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Wie alles begann

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Vor fünf Wochen hat Karin Ja gesagt. Es war ein überraschtes, aber auf jeden Fall uneingeschränktes, freudiges Ja. Ein Jaja. Weniger positiv eingestellte Menschen als ich hätten ihre zehnsekündige Denkpause als aufkommende Zweifel interpretieren können. Aber ich kenne Karin. Karin ist keine, die sofort Ja sagt. Karin durchdenkt die Dinge gern. Doch nach einer kurzen Pause hat sie die Dinge durchdacht und Ja zu mir gesagt. Ich atmete einmal tief durch und wagte mich an die zweite Frage: Wollen wir buddhistisch heiraten?

Darauf antwortete meine Frisch-Verlobte ebenfalls mit Ja. Karins zweite Denkpause war deutlich kürzer als die erste. Ich vermute, sie hatte die erste Denkpause bereits dazu genutzt, alle Optionen für die Hochzeit durchzuspielen, eine buddhistische inklusive. Vor ihrem geistigen Auge entfaltete sich vermutlich auch ihr Hochzeitskleid, baute sich der Traualtar auf und nahm die ganze Zeremonie Gestalt an. So wie jetzt an ihrem Finger langsam ein Ring Gestalt annahm, der ihre Augen glänzen ließ.

Da war es fast schon ein Leichtes, die dritte Frage zu stellen: Heiraten wir auf Bali? Karin strahlte: Ja, Jonas, wo denn sonst? Recht hatte sie. Auf Bali sind Buddhisten gegenüber den Hindus zwar eindeutig in der Minderheit, aber wer möchte schon vor einer Münchner Standesbeamtin namens Veronika Mayrhuber stehen, die Metta-Bhavana aufsagen und mit einem herzlichen Vergelt‘s Gott in die buddhistische Zweisamkeit verabschiedet werden? Auch eine Trauung durch einen buddhistischen Mönch am Chiemsee lag völlig außerhalb unserer meditationsgeschulten Vorstellungskraft. Ich höre immer noch den Wirt aus unserem Münchner Stammlokal: „Jonas, i sog dir: Bessa zwoa Ring unta de Augn, ois oa Ring am Finga!“

Nein, Buddha gehörte nach Bali und nicht nach Bavaria. Also Braut: Ja! Buddha: Jaja! Bali: Jajaja!

Karin und ich hatten uns schon vor geraumer Zeit für den Buddhismus entschieden – aus Überzeugung und nicht, weil es gerade zum Lifestyle passt. Wir fanden am Buddhismus so sympathisch, dass er sich nicht um Gott, sondern um den Geist dreht. Und wer nun denken könnte, wir haben zu viel Eat Pray Love gesehen, den müssen wir enttäuschen: Wir können mit diesem Streifen nichts anfangen. Wie oft wurde die Idee schon kopiert: Kapitalismusmüder Westler mit Burnout fährt zur Selbstfindung gen Osten, wird spirituell weich geklopft, verknotet sich bei diversen Sonnengrüßen, entflechtet sich wieder bei einer traditionellen Hot-Stone-Massage und meditiert sich bis zur Erkenntnis, dass es nicht nur um Geld im Leben geht, oh nein, sondern um Sinn! Und schon kehrt der einstmalige Psychiatriepatient als geläuterter Yogi zurück und verkündet seinerseits die Idee von Prana und liebender Güte.

Nichts für ungut, aber Julia Roberts ist nun wirklich nicht schuld, dass wir Bali entdeckt haben. Wir waren im Jahr zuvor dort im Urlaub und wussten sofort: Hier wollen wir uns trauen. Es war mehr als das übliche Urlaubsgefühl, das einen schon am ersten Tag befällt, wenn man etwa das Meer rauschen hört und das Essen plötzlich anders schmeckt. Ich spreche von dem einzigartigen Bali-Feeling: Dort begegnet jeder dem anderen freundlich und höflich, lächelt aus vollem Herzen, ernährt sich gesund und bewegt sich automatisch im Zeitlupentempo. Kurz, die Balinesen sind – in der Mehrheit – einfach gut drauf. Und damit meine ich nicht das „Gut-Draufsein“ eines Surfers, der die perfekte Welle gefunden hat, oder eines 60-jährigen Hippies auf seiner Cannabis-Plantage, sondern eine grundsätzlich entspannte Haltung zum Leben.

Bali bietet noch einen weiteren Vorteil als Hochzeits-Location: Karin kann ihre australischen Freunde einladen, die sie bei einem einjährigen Aufenthalt in Sydney kennengelernt hatte. Die Aussies verbinden eine Bali-Tour mit einem kurzen Inselhopping über das verlängerte Wochenende – so wie die Münchner mal eben einen Abstecher zum Gardasee machen. Für die Zeremonie, Feier und Übernachtung haben wir eine wunderschöne Villa in Ubud im Landesinneren gebucht. Mit der Besitzerin haben wir sofort geklickt. Helen ist Hawaiianerin, lebt und arbeitet wahlweise in San Francisco, Madrid, Delhi und Indonesien, unterrichtet balinesische Kinder und veranstaltet nebenbei Musikfestivals. Sie allein ist schon ein Grund, sich auf Bali zu trauen.

Helen versicherte uns auch, dass wir auf ihrem Grundstück bis in die Nacht feiern dürfen. Die Absprache mit den Nachbarn würde sie übernehmen. Denn nicht jeder kann auf der Insel einfach eine Hochzeit feiern. Ausländer benötigen eine Reihe von Genehmigungen, für die sie kräftig zur Kasse gebeten werden. Eines der ersten Wörter, die wir in diesem Zusammenhang lernten, war die Banyan Fee. Dahinter verbirgt sich keine balinesische Märchengestalt, sondern eine ominöse Sicherheitsgebühr. Paare lassen sie der lokalen Community zuteilwerden, in der sie heiraten wollen. Was Heiratswillige im Gegenzug erhalten, ist nicht genau definiert – im besten Fall die stille Duldung der Anwohner. Im Normalfall verlangen die Communities neben der Banyan Fee eine zusätzliche Sicherheitsgebühr. Dabei hatten wir während unseres Urlaubs nie den Eindruck, auf einer gefährlichen Insel gelandet zu sein oder sich nachts verbarrikadieren zu müssen.

All diese Fees schließen immer noch nicht das Recht ein, die Nacht zum Tag zu machen – erst recht nicht, laute Musik dazu zu hören. In allen möglichen Hotels und Villen in Ubud, die für eine Hochzeit infrage gekommen waren, hätten wir bereits ab 22 Uhr die Musik auf Zimmerlautstärke herunterdrehen und vom DJ-Pult aufs Smartphone umschalten müssen. Da wir aber keine Lust haben, auf Zehenspitzen zu tanzen, erhielt Helen den Zuschlag. Sie bot sich sogar an, uns bei den Vorbereitungen zu unterstützen – wie es auch eine Wedding Plannerin tun würde.

Dabei herrscht an Hochzeitsplanern auf Bali kein Mangel: Die Insel hat sich zu einer selbst reproduzierenden Wedding-Maschine entwickelt. Vor allem Australier, Chinesen und Amerikaner verwandeln Bali in ein fernöstliches Las Vegas. Sie stehen Schlange, um sich vor einem Sonnenuntergang trauen zu lassen. Die Wedding Planner überbieten sich mit Angeboten an Adventure Weddings, Beach Weddings, Cruise Weddings, Cliff Weddings, Water und Underwater Weddings. Alles nichts für uns. Wir wollen weder am Strand noch im Neoprenanzug oder auf einer Klippe, nur einen Schritt vom Abgrund entfernt, unsere gemeinsame Zukunft planen. Individuell soll es sein und authentisch. Und das möglichst ohne mit einer Hotelkette kooperieren zu müssen. Aber wenn es den Sonnenuntergang dazugibt, nehmen wir ihn natürlich gerne mit.

Jetzt ging es aber erst einmal darum, die Nachricht zu teilen. Denn wir wollen aus unserer Hochzeit kein Geheimnis machen wie andere Paare, die eine Postkarte aus Las Vegas oder vom Leuchtturm auf Sylt schreiben: „Hey Überraschung, wir haben geheiratet! Ihr wart zwar nicht eingeladen, aber jetzt dürft ihr uns gratulieren und unsere Fotos liken!!“ Außerdem haben wir nicht die Absicht, fremde Balinesen von der Straße weg als Trauzeugen einzukaufen. Wir zählen also auf unsere Familie und Freunde, von denen die meisten – das haben wir in einer ersten Schnellanalyse herausgefunden – noch nicht auf Bali waren.

Bis wir die Nachricht von unserer geplanten Hochzeit auch schriftlich in Form von offiziellen Einladungen übermitteln konnten, vergingen noch ein paar Wochen. Die Einladungen waren nicht irgendwelche Einladungen, sondern mit einem türkisen Mandala bedruckt. Nun war mir nicht klar, dass Türkis zu den Farben gehört, die sich nicht gleich klar definieren lassen. Ein Türkis tendiert bei dem einen zu Petrol, bei dem anderen schimmert es grünlich oder wieder bläulich. Ich musste das Einmaleins der Farbenlehre nachholen, um mit Karin auf Augenhöhe diskutieren zu können. Ständig hielt sie mir den Pantone-Farbfächer unter die Nase. Ohne den kann offensichtlich nichts auf der Welt professionell gedruckt werden.

Das von uns favorisierte Türkis in Kombination mit dem von uns favorisierten Mandala ist natürlich nicht unbedingt bei print-your-wedding-card.com zu finden, auch wenn ich zugegebenermaßen dort eine Weile gesurft habe. So was findet man ausschließlich – in Kalifornien. Karin hat mir glaubhaft versichert, dass nur dieses Grafikbüro in San José Einladungskarten mit einem Mandala produziert, die unserer Hochzeit würdig sind. Der Endversion ging ein zweiwöchiger E-Mail-Verkehr und zwölf Korrekturläufe mit dem Designer voraus. Jeder Korrekturlauf beinhaltete den Hinweis: „corrections after first approval not included“. Es bedurfte weiterer E-Mails, um abschließend zu klären, was „included“ ist und was „not“.

Wir beschränken den Kreis der Eingeladenen auf 50 Personen und rechnen mit vielleicht 25 Zusagen. Die andere Hälfte wird sich denken: Warum Bali? Sollen sie doch hier heiraten! Oder: Sie können ja gern auf Bali heiraten, aber sie werden bestimmt ein zweites Mal in Deutschland heiraten. Oder: Einen schönen Strand gibt es auch auf Sylt – vielleicht nicht mehr lange, aber vermutlich noch dieses Jahr. Doch genau weil es auch auf Sylt Strände gibt, wenn nicht sogar viel schönere als auf Bali, kommt für uns nur eine Hochzeit in den Reisfeldern infrage. Ich höre schon meine Familie: „Wie praktisch, wir wollen euch ja eh mit Reis bewerfen!“ Dabei geht es uns nicht um die Frage, ob wir mit Sand, Reis, Lotusblumen, Bananen oder sonst was beworfen werden, sondern um das typische Bali-Flair. Und genau dieses Gefühl wünschen wir auch unseren Gästen – falls sie zusagen.

Bali Buddha Burnout

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