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Krähen wissen doch immer alles

„Was glotzt du so in unser Nest hinein? Solltest du noch einen Schritt näher kommen, dann zupfe ich dir sämtliche Barthaare aus und drehe deinen Schweif zu einer Spirale!“

Die schwarze Krähe Benedikt landete im Sturzflug auf dem dicken Ast der Eiche über dem, mit wildem Wein überwucherten Dach des Schuppens. Auf dem Dachfirst saß der rotweiße Kater Nelson und wartete auf das Eintreffen des Krähenpaares Benedikt und Mathilda.

„Dein Küken interessiert mich nicht“, sagte der Kater. „Ich brauche dringend eine Auskunft von euch. Ich muss wissen, ob du Farokan, den Mäusedruiden, gesehen oder gehört hast, wohin er gegangen ist! Ihr Krähen hört und seht doch immer alles.“

Kritisch beäugte Benedikt den großen Kater. Dann krächzte er hämisch:

„Hast du dich schon einmal gefragt, warum ich - ein Vogel, einer Katze - meinem Feind, eine Auskunft geben sollte? Vorher klebe ich mir meinen Schnabel mit Kaugummi zu.“

Mittlerweile war Mathilda, die Krähenfrau, in ihrem Nest gelandet. Zuerst stopfte sie ihrem Küken eine dicke, grüne Raupe in den Schnabel dann gesellte sie sich zu Nelson und ihrem Krähenmann.

„Was hast du hässliches Fellbündel mit dem greisen Farokan vor?“, fragte sie verwundert. „Willst du ihn fressen? So eine uralte Maus schmeckt doch nicht mehr gut. Außerdem hat Benedikt Recht. Warum sollten ausgerechnet wir Krähen dir eine Auskunft geben? Ihr Katzen macht uns jedes Jahr, wenn wir unseren Küken das Fliegen beibringen, den größten Ärger.“

„Ich sagte doch“, antwortete Nelson, „ich brauche diese Auskunft dringend. Als Gegenleistung verspreche ich, dass sowohl ich, als auch meine sieben Kumpels eure Küken nicht mehr ärgern werden. Ihr müsst mir dafür aber verraten, wohin der Mäusedruide gegangen ist. Abgemacht?“

Benedikt und Mathilda steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten.

„Also gut“, antwortete Benedickt nach einer Weile. „Obwohl ihr Katzen alle miteinander eine Horde von Nichtsnutzen seid, erbarmen wir uns diesmal mit euch. Aber sollten du oder einer deiner Kumpels euer Versprechen brechen und wir euch in der Nähe unseres Kükens erwischen, dann rufe ich meinen ganzen Krähenschwarm zusammen und wir überlegen uns, wie wir Euch dafür bestrafen werden. Macht euch dann auf das Schlimmste gefasst!“

Nelson zählte im Gedanken langsam bis zehn: ‚Sachte, sachte, alter Junge. Bleib Ruhig! Reg dich jetzt nicht auf‘, sprach er leise zu sich. ‚Einmal wirst du diesen hässlichen Vogel erwischen, ja dann – Rache ist süß!‘

„Was hast du gesagt?“, wollte Benedikt wissen.

„Nichts, nichts“, antwortete Nelson schnell.

„Also - die Mäuse“, begann Mathilda, „die Mäuse im Tierpark wollen einen neuen Anführer wählen. Ihr alter Mäusemeister ist kürzlich erst verstorben. Der Mäusedruide ist daher in den Tierpark gereist, um den Mäusen bei ihrer Wahl zu helfen.“

„Farokan macht also momentan den Tierpark dieses Landes unsicher? Wie weit ist es bis zum Tierpark?“

„Weit, s e h r weit“, krächzte Benedikt. „Der Tierpark befindet sich in einer großen Stadt. Um dort hin zu gelangen braucht man Flügel. Vergiss den Tierpark. Den wirst du nie finden!“

Nelson schluckten seinen Ärger ein zweites Mal hinunter: „Wer könnte wissen, wie man auch ohne Flügel unverzüglich in den Tierpark gelangt?“

„Wer das wissen könnte?“, antwortete Benedikt nachdenklich. „Die beiden alten Fiakerpferde Molly und Dolly vom Bauern Florian haben viele Jahre ihre Kutsche durch den Park gezogen. Sie müssten wissen, wie man dorthin gelangt. Aber jetzt sag mir, warum du den Mäusedruiden suchst!“

Nelson erzählte ihnen vom kranken Ronny und vom Fluch. Als beiden Krähen dies hörten, schlugen sie verärgert mit den Flügeln: „Wenn wir gewusst hätten, dass unsere Auskunft dazu dient, dem brutalen, dicken Kater, dem bösartigsten und gemeinsten von euch allen, das Leben zu retten, dann hätten wir unseren Schnabel gehalten!“

„Wenn die wüssten, wie gerne ich ihnen mein Versprechen gegeben habe“, schnurrte Nelson und kletterte vom Dach des Schuppens hinunter. „Krähenfleisch schmeckt abscheulich. Nie im Leben würde ich eine Krähe verspeisen. Es macht jedoch großen Spaß, so zu tun, als ob man an ihren Küken interessiert wäre. Sie regen sich dann immer so fürchterlich auf.“

Eine Katzengeschichte

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