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[13] 1 Kompetenzentwicklung für die digitale Welt – strukturgebende Elemente

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„Experten fordern Einbindung von Youtube im Unterricht“ titelt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in einem Beitrag vom 04.06.2019 (Schumacher 2019) und verweist auf eine vom IFAK Institut Taunusstein im Auftrag des Rates für Kulturelle Bildung e. V. durchgeführte Studie zur Nutzung kultureller Bildungsangebote an digitalen Kulturorten (vgl. IFAK 2019). Die IFAK-Studie bestätigt Erkenntnisse, auf die von der Jugendstudie Information und Multimedia (z.B. mpfs 2018) bereits seit einigen Jahren hingewiesen wird. Regelmäßig wird hier die wachsende Bedeutung des Mediums Film bzw. Video als Lern- und Informationsmedium im Allgemeinen und des digitalen Kulturortes Youtube im Speziellen betont. Youtube zählt danach mittlerweile für knapp zwei Drittel der Jugendlichen zu einem ihrer drei liebsten Internetangebote und platziert sich damit deutlich vor Netflix, Facebook, Instagram & Co (vgl. mpfs 2018: S. 34). In der aktuellen JIM-Studie 2018 geben zudem 19 % der befragten 12- bis 19-jährigen Mädchen und 22 % der Jungen dieser Altersgruppe an, täglich Youtube-Videos für die Schule zu schauen (vgl. mpfs 2018: S. 50). Bemerkenswert ist dabei die Konklusion der IFAK-Studie: Mit Vehemenz empfiehlt sie, dass das Bildungssystem mit seinen Akteur*innen digitale Kulturorte als Lernorte ernst nehmen solle und fordert aktive Beteiligung. Man solle das Feld nicht kampflos räumen, sondern aktiv mitgestalten, eigene Formate entwickeln und diese in der Fort- und Weiterbildung implementieren (vgl. IFAK 2019: S. 8). Auch der Vorsitzende des Rates für kulturelle Bildung, Eckart Liebau, spricht in diesem Zusammenhang die bereits erwähnten strukturellen Veränderungen im System an. Es zeige sich, dass die Grenzen zwischen formalen und informellen Kompetenz- und Bildungsprozessen durchlässiger würden. Dabei seien es aktuell vor allem die Nutzer*innen selbst, die diese Bildungswelten zusammenbrächten. Liebau weist darauf hin, dass die neue Bildungskonstellation mit erheblichen Folgen für das Lernen, aber auch für Schule und Unterricht verbunden seien (vgl. Schäfer 2018). Es gehe nicht nur um die mediale Erweiterung des Angebots und der individuellen Nutzungsmöglichkeiten, sondern um eine grundsätzliche Neuausrichtung von Aus- und Weiterbildungsangeboten. Eine zentrale Herausforderung sieht Liebau dabei darin, dass kommerzielle, nicht öffentlich kontrollierte Player [14] mittlerweile eine zentrale Rolle für Bildungsprozesse einnehmen und dadurch auch die Meinungs- und Persönlichkeitsbildung der Konsument*innen massiv beeinflussen. Hier fordert er Bildungspolitik und Bildungsinstitutionen auf, mit der neuen Verschränkung von kommerziellen nicht öffentlichen und öffentlichen Bildungswelten angemessen umzugehen und eigene didaktische Konzepte für die Filmentwicklung und die rezeptive Filmbildung zu entwickeln (vgl. IFAK 2019: S. 4).

Die genannten Studien zeigen, dass das Medium Film, das sich als Lernmedium ab den späten 1970er Jahren nie wirklich durchsetzen konnte, in der digitalen Welt eine neue Chance erhalten hat. Der Film, genauer der Kurzfilm, erfährt im Zeitalter der Digitalierung und Informatisierung als Lernmedium in seinen vielfältigen Formaten eine deutlich gesteigerte Wertschätzung. In diesem Lehrbuch wird dieser Aspekt aufgenommen, indem es ein didaktisches Konzept ausdifferenziert, das die konventionelle Lehre über digitale Transformationsprozesse anreichert und im Medium Film dokumentiert: Das designorientierte didaktische Konzept richtet das bildungswissenschaftlich fundierte Konzept der Projektpädagogik im Medium Kurzfilm zeitgemäß digital aus und integriert es in eine Lernkultur, die kreatives Gestalten, konstruktives Zusammenarbeiten (Kollaboration), kritisches Denken und kommunikatives Handeln in den Mittelpunkt stellt.

Bevor das zweite Kapitel die bildungswissenschaftliche Grundlegung einer designorientierten Didaktik im Kontext projektpädagogischer Ansätze skizziert, sollen in diesem ersten Kapitel einführend strukturgebende Elemente der Konzeptentwicklung erläutert werden. Die designorientierte Didaktik will hier einen Beitrag dazu leisten, dass die Lehre in einer digital geprägten Kultur ein konkretes Umsetzungsformat erhält und fokussiert mit ihrer fächerübergreifenden und ganzheitlichen Ausrichtung einen inklusiven und interdisziplinären Ansatz (vgl. GI 2016). Welchen Beitrag das Konzept dazu leisten kann (Medien-)Kompetenzentwicklung ganzheitlich in die Lehre zu integrieren, wird im ersten Abschnitt des Kapitels beleuchtet. Im zweiten Abschnitt geht es um medienpädagogische Fragestellungen im Kontext bildungswissenschaftlicher Implikationen. Den Abschnitten zu den genannten Elementen sind im Folgenden jeweils zentrale Aussagen in einem Teaser vorangestellt.

[15] Die Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt muss die Digitalisierung als kulturellen Prozess begreifen, der praktisch alle Lebensbereiche betrifft. Das Management der mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen stellt entsprechend zunächst eine Querschnittsaufgabe dar. Diese Aufgabe ist für den Bereich „Schule“ über die KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ in ihren Kompetenzbereichen spezifiziert worden.

Auch wenn die Dynamik digitaler Transformationsprozesse nur schwer zu fassen ist, spiegeln sich die skizzierten Empfehlungen und Forderungen, die sich aus den genannten Studien (vgl. mpfs 2018; IFAK 2019) ergeben, bereits in zahlreichen Handreichungen und Strategieempfehlungen aus Politik und Wissenschaft wider (vgl. GI 2016). Mit der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“, die von der Kultusminister-Konferenz (KMK) am 08.02.2016 vorgelegt wurde, soll der ‚Supertanker‘ Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland für eine Lernwelt fit gemacht werden, in der die Informatisierung weitreichende, auch strukturelle Veränderungen in den institutionalisierten Bildungssystemen der Sekundarstufe I und II bewirkt. In einer gemeinsamen Strategie haben sich hier alle Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, ihre Bildungssysteme auf der Grundlage eines Kompetenzrahmens weiter zu entwickeln. Die Kompetenzen in der digitalen Welt, die dabei definiert wurden, umfassen sechs Kompetenzbereiche mit insgesamt 22 Dimensionen (vgl. KMK 2016).

Das von der KMK ausdifferenzierte Konzept wird von den einzelnen Bundesländern zwar teilweise modifiziert und akzentuiert, es schafft aber eine abgestimmte Rahmung für die Entwicklung zeitgemäßer didaktischer Formate und bietet Orientierung. Auch die Entwicklung der Konzepte, die dieses Lehrbuch zur Verfügung stellt, wurden durch die KMK-Strategie inspiriert. Die folgende Tabelle stellt die Kompetenzbereiche entsprechend der KMK-Vorgabe im Original dar. Die Anzahl der vergebenen Sterne zeigt in einem Vorgriff auf die Ausführungen zum eigentlichen Konzept in den folgenden Kapiteln, dass mit der Umsetzung einer designorientierten Didaktik zahlreiche Kompetenzbereiche unmittelbar (*) bzw. mittelbar (**) adressiert werden können.

[16] Tabelle 1: Medienkompetenzentwicklung in Designprojekten. In enger Anlehnung an die Kompetenzbereiche der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“

1. Suchen, verarbeiten und aufbewahren
1.1 Suchen und filtern: Arbeits- und Suchinteressen klären und festlegen; Suchstrategien nutzen und weiterentwickeln; in verschiedenen digitalen Umgebungen suchen; relevante Quellen identifizieren und zusammenführen **
1.2 Auswerten und bewerten: Informationen und Daten analysieren, interpretieren und kritisch bewerten; Informationsquellen analysieren und kritisch bewerten **
1.3 Speichern und abrufen: Informationen und Daten sicher speichern, wiederfinden und von verschiedenen Orten abrufen; Informationen und Daten zusammenfassen, organisieren und strukturiert aufbewahren **
2. Kommunizieren und kooperieren
2.1 Interagieren: mit Hilfe verschiedener digitaler Kommunikationsmöglichkeiten kommunizieren; digitale Kommunikationsmöglichkeiten zielgerichtet und situationsgerecht auswählen *
2.2 Teilen: Dateien, Informationen und Links teilen; Referenzierungspraxis beherrschen (Quellenangaben) **
2.3 Zusammenarbeiten: digitale Werkzeuge für die Zusammenarbeit bei der Zusammenführung von Informationen, Daten und Ressourcen nutzen; digitale Werkzeuge bei der gemeinsamen Erarbeitung von Dokumenten nutzen **
2.4 Umgangsregeln kennen und einhalten (Netiquette): Verhaltensregeln bei digitaler Interaktion und Kooperation kennen und anwenden; die Kommunikation der jeweiligen Umgebung anpassen; ethische Prinzipien bei der Kommunikation kennen und berücksichtigen; kulturelle Vielfalt in digitalen Umgebungen berücksichtigen *
2.5 An der Gesellschaft aktiv teilhaben: öffentliche und private Dienste nutzen; Medienerfahrungen weitergeben und in kommunikative Prozesse einbringen; als selbstbestimmter Bürger*innen aktiv an der Gesellschaft teilhaben **
3. Produzieren und präsentieren
3.1 Entwickeln und produzieren: mehrere technische Bearbeitungswerkzeuge kennen und anwenden; eine Produktion planen und in verschiedenen Formaten gestalten, präsentieren, veröffentlichen oder teilen **
3.2 Weiterverarbeiten und integrieren: Inhalte in verschiedenen Formaten bearbeiten, zusammenführen, präsentieren und veröffentlichen oder teilen; Informationen, Inhalte und vorhandene digitale Produkte weiterverarbeiten und in bestehendes Wissen integrieren **
3.3 Rechtliche Vorgaben beachten: Bedeutung von Urheberrecht und geistigem Eigentum kennen; Urheber- und Nutzungsrechte (Lizenzen) bei eigenen und fremden Werken berücksichtigen; Persönlichkeitsrechte beachten **
4. Schützen und sicher agieren
4.1 Sicher in digitalen Umgebungen agieren: Risiken und Gefahren in digitalen Umgebungen kennen, reflektieren und berücksichtigen; Strategien zum Schutz entwickeln und anwenden *
[17] 4.2 Persönliche Daten und Privatsphäre schützen: Maßnahmen für Datensicherheit und gegen Datenmissbrauch berücksichtigen; Privatsphäre in digitalen Umgebungen durch geeignete Maßnahmen schützen; Sicherheitseinstellungen ständig aktualisieren; Jugendschutz- und Verbraucherschutzmaßnahmen berücksichtigen **
4.3 Gesundheit schützen: Suchtgefahren vermeiden, sich selbst und andere vor möglichen Gefahren schützen; Digitale Technologien gesundheitsbewusst nutzen; digitale Technologien für soziales Wohlergehen und Eingliederung nutzen *
4.4 Natur und Umwelt schützen: Umweltauswirkungen digitaler Technologien berücksichtigen
5. Probleme lösen und handeln
5.1 Technische Probleme lösen: Anforderungen an digitale Umgebungen formulieren technische Probleme identifizieren; Bedarfe für Lösungen ermitteln und Lösungen finden bzw. Lösungsstrategien entwickeln
5.2 Werkzeuge bedarfsgerecht einsetzen: eine Vielzahl von digitalen Werkzeugen kennen und kreativ anwenden; Anforderungen an digitale Werkzeuge formulieren; passende Werkzeuge zur Lösung identifizieren; digitale Umgebungen und Werkzeuge zum persönlichen Gebrauch anpassen **
5.3 Eigene Defizite ermitteln und nach Lösungen suchen: eigene Defizite bei der Nutzung digitaler Werkzeuge erkennen und Strategien zur Beseitigung entwickeln; eigene Strategien zur Problemlösung mit anderen teilen **
5.4 Digitale Werkzeuge und Medien zum Lernen, Arbeiten und Problemlösen nutzen: effektive digitale Lernmöglichkeiten finden, bewerten und nutzen; persönliches System von vernetzten digitalen Lernressourcen selbst organisieren können *
5.5 Algorithmen erkennen und formulieren: Funktionsweisen und grundlegende Prinzipien der digitalen Welt kennen und verstehen; Algorithmische Strukturen in genutzten digitalen Tools erkennen und formulieren; eine strukturierte, algorithmische Sequenz zur Lösung eines Problems planen und verwenden
6. Analysieren und reflektieren
6.1 Medien analysieren und bewerten: Gestaltungsmittel von digitalen Medienangeboten kennen und bewerten; interessengeleitete Setzung, Verbreitung und Dominanz von Themen in digitalen Umgebungen erkennen und beurteilen; Wirkungen von Medien in der digitalen Welt (mediale Konstrukte, Stars, Idole, Computerspiele, mediale Gewaltdarstellungen etc.) analysieren und konstruktiv damit umgehen **
6.2 Medien in der digitalen Welt verstehen und reflektieren: Vielfalt der digitalen Medienlandschaft kennen; Chancen und Risiken des Mediengebrauchs in unterschiedlichen Lebensbereichen erkennen, eigenen Mediengebrauch reflektieren und ggf. modifizieren; Vorteile und Risiken von Geschäftsaktivitäten und Services im Internet analysieren und beurteilen; wirtschaftliche Bedeutung der digitalen Medien und digitaler Technologien kennen und sie für eigene Geschäftsideen nutzen; die Bedeutung von digitalen Medien für die politische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung kennen und nutzen; Potenziale der Digitalisierung im Sinne sozialer Integration und sozialer Teilhabe erkennen, analysieren und reflektieren *

[18] In welcher Tiefe die KMK-Kompetenzbereiche bzw. Dimensionen in den jeweiligen Seminaren, Unterweisungen, Veranstaltungen oder Unterrichtseinheiten adressiert werden, richtet sich im Detail danach, wie das jeweilige Training angelegt ist und welche Ziele mit dem Training verfolgt werden. Selbstverständlich können einzelne Kompetenzbereiche in Designprojekten immer auch explizit thematisiert werden. Auch die Integration von überfachlichen Kompetenzfeldern, z. B. Datenschutz, Informationskritik, Cyberkriminalität, Medienkonsum oder informationstechnische Grundlagen, ist möglich: So kann ein Designprojekt zum Beispiel Designprodukte (Manuskripte, Audios, Videos etc.) zum Thema Cyberkriminalität und Datensicherheit hervorbringen.

Die KMK-Kompetenzbereiche gelten zunächst für den allgemeinbildenden Elementar-, Primar- und Sekundarbereich I. Berufliche Aus- und Weiterbildungsprozesse im Sekundarbereich II sowie im Tertiär- und Quartärbereich knüpfen bei der Vorbereitung auf die Arbeitswelt von heute und morgen dynamisch an die Kompetenzen an, die an den allgemeinbildenden Schulen im Sekundarbereich I und II erworbenen werden. Wegen der Nähe zu realwirtschaftlichen Produktions- und Beschäftigungssystemen ist die berufliche Aus- und Weiterbildung vom technologischen Wandel durch die Digitalisierung allerdings besonders betroffen: Der aus der Digitalisierung resultierende Handlungsdruck zur Implementierung digitaler Transformationsprozesse ist im realwirtschaftlichen Umfeld existenziell. Die Zielsetzung beruflicher Bildung – der Erwerb einer umfassenden Handlungskompetenz – bedingt hier entsprechend, dass der Kompetenzerwerb grundsätzlich im Kontext von digitalen Arbeits- und Geschäftsprozessen angelegt werden muss. Entsprechend sind die Institutionen der Aus- und Weiterbildungssysteme zusätzlich dazu aufgefordert, sehr spezielle Entwicklungen wie das Internet der Dinge, Industrie bzw. Wirtschaft 4.0, Wissensmanagement, smartes Handwerk, digitales Bauen, E-Commerce, smarte Landwirtschaft oder E-Health in ihren Bildungsplänen und Seminaren zu berücksichtigen. Dem bildungswissenschaftlichen Primat der Zukunfts- und Gegenwartsbedeutung folgend, sollten diese durch die Digitalisierung ausgelösten Entwicklungen dynamisch in den Bildungsplänen, Ausbildungsordnungen und didaktischen Jahresplanungen abgebildet und in den Bildungsgängen implementiert werden.

Designprojekte können die Entwicklung der Kompetenzen für die digitale Welt in zahlreichen Varianten bereichern: Auf der einen Seite leisten sie einen Beitrag dazu, dass die Kompetenzbereiche des KMK-Kompetenzrahmens in die Lehre (Seminar, Unterricht, betriebliche Unterweisung, überbetriebliche Ausbildung etc.) integriert werden können, ohne etablierte Konzepte des Lehrens und Lernens vorschnell abzulösen. Auf der anderen Seite bietet die Arbeit in und mit Designprojekten [19] die Möglichkeit, Prozesse, Verfahren, Wissen und Erkenntnisse hochwertig digital zu dokumentieren. Über diese produktive audiovisuelle Aufarbeitung von Prozess- und Maschinedokumentationen sowie Theoriewissen kommt es zu einer lernwirksamen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Inhalten in beliebigen Kontexten der Aus- und Weiterbildung. Die resultierenden Design- bzw. Handlungsprodukte helfen in einer digital geprägten Kultur zusätzlich dabei, Veranstaltungen vor- und nachzubereiten, Informationen weiterzugeben, Flipped-Classroom-Konzepte umzusetzen etc.

Zum Primat der Pädagogik: Didaktische Konzepte für eine digital geprägte Kultur sind nicht voraussetzungslos zu haben. Tradierte bildungswissenschaftliche Erkenntnisse und etablierte Methoden und Modelle sind zu berücksichtigen, wenn Kompetenzentwicklung gelingen soll. Didaktische Konzepte für die digitale Welt wirken entsprechend nicht einseitig disruptiv, sie verändern und ergänzen didaktische Konzepte der Aus- und Weiterbildung aber grundlegend.

Die Digitalisierung bietet zunächst die Chancen dafür, dass lerner*innenaktive didaktische Ansätze einen zusätzlichen Impuls erhalten. Applikationen wie Oncoo, Classroomscreen und Answergarden schaffen Beteiligungsmöglichkeiten und helfen Lernbarrieren abzubauen (vgl. Kapitel 10). Lerner*innenaktive didaktische Konzepte tragen u. a. auch das Versprechen oder besser die Hoffnung in sich, dass das Theorielernen eine Effizienzsteigerung erfahren kann, weil Wissen in der zielgerichteten Aktivität besser angebunden und kognitiv verarbeitet werden kann als im passiven Rezeptionsmodus. Digitale Medien und Technologien können zusätzlich einen Beitrag dazu leisten, dass sich Seminarräume öffnen, indem das Denken und Handeln im Lernprozess einen größeren (virtuellen) Raum erhält und eine kreative, kritische, kollaborative und kommunikative Lernumgebung entsteht. Gleichzeitig bieten sich auch Möglichkeiten Kosten einzusparen und ressourcenschonend zu arbeiten, weil die Ausstattung mit realen Maschinen und Geräten für lerner*innenaktive Unterweisungen, praktische Arbeiten und Experimente virtuell ergänzt werden kann.

Das didaktische Konzept, das diesem Lehrbuch zugrunde liegt, greift diese Entwicklungen auf der einen Seite auf und stellt ein Instrumentarium zu Verfügung, mit dem die benannten Kompetenzbereiche aus dem KMK-Kompetenzrahmen in einem bildungswissenschaftlich fundierten Organisationskonzept entwickelt werden können. Das Konzept bietet erprobte Strategien, um digitale Technologien und Medien so in den Lern- bzw. Kompetenzentwicklungsprozess zu integrieren, dass Lerner*innen ihre Sach-, Medien-, Sprach- und Lesekompetenz entwickeln, [20] während sie sich gleichzeitig mit Fragen der Medienethik, der Mediennutzung und der Mediengestaltung auseinandersetzen (vgl. Kapitel 6 und 10).

Auf der anderen Seite basiert das Konzept auf einer Merkmalsspezifik, die der traditionellen Projektpädagogik zugeschrieben wird (vgl. Kapitel 2). Das designorientierte didaktische Konzept transformiert die pädagogische Architektur von realweltlich organisierten Lernsituationen in digital organisierte Lernprojekte, respektive Designprojekte. Designprojekte basieren dabei auf einem im Anforderungsniveau skalierbaren ‚Rezept‘. Damit bieten sie auch die Möglichkeit beliebige Lehrveranstaltungsformate bzw. Lernsituationen zu transformieren (vgl. Kapitel 2). Sie können hier zum Beispiel ein Projekt im Projekt darstellen. Sie können aber auch eine Veranstaltung ergänzen, die auf einem klassischen Frontalvortrag basiert.

Das ‚Rezept‘ für die Umsetzung von Designprojekten scheint auf den ersten Blick simpel: Lerner*innen bearbeiten eine fachliche Aufgabe, entwickeln einen Text (vgl. Kapitel 6.2) zur Problemlösung und gestalten anschließend einen Film zu ihrem Lösungsweg respektive zu ihrer Aufgabe (vgl. Kapitel 6.3 und 6.4). Die Handlungsprodukte (Manuskript, Audio, Film) können als offene Lernressource (OER) auf Youtube bzw. in anderen Content-Management-Systemen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Kapitel 6.5). Die Designprodukte können dann für Nachnutzungsszenarien im Modus des Flipped-Classroom genutzt werden. So simpel das Konzept auf den ersten Blick erscheint, so vielfältig sind die pädagogischen und organisatorischen Herausforderungen, wenn es um die konkrete Umsetzung in einer Präsenzveranstaltung geht. Hier stellen sich zahlreiche Fragen. Es geht zum Beispiel darum, wie das Anforderungsniveau so skaliert werden kann, dass unterschiedliche Lerngruppen vom Konzept profitieren, welche Sozialform sich für die jeweilige Phase eignet, welche Rechtsfigur die Prozesse definiert, wie eine Strategie für den Filmschnitt und die Produktion des Audios aussehen kann und welche zeitlichen Ressourcen eingeplant werden müssen, wenn Designprojekte umgesetzt werden. Die folgenden Kapitel beantworten diese Fragen praxisnah.

Lehren und Lernen mit digitalen Medien und Technologien

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