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[21] 2 Bildungswissenschaftliche Referenzen und Anforderungen
ОглавлениеBevor das didaktische Konzept in seiner Phasierung und seinen organisatorischen, technischen und medienpädagogischen Dimensionen konkretisiert wird, werden im Folgenden zunächst zentrale Theoriebezüge hergestellt. Es geht dabei um die Beantwortung der Frage, welche Theorieaspekte und Entwicklungen die Konzeptentwicklung inspiriert bzw. beeinflusst haben. Fundamental ist dabei die Auseinandersetzung mit der Projektpädagogik. Die Ausführungen geben zunächst einen Überblick darüber, welchen Beitrag technologiebasierte Konzepte zur Entwicklung einer inklusiven Didaktik liefern. Anschließend wird eine Merkmalsspezifik ausdifferenziert, die eine handlungsorientierte Projektpädagogik kennzeichnet. Schließlich werden ein didaktisches Grundprinzip von Designprojekten, das Konzept Lernen durch Lehren (LdL), vorgestellt und die Konsequenzen, die mit Blick auf die Konzeptentwicklung für eine designorientierte Didaktik zu ziehen sind, erörtert.
Rezeptives Online-Lernen (E-Learning) und zeitlich fest eingetaktete Mischformen des Lernens (Blended Learning) werden im 21. Jahrhundert zu echtdatenbasierten Lernsettings weiterentwickelt. Die neue Art des Lernens setzt auf kreative, kommunikative, kollaborative und kritische Aushandlungs- und Gestaltungsprozesse in einer digital geprägten Kultur und integriert formale und informelle Kompetenzentwicklungsprozesse in einem Konzept.
Seit vielen Jahren gibt es die Idee, digitale Technologien und Medien zu nutzen, um Lernprozesse zu individualisieren und Kompetenzentwicklungsprozesse effizient zu steuern. Mit der Entwicklung entsprechender Szenarien verbindet man die Hoffnung, dass sie einen Beitrag dazu leisten, dass
•der Ausbau selbstgesteuerter und selbstorganisierter Lernprozesse vorankommt;
•Aus- und Weiterbildung im Prozess der Arbeit möglich wird;
•Effizienzsteigerungen in den Kompetenzentwicklungsprozessen über eine optimierte Integration informeller und formaler Wissensstrukturen möglich werden;
•[22] Impulse für das Feld der Lernortkooperation und -flexibilisierung gesetzt werden;
•maximal individualisierte Förderkonzepte umgesetzt werden;
•bessere Möglichkeiten geschaffen werden, um komplexe oder gefährliche Sachverhalte zu simulieren;
•die Erprobung von neuen Kenntnissen und Fertigkeiten in digitalen Lernumgebungen ermöglicht wird;
•effiziente Assessments für Bedingungsanalysen und Leistungsüberprüfungen genutzt werden können;
•etc.
In der Vergangenheit wurden die entsprechenden Konzepte unter dem Stichwort E-Learning diskutiert. Die frühen Ansätze der Lernunterstützung mittels digitaler Medien konzentrierten sich dabei technologisch vor allem auf den Aufbau von Wissensdatenbanken und die Optimierung kooperativer und kommunikativer Prozesse zwischen Lehrkräften und Lerner*innen einerseits sowie zwischen den am Trainingsprozess beteiligen Organisationen (Ausbildungsbetrieben, Schulen etc.) andererseits. Methodisch charakterisiert der Begriff E-Learning im Grunde Szenarien, bei denen die Lerner*innen temporär selbstgesteuert in einer einmal administrierten virtuellen Lernumgebung (Lern-Management-System) lernen. Lerninhalte werden in Lern-Management-Systemen portionsweise (fremdorganisiert) zur Verfügung gestellt. Integrierte Assessments machen auch eine automatische Auswahl von Inhalten möglich. Hier, so die Annahme, entfaltet sich das Potential digitaler Technologien und Medien für die Individualisierung von Kompetenzentwicklungsprozessen. Teilweise wird zusätzlich eine Betreuung durch Lehrkräfte in die Lernsituation integriert. Die Lern-Arrangements sind dann oft so gestaltet, dass es flankierende Präsenzphasen gibt. Man spricht von Blended-Learning-Konzepten. Es existieren auf diesem Gebiet inzwischen zahlreiche Varianten. So können die Präsenzphasen auch als Face-to-Face-Video-Konferenz oder als Webcast integriert sein. Heutige Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten fokussieren darüber hinaus virtuelle und augmentierte Lernumgebungen, Assessments, Live Monitoring und künstlich intelligente Zuordnungssysteme.
Die hohen Erwartungen an die entsprechenden didaktischen Szenarien haben sich zwar gerade mit Blick auf formale Bildungsprozesse in den Unternehmen, Schulen und Universitäten nicht bzw. nur teilweise erfüllt. Dennoch scheinen mit der Digitalisierung praktisch aller Lebensbereiche digitale Technologien und Medien die Aus- und Weiterbildung grundlegend zu verändern. Während bisher eher die leistungsmotivierten Lerner*innen von den starren E-Learning-Szenarien profitieren [23] konnten, erobern digitale Medien und Technologien jetzt auch die Seminarräume der Präsenzveranstaltungen. Damit werden die Vorteile der beiden Organisationsformate E-Learning und Präsenzlernen durch digitale Technologien zusammengeführt. In einer digital geprägten Kultur stehen nicht mehr Distributionstechnologien und festgeschriebene Inhalte im Fokus. Digitale Medien und Technologien sorgen vielmehr dafür, dass die Lerner*innen im Zentrum didaktischer Bemühungen stehen können. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie können zu vier Feldern verdichtet werden:
1. In einer digital geprägten Kultur bringt die Vernetzung von realen und virtuellen Lebenswelten informelle und formale Kompetenzentwicklungsprozesse in der Lernsituation selbst zu einer Synthese. Die Lernsituation wird nicht mehr als isoliertes Lernsetting (E-Learning) implementiert; sie wird zur echtdatenbasierten Transformation. Technologien und Konzepte (künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Gesichts- und Emotionserkennung), Social-Media-Kanäle (Instagram, Facebook etc.), Produkte (Skype etc.) und Dienstleistungen (Kauf- und Tauschbörsen wie Ebay, Onlinekaufhäuser wie Amazon), Blogs und Foren, Microblogging-Plattformen (Twitter), Content Sharing-Applikationen (Youtube), Social Games, Wikis sowie Product-Reviews und Social-Bookmarking sind mittlerweile so eng mit unserem individuellen sozialen Umfeld vernetzt, dass ein großer Teil des Lebens ohnehin online abläuft. Lernen in und mit digitalen Medien und Technologien und echtdatenbasierte Szenarien ist entsprechend selbstverständlich geworden.
2. Mittlerweile haben mit Youtube, Wikipedia, Coursera, EDX etc. ‚Bildungsanbieter‘ das Feld betreten, die mit neuen Geschäftsmodellen und gigantischen Wissensdatenbanken operieren und sowohl die kleinen Geheimnisse des täglichen Lebens als auch die mehr oder weniger großen Geheimnisse aus Wissenschaft und Technik in allen erdenklichen Formaten und Formen sammeln und wieder distribuieren. Die Demontage der defekten Kaffeemaschine kann hier genauso studiert werden wie die Differenzialrechnung oder die Programmierung von Websites. Dadurch, dass das Wissen der Welt jederzeit verfügbar ist, kann sich die Organisation von Kompetenzentwicklungsprozessen in Präsenzveranstaltungen inhaltlich breiter aufstellen als jemals zuvor. Das klassische Fachbuch ist dagegen ein Auslaufmodell. Die Selbstverständlichkeit, mit der Technologien genutzt werden, und die resultierenden Alltagsroutinen im Umgang mit digitalen Technologien auf der einen und die Verfügbarkeit von Wissen auf der anderen Seite machen den Weg frei für eine inklusive echtdatenbasierte Lehre. Die Lehre kann das Internet, seine Dienste und seine [24] Inhalte als selbstverständlichen Bestandteil des Lebens in jede beliebige Lernsituation einbinden.
3. Lerntheoretische und motivationspsychologische Befunde verändern sich in ihrer Grundsätzlichkeit, wenn überhaupt, nur sehr langsam. Digitale Medien und Technologien machen die Lehre entsprechend auch in Zukunft nicht automatisch effizienter. Es geht vielmehr darum, dass die strukturgebenden Rahmenbedingungen der Lehre in einer digital geprägten Kultur mit Blick auf die Kompetenzentwicklung optimiert werden können. Digitale Medien leisten hier einen Beitrag dazu, dass Lerner*innen aktiver in die Veranstaltungen eingebunden werden können (vgl. Kapitel 10). Sie schaffen Freiräume für individuelles Coaching. Sie ermöglichen eine mitbestimmte, kreative und kritische Lehre. Genau hier liegt das große Potential digitaler Medien und Technologien für Kompetenzentwicklungsprozesse in einer digital geprägten Kultur.
4. Routineaufgaben können in einer digital geprägten Kultur fokussiert und temporär an mehr oder weniger künstlich intelligente Systeme abgegeben werden, wenn dies sinnvoll ist. Verhaltensveränderungen, die das Resultat von Wiederholung und Übung sind, lassen sich über E-Learning, VR- und AR-Applikationen oder über Formen von künstlicher Intelligenz effektiv anleiten. Die Digitalisierung eröffnet also auch im klassischen Format des E-Learnings insbesondere da neue Möglichkeiten, wo solche Verhaltensveränderungen trainiert werden müssen, die ‚niedere‘ Produktivitätsformen von Wissen adressieren (vgl. Kapitel 7). Das trifft auf das Wissen von Fachbegriffen, um Zusammenhänge, operatives Handlungswissen oder auch Normen zu. Hier schaffen digitale Technologien die Freiräume, die Lehrkräfte benötigen, um pädagogisch zu arbeiten: Die Digitalisierung sorgt durch die Entlastung von Routineaufgaben dafür, dass Lehrkräfte tatsächlich als moderierende, motivierende und beratende Akteur*innen agieren können. Von ihnen können dann höherwertige Wissensformen, etwa Reflexionen als eine Art analoger Klammer in den Prozess integriert werden. Damit tragen Lehrkräfte dazu bei, das virtuell Erlernte einzuordnen, Prozesse zu reflektieren und die Lerner*innen zu beraten. Auch diese ‚Klammer‘ kann im Übrigen digital unterstützt werden. Applikationen wie Mentimeter, Socrative, Edkimo und viele andere ‚kleine‘ Hilfen werden dafür sorgen, dass die Moderation von Reflexionsphasen interessant gestaltet werden kann und an Qualität gewinnt (vgl. Kapitel 10).
Ohne Zweifel: Mit Blick auf die Präsenzlehre stehen Lehrkräfte bei der Migration entsprechender didaktischer Szenarien vor einer großen Aufgabe. Zum einen müssen die didaktischen Planungen grundsätzlich angepasst werden. Das ist viel [25] Arbeit. Es geht dabei nämlich keinesfalls darum, eine isolierte Integration von webbasierten Applikationen (vgl. Kapitel 10) zu organisieren. Vielmehr ist das Ziel, Kompetenzentwicklungsprozesse ganzheitlich an einer kreativen Kultur des kritischen Denkens, der Kollaboration und der Kommunikation zu orientieren. Digitale Medien und Technologien müssen zudem als Erkenntnisgegenstände curricular eingebunden werden (vgl. Kapitel 1). Es werden Möglichkeiten benötigt, um eine Auseinandersetzung mit digitalen Technologien in die Lehre zu integrieren. Bei der Organisation der Lehre stellen sich zudem Fragen dazu, welche technischen, ethischen und rechtlichen Fragen das eigene Fachgebiet tangieren. Lehrkräfte müssen sich damit beschäftigen, wie sich ihr Handlungsfeld im Zuge der Digitalisierung verändert. Was muss noch gewusst und gekonnt werden, um die Aufgaben zu bewältigen, die die entsprechende Domäne stellt? Medienkompetenzentwicklung erhält eine deutlich erweiterte Bedeutung, wenn Fragen in den Fokus rücken, die bisher eher am Rande mitgedacht wurden. Es geht viel intensiver als bisher um Nutzungs-, Persönlichkeits- und Urheberrechte. Es geht um Fragen der Persönlichkeitsbildung in einer digital geprägten Kultur. Lehrkräfte müssen sich zudem mit Soft- und Hardware auseinandersetzten, bevor überhaupt an eine didaktische Migration digitaler Medien und Technologien gedacht werden kann. Es handelt sich hier nicht selten um zusätzlichen Aufwand, dessen Mehrwerte für die eigene Lehre weitgehend unklar ist. Designprojekte können hier einen Beitrag zur Orientierung leisten, weil sie auf etablierten Methoden und Verfahren zur Lehrgangsplanung aufsetzen. Mehrwerte ergeben sich zusätzlich dadurch, dass medienethische und medienrechtliche Fragestellungen in den Ausbildungsprozess integriert werden können. Zentral ist jedoch eine Orientierung an den Merkmalen der Projektpädagogik, die im nächsten Abschnitt vorgestellt werden.
Die Projektpädagogik stellt eine aktivierende Merkmalssystematik (Problemorientierung, Produktorientierung, Einsatz materieller Ressourcen etc.) zur Verfügung. In dieser Systematik stehen die Lerner*innen vor unterschiedlichsten Herausforderungen. Das Anforderungsniveau der Herausforderungen muss in einem inklusiven Moderationsprozess durch das Lehrpersonal variiert werden können. In (Design-)Projekten gelingt die Variation über den Grad der Selbststeuerung im Lernprozess. Der Grad der Selbststeuerung kann in Designprojekten in den verschiedenen Phasen individuell variiert werden.
Lerntheoretisch stützt sich das didaktische Konstrukt Projekt zunächst wesentlich auf Erkenntnisse, die aus der Analyse menschlichen Verhaltens resultieren. Zielgerichtetes Verhalten, die Handlung, trägt demnach ein fundamentales lerntheoretisches [26] Paradigma in sich: Das Leben lehrt in der realen Handlung unmittelbar und direkt. Projekte des realen Lebens integrieren in einem dialektischen Verständnis Denken und Handeln, Wissen und Wollen, Theorie und Praxis, Inhalt und Methode sowie Emotionen und Erfahrungen. Handlungstheoretische Überlegungen zeigen, dass dabei das Überwinden von Schwierigkeiten als Implikation aus Denken und Handeln in der Innensteuerung eine zentrale didaktische Kategorie darstellt (vgl. Adolph 1992: S. 168; Aebli 2006; Gudjons 2008; Dewey & Oelkers 2010; Nolting & Paulus 1999: S. 113). „Wer beginnt, Schwierigkeiten kognitiv zu strukturieren, der beginnt zu suchen und zu forschen, zu beobachten und nachzudenken“, schreibt Gottfried Adolf in einem Aufsatz mit dem Titel Projektorientierung – eine Möglichkeit ganzheitlichen Lernens (Adoph 1992: S. 168). Problemhaltige Situationen reizen und motivieren danach – unter bestimmten Bedingungen – zum Nachdenken und Forschen.
Den Überlegungen zu Verwertungsmöglichkeiten der skizzierten handlungstheoretisch gestützten Befunde im Kontext von Aus- und Weiterbildung liegt nun die Vorstellung zu Grunde, dass die Lerner*innen auch in künstlichen, zugleich methodisch geschaffenen und entsprechend rhythmisierten Handlungssituationen (Einstieg, Planung, Erarbeitung, Präsentation, Reflexion), intrinsisch motivierte (Lern-)Handlungen vom Ziel her, also von der Problemlösung – Methode und Inhalt weitgehend eigenständig integrierend – planen und diese Situationen als aktivierend empfinden. Diese Annahme inspiriert auch die Entwicklung von Designprojekten. Die Orientierung von Designprojekten an Handlungen des realen Lebens stellt ein zentrales Paradigma der Planungsüberlegungen dar. Konkret bedeutet dies aber, dass eine aus der Realität ‚herausgelöste‘ Handlungssituation (Aufgabe-/Problemstellung) den Ausgangspunkt für ein didaktisiertes Lern- bzw. Designprojekt darstellt. Die Aufgabenstellung wird im Lernprojekt, aktiv handelnd, weitestgehend selbstständig durch die Lerner*innen bearbeitet bzw. aufgelöst. Das aktive Handeln der Lerner*innen bezieht sich dann aber nicht primär auf die Arbeit mit den realen Artefakten; es bezieht sich vielmehr auf den Prozess der Wissensaneignung in einer virtualisierten Lernumgebung.
Die Projektpädagogik liefert neben der Problemorientierung noch weitere Merkmale, die für Designprojekte nutzbar gemacht werden können. Gudjons konzentriert die Merkmale auf den Situationsbezug, die Orientierung an den Interessen der Beteiligten, die Praxisrelevanz, die Zielgerichtetheit, die Produktorientierung und den Einbezug möglichst vieler Sinne (vgl. Gudjons 2008: S. 79 ff.). Kremer und Sloane nennen Ganzheitlichkeit, kooperatives Lernen und Metakommunikation (vgl. Kremer & Sloane 2001: S. 131). Über Gemeinsamkeiten, Verschränkungen und Schnittmengen können die Merkmale mit Blick auf Designprojekte [27] in einer digital geprägten Lernkultur zu folgender Matrix verdichtet werden (vgl. Schäfer 2012: S. 105):
Tabelle 2: Merkmale einer projektorientierten Pädagogik in der digitalen Welt
Lfd. Nr. | Merkmale | Didaktische Entscheidungen | Operationalisierungsmöglichkeiten in Lern- bzw. Designprojekten | Skalierung |
1. | - Problemorientiert- Situationsbezogen- von gesellschaftlicher Praxisrelevanz | - Wie kann eine Orientierung der Lernsituation an einem konkreten Erlebnis, Faktum, Problem realisiert werden?- Welche realweltlichen Handlungsfelder werden simuliert bzw. sollen simuliert werden? | - Vorgabe von ,realen’ Situationen- Auswahl von Lerngegenständen, die bei den Lerner*innen verbreitet/bekannt/beliebt sind- Problemorientierte Einstiege in die Lehrgangssituation, z. B. Fehlersuche, Messanweisung- etc. | Selbstorganisation (Auswahl der Inhalte)&Selbststeuerung (Organisation der Lernprozesse) |
2. | Zielgerichtet bezüglich des Einsatzes von Ressourcen | Welche Ressourcen und Lernträger sind bereitzustellen?- sächlich- zeitlich- räumlich | - Hard- und Software- Zeitlich: von zwei Unterrichtseinheiten an einem Seminartag bis hin zu mehrtägigen Projekten- Lern- und Produktionsräume zur Verfügung stellen- etc. | |
3. | - Kollaborativ- Kommunikativ- Kritisch | Wie ist das soziale Lernen zu organisieren? | Pädagogische Netzwerke, Kommunikationssoftware, Gruppen-, Einzel- und/oder Partnerarbeit | |
4. | Produktorientiert | Wie erfolgt die Ver- gegenständlichung der Inhalte in den Projekten? | - Produktion von digitalen Designprodukten- Veröffentlichung und Distribution der Produkte |
Tabelle 2 bündelt die Merkmalsspezifik, die der Projektpädagogik zugrunde liegt. Die Merkmale Situationsbezug und gesellschaftliche Praxisrelevanz (Problemorientierung), Planung und Bereitstellung von Ressourcen, kommunikative, kooperative und kollaborative Erarbeitung und Produktorientierung können dabei über den Grad der Selbststeuerung im Anforderungsniveau skalierbar variiert werden. Dieses Lehrbuch stützt sich auf ein Begriffsverständnis, das davon ausgeht, dass der Grad der Selbstorganisation curriculare Vorgaben bzw. Freiheiten adressiert, wobei sich der Begriff Steuerung auf den Lernprozess an sich bezieht (vgl. Dubs 2009). Demnach lernt ein Autodidakt, der seine Inhalte und seine Lernstrategien eigenständig definiert und anwendet, zu 100 % selbstorganisiert und selbstgesteuert (vgl. Schäfer 2012; S. 106). In diesem Verständnis zeigt die Spalte „Skalierung“ [28] in Tabelle 2, dass die genannten Merkmale in ihrem Anforderungsniveau über den Grad der Selbststeuerung variiert werden können. Eine 100%ige Selbststeuerung setzt dabei ideale Lerner*innen voraus. In der Praxis fordert eine inklusive Projektumsetzung in der Regel die Moderation unterschiedlichster Niveaus. Hier ist die pädagogische Professionalität der Lehrkräfte gefragt. Professionell bedeutet dabei, dass die Lehrkräfte ein selbstgesteuertes Lernhandeln bei Bedarf temporär in die Fremdsteuerung überführen, um Feinjustierungen vorzunehmen und eine demotivierende Überforderung der Lerner*innen zu vermeiden (vgl. Schäfer 2012). Designprojekte unterstützen diesen Prozess, indem sie Freiräume für die individuelle Moderation schaffen. Das betrifft praktisch alle Phasen von Designprojekten (vgl. Kapitel 6).
Zum didaktischen Prinzip Lernen durch Lehren: Jede Präsentationsphase setzt lerntheoretisch auf das Prinzip, dass nur das präsentiert werden kann, was auch tatsächlich verstanden bzw. durchdrungen wurde. Designprojekte setzen dieses Prinzip in einer technisierten Lernumgebung um.
Wenn man jemandem etwas erklären möchte, muss man ein mehr oder weniger tiefes Verständnis von den Inhalten entwickelt haben, die transportiert werden sollen. Es erscheint also absolut plausibel, wenn dieses Prinzip im pädagogischen Kontext nutzbar gemacht wird. Entsprechend hat das in diesem Lehrbuch ausdifferenzierte mediendidaktische Konzept ein analoges Pendant, das in der Pädagogik unter der Bezeichnung Lernen durch Lehren (LdL) diskutiert wird. Lernen durch Lehren oder auch Lernen durch Erklären wird dabei als lerner*innenaktive Methode beschrieben, bei der die Lerner*innen ihre Kompetenzen weiterentwickeln, indem sie sich gegenseitig die Inhalte vermitteln.
Die designorientierte Didaktik greift den LdL-Ansatz auf und entwickelt ihn zu einem mediendidaktischen Konzept weiter, bei dem das Lernen durch ‚Filmproduktion‘ bzw. Erklären im Medium Film umgesetzt wird. Digitalen Medien und Technogien kommt dabei eine besondere Rolle zu. Die konkrete Umsetzung einer designorientierten Didaktik in der Lehre erfolgt in Projekten. Ein Designprojekt integriert die Phasierung (Themenfindung, Manuskript, Deklamation, Schnitt und Nachnutzung) und ergänzt diese Phasen um spezifische Einstiegsszenarien, exakte Arbeitsanweisungen, Sozialformen, Auswahlverfahren für Medien, Leistungsbewertungen, Veröffentlichungsszenarien etc.
Das lerntheoretische Konstrukt von Designprojekten gründet auf der Vorstellung, dass die Lerner*innen im Designprojekt einen Rollentausch vollziehen. Sie werden im Laufe der inhaltlichen Auseinandersetzung zu Lehrkräften, die Fachinhalte [29] erklären und vermitteln. Designprojekte sind folgerichtig dadurch gekennzeichnet, dass die Lerner*innen in den verschiedenen Phasen ihre Perspektive (Lerner*innen, Lehrer*innen, Produzent*innen teilweise auch externe Konsument*innen bzw. Rezipient*innen) wechseln. Aus der Perspektive von Lehrer*innen bzw. Produzent*innen geht es darum, den Inhalt didaktisiert zu vermitteln, das Manuskript zu schreiben, den Film zu schneiden etc. Aus der Perspektive von Lerner*innen muss zunächst ein Verständnis von den Inhalten, aber auch von der Didaktik und der Technik entwickelt werden. Die Perspektive von Konsument*innen definiert Prozesse, die eine erfolgreiche Nachnutzung der Handlungsprodukte (Filme) einleiten.
Tendenziell wird die Lehrer*innenrolle gegen Ende eines Designprojekts sukzessive dominanter eingenommen. Während die Lerner*innen sich in den ersten beiden Phasen eines Designprojektes (Einstieg und Manuskript) intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen und dabei klassisch die Rolle von Lerner*innen einnehmen, erodiert dieses Rollenverständnis im weiteren Verlauf der Projekte immer weiter. Den ersten Kontakt mit der Rolle von Lehrkräften haben die Lerner*innen in der Regel, wenn sie die visuellen Medien aussuchen, mit denen der Inhalt, das Thema des Films, später aufgearbeitetet bzw. visualisiert wird. In den weiteren Phasen festigt sich dieses Rollenverständnis als Lehrer*in zunächst. Die Phase Videoschnitt regt dann erneut einen Perspektivenwechsel an. Jetzt wird zumindest teilweise die Rolle von Rezipient*innen bzw. Konsument*innen eingenommen, um bestimmte Animationen bzw. filmische Elemente auszuwählen und einzusetzen mit dem Ziel, bestimmte inhaltliche Elemente optimal in Szene zu setzen. Im Lernprozess wird diese Phase dadurch sichtbar, dass didaktische Fragestellungen die fachlichen Fragen ergänzen und teilweise sogar ablösen. Typisch sind Fragen zu ergänzenden visuellen Medien, den richtigen Pausenlängen in den Sprechtexten, zur Sprechgeschwindigkeit im Allgemeinen, zur Farbgebung im Film etc. In den Perspektivenverschränkungen reflektieren die Lerner*innen ihr Tun, werden mit ihrem derzeitigen Wissensstand und ihren aktuellen Fähigkeiten konfrontiert und denken darüber nach, wie externe Rezipient*innen auf den Film reagieren. Die Perspektivenverschränkung kann im Übrigen auch innerhalb der Gruppe stattfinden, etwa dann, wenn Lerner*innen sich gegenseitig helfen.