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Ronny ist krank

„Miez, Miez, Miez! Wo seid ihr alle? Futter gibt’s!“

Frau Rosenberg stand in ihrer großen, sauberen Küche und teilte Katzenfutter auf acht Futternäpfe auf. Die schwarze Tessy, Tessys Söhne, der graue Sam und der schwarze Ricky, die uralte Katzendame Donna, der rote Rocco und die hübsche Angorakatze Bonny kamen angerannt und drängten sich schnurrend um ihre Futternäpfe. Nur der rotweiße Kater Nelson, der wie immer in den entferntesten Winkeln der Umgebung umherstreifte, fehlte.

Die beiden jungen Kater Ricky und Sam machten das, was sie am liebsten taten, sie zankten sich um ihr Futter.

„Geh weg, das ist mein Futternapf“, brummte der schwarze Ricky und drängte seinen Bruder, den grauen Sam zur Seite.

„Dein Futternapf, dass ich nicht lache“, antwortete Sam entrüstet. „Komm ja nicht auf die Idee, ekelig in mein Futter hinein zu sabbern, sonst zerkratze ich dir deine Nase!“

„Versuche es doch, wenn du dich getraust. Angsthase! Du Angsthase!“

Sam baute sich in seiner ganzen Größe vor seinem Bruder auf und fauchte ihm ins Gesicht. Dabei entblößte er seine langen, spitzen Zähne.

„Ha, ich habe viel schärfere Zähne als du“, fauchte Ricky und entblößte ebenfalls seine langen, spitzen Zähne.

„Sofort aufhören! Hört sofort auf“, schimpfte Frau Rosenberg. „Wenn ihr nicht augenblicklich wieder lieb zueinander seid, bekommt euer Futter Pongo, unser Hofhund!“

Frau Rosenberg warf einen strengen Blick auf beide Streithähne. Kleinlaut befolgten Ricky und Sam Frau Rosenbergs Befehl. Sie wussten aus Erfahrung, dass ihr Frauchen jede Drohung wahr werden ließ.

„Du Hundehaufen“, flüsterte Ricky hämisch in Sams Ohr.

„Du Katzenseuche“, war dessen Antwort.

Der rote Kater Ronny war indessen an seinem Futternapf angelangt und schlang gierig einen Bissen Katzenfutter hinunter. Doch was war das? Das Katzenfutter kratzte durch seine Kehle wie ein spitzer Dorn. Ronny hustete und blickte verwundert in sein Futter. „Komisch“, dachte er, „es sieht so aus wie immer, es riecht so wie immer, es schmeckt so wie immer, nur fühlt es sich dornenkratzig an!“

Er nahm noch einen Bissen und – autsch -

abermals ein Dorn. Er stutze.

„Auch wenn du noch länger in dein Näpfchen hinein starrst, mehr bekommst du heute Abend nicht“, schmunzelte Frau Rosenberg. „Ich habe dich auf Diät gesetzt. Du bist viel zu dick.“

„Habt ihr auch Dornen in eurem Futter?“, fragte Ronny seine Freunde.

„Nein, ich habe noch keine entdeckt“, antwortete Tessy verwundert.

„Du hast Dornen in deinem Futter?“, grinste Ricky ungläubig. „Gehören Dornen zu deinem Diätplan? Lass uns probieren.“

Gierig stürzten sich beide Brüder auf Ronnys Futternapf und fraßen im Nu fast das halbe Näpfchen leer. Dann zuckte Ricky verwundert mit seinem Schweif:

„In deinem Futter sind keine Dornen!“

„Auch keine spitzen Fichtennadeln“, versicherte ihm Sam.

Ronny starrte ungläubig in die Luft und seufzte tief:

„Ich fühle mich nicht wohl. Ich glaube, ich habe mir meinen Magen mit dem angeknabberten Wurststück, das vor Pongos Hundehütte lag, gründlich verdorben.“

Schnell machte er kehrt und lief die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Aber, obwohl es sich auf der kuschelweichen, roten Decke der Frau Rosenberg so gut träumen ließ, in dieser Nacht machte er kein Auge zu. Sein Magen knurrte fürchterlich. Er stand auf und probierte ein Stückchen Trockenfutter. Es kam ihm vor, als hätte er Glassplitter im Hals. Und so ging es ihm auch am nächsten Tag, am übernächsten und am überübernächsten. Bald konnte er vor Hunger und Schwäche kaum noch stehen.

Frau Rosenberg sah, dass ihm etwas fehlte. Sie packte ihn in einen Käfig und brachte ihn zum Tierarzt. Jedoch all die Pillen und Spritzen, die der Doktor ihm verabreichte, zeigten keine Wirkung. Ronny wurde immer dünner und schwächer.

Sein Befinden blieb den anderen Katzen nicht verborgen.

„Was ihm wohl fehlt?“, wunderten sie sich.

Und die uralte Katzendame Donna schlug vor, den weisen Kauz Attaro um Rat zu fragen.

Gesagt, getan!

Der Kauz erschien und wusste sofort die Antwort. Flügel schlagend erwiderte er:

„Euer Freund Ronny hat etwas Fürchterliches angestellt. Er hat Farokans Diener Basil getötet. Farokan hat sich nun bitter an ihm gerächt. Ich hörte, wie er schrie:

„ICH VERFLUCHE DIESE KATZE! ALS STRAFE FÜR IHRE BÖSE TAT SOLL SIE NICHTS MEHR SCHLUCKEN KÖNNEN UND NEBEN IHREM REICHLICH GEFÜLLTEN FUTTERNAPF ELEND VERHUNGERN!“

Ronnys Freunde erschraken. Farokan, der Mäusedruide, war heimlich in ihrem Haus gewesen und sie hatten es tatsächlich nicht bemerkt. Der Mäusedruide genoss unter allen Tieren einen entsetzlich schlechten Ruf. Er war für seine Hinterhältigkeit, Boshaftigkeit und Gemeinheit allerorts bekannt und jeder versteckte sich, wenn er ihn kommen sah.

Nach einigen bangen Minuten meldete sich Tessy zu Wort:

„Ich glaube nicht, dass Ronny Farokans Diener etwas zuleide getan hat. Ronny fängt zwar von Zeit zu Zeit eine Maus, um ihr dann einen gehörigen Schrecken einzujagen. Leider bekommt er kaum eine zu fassen, denn er ist äußerst ungeschickt und fürchtet sich obendrein vor den spitzen Mäusezähnchen. Sollte es ihm zufällig doch einmal gelingen, eine Maus festzuhalten, dann spielt er ein bisschen mit ihr, lässt sie aber bald wieder frei. Außerdem darf er keine Maus fressen, denn vor Mäusen bekommt er Bauchschmerzen. Er war mit Sicherheit nicht derjenige, der Basil getötet hat.“

Sie warf einen strengen Blick zuerst auf Sam, dann auf Ricky.

„Ich war es nicht!“, verteidigte sich Sam. „Sicher war es Ricky!“

„Nein! Ich war es bestimmt nicht! Ich wusste nicht einmal, dass so eine Maus bei uns auf Besuch war“, wehrte sich Ricky.

„Ein Mäusedruide irrt sich nicht“, sagte Attaro ernst. „Euer Freund Ronny wird es wohl gewesen sein!“

„Nein!“, rief Rocco plötzlich. „Er irrt sich doch! Basil lebt! Ich traf ihn gestern unter der Brombeerhecke.“

„Das würde mich wundern“, kreischte Attaro. „Erzähle!“

„Ich machte wie immer mein Vormittagsschläfchen“, berichtete Rocco, „als plötzlich eine kugelrunde Maus auf meinen Bauch sprang, mich umarmte, mich küsste, mich streichelte und sanft meinen Bauch kraulte. Sie quietschte: ‚Du hast mein Leben gerettet. Ich bin Basil. Etliche Jahre war ich Farokans untertänigster Diener, musste ihm sein Futter beschaffen, ihn hegen und pflegen und ihn in den Schlaf wiegen. Nie bekam ich ein gutes Wort zu hören. Immer hagelte es nur Hiebe und Schelte. ‚Du Tölpel bring dies, du Tölpel bring das. Du Dummkopf mach dies, du Dummkopf mach das‘. Nette Worte hatte er nie für mich übrig. Aber jetzt – jetzt glaubt er, ich sei tot. Endlich! Endlich bin ich frei. Danke, danke, danke! Ich werde dir mein ganzes Leben lang danken!‘ Danach umarmte mich die dicke Maus, gab mir einen schmatzenden Kuss auf die Nase und verschwand in einem Mäuseloch. Eigentlich dachte ich bis jetzt“, lachte Rocco und schlug mit seiner Pfote spaßhalber auf Rickys Rücken, „ich hätte den dümmsten Alptraum meines Lebens geträumt.“

„Igitt“, quietschte Ricky und rollte sich kichernd im Sand. „Mäusekuss! Ranzige Mäusespucke! Pfui Spinne! Wahrscheinlich dachte Basil, du wärst Ronny.“

„Was?“, rief Rocco empört, „dem dicken,roten Kater sehe ich nun mal wirklich nicht ähnlich. Ich bin viel schöner als er.“

„Wenn du es sagst“, antwortete Ricky und zwinkerte Sam heimlich zu.

„Wenn der dicke Basil noch lebt“, überlegte Tessy, „wurde Ronny zu Unrecht mit einem Fluch belegt. Wir müssen Farokan schnell finden, bevor etwas ganz Schlimmes mit Ronny passiert. Farokan muss seinen Fluch sofort wieder zurück nehmen! Attaro“, wandte sie sich an den Kauz, „ist Farokan noch in der Nähe?“

„Zu spät“, antwortete der weise Vogel.

„Die Maus hat gestern dieses Anwesen verlassen. Ich hörte noch, wie sie schrie, dass sie in diese fürchterliche Gegend nie wieder zurückkehren wird. Wohin sie gegangen ist, weiß ich auch nicht.“

„Wer könnte wissen, wo sie hingegangen ist?“, fragte Tessy.

„Vielleicht wissen es die Krähen, die auf eurer Eiche brüten“, überlegte er. „Sie fliegen weit in dieser Gegend umher und sehen und hören daher alles. Kann sein, dass sie etwas von Farokan gehört, oder ihn gesehen haben. Erkundigt euch bei ihnen!“

Schnell flog er wieder in die Nacht hinaus.

Eine Katzengeschichte

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