Читать книгу Der magische achte Tag - Marliese Arold - Страница 10
Nicht mein Tag!
Оглавление»… und deswegen schreiben wir jetzt eine Arbeit!«, verkündete Frau Schlosser, die Lateinlehrerin der 8 b. »Bitte klappt eure Laptops auf und loggt euch ein. Auf der Startseite findet ihr unseren heutigen Test.«
Die Klasse stöhnte. Auch Olivia, Lauras beste Freundin und Sitznachbarin, verdrehte die Augen.
»Mist, ich hab überhaupt nichts gelernt. Kannst du die Grammatik?«
Laura zuckte mit den Schultern. Nach den Erlebnissen während des achten Tages erschien die letzte Lateinstunde meilenweit weg zu sein. Das Lernen fiel ihr zwar grundsätzlich leicht, aber heute konnte sie sich schlecht konzentrieren.
»Zehn Minuten Zeit«, sagte Frau Schlosser. »Die Zeit läuft … ab jetzt!«
Laura versuchte, den Sinn der Aufgaben zu begreifen. Ständig drang Olivias Flüstern zu ihr. »Was muss ich bei Aufgabe zwei einsetzen? O weh, die vierte Aufgabe begreif ich überhaupt nicht!«
Die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwammen vor Lauras Augen. Sie blinzelte, aber die Schrift war noch immer unscharf. Als Laura nach vorne blickte, hatte sie einen Moment lang den Eindruck, dass Magistra Elisa vor der Tafel stand.
Olivia trat Laura ans Bein. »Bei Aufgabe zwei Genitiv Plural oder was?«, zischte sie.
»Wer abschreibt, bekommt eine Sechs«, drohte Frau Schlosser, die Ohren hatte wie ein Luchs.
»Dativ Plural«, gab Laura leise zurück, nachdem sie die Aufgabe gelesen hatte. Ihre Augen funktionierten langsam wieder besser.
»Und bei vier?«
»Akkusativ Plural.«
»Canis? Canem?« Aus Olivias Flüstern klang die pure Verzweiflung.
»Canes.«
Frau Schlosser schritt durch das Klassenzimmer und blieb neben dem Pult von Laura und Olivia stehen. Laura blickte langsam hoch und versuchte, harmlos zu lächeln.
»Es nützt gar nichts, wenn du deiner Freundin hilfst«, sagte Frau Schlosser schneidend. Sie klappte Lauras und Olivias Laptop zu. »Laura Lilienstedt, Olivia Maurer – beide Sechs! Ich habe euch gewarnt.« Sie drehte sich um und ging wieder nach vorne, um die Noten in ihr Notizbuch einzutragen.
Olivia war den Tränen nah, während Laura vor Wut kochte. Es war ja auch eine Gemeinheit, gleich am Montag in der ersten Stunde einen Test zu schreiben! Frau Schlosser wusste genau, dass die meisten in der Klasse noch gedanklich im Wochenende waren.
In der zweiten Stunde hatten sie eine Vertretung, weil der Englischlehrer Herr Mahlke immer noch krank war. Olivia nutzte die Gelegenheit, Laura zu erzählen, dass sie am Sonntagnachmittag ihren Schwarm getroffen hatte.
»Meine Mum und ich, wir waren im Kino. Ich hatte doch noch diese Gutscheine, und Mum wollte unbedingt auch diesen neuen 3-D-Film sehen. Na ja, war ziemlich mäßig. Muss man nicht unbedingt gesehen haben. Aber danach traf ich Severin. Er stand im Foyer mit zwei Freunden und hat anscheinend auf die nächste Vorstellung gewartet. Als er mich entdeckt hat, hat er mich angelächelt. Hach!« Olivia schloss entzückt ihre Augen, um sie gleich darauf wieder weit aufzureißen. »Meinst du, er mag mich, Laura?«
Laura zuckte mit den Schultern, aber Olivia plapperte schon weiter. »Vielleicht ist er ja auch heimlich verliebt in mich und traut sich nicht, es mir zu sagen. Das kann doch sein, oder? Liebe auf den ersten Blick! Bei mir war es ja auch so. Ich hab ihn gesehen – und wusch!« Sie griff theatralisch an ihr Herz. Dann seufzte sie tief und legte ihren Kopf auf die Bank. »Liebe ist verdammt anstrengend! Ich glaube, ich habe heute Nacht kein Auge zugetan.«
Wenn du wüsstest, was ich erlebt habe, dachte Laura, aber sie sagte es nicht laut. Einerseits hätte sie ihr Geheimnis gern mit jemandem geteilt, andererseits stand in dem Gedicht, das sie zusammen mit der rätselhaften Taschenuhr gefunden hatte, dass sie niemandem etwas über den achten Tag erzählen sollte. Und das galt auch für die beste Freundin.
Damit dein Glück nicht bald zerbricht,verrate das Geheimnis nicht!
Olivia nervte Laura die restliche Stunde damit, Pläne zu entwickeln, wie sie Severin für sich gewinnen könnte. Einen Liebesbrief schreiben und ihn heimlich in seinen Briefkasten werfen? Oder seine Handynummer herausfinden? Oder allen Mut zusammennehmen und ihn direkt ansprechen?
»Ich sterbe, wenn ich das tue!«, jammerte Olivia, aber da klingelte es zum Glück endlich zur Pause. Laura hatte schon leichte Kopfschmerzen, die schlimmer wurden, als Olivia sie unterhakte und nach draußen zog.
Normalerweise verbrachten sie bei gutem Wetter die Pause so gut wie immer auf ihrem Lieblingsplatz: der Bank unter der großen Kastanie. Doch jetzt zerrte Olivia Laura in Richtung Schultor. Dort hielten sich die Jungen und Mädchen der höheren Klassen auf. Einige saßen auf der Mauer, andere standen draußen vor dem Tor und rauchten.
»Was sollen wir hier?«, fragte Laura, aber Olivia rollte nur verheißungsvoll mit den Augen. Als Laura den Kopf drehte, entdeckte sie Severin Süßkind in einer Gruppe von Jugendlichen. Sie erkannte ihn sofort wieder. Seine hagere Gestalt und die blonde Wuschelfrisur waren unverwechselbar. Laura fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie musste daran denken, wie sie sich im Keller der Schule der Ewigkeit getroffen hatten und welches Geheimnis sie miteinander teilten.
»Ist er nicht süß?«, quietschte Olivia begeistert.
»Sei still! Nicht so laut! Er hört es am Ende noch!«, sagte Laura warnend.
Aber Olivia war völlig aus dem Häuschen. »Diese Haare! Sind sie so wild? Oder hat er sie so in Form geföhnt?« Sie kriegte sich fast nicht mehr ein.
»Geh doch hin und frag ihn nach seinem Beautygeheimnis«, schlug Laura Olivia vor.
»O nein, das kann ich nicht, du weißt schon, ich sterbe, wenn … O nein, o nein, jetzt hat er mich gesehen … Himmel, jetzt kommt er her! Was soll ich nur tun, Laura?« Olivia hielt sich an Lauras Armen fest und versuchte, sich hinter ihr zu verstecken.
Severin hatte sich tatsächlich von seiner Gruppe gelöst und schlenderte auf die Mädchen zu. Laura spürte, wie ihr Kopf zu glühen anfing. Gleichzeitig wurden Olivias Griffe fester und fester.
»Ich sterbe, ich sterbe … Ist er schon da?«
»Hör auf, Olivia!«, sagte Laura streng. »Du benimmst dich albern!«
Olivia tauchte im selben Moment hinter Laura auf, als Severin stehen blieb und lächelte.
»Hallo, Laura!«
»Hi, Severin«, antwortete Laura, und Olivia hinter ihr echote: »Hi, Severin!«
»Hallo, Olivia«, sagte Severin höflich. Er wippte ein bisschen auf den Zehenspitzen und wandte sich wieder an Laura. »Wie geht’s so?«
»Och … och ja«, stotterte Laura. »Mein Bruder ist immer noch im Krankenhaus, und ich soll in den Ferien ein Praktikum in der Firma meiner Mutter machen.«
»Klingt interessant.«
»Na ja …« Laura schaute auf ihre Füße. »Nicht gerade das, was ich mir wünsche.«
»Und wie geht es dir so, Severin?«, fragte Olivias helle Stimme.
»Ich muss heute Nachmittag mit meinem Kalong zum Tierarzt«, erwiderte Severin. »Mit Jonathan stimmt etwas nicht.«
»Kalong?«, fragten Laura und Olivia wie aus einem Mund, sodass Severin lachte.
»Ein Kalong ist ein großer Flughund«, erklärte er. »Ziemlich ungewöhnlich als Haustier. Ich habe Jonathan eines Nachts in unserem Garten gefunden, als er kopfüber an unserem Apfelbaum hing. Also, bei unserer vorigen Adresse, wir sind ja erst vor Kurzem hergezogen.«
»Aber Flughunde leben doch gar nicht hier«, wandte Olivia ein.
»Ja, stimmt«, sagte Severin. »Jonathan stammt vermutlich aus Sumatra. Ich nehme an, dass ihn jemand nach Deutschland geschmuggelt hat. Irgendwie muss er entkommen sein und … na ja, jetzt habe ich ihn. – Er liebt mich sehr«, fügte er hinzu.
»Zeigst du mir mal deinen Kalong?«, bettelte Olivia. »Ist er zahm? Kann man ihn streicheln?«
Laura musste lächeln. Es war so typisch für Olivia, dass sie immer gleich mehrere Fragen auf einmal stellte, ohne die Antwort abzuwarten.
»Du kannst Jonathan gern einmal besuchen, sobald er wieder ganz gesund ist«, meinte Severin.
»Ach so, ja, natürlich!«, sagte Olivia.
Severin blickte Laura an. Er hatte merkwürdige Augen – grün mit vielen kleinen blauen Sprenkeln. Solche Augen hatte Laura noch nie gesehen. Je länger sie sie betrachtete, desto schwummriger wurde ihr. Was war nur los mit ihr? Sonst brachten sie Jungen nicht so durcheinander. Sie versuchte, etwas Sinnvolles zu sagen, aber ihr Kopf war wie leer gefegt. Sie konnte ihn nur ansehen und lächeln.
Er lächelte genauso schweigend zurück.
»Eh, hallo, vielleicht können wir mal zusammen Eis essen?«, brachte sich Olivia wieder in Erinnerung. »Heute Nachmittag vielleicht?«
»Geht nicht«, sagte Severin. »Ich muss doch mit Jonathan zum Tierarzt. Keine Ahnung, wie lange ich da warten muss. Wie wär’s mit morgen?«
»Au ja«, freute sich Olivia, und auch Laura nickte.
»Um drei Uhr? Café Iceland?«, fragte Severin. »Da soll es das beste Eis geben, hab ich gehört.«
»Super!«, erwiderte Laura und hoffte, dass sie sich von zu Hause loseisen konnte. Ihre Mutter wollte ja immer ganz genau wissen, wo sie war und was sie machte.
Währenddessen erklärte Olivia Severin bereits, welche Eissorten sie am liebsten mochte. Das waren fast alle, bis auf eine Ausnahme.
»Auf keinen Fall einen Kirschbecher«, sagte sie. »In einer Kirsche war mal ein kleiner ekliger weißer Wurm. Seitdem esse ich keine Kirschen mehr.«
Severin lachte. »Darüber hätte sich Jonathan sicher gefreut.«
Es klingelte, und die Pause war zu Ende. Severin schenkte Laura noch einmal ein Lächeln – das eindeutig nur für sie war –, dann verabschiedete er sich.
»Bis morgen!«
»Bis morgen!«, wiederholte Olivia.
Kaum hatte sich Severin umgedreht, packte sie wieder Lauras Arm. »Sag mal, woher kennst du Severin? Ich erzähl dir ständig von ihm, und du tust, als hättest du ihn noch nie gesehen. Dabei seid ihr offenbar dicke Freunde!« In ihrer Stimme schwangen Wut und Eifersucht.
»Ich kenne ihn ja erst seit Kurzem«, erklärte Laura, während sie mit Olivia in Richtung Turnhalle ging. »Genau genommen erst seit Sonntagnacht.«
»Seit Sonntagnacht?«, quietschte Olivia. »Ihr habt euch nachts getroffen? Wo? Und warum? Weiß deine Mutter davon?« Ihr Gesicht hatte eine tomatenrote Farbe angenommen.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, murmelte Laura. »Das ist eine längere Geschichte, die ich dir mal in Ruhe erzählen muss.« Schon als sie den Satz aussprach, wusste sie, dass sich Olivia nicht damit zufriedengeben würde. Und sie behielt recht. Es war, als hätte sie mit ihren Worten Öl in Olivias Eifersuchtsfeuer gegossen.
»Willst du mich für dumm verkaufen? Ich dachte, ich bin deine beste Freundin! Stattdessen hast du Geheimnisse vor mir und triffst dich nachts mit dem Jungen, für den ich schwärme! Nein, den ich sogar liebe! Du machst mir alles kaputt!« Olivias Stimme brach. Sie begann zu schluchzen. »Wie kannst du das nur tun? Ich hab dir vertraut …«
Laura wollte tröstend den Arm um sie legen, aber Olivia stieß sie weg.
»Lass mich!«
»Ich kann dir alles erklären«, versuchte es Laura noch einmal. »Wirklich! Ich hab dir noch neulich von der Taschenuhr erzählt, die ich gefunden habe …«
»Was hat die blöde Taschenuhr mit Severin zu tun?«, schnaubte Olivia zornig. Dann wurde sie stutzig. »Gehört sie ihm vielleicht?«
»Nicht direkt … aber er hat eine ganz ähnliche.« Laura gab sich einen Ruck. »Es ist eine besondere Uhr. Wenn du sie besitzt, gibt es für dich … einen achten Tag in der Woche.«
Olivia starrte sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Inzwischen waren sie in der Mädchenumkleide angekommen.
»Den Rest erzähle ich dir später«, murmelte Laura. Hier gab es zu viele Zuhörer. Lustlos holte sie ihre Sportsachen aus dem Beutel und begann, sich umzuziehen.
Olivia setzte sich auf die Bank neben sie. Eine steile Falte stand zwischen ihren Augenbrauen.
»Erzählst du mir jetzt eins von deinen Märchen? He, ich bin nicht mehr fünf Jahre alt, falls du das vergessen haben solltest!«
»Ich erkläre dir nachher alles«, sage Laura. »Versprochen! – Hier kann ich nicht reden«, fügte sie etwas leiser hinzu.
Olivia runzelte nur skeptisch die Stirn und begann ebenfalls, sich umzuziehen.
Frau Pilau, die Sportlehrerin, wartete schon in der Halle. In den Händen hielt sie ihr unvermeidliches Tablet.
»Jetzt ist wieder eine Woche vergangen, und ich will wissen, wie viel Sport ihr getrieben habt«, begrüßte sie die Mädchen. »Deswegen werde ich eure Fitnessarmbänder kontrollieren.«
Die Mädchen stöhnten auf. Bei der Kontrolle gab es jedes Mal Ärger. Es lag nicht nur daran, dass manche Schülerinnen zu wenig trainierten. Einige – darunter auch Laura – manipulierten ihr Fitnessarmband, weil sie ihre Zeit lieber anders verbrachten als auf dem Laufband oder Crosstrainer. Frau Pilau aber kannte die kleinen Mogelprogramme, die man sich kostenlos aus dem Internet herunterladen konnte.
»So, jetzt wollen wir doch mal sehen. Olivia Maurer.« Frau Pilau winkte Lauras Freundin zu sich. Olivia nahm umständlich ihr Fitnessarmband ab und reichte es der Lehrerin. Frau Pilau überprüfte es mit ihrem Tablet.
»Wow, Olivia! Du hast dich gesteigert. Du hast letzte Woche sieben Stunden und 43 Minuten mit Sport verbracht. In der Woche zuvor bist du gerade mal 17 Minuten gelaufen. Großer Sinneswandel? Woran liegt’s?«
»Ich will einfach eine bessere Figur bekommen«, antwortete Olivia und errötete.
»Da steckt ganz sicher ein Junge dahinter«, meinte Frau Pilau und gab ihr das Armband zurück. »Die Nächste. Laura Lilienstedt.«
Laura trat vor. Die Lehrerin nahm das Armband in Empfang.
»Ich habe letzte Woche dein Fitnessarmband auf den Lieferzustand zurückgesetzt, weil du ja dieses kleine fiese Programm installiert hattest.« Frau Pilaus Miene war trotz des Lächelns streng. »Ich bin gespannt, wie deine Werte heute sind.«
Die Daten erschienen auf ihrem Tablet.
»Laura Lilienstedt, null Stunden, null Minuten.«
Laura hatte nichts anderes erwartet. Sie wusste, dass sie keinen Sport getrieben hatte. Schon eine ganze Weile drückte sie sich davor, aber dank des Mogelprogramms war sie ziemlich lange damit durchgekommen. Das war jetzt leider vorbei.
»Keine Entschuldigung?«, fragte Frau Pilau mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Mein Bruder ist im Krankenhaus, ich musste ihn besuchen und ihm die Zeit vertreiben. Mein Armband lag außerdem die ganze Woche über in der Schublade, und niemand hat mitgezählt, wie oft ich die Krankenhaustreppen rauf- und runtergelaufen bin.« Das war nur eine halbe Lüge.
»Du weißt, wie wichtig Bewegung ist«, sagte Frau Pilau ernst. »Du bringst deinen Kreislauf in Schwung, Giftstoffe werden abtransportiert, du kannst damit Übergewicht bekämpfen, den Cholesterinwert senken und –«
Laura hatte schon längst abgeschaltet. Sie stellte sich vor, was passieren würde, wenn sie jetzt wie Anouk zu schweben anfinge. Einfach vor Frau Pilaus Augen in die Luft gehen! Allein für diesen Moment hätte sich Magistra Elisas Flugunterricht gelohnt!
»… deine Mutter diesmal nicht informieren, aber nächste Woche erwarte ich ein besseres Ergebnis.« Mit diesen Worten gab Frau Pilau Laura das Armband zurück.
Nächste Woche sind Ferien, dachte Laura schadenfroh. Dann fiel ihr ein, was ihre Mutter ihr in Aussicht gestellt hatte: Praktikum bei Asshoff. Laura hätte viel lieber für einen Marathonlauf trainiert.
»Hast du tatsächlich so viel Sport gemacht?«, fragte sie Olivia, während die anderen Mädchen ihre Fitnessarmbänder vorzeigten.
Olivia nickte. »Ich will wirklich was für meine Figur tun.«
»Deine Figur ist absolut perfekt«, meinte Laura.
Olivia seufzte. »Außerdem hilft mir Sport, meine Energie loszuwerden. Davon habe ich im Moment nämlich zu viel, weil ich ständig an Severin denken muss.«
Damit waren sie wieder beim Thema.
»Also, was wolltest du mir über diese Uhr erzählen?«, fragte Olivia. »Aber bitte keine Lügengeschichten, darauf habe ich absolut keinen Bock!«
Laura dämpfte ihre Stimme, obwohl sie ein Stück abseits standen. »Es klingt völlig verrückt, aber ich schwöre dir, es ist die absolute Wahrheit. Vor ein paar Wochen fand ich diese goldene Uhr in einem Geheimfach. Und dann, in der Nacht von Sonntag auf Montag, gab es plötzlich für mich noch einen Tag.« Sie schluckte. »Den Achttag.«
Olivia verdrehte nur ungläubig die Augen, unterbrach sie aber nicht.
»Alles … war anders. Mein Kater … konnte plötzlich sprechen. Und Amy war ein Dienstmädchen mit Schürze und Häubchen. Es war, als wäre ich in eine andere Zeit gerutscht.«
»Du erzählst mir von einer neuen Serie auf Netstream«, vermutete Olivia.
Laura schüttelte den Kopf. »Ich wollte es anfangs auch nicht glauben! Eine Kutsche brachte mich zu einem Park, darin stand ein Schloss, das in Wirklichkeit eine Schule ist, ja sogar eine Art Internat …«
»O ja, lass mich raten«, fiel Olivia ihr ins Wort. »Ihr lernt Zauberei und Pflanzenmagie, und in der Freizeit fliegt ihr mit dem Besen durch die Luft und spielt Quidditch. Das konnte dein Fitnessarmband leider nicht registrieren, weil diese Sportart nicht im Programm vorgesehen ist.«
»Ich rede nicht von Harry Potter, sondern von dem, was mit mir passiert ist.« Laura war unwillkürlich laut geworden, sodass einige der Mädchen zu ihnen herübersahen.
»Okay.« Olivia grinste. »Du kannst nicht zaubern und nicht fliegen. Also, was kannst du dann?«
»Ein Mädchen, mit dem ich ein Zimmer teile, hat ein totes Äffchen wieder zum Leben erweckt«, murmelte Laura. »Mäxchen. Es gehört Anouk.«
Olivia wollte etwas sagen, aber überlegte es sich anders.
»Anouk kann tatsächlich fliegen. Noch nicht richtig. Es ist eher ein Schweben. Im echten Leben macht sie Parkour. Und Shirin, die auch im Zimmer wohnt, hat eine Schildkröte, die Melodien summen kann. Euphemia.«
»Moment mal.« Olivia überlegte. »Du wohnst mit den anderen Mädchen zusammen in einem Zimmer?«
»Ja. Wir sind zu viert. Zwei Stockbetten. Ich schlafe oben, am Fenster.«
Laura sah, wie sehr Olivia mit sich rang, ob sie die Geschichte glauben sollte oder nicht.
»Was ich dir die ganze Zeit sagen wollte, Oliva: Severin geht auch auf diese Schule. Wir haben uns nachts im Keller des Schlosses getroffen. Ich suchte meine Mitbewohnerinnen, die ohne mich ein Picknick machten – und da begegnete ich zufällig Severin.«
Die Szene stand Laura wieder deutlich vor Augen. Das blaue Licht, das den geheimnisvollen Raum beleuchtete. Die goldenen Zahnräder. Das große Ziffernblatt der Uhr, das – ähnlich wie die Sonne von den Planeten – von goldenen Kugeln unterschiedlicher Größe umkreist wurde. Der uralte Mann, der hereingeschlurft war und mühsam das Uhrwerk aufgezogen hatte. Das Uhrwerk, das offenbar die magische Welt des achten Tages am Laufen hielt …
»Ein wichtiger Schlüssel ist verschwunden, deswegen ist diese ganze Welt in Gefahr«, fügte Laura hinzu.
»Ach ja?« Olivia schüttelte den Kopf. »Ziemlich haarsträubende Geschichte, findest du nicht?«
»Frag Severin, wenn du mir nicht glaubst«, erwiderte Laura.
»Das tu ich auch, verlass dich drauf!«, sagte Olivia mit trotziger Miene. »Und wenn du mich angelogen hast, dann kannst du dich auf was gefasst machen!«
»Okay.« Laura hatte ein ungutes Gefühl. Sie hatte das Geheimnis verraten, zumindest einen Teil davon. Aber Olivia schien kein Wort davon zu glauben. Das Verhältnis der Freundinnen war durch Lauras Geständnis kein bisschen besser geworden. Im Gegenteil. Olivias Körperhaltung wirkte angespannt und feindselig. Laura seufzte leise.
»Es tut mir leid, Olivia, aber es ist wirklich so passiert!«, unternahm sie einen letzten Versuch.
»Es tut mir auch leid, Laura, aber es klingt wirklich nicht sehr glaubwürdig, dass du und Severin auf einmal eine magische Welt retten sollt.« Damit drehte sich Olivia um und zeigte Laura die kalte Schulter.