsteilnehmer. Je mehr aber ein Beruf von der Persönlichkeit dessen, der ihn ausübt, geformt wird, je gestaltungsoffener er ist, umso wichtiger ist es, der Individualität Rechnung zu tragen.
Wie kann man diesem Ziel etwas näher kommen? Eine Möglichkeit ist die Typisierung, also eine Ebene zwischen der Individualität im strengen Sinn und dem Allgemeinen, das für alle gelten soll, zu nutzen. Auf dieser Basis können dem Einzelnen Hilfen angeboten werden, sich selbst einzuschätzen und konkreter weiterzuarbeiten an der Anpassung der Zeitmanagement-Instrumente und Strategien an sein oder ihr persönliches Verhalten.
Nicht nur der Beruf an sich, sondern auch die Selbstorganisation, also nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wie“ muss, so gut es geht, zur individuellen Persönlichkeit passen. Wo das auf Dauer nicht zusammenstimmt, wird es sehr anstrengend, hohe Leistungen zu erbringen. Umgekehrt winkt Erfolg dort, wo jemand sein Umfeld und seine Routinen so organisiert hat, dass die persönlichen Stärken genutzt werden und die Schwächen nicht zu sehr bremsen. Noch besser ist es, von der individuellen Selbsterkenntnis bis zu einer Selbstentwicklung zu kommen, sodass die eigene Person in ihrem ganzen Potenzial ausgeschöpft wird, um den verschiedenen situativen Anforderungen besser zu entsprechen. Es geht also um eine wechselseitige Anpassung von Umfeld und Verhalten, die wir alle intuitiv ständig leisten, die aber bewusst verbessert werden kann, um Reibungsverluste, die bis zu Blockaden gehen können, zu vermeiden. Wer eine hohe Fähigkeit zu einer solchen Übereinstimmung erreicht hat, bemerkt das durch schnelleres und effektiveres Arbeiten, höhere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit und im [37]Normalfall mehr Erfolg. Von solchen Menschen wird oft gesagt, sie seien „ganz sie selbst“ bei dem, was sie tun – ob es nun die stille und einsame Arbeit am Schreibtisch ist oder die begeisternde Vorlesung, effektives Führungshandeln oder wertvolle kollegiale Mitarbeit im Forschungsteam.
Warum geht eine Dozentin gerne in mündliche Prüfungen und genießt es, die Studierenden bei der Gelegenheit ein Stück weit persönlich kennenzulernen, hat auch nichts dagegen, dabei die Zeit zu überziehen, während ein anderer lieber Multiple-Choice-Tests entwickelt und einsetzt, weil sie eine standardisierte und rasche Benotung ermöglichen?15 Warum ergreift ein Institutsvorstand sofort eine sich bietende Gelegenheit, ein großes drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt zu beantragen, und setzt die dafür nötigen Schritte auch gegen Widerstände durch, während eine Kollegin sehr lange überlegt und am Ende mehr Bedenken und Gegenargumente ausformuliert hat als Konzepte? Warum scheint eine Professorin dankbar zu sein für persönliche Gespräche, nach denen sie sich rasch und inspiriert wieder ihrer Arbeit widmet, während ein anderer sich durch jeden Besucher aus der Konzentration herausgerissen und gestört fühlt?
Diese Beispiele zeigen, wie der individuelle Verhaltensstil die vielen täglichen zeitrelevanten Entscheidungen beeinflusst. Sie wollen nicht nahelegen, dass es in den diversen Situationen nur ein „richtiges“ Verhalten gäbe, wohl aber, dass es wichtig ist, seine spontanen Verhaltenspräferenzen zu kennen, Ursachen für Ineffektivität zu identifizieren und die Bedingungen, unter denen man gut arbeiten kann, auch gegenüber anderen zu sichern. Auch die angemessene Planung hängt davon ab.
Wie wichtig ist es mir, für das Entwerfen eines Vortrags oder das Verfassen einer Arbeit große Zeitblöcke zu reservieren, in denen ich Unterbrechungen ausschalte?
Wie wichtig ist es für mich, durch Diskussionen z.B. auf Tagungen Inspirationen zu erhalten?
Wie viel ruhige Abgeschlossenheit brauche ich, wie oft sollte ich meine Projekte in den mündlichen Diskurs einbringen?
Alle angeschnittenen Fragen erlauben eine interessante psychologische Debatte. Für eine solche ist hier nicht der Ort und die Zeit – unser Ziel ist, [38]Ihnen ein heuristisches Instrument an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe Sie Ihr persönliches Verhalten, dessen Wirkkraft und Dysfunktionalitäten Sie aus Erfahrung einigermaßen kennen, systematisch besser verstehen und steuern können. Wir verlassen uns dabei auf ein wissenschaftlich gut validiertes, praktisch hervorragend ausgearbeitetes und millionenfach bewährtes Persönlichkeitsmodell.
Ein Modell zur Beschreibung und Entwicklung des Verhaltens
Das aufgrund der theoretischen Arbeit von William Moulten Marsten von John G. Geier weiterentwickelte Modell16 beschreibt einen wesentlichen Faktor, der menschliches Verhalten steuert, welchen man umgangssprachlich und ungenau mit Charakter oder Persönlichkeit bezeichnet. Selbstverständlich spielen auch kognitive Überzeugungen und Werte eine wichtige Rolle bei Entscheidungen, und hinter den individuellen Verhaltensdispositionen stehen lebensgeschichtliche Erfahrungen seit der Geburt. Aber was das Modell erfasst, sind derzeit beobachtbare Verhaltenstendenzen, und das bedeutet ein Vierfaches:
Erstens geht es um Verhalten an der Schnittstelle von Person und Umwelt, das im Prinzip von anderen auch wahrgenommen werden kann – nichts tief im „Inneren“ oder der Vergangenheit Verborgenes. Zweitens geht es um spontane Tendenzen, die natürlich nicht automatisch umgesetzt werden, weil im Normalfall die Möglichkeit besteht, sich zu einer anderen Reaktion zu entschließen. In Stresssituationen jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit, den spontanen Verhaltenspräferenzen gemäß zu reagieren. Drittens sind diese das Individuum charakterisierenden Tendenzen oder Verhaltensdispositionen in gewissen Grenzen veränderbar. Sie haben sich in ständiger Auseinandersetzung mit der Umwelt entwickelt, angefangen bei den Eltern bis hin zu einem spezifischen Wissenschaftsstil, und können und müssen auch in Zukunft an neue Situationen und andere Menschen angepasst werden. Viertens haben wir alle durch diese meist intuitiven Anpassungsleistungen an diverse Ansprüche ein Repertoire von Verhaltensstilen entwickelt, die für verschiedene Situationen und Personen jeweils angemessener sind: Der Institutsvorstand wird als Chef etwas anders auftreten als in seiner Rolle als Vater eines Kleinkindes, oder die Assistentin wird in einer Kommissionssitzung etwas andere Verhaltenstendenzen[39] zeigen, als wenn ein Student in der mündlichen Prüfung verzweifelt zu weinen beginnt.
Daraus folgt, dass Sie bei Ihrer Selbsteinschätzung an eine typische Situation denken sollen, für welche Sie Ihre Verhaltenspräferenzen besser verstehen wollen.
Würde ein Sportsfreund mein typisches Verhalten anders beschreiben als eine Hörerin meiner Vorlesung?
In welchen häufigen beruflichen Situationen fühle ich mich sicher, spüre ich, dass ich die Anforderungen leicht erfüllen kann? In welchen Situationen bin ich unsicher und ahne, dass jetzt ein anderes Verhalten besser wäre?
Zwei Faktoren bestimmen unmittelbar das Verhalten eines Menschen: wie die Umwelt spontan wahrgenommen wird, als eher feindlich oder freundlich, und wie die Person sich selbst wahrnimmt, als stark oder schwach. Aus dieser Wahrnehmung resultiert, wie bestimmt oder zurückhaltend reagiert wird.
In der ersten Dimension gibt es eine Bandbreite von Wahrnehmung der Welt als herausfordernd und anstrengend auf dem einen Extrem, als förderlich und angenehm auf der anderen Seite. Darin spiegelt sich die fundamentale motivationale Dualität von Schmerz und Lust wider. Natürlich kann ein solcher Eindruck durch Überlegen korrigiert werden: Auch wer allgemein dazu neigt, seine Umwelt als positiv für sich wahrzunehmen, kann sich z.B. dessen bewusst werden, dass ein Gutachter im Habilitationskolloquium nicht wohlgesonnen ist, und wird entsprechend vorsichtiger agieren. Es geht aber hier darum, die spontane Färbung der Weltwahrnehmung zu erkennen und ebenso der Reaktionsneigung in der zweiten Dimension, also die unwillkürliche Disposition zu starkem, offensivem, bestimmtem oder zu defensivem, zurückhaltendem Auftreten.
Um mit den beiden Dimensionen, die Verhalten bestimmen, vertrauter zu werden, zeichnen Sie sich zwei Skalen: Auf der einen tragen Sie ein, wie die Welt auf Sie wirkt zwischen den Polen „anstrengend“ und „angenehm“, auf der zweiten, wie Sie häufig zu reagieren geneigt sind, zwischen „bestimmt“ und „zurückhaltend“.
Insoweit es richtig ist, dass diese beiden Faktoren der Wahrnehmung der Umwelt zwischen günstig und ungünstig sowie der Selbstwahrnehmung zwischen stärker und schwächer die spontanen Verhaltenstendenzen bestimmen,[40] sind sie so miteinander zu verbinden, dass sich die vier grundsätzlich möglichen Kombinationen als Haupttendenzen ergeben. Diese werden mit den vier Buchstaben D, I, S und G bezeichnet. Sie stehen für vier Adjektive, die so ungefähr die jeweilige Tendenz charakterisieren, aber im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit Wertungen verbunden sind, die das Verständnis erschweren können. Darum ist es wichtig, sich von Konnotationen dieser Worte frei zu halten und zu verstehen, wie jede Haupttendenz aus den beiden erklärten Dimensionen entsteht:
D: Wenn das Umfeld als fordernd und anstrengend erlebt wird und die Reaktion bestimmt oder offensiv ist, sprechen wir vom „dominanten“ Verhaltensstil. Das Bestreben ist, sich durchzusetzen, Ergebnisse zu erzielen auch gegen Widerstand, die Dinge rasch und energisch anzupacken.
Menschen mit einem hohen D-Faktor sind selbstbewusst, risikobereit, entscheidungsfreudig und konsequent.
Wie sehr trifft diese Beschreibung auf mein Verhalten zu?
Wie viele Punkte von 1–5 würde ich mir geben?
I: Wo wie beim D die Reaktion bestimmt ist, aber das Umfeld als wohlwollend und förderlich wahrgenommen wird, liegt die „initiative“ Haupttendenz vor. Sie will mit anderen zusammen die Dinge weiterbringen und gewinnen: Menschen von einem Vorhaben überzeugen und dazu motivieren. Da das Umfeld gar nicht so anstrengend erscheint, kann man ja spielerisch gewinnen.
Personen mit einem hohen I-Faktor sind demnach offen, optimistisch, kommunikativ, vielseitig und somit unterhaltsam.
Wie sehr trifft diese Beschreibung auf mein Verhalten zu?
Wie viele Punkte von 1–5 würde ich mir geben?
S: Wo eine ähnliche positive Weltwahrnehmung vorherrscht, aber dennoch die Reaktion zurückhaltend ist, sprechen wir vom „stetigen“ Verhaltenstyp: Er will gerne mitmachen, aber nicht an vorderster Front, sondern unterstützend. Er ist zufrieden damit, im Hintergrund seinen anerkannt wichtigen Beitrag zum Ganzen zu leisten.
Er gilt als hilfsbereit, einfühlsam, ruhig und geduldig.
Wie sehr trifft diese Beschreibung auf mein Verhalten zu?
Wiev iele Punkte von 1–5 würde ich mir geben?
G: Eine zurückhaltende Reaktionsneigung in einem herausfordernden Umfeld führt zur „gewissenhaften“ Tendenz. Die – gegenüber D – defensivere Variante der Auseinandersetzung mit Anstrengendem oder gar riskant Erscheinendem will die Dinge richtig machen und „auf Nummer sicher gehen“. Sie arbeitet sorgfältig und nach genauen Plänen.
Menschen mit einem hohen G-Faktor sind qualitätsbewusst, diszipliniert, analytisch und faktenorientiert.
Wie sehr trifft diese Beschreibung auf mein Verhalten zu?
Wie viele Punkte von 1–5 würde ich mir geben?
Wenn die beiden Dimensionen miteinander geschnitten werden, ergibt sich ein einprägsames Übersichtsbild:
[41]
In welchem der vier Quadranten liegt meine spontane Verhaltenspräferenz in einer typischen beruflichen Situation?
Wie würde mich eine Person einschätzen, die mich gut kennt und schätzt?
[42]Es ist nun sehr wichtig, zu sehen, dass jeder Mensch alle vier Verhaltensdispositionen in sich hat – allerdings in einer einzigartigen „Mischung“. Außerdem sind alle allgemeinen Wertungen der vier Haupttendenzen hintanzuhalten: Keine ist an sich besser oder schlechter als die anderen, alle vier sind wichtig – nur in manchen Situationen mehr die einen, in anderen mehr die anderen. In jedem menschlichen System wie einem Team oder einer Familie werden alle vier Tendenzen gebraucht: Ohne D-Faktor werden Entscheidungen zu langsam getroffen und bei Schwierigkeiten nicht durchgesetzt; ohne I fehlt die motivierende und verbindende Kraft und die Flexibilität, sich neuen Ideen zu öffnen; ohne S stocken gemeinsame Vorhaben, wenn es an die geduldige und routinemäßige Umsetzung geht, und die Gruppe kann auseinanderfallen; ohne G fehlt das nötige kritische Element, das sorgfältige Prüfen und Abwägen.
Wahrscheinlich haben Sie beim Durchdenken der Erläuterung des Verhaltensmodells sich selbst schon intuitiv eingeschätzt. Um das genauer zu erheben, ist es sehr empfehlenswert, ein persolog®-Persönlichkeits-Profil mit der Hilfe eines zertifizierten Trainers oder einer Trainerin zu erstellen. Dabei können Sie sich nicht nur einem der vier Haupttypen, sondern auch einem kombinierten Stil zuordnen (insgesamt zwanzig) und bis zu sieben Interpretationsstufen durcharbeiten.17 Dabei werden drei Verhaltensprofile erstellt und grafisch aufbereitet, was tiefer- und weitergehende Schlussfolgerungen für Ihre persönlichen Überzeugungen, Ihre Selbstentwicklung in Bezug auf Erfolgsstrategien, Stresspotential und Kooperation erlaubt.
Verhaltensstil und Zeitgestaltung
Wie ein Mensch mit Terminen und Zeitdruck umgeht, inwieweit er sich und andere diszipliniert, wie es mit seiner Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Zielkonsequenz aussieht, hängt stark von seinem Verhaltensstil ab. Um sich über die Folgen der vier Haupttendenzen für das Zeitmanagement klarer zu werden, sehen Sie in der folgenden Tabelle die wesentlichen Charakteristika jedes Stils.18
[43]
Unterstreichen Sie mit einem Bleistift diejenigen Aussagen, die auf Sie zutreffen, und streichen Sie durch, was nicht passt. Sie selbst entscheiden, was für Sie wichtig ist, vor allem, wenn Sie auch eine sekundäre Tendenz haben, die teilweise dem primären Verhaltenstyp widersprechen kann (D und S oder G und I). Vergessen Sie nicht, dass Sie sich für eine bestimmte Situation selbst einschätzen.
[44]Notieren Sie sich Ihre persönlichen Schlussfolgerungen, was Sie nun besser verstehen und worauf Sie in Zukunft besonders achten möchten. Wählen Sie aus dem reichen Angebot an Methoden und Ideen in diesem Buch das aus, was zu Ihrem Verhaltenstyp passt.
Das innere Team
Die Vorstellung eines inneren Teams ist ein Coaching-Instrument, um vor allem in Entscheidungssituationen mehreren Gesichtspunkten eine Stimme zu verleihen. Statt in seinen Gedanken immer zwischen Ja und Nein, Schon und Aber hin- und herzuspringen, werden diese in ein geordnetes Gespräch gebracht. Hilfreich ist es, diesen Stimmen Namen zu geben und sich vielleicht dabei eine Gestalt und ein Gesicht vorzustellen.
Das lässt sich gut mit dem Verhaltensprofil verbinden: Stellen Sie sich vor, Ihre vier Tendenzen sitzen an einem Konferenztisch und diskutieren die anstehende Frage. Was sagt Ihre D-Tendenz? Wie stark oder schwach ist sie? Was sagen, wie argumentieren die anderen Tendenzen, und wie sehr können sie sich Gehör verschaffen?
Spüren Sie, dass es in dieser Situation wichtig wäre, eine der Tendenzen zu stärken? Oder dass sich gewohnheitsmäßig eine Tendenz lautstark meldet, während sie jetzt gerade nicht so wichtig wäre?
Wer entscheidet letztlich? Nun, Sie selbst! Sie sind ja nicht eine Ihrer Tendenzen und auch nicht deren Mischung, sondern haben die Freiheit, zu entscheiden. Wahrscheinlich wird Ihnen Ihr inneres D dabei helfen.
Ein Beispiel: Sie wurden angefragt, bei einem Kongress im Ausland nächstes Jahr einen Vortrag zu halten. Das gewünschte Thema haben Sie noch nicht direkt behandelt, es wäre eine Erweiterung Ihres speziellen Forschungsgebiets, die Sie interessiert. Andererseits befürchten Sie, für die Vorbereitung zu viel Zeit zu benötigen, ohne jetzt schon genau zu wissen, was nächstes Jahr noch alles an Lehrveranstaltungen, administrativen und anderen Aufgaben auf Sie zukommt. Sie müssen aber jetzt zu- oder absagen.
Nehmen Sie ein weißes Blatt Papier und schreiben das Datum in eine Ecke. In die Mitte zeichnen Sie mit Buntstift einen Kreis, der den Konferenztisch symbolisiert. Auf ihn schreiben Sie groß das Thema Ihres Vortrags. Rundherum skizzieren Sie in verschiedenen Farben vier Gestalten [45]mit Köpfen in Form der Buchstaben D, I, S und G, vielleicht je größer, desto stärker diese Tendenzen bei Ihnen jeweils sind.
Ordnen Sie die verschiedenen Gedanken, die Ihnen zu der Frage kommen, je einer Tendenz zu und notieren Sie diese in Form von Sprechblasen zu den jeweiligen Gestalten, z.B. derart:
D: „Wir sollten zusagen, können ja auch kurzfristig wieder absagen.“
G: „Das ist nicht fair. Dann werden wir vielleicht nie wieder eingeladen.“ I: „Aber das Thema ist sehr interessant!“
S: „Und es lässt sich auf der Basis unserer Dissertation relativ leicht ausarbeiten.“
… usw.
Während dieser Diskussion Ihres inneren Teams können Sie oft schon spüren, welche Tendenz sowohl zu Ihrer Persönlichkeit als auch zur Situation passt oder eben weniger. Zugleich merken Sie, dass Sie alle vier Möglichkeiten (in verschiedenem Ausmaß) in sich tragen, und können diese ein Stück weit bewusst verstärken oder abschwächen.
Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, legen Sie das Blatt beiseite und reflektieren es etwas später noch einmal, um Ihre Entscheidung zu treffen.
Kooperation, Kritik, Konflikt
Wenn Sie das Grundprinzip dieses Verhaltensmodells verstanden haben, werden Sie sofort auch Mitmenschen besser verstehen und angemessener mit ihnen umgehen können. Vielleicht kommen Sie auch dazu, anzuerkennen, dass Personen mit anderen Verhaltenstendenzen als Ihre eigenen Sie gut ergänzen können, wenn Sie sich beide dieser Komplementarität bewusst sind.
Soweit das nicht der Fall ist, liegt es nahe, dass in der Zusammenarbeit mit Menschen, mit denen Sie viel zu tun haben, die aber vermutlich gegensätzliche Tendenzen haben, Missverständnisse, Reibungen und Konflikte entstehen. Besonders in herausfordernden Situationen stört man einander, weil die Problemlösungsstrategien verschieden sind. Es wird kritisiert (offen oder in unproduktiver Weise gegenüber Dritten), ohne dass die Kritik die an sich positive Unterschiedlichkeit adäquat berücksichtigt. So wird Energie und auch Zeit vergeudet. Das können Sie vermeiden, wenn Sie sich vorher folgende Fragen stellen:
Wer in meinem Arbeitsumfeld zeigt einen offenbar gegensätzlichen Verhaltensstil?
[46]Wie ist diese Person in der obigen Übersicht der vier Verhaltensstile einzuschätzen?
Welche Bedürfnisse, Stärken und Schwächen dieser Person erkenne ich in den Beschreibungen wieder?
Wie muss ich auf sie zugehen, damit sie sich wertgeschätzt fühlt?
Wie könnte ich meine Bedürfnisse besser kommunizieren, um selbst gut arbeiten und meine Stärken nützen zu können?
Im Kapitel VI.1 „Fokus Forschung“ finden Sie weitere Hinweise zum effektiven Zusammenarbeiten in Teams oder Forschungsgruppen mithilfe dieses Persönlichkeitsmodells.
[47]3 | Zeitgestaltung im Lebenshorizont: Karriereplanung, Integration und Balance |
Worum es geht:
Eine Planung, die sich in den Horizont des Lebens insgesamt einfügt und dazu hilft, diese Weite auszuleben, hat mindestens zwei Dimensionen: Sie erstreckt sich in der Perspektive der beruflichen Zukunft in die Länge, um sich nicht im kurzfristigen Reagieren auf gerade Begegnendes zu erschöpfen. Dabei berücksichtigt sie auch biologische, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen. Sie hat aber auch genügend Breite, um alle wichtigen Lebensbereiche und Rollen zu integrieren. In anderen Berufen ist die Wahrscheinlichkeit, geregelte Arbeitszeiten und so ein gelingendes „Privatleben” zu haben, größer. In der Wissenschaft hingegen herrschen trotz höherer Flexibilität doch oft Bedingungen, die es schwierig machen, anderen als den beruflichen Lebensbereichen Zeit zu widmen und eine Balance zwischen allen zu entwickeln. Das betrifft besonders die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie das Alter bis 40 Jahre. Gleichzeitig ist die Karriereplanung mit vielen Unsicherheiten behaftet.
In der Annahme, dass auch in der Wissenschaft das Leben als Ganzes gelingen können muss, werden in diesem Kapitel nach einer Situationsdiagnose eine individuelle Rollenanalyse, die Ausdifferenzierung des „Privaten” in drei Lebensbereiche und die Unterscheidung dreier Kategorien von Zielen vorgeschlagen. Die Methode des Jahres-Spielplans erlaubt eine sinnvolle Integration der wissenschaftlichen Arbeit in das Leben.
Wissenschaftliche Karriere- und Lebensplanung
Was die Balance im Leben eines Wissenschaftlers und besonders einer Wissenschaftlerin19 so schwierig macht, ist die typische Vermischung von Arbeits- und Freizeit und die weithin akzeptierte Meinung, dass mindestens ein hundertprozentiger Einsatz für den Erfolg nötig sei (siehe Kapitel I). Diesem Stress-Programm korrespondiert aber keine Sicherheit im Karriereverlauf, darum müssen viele junge Wissenschaftler gleichzeitig auch an beruflichen Alternativen arbeiten. Sonst droht das gängige Schreckbild des promovierten Taxifahrers. In der mittleren Lebensphase möchten viele außerdem eine Familie gründen.
Die praktische Konsequenz dieser heraus- oder überfordernden Situation ist oft, dass man sich von einem mittelfristigen Ziel (wie z.B. Promotion, [48]einer Vertragsverlängerung oder einem neuen drittmittelfinanzierten Forschungsprojekt) zum nächsten weiter „wurstelt” und dabei weder mögliche alternative Berufswege noch eine Liebesbeziehung langfristig aufbaut.
Stattdessen wäre es strategisch besser und auch für das eigene Wohlbefinden förderlicher, von vornherein eine zweite berufliche Schiene zu legen. Wenn Sie zusätzlich zum wissenschaftlichen Standbein auf einem Spielbein stehen, werden Sie sich nicht eines Tages in einer einzigen Möglichkeit gefangen fühlen.
Was das konkret heißen kann, ist in den einzelnen Fächern so unterschiedlich, dass es unmöglich ist, hierfür pauschale Ratschläge zu erteilen. Für Graduierte der Jurisprudenz, (Veterinär-)Medizin, Technik und Naturwissenschaften bieten sich Standardalternativen an, während beispielsweise Germanisten oder Philosophen mit viel Kreativität und Flexibilität an das Finden weiterer Berufsmöglichkeiten herangehen müssen.20 Der Schuldienst ist nicht für alle eine mögliche oder attraktive Alternative. Es empfiehlt sich, Zeit in die Pflege von Netzwerken und Kontakten zu investieren, die sehr oft die Basis für neue berufliche Optionen bilden.
Bedenken Sie, dass Zeit Leben ist und dass es bei den grundsätzlichen Planungen um Jahre Ihres Lebens geht. „Beachte das Vorhaben deines ganzen Lebens! Ihm muss alles entsprechen, was wir tun... Wir verfehlen uns, weil wir alle über die Teile des Lebens nachdenken, aber niemand das ganze überlegt.”21
Um Kriterien für die Bewertung von Berufsmöglichkeiten zu haben, stellen Sie sich der grundsätzlichen Frage, was Sie überhaupt erreichen wollen – beruflich wie auch privat. Entwickeln Sie eine „Vision” Ihres Lebens und ein Bewusstsein Ihrer „Mission” oder Berufung, das heißt eine Antwort auf die Frage, wozu Sie überhaupt da sind oder wofür Sie letztlich leben wollen.
[49]Berufungsfindung, Visionsentwicklung und Lebensplanung sind etwas sehr Individuelles und können nicht im Rahmen dieses Buches angeleitet werden. Wir empfehlen Ihnen, die Unterstützung durch ein Coaching in Anspruch zu nehmen.22
Für Ihre Karriereplanung sollten Sie Meilensteine definieren und identifizieren, wo Weggabelungen auftauchen dürften, an denen Entscheidungen zwischen Alternativen fällig werden. Überlegen Sie, wie konkret, wie wahrscheinlich und wie langfristig die Aussicht auf die nächste Phase oder Stufe in Ihrer Laufbahn sein muss, um sich darauf einzulassen. Seien Sie sich des Preises bewusst, welchen Sie über längere Sicht für das weitere Verfolgen Ihrer akademischen Karriereziele bezahlen müssen – in Bezug auf soziale Sicherheit, Einkommen, Versäumen alternativer beruflicher Einstiegsmöglichkeiten, Privat- und Familienleben. Das Prinzip Hoffnung ist an sich gut, aber zu viele schaffen es nicht, ihre Wünsche zu verwirklichen, und vermeiden, sich rechtzeitig Fragen und eventuell unangenehmen Entscheidungen zu stellen. Hilfreiche Fragen dieser Art könnten sein:
Wenn Sie gerade Ihr Studium abschließen und sich eine Promotion überlegen:
Welche zusätzlichen Chancen bietet mir ein Doktortitel? Wie wichtig ist mir die damit verbundene Ehre?
Welchen Stellenwert hat für mich die wissenschaftliche Tätigkeit an sich, welche Faszination übt sie auf mich aus?
Welche anderen Ziele habe ich für die nächsten fünf Jahre?
Welche Alternative im Sinne eines rascheren Berufseinstiegs außerhalb der Hochschulen gibt es jetzt schon, und welche Möglichkeiten eröffnen sich voraussichtlich nach meiner Promotion?
Vor allem, falls Sie aus dem Ausland kommen:
Wo möchte ich – unter Berücksichtigung privater Interessen – nach der gegenwärtigen Phase meines Lebens arbeiten?
Was kann ich jetzt dafür tun, um mir dann und dort Chancen zu eröffnen?
Während eines Promotionsstudiums, an dessen Sinn Sie zweifeln – insbesondere, wenn Sie gleichzeitig anderweitig berufstätig sind:
Wie setzt sich meine Motivation für das Doktorat zusammen? Wie viel Prozent macht die Annahme aus, dass der Doktortitel wichtig für meine [50]beruflichen Chancen sein wird, wie viel Prozent sind persönliches Interesse an der Sache, wie viel die Aussicht auf mehr soziale Reputation, wie viel noch andere Motive?
Welche Alternativen habe ich derzeit?
Worauf verzichte ich zugunsten meiner Promotion (finanziell, sozial, familiär, Lebensqualität)?
Was ist der höchste Preis, den ich zu zahlen bereit bin?
Wenn Sie auf der Grundlage zeitlich befristeter Anstellungen promovieren oder habilitieren:
Wie hoch schätze ich und schätzen Kenner meiner Situation die reale Chance ein, einen Anschlussvertrag zu bekommen? Falls dieser auch befristet wäre, was wäre für mich das akzeptable Minimum?
Bin ich so erfüllt von der wissenschaftlichen Tätigkeit, dass dies über Zweifeln und Ängsten steht?
Wie lässt sich meine soziale Sicherheit verbessern? Wann kümmere ich mich um Perspektiven für meine finanzielle Lage im Alter/Ruhestand?
Wie komme ich mit dem Bewusstsein meiner Unsicherheit oder Abhängigkeit zurecht? Für wie lange möchte ich diesen Zustand annehmen?
Falls Sie erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit Ihrer akademischen (Weiter-)Qualifikation haben, machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht sklavisch an eine frühere Entscheidung gebunden sind. Ein (Promotions-) Studium oder eine Habilitation aufzugeben, kann sehr vernünftig sein, wenn es gleichzeitig die Entscheidung für etwas Besseres ist.
Bekanntlich werden wissenschaftlich Tätige seltener als früher verbeamtet bzw. pragmatisiert und wenn, dann spät (in Deutschland oft erst im Zuge einer Professur, in Österreich gar nicht mehr). Daraus folgt, dass die gegenwärtigen Bedingungen des Arbeitsvertrages wie auch die zukünftigen Möglichkeiten sehr genau und nüchtern zu analysieren sind, eventuell mithilfe einer Rechtsberatung. Leider machen viele die Erfahrung, dass sie mit Versprechungen auf eine fixe oder eine unbefristete Stelle hingehalten werden – sei es absichtlich, sei es unabsichtlich, wenn in Aussicht gestellte Gelder doch nicht eintreffen.23 Oder die Verantwortung für [51]das Einwerben von Drittmitteln wird Ihnen überhaupt selbst übertragen. Eine Nische kann sich langfristig als Falle entpuppen. Was man im Alter von 30 Jahren noch akzeptiert, kann zehn Jahre später als unannehmbar erscheinen (und es natürlich auch sein). Besonders Lehrbeauftragte mit Werkverträgen oder ähnlichen kurzfristigen, unsicheren Bedingungen sowie Habilitierte mit der Verpflichtung zur (unentgeltlichen) Titellehre müssen sich die Frage stellen, wie und vor allem wie lange sie mit der Perspektive des wissenschaftlichen Prekariats zurechtkommen. Sie können vor die Entscheidung gestellt werden, die Wissenschaft zum Hobby zu machen, um aus dem „Existenzlektorat“ herauszukommen. Ihr Zeitmanagement kann sich nicht auf die effiziente Gestaltung der momentanen wissenschaftlichen Aufgaben beschränken, sondern muss bei einer grundsätzlichen Lebensplanung und langfristigen Selbstorganisation ansetzen, die auch Umstiegsmöglichkeiten und B-Varianten beinhaltet. Wenngleich das anstrengend und zeitaufwendig ist, lohnt sich dieser Einsatz meistens.
Wenn Sie sich jetzt Gedanken über zukünftige Szenarien und Entscheidungskriterien machen, diese schriftlich festhalten und auch mit befreundeten Menschen besprechen, entgehen Sie später der Versuchung, aus Alternativlosigkeit oder mangelnder Entscheidungsfreude einfach irgendwie weiterzutreiben. Auch in dem Fall, dass sich dann ganz andere Möglichkeiten eröffnen, haben Sie mit diesen Reflexionen schon eine Grundlage zum Weiterdenken und innere Festigkeit.
Brauche ich gegenwärtig ein zusätzliches Einkommen? Wie viel, und wie wird sich mein Finanzbedarf (für Wohnraumbeschaffung, Familiengründung, Altersvorsorge u.Ä.) voraussichtlich entwickeln?
Wenn ich außerwissenschaftliches Einkommen generieren muss, welche Möglichkeiten habe ich, und wie harmonieren diese mit meinen akademischen Interessen?
Kann und will ich bei sparsamem Lebensstil bis zum Abschluss meiner Promotion oder Habilitation auf zeitraubende oder belastende Nebentätigkeiten verzichten?
Oder sind diese wichtig für das Aufbauen späterer Berufschancen?
Ist mir bewusst, was in der Realität mein Standbein, was mein Spielbein ist?
Unter welchen Bedingungen würde ich umsteigen?
[52]Heutzutage werden internationale Erfahrungen erwartet, wenn Sie in der Wissenschaft Karriere machen wollen. Im eigenen Interesse sollten Sie sich frühzeitig darüber Gedanken machen, wann (und natürlich wo) das in Ihren Lebensplan passt. Gastprofessuren, „visiting scholarships“, Lehre im Ausland sind oft auch in kleineren Etappen oder Blöcken möglich.
Ein mittlerweile auch in der soziologischen Forschung behandeltes Problem ist die Fortpflanzung der wissenschaftlich Tätigen.24 Befristete Verträge mit hoher Arbeitsbelastung und negative Einschätzungen der beruflichen Zukunftsaussichten besonders unter Frauen scheinen ursächlich dafür zu sein, dass die realisierte Kinderzahl (bei beiden Geschlechtern) geringer ist als die Kinderwünsche. Erfahrungsgemäß geht häufig ein Aufschub der familiären Ziele in einen nicht bewusst gewählten Verzicht über. Besonders wenn die Karriere nicht wie erwünscht gelingt, kommt in der zweiten Lebenshälfte ein bitteres Gefühl auf, etwas Wichtiges versäumt zu haben.
Das könnte heißen, dass eine schlechte gesellschaftliche Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlichem Beruf zum Scheitern persönlicher Lebensvisionen führt, wenn man sich nicht selbst aktiv dafür einsetzt, die Vereinbarkeit herzustellen. Der erste Schritt dazu wäre, sich größtmögliche Klarheit über seine persönlichen Ziele zu schaffen, die eigenen Werte zu definieren und bei der Lebensplanung mit einer Visionsentwicklung zu beginnen.
Die bisherigen Bemerkungen bezogen sich vor allem auf die Situation jüngerer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Doch auch wissenschaftlich Tätige über 40 Jahren sollten nüchtern einige bio-psycho-logische Bedingungen in Rechnung stellen: Nicht nur Ihre Werte und damit Entscheidungskriterien können sich verschieben (siehe Kapitel IV.4 „Ziele“), sondern auch Ihre Belastbarkeit und Stressresistenz werden abnehmen, Sie brauchen mehr und regelmäßigere Regenerationszeiten. Dafür wird Ihnen aber die langjährige Erfahrung im System und in den Strukturen der Wissenschaft sowie eine vertiefte Selbsterkenntnis helfen, effizient und effektiv zu arbeiten: Sie werden souveräner die wirklich wichtigen Ziele und Aufgaben priorisieren und diese dann rasch bewältigen. Sie können einen besseren Überblick, ein sichereres Urteilsvermögen, mehr gute Gewohnheiten und Gelassenheit entwickelt haben.
Von den äußeren Bedingungen her haben Menschen über 40 allerdings oft weniger Alternativen am Arbeitsmarkt und weniger persönliche Flexibilität, um sich umzustellen. Das heißt, eine eventuelle Neuorientierung und ein Umstieg sollten rechtzeitig erfolgen, was wiederum für die Jüngeren die Konsequenz hat, dass es sehr unklug ist, ohne eine langfristige Karriereperspektive die Dinge einfach laufen zu lassen. Eine gute Lebensplanung berücksichtigt die voraussehbaren biologischen und damit zusammenhängenden Parameter.
Lösungsansätze
Rollenanalyse:
Ein praktischer Ansatzpunkt ist die Reflexion auf Ihre gegenwärtigen Rollen im Leben, auch „Lebenshüte“ genannt (siehe oben Kapitel II.1). Eine bewährte Methode dafür ist, ein Mindmap anzulegen, in dessen Mitte Sie einen Kreis um Ihren Namen zeichnen und daran Hauptäste für drei bis maximal sieben Rollen. Hilfreich ist die Frage, für wen Sie in diesen Rollen Verantwortung tragen (zum Beispiel für Studierende, für das Funktionieren Ihres Institutes oder Teams, für Kinder, für andere Familienmitglieder, für enge Freunde und dergleichen).
Anschließend beantworten Sie die Frage, wofür Sie genau Verantwortung übernommen haben, und fügen die entsprechenden Aufgabenbereiche in kleineren Äste an die Hauptäste an. In einem nächsten Schritt können Sie diese Aufgaben spontan bewerten, indem Sie außen Symbole hinzuzeichnen, die zeigen, wie wichtig sie Ihnen sind, zum Beispiel:
[53]
Wenn Sie möchten, können Sie auch zu jeder Aufgabe noch eine ungefähre Einschätzung notieren, wie viel Ihrer Zeit Sie dafür aufwenden. Aus dieser Ist-Analyse ergeben sich oft schon Anregungen für mögliche Verbesserungen, um Ihrem Lebensideal (dem Soll) ein Stück näher zu kommen. Jedenfalls verhilft der Überblick zu Realismus und bewussterer Lebensbalance und erleichtert Prioritätsentscheidungen.
Wenn Sie immer wieder, zum Beispiel jährlich, eine solche Übersicht Ihrer jeweils aktuellen Lebensrollen anlegen, können Sie auch Entwicklungen leicht sehen und besser steuern.
Beispiel einer Rollen-Mindmap:
[54]
Da mit wissenschaftlicher Tätigkeit im Normalfall verschiedene Rollen verbunden sind, die auch unterschiedliche Anforderungen an Ihre Planung und Ihr Zeitmanagement stellen, kann hierfür und auch für die weitere Arbeit (vor allem mithilfe des Kapitels VI zu den wissenschaftlichen Kernaufgaben) die folgende Tabelle helfen.
Ordnen Sie Ihre wichtigsten Aufgabenbereiche je einer der Hauptrollen zu. Ergänzen Sie einen Satz, der zum Ausdruck bringt, wie wichtig Ihnen jede dieser Rollen ist. In den beiden rechten Spalten fügen Sie Ihre Selbsteinschätzung dessen ein, wie gut Sie jeden dieser Aufgabenbereiche erfüllen und wie lange Sie im Durchschnitt oder in Prozent Ihres gesamten beruflichen Zeitbudgets dafür arbeiten. Auch diese Analyse des Ist-Zustandes erlaubt, Engpässe zu erkennen und erste Konsequenzen zu ziehen.
Meine Rollen als Hochschullehrer/in:
[55]
Integration aller Lebensbereiche:
Um eine langfristig lebbare, weil gesunde und Ihren übergeordneten Zielen entsprechende Lebensplanung zu erreichen, empfehlen wir Ihnen, grundsätzlich vier Lebensbereiche zu unterscheiden, die für jeden Menschen auf irgendeine Weise unverzichtbar sind.25 Denn die hergebrachte Zweiteilung in „Beruf” versus „privat” oder „Freizeit” ist zu undifferenziert.
[56]Beruf/Leistung: Hierunter fällt alles, was mit Ihrer Erwerbsarbeit zu tun hat. Mögliche Rollen: Forscher/in, Lehrende/r, Controller/in, Projektbetreuer/in, Krisenmanager/in, etc.
Familie und tragende Beziehungen: Mögliche Rollen: Mutter/Vater, Schwester/Bruder, (Ehe-)Partner/in, Freund/in etc.
Sinn/Engagement: Die Sorge für den Sinn Ihres Lebens hat eine theoretische und spirituelle Seite sowie eine praktische: wofür Sie sich außerhalb von Beruf und tragenden Beziehungen einsetzen, wo Sie sich ehrenamtlich engagieren, weil Sie so Ihre Werte verwirklichen.
Mögliche Rollen: Nachbarschaftshelfer/in, praktizierte Religion, Meditierende/r, Engagement beim Menschenrechts- oder Tierschutz etc.
Selbstsorge: Was Sie nicht für andere tun, sondern unmittelbar für sich selbst, Ihre Gesundheit, Rekreation, Balance. Mögliche Rollen: Läufer/in, Yogi, Leser/in, Faulenzer/in, Gourmet u.Ä.
Anhand dieser Einteilung sollten Sie zunächst Ihr Leben reflektieren und sich fragen, welche Vision und welche Ziele Sie als Wissenschaftler/in, als Familienmitglied o.Ä., als Sinnsuchende oder einfach für sich selbst haben.
Spielplan:
Auf der Ebene der Jahres- oder Semesterplanung können Sie die Vierteilung der Lebensbereiche in Form eines sogenannten Masterplans gut anwenden.26 Dafür das Wort „Spielplan” zu verwenden, bringt zum Ausdruck, dass Planung Arbeit an konkreten Zielformulierungen ist, dass dies aber [57]mit der nötigen Flexibilität und einer spielerischen Einstellung einhergehen muss, die unverhofft sich auftuende Chancen wahrnehmen kann. Wenn diese Kombination aus Zielstrebigkeit und Entschiedenheit einerseits, Offenheit und Lebenslust andererseits fehlt, besteht die Gefahr, dass entweder die Illusion erzeugt wird, alles sei steuerbar, oder dass aus Angst vor Spontaneitätsverlust und Überplanung wichtige Lebensbereiche gar nicht berücksichtigt werden. Diese würden so nur nach dem Zufallsprinzip zum Zug kommen. Da berufliche Ziele meist sowieso geplant werden (müssen), heißt das im Normalfall, dass die privaten Ziele zu geringe Verwirklichungschancen erhalten.
Eine andere zu vermeidende Einseitigkeit ist, dass nur Aktivitäten geplant werden, die sich leicht in Form von Projektzielen formulieren lassen, weil diese naheliegende Teilschritte und ein planbares Enddatum haben. Die Herausforderung besteht darin, auch persönliche Weiterentwicklung zu planen und zu operationalisieren, also Dinge, die zu lernen sind, oder neue Gewohnheiten. Denn hier ist es schwierig, Zwischenziele und Endzustände zu definieren. Wann hätten Sie z.B. das Ziel, eine neue Sprache oder ein Musikinstrument zu erlernen, erreicht? Sie müssen selbst ein Kriterium entwickeln, das solch ein Ziel messbar macht, und auf dem Weg dorthin regelmäßig Zeit zum schrittweisen Lernen und Üben einplanen. Oder wann hätten Sie die neue Gewohnheit entwickelt, täglich um acht Uhr mit Ihrer Arbeit zu beginnen? Eigentlich dann, wenn Sie nicht mehr daran denken müssen, weil Sie es „automatisch” tun – bis dahin müssen Sie sich aber genügend Zeit zum Verfestigen des neuen Verhaltens nehmen und sich regelmäßig fragen, inwieweit Sie diesem Ziel schon näher gekommen sind.
Planen Sie nicht nur Projektziele, sondern auch Lern- und Gewohnheitsziele. Wenn Sie diese drei Zielkategorien mit den vier wichtigsten Lebensbereichen schneiden, haben Sie das Grundmuster eines umfassenden Spielplans, der eine balancierte Zeitgestaltung und Selbstorganisation ermöglicht.
Verbinden Sie das mit Ihrer Jahres- oder Semesterplanung (siehe Kapitel IV.5 unter „Mittelfristige Planung“), indem Sie selbst eine solche Matrix in Ihrem Computer erstellen und diese dann regelmäßig ausfüllen und aktualisieren.
Der folgende Muster-Spielplan zeigt die Grundstruktur und anhand kreativer Beispiele, dass es möglich ist, für jeden Lebensbereich jegliche Art von Zielen zu formulieren. Es muss nicht immer in allen Tabellenfeldern ein [58]Vorhaben eingetragen werden, aber im Lauf mehrerer Spielpläne werden Sie darauf achten, dass nicht ein Lebensbereich auf Dauer zu kurz kommt. Die aktuelle Gewichtung der einzelnen Bereiche wird sich nach objektiven Zwängen richten, vor allem nach beruflichen Pflichten, aber auch nach Ihren persönlichen Werten. Das regelmäßige Planen und Evaluieren mit diesem Instrument erlaubt, Vorhaben z.B. auf das nächste Jahr zu verschieben, ohne sie zu vergessen.
Was im Sinn der ersten, zu Beginn dieses Kapitels behandelten Dimension der Lebensplanung auf jeden Fall in Ihrem Spielplan Platz finden sollte, sind Agenden der Karriere- oder Berufsplanung.
Welche Projekte sollte ich im nächsten Jahr/im nächsten Semester durchführen, um mir längerfristig berufliche Optionen zu erschließen?
Was möchte ich im Hinblick darauf lernen, welche zusätzlichen Kompetenzen erwerben?
Welche Gewohnheiten – vor allem des Zeitmanagements und meiner Selbstorganisation – werden mich hierbei unterstützen? Welche neue Verhaltensweise gewöhne ich mir als erste an?
Welche Lebensbereiche sind bisher zu kurz gekommen, und welche konkreten, überprüfbaren Ziele setze ich mir jetzt in diesen?
[59]