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Drei Gründe, warum es schwierig ist, Salz zu sein

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Ich bin gerne pfiffig. Wer möchte schließlich nicht die Grundzutat sein, auf die es ankommt und die allem ihren Geschmack verleiht? Das ist aber aus drei Gründen gar nicht einfach:

Erstens bin ich für die Welt als Christin eher der weiße Pfeffer als das Salz. Vor einiger Zeit habe ich bei einem Rezept den geforderten weißen gegen schwarzen Pfeffer getauscht. Ich konnte geschmacklich keine Verschlechterung feststellen. So sieht die Lage häufig aus: Christentum ist bestenfalls nice to have, aber ersetzbar. Sofern ich mich nicht in explizit christlichen Kreisen bewege, bringen mir die Leute Toleranz entgegen, oder – wie den meisten Tolerierten – Neugier. Schließlich bin ich exotisch: Schau an, weißer Pfeffer! Was es nicht alles gibt! Oder im Fall des Christentums: Was es doch immer noch gibt! Mit der Ausstrahlung der „Letzten ihrer Art“ führe ich Gespräche über die Jungfrauengeburt, die Missbrauchsskandale oder die manchmal sehr unrühmlichen Erfahrungen mit den eigenen Religionslehrerinnen und -lehrern. Sofern ich schlagfertig reagiere, peppe ich damit zwar die Gesellschaft auf. Aber noch nie hatte ich den Eindruck, dass jemand auf meinesgleichen gewartet hätte. Den Leuten, auf die ich treffe, fehlt weder ein substanzieller Mineralstoff noch die richtige Würze.

Was also hat diese Welt so nötig wie Salz? Ihr fehlt nichts, das aktuell unter dem Label „Christentum“ firmiert. Jetzt könnte man natürlich einwenden, das Christentum werde von diesen Leuten missverstanden. Wenn sie wüssten, worum es bei der Sache Jesu wirklich geht, wenn sie wüssten, wie ich diese Sache verstehe, würde es ihnen schon fehlen. Damit bin ich aus dem Schneider: Ich werde missverstanden – was soll ich machen?

Ich könnte zu verstehen versuchen, auf welcher Erde ich lebe. Damit kommen wir zur zweiten Schwierigkeit, denn das war zu keinem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte dringender und komplizierter als heute. Die großen Schlagwörter – Ökologie und Klimawandel, Technisierung und künstliche Intelligenz, Religion und Säkularisierung, Migration, Geschlechterverhältnisse – wer versteht schon wirklich die Zusammenhänge, auf die sie verweisen? Selbst wer sich ernsthaft bemüht, eine informierte Erdenbürgerin zu sein, wird am Ende mit Sokrates bekennen: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Aber das Ringen um Fakten ist lohnend. Meinungen und Ahnungen füllen die Lücken sonst von selbst und erzeugen ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit. Wer sein (Halb-)Wissen testen möchte, dem sei Factfulness (2018) von Hans Rosling empfohlen. Was meinen Sie: Hat sich der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, in den letzten zwanzig Jahren nahezu verdoppelt, deutlich mehr als halbiert oder ist er gleichgeblieben? Unabhängig von Bildungsgrad und sozialem Status der Befragten tippen hier viele auf die besorgniserregenderen Varianten eins und drei. Tatsächlich hat sich die extreme Armut jedoch weltweit halbiert. Wir Menschen neigen zu Schwarzmalerei und bedienen uns undifferenzierter Begriffe. (Ist Armut deshalb ausgestorben? Leider nein. Aber sie hat sich verändert.)

Im Fall der Christenheit unterstelle ich noch ein Vorurteil: Wir hätten gern, dass die Welt auf uns wartet und uns wie das Salz zum Leben braucht. Wenn dem aber nicht so ist und sich die Probleme dieser Welt anders und vielleicht sogar effizienter ohne uns lösen lassen – wie gehen wir um mit der eigenen Überflüssigkeit? Wie sieht unsere Expertise aus?

„Freude, Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen heute sind auch Freude, Hoffnung, Trauer und Angst der Jüngerinnen und Jünger Jesu.“ Als Teil der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (1965) hat dieser Satz für die katholische Kirche Verfassungsrang und erhebt einen stattlichen Anspruch: Wir sollen miteinander vertraut sein. Wenn ich nützlich sein will, muss ich wissen, was gebraucht wird. Das gelingt nur durch aufmerksames Zuhören, das keine Mängel unterstellt, um sie dann zu beheben. Ziel des Zuhörens ist es dann nicht, auf jeden Zuruf blindwütig zu reagieren oder die Weltordnung im Alleingang umzukrempeln, sondern sich zu fragen: Was würde Jesus tun? Wie würde er den Bedürfnissen der Zeit begegnen?

Das führt zur dritten Schwierigkeit: Was bedeutet es, im Sinne Jesu nützlich und pfiffig zu sein? Bei Vorträgen und in Gesprächen stoße ich noch im innersten Kreis der kirchlich Engagierten auf Unwissenheit in religiösen Belangen, auch was die Person Jesu angeht. Selbst fromme Kirchgängerinnen und Kirchgänger wissen zum Teil nicht, ob man mit Sicherheit sagen kann, dass Jesus überhaupt gelebt hat. 2 Manchmal schicken sie dann nach, es sei ihnen auch gar nicht so wichtig. Falls die Unkenntnis der Fakten nicht nur Jesus, sondern auch die zuvor genannten Themen von Umwelt bis Geschlecht betrifft, weiß ich nicht, wer hier wie Salz sein soll. Was bleibt dann vom Evangelium übrig außer: Seid nett zueinander?

Das Bild vom Salz ist Teil der Einleitung der Bergpredigt. Nachdem Jesus jene Teile der Bevölkerung seliggepriesen hat, die eigentlich nichts Gutes erwarten, sagt er den Zuhörerinnen und Zuhörern auf den Kopf zu: Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid die Stadt auf dem Berg! Eines der letzten beiden Bilder für sich genommen könnte gedeutet werden als: Ihr seid die Stars! Aber in Verbindung mit der Rede vom Salz geht es um Nutzen, Schlichtheit und Alltag. Heute sind dem Christentum in Europa die Möglichkeiten genommen, die ganz großen Suppen nachzuwürzen oder zu versalzen. Die Macht ist schlicht und ergreifend weg. Christinnen und Christen sind vereinzelt und können sich auf keinen gemeinsamen Kurs einigen. Innerhalb der eigenen Reihen findet sich das gesamte Spektrum der Meinungen, das sich auch außerhalb findet. Ob Abtreibung, Homo-Ehe oder Sonntagsöffnungszeiten im Handel: Von Pro bis Kontra ist alles dabei. Daran ändern auch offizielle Lehrmeinungen nichts.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Chirurgin, an der die Rede vom Salz konkret wird. In einer Dokumentation über geschlechtsangleichende Operationen erzählte sie von ihrer anfänglichen Unsicherheit: Pfuschte sie Gott damit nicht ins Handwerk? Aber dann sah sie das Leid dieser Menschen und wie sehr sie es durch die Eingriffe lindern konnte. – Nicht alle werden meinen, dass die Ärztin das Evangelium richtig versteht, wenn sie aus der Haut des Unterarms einen Penis oder aus Teilen des Glieds eine Vagina formt. Allerdings ist Heilung ein Wesensmerkmal des Gottesreiches, um dessen Kommen wir jedes Mal im Vaterunser bitten. Jesus sagt nichts über transidente Menschen – wir können es ihm als Kind seiner Zeit nicht vorwerfen. Ich muss heute die Fakten kennen, die wissenschaftlichen Einsichten und die Lebensgeschichten der Menschen, um zu verstehen, dass ein solcher chirurgischer Eingriff für eine transidente Person Teil einer Heilungsgeschichte sein kann.

Jesus und seine Botschaft sind weder das Vehikel für meine eigene Unsicherheit und Unkenntnis noch für meine politische Agenda und Empörung. Jesus zeichnet sich durch einen nüchternen Blick aus: Er kennt die illegalen Machenschaften seiner Zeit, die sozialen Spannungen, die Gegebenheiten. In der Wirklichkeit bricht durch sein Handeln das Gottesreich an. Was das Reich Gottes ist – das ist die Frage, von der her klar wird, auf welche Weise wir Salz sein sollen.

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