Читать книгу Die berühmtesten Frauen der Weltgeschichte - Martha Schad - Страница 18
ОглавлениеHILDEGARD VON BINGEN
* 1098 in Bermersheim
† 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen
Äbtissin, Visionärin, Dichterin und Komponistin
»Ich bin eine arme kleine Frau.«
(HILDEGARD VON BINGEN)
Hildegard von Bingen gehörte im 12. Jahrhundert zu den meistbeachteten Persönlichkeiten der Kirchenwelt.
Die Eltern von Hildegard waren Hildebert und Mechthild von Bermersheim bei Alzey in Rheinhessen. Schon als kleines Mädchen verhielt sie sich oft sonderlich, und die Eltern brachten die Achtjährige der Nonne Jutta von Spanheim in die Frauenklause auf dem Disibodenberg. Dort erkannten die Nonnen bald, dass Hildegard regelmäßig Visionen hatte. Mit etwa fünfzehn Jahren legte das Mädchen das Gelübde des Ordens der Benediktinerinnen ab. Sie studierte die Schriften des Alten und Neuen Testaments und wurde sehr geprägt durch Liturgie und Stundengebet. Die Arbeit im Kräutergarten gefiel ihr aber ebenso.
1136 wählten die Frauen sie zur Magistra, zur Leiterin der zum Konvent angewachsenen Frauengemeinschaft. Trotz des erheblichen Widerstands der Benediktinermönche wurde unter Hildegard von Bingen zwischen 1147 und 1152 der Bau des Frauenklosters auf dem Rupertsberg bei Bingen vorangetrieben. Hildegard wollte die innere geistliche Unabhängigkeit wahren, sich nach außen von den adeligen Schutzherren befreien und das Kloster dem Erzbischof von Mainz unterstellen. 1152 weihte Erzbischof Heinrich I. von Mainz die große dreischiffige Kirche. Der Mönch Wibert von Gembloux, später Hildegards hochgebildeter Sekretär, äußerte sich 1177 sehr lobend über das Kloster. Er berichtete von einer wunderbaren Harmonie: »Die Mutter umfängt ihre Töchter mit solcher Liebe... An Werktagen widmen sie sich in geeigneten Räumen dem Abschreiben von Büchern, dem Anfertigen von liturgischen Gewändern oder anderen Hausarbeiten ...«
Zu dem Kloster zogen »Prozessionen« von Hilfesuchenden aus Deutschland, Frankreich und Flandern. Menschen aller Stände holten sich Rat bei der Äbtissin. Sie pflegte einen regen Briefwechsel mit drei Päpsten, der heute noch mit 300 erhaltenen Dokumenten belegt ist, sowie mit den Bischöfen von Mainz bis Prag, mit Herrschern und vielen Laien. In der nahe dem Rupertsberg gelegenen Pfalz Ingelheim erwartete 1154 Kaiser Friedrich Barbarossa die Äbtissin. Nichts ist über das vertrauliche Gespräch der beiden bekannt geworden. Verbürgt sind Briefe, in denen Hildegard den Kaiser zunächst mit freundschaftlichen, später mit scharfen Formulierungen an seine Pflicht ermahnte.
Doch Hildegard blieb nicht nur die Äbtissin im Kloster, sie unternahm darüber hinaus mehrere Reisen zu Pferd, mit dem Ochsenkarren, der Kutsche oder dem Boot. Sie predigte in Kirchen, Klöstern und auf Marktplätzen. Überall forderte sie zur Umkehr und Erneuerung auf. »Auch Lieder mit Melodien zum Lobe Gottes und der Heiligen verfasste und sang ich ohne die Belehrung eines Menschen, obwohl ich niemals Noten noch Gesang erlernt hatte«, schrieb Hildegard. 77 Lieder, Antiphonen, Sequenzen und das Singspiel »Ordo virtutum« (Reigen der Tugenden) sind von ihr erhalten.
Hildegards bedeutende Werke entstanden von 1141 bis 1174. Sie verfasste das Buch »Scivias« (»Wisse die Wege«) mit großartigen Illustrationen. In 26 Visionen entwickelt sie darin ihr Weltbild. Im Vordergrund stehen der Mensch in seiner Welt und die göttliche Schöpfung. Doch zeichnet Hildegard keine heile Welt, sie zeigt vielmehr den Menschen als Rebellen, der Chaos verursacht und seine eigene Welt zerstört. »Die Elemente klagen: Wir können nicht mehr laufen,... denn die Menschen kehren uns um wie in einer Mühle... die Lüfte, die Wasser schreien: wir stinken schon wie die Pest...« Es folgten der Liber Vitae meritorum (»Der Mensch in der Verantwortung«) und das Buch »De operatione Dei« (»Welt und Mensch«) sowie die umfangreiche Natur- und Heilkunde »Casae et curae«.
Darin erfasste Hildegard den Menschen in all seinen Nöten und Freuden und nahm – allerdings immer mit Bezug auf das Mystische und Schöpfungsgeschichtliche – »eine worin er mir gebot, das, was ich in der Vision sah und hörte, genau niederzuschreiben.«
Hildegards Darstellungen der Pflanzenheilkunde und Edelsteintherapie decken sich mehr oder weniger mit den allgemeinen Ansichten zu diesen Themenbereichen. Viele der heute unter dem Namen Hildegard-Medizin verbreiteten Thesen halten aber einer kritischen Beurteilung nur bedingt stand. Insbesondere die Heilwirkung des Dinkels dürfte stark übertrieben dargestellt sein.
Hildegard von Bingens Aufzeichnungen zufolge waren Onyx, Prasem, Rubin, Achat, Diamant, Magnetit, Bernstein, Perlen, Careol, Bergkristall, Marienglas und Kalk Steine mit besonderer Heilwirkung, die größte Heilwirkung schrieb sie aber den zwölf Grundsteinen Gottes zu: »So ließ Gott weder die Schönheit noch die Kraft der Edelsteine zugrunde gehen, sondern er wollte, dass sie auf der Erde seien zu Ehre und Segnung und für die Heilkunst,« so schrieb sie in der »Pysika«. In dem vom Wighard Strehlow zusammen mit Dr. Hertzka herausgegebenen Buch »Die große Hildegard-Apotheke« geht es um das Wirken der verschiedenen Hildegard-Rezepte. Interessant ist dabei, dass mit diesem Buch auch eine Brücke zur Humanmedizin geschlagen wird. Mittlerweile sind ja die Hildegard-Rezepturen und Heilkräuter vom Bundesgesundheitsamt hinsichtlich der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit dokumentiert.
Die große Visionärin Hildegard von Bingen starb am 17. September 1179. Bereits zu Lebzeiten wurde sie wie eine Heilige verehrt. 1228 erfolgte ein erster Antrag auf Heiligsprechung, die aber bis heute nicht abgeschlossen ist. Zusätzlich wurde von der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Frauenverbände und -gruppen im Jahre 1979 in Rom eine Bitte um Anerkennung Hildegards als Kirchenlehrerin vorgebracht.
Der Hildegardisschrein befindet sich im Altarraum der Pfarrkirche »St. Hildegard und St. Johannes der Täufer« in Eibingen in einem Hochgrab. Papst Benedikt XVI. hat sich in seiner Zeit als Professor in Bonn intensiv mit dem Leben und den Schriften Hildegards beschäftigt.
Alljährlich wird am 17. September das Hildegardisfest in Eibingen gefeiert. Es gliedert sich traditionell in das am Morgen gehaltene Pontifikalamt und die mittags stattfindende Reliquienfeier mit der seit 1857 stattfindenden Reliquienprozession durch den traditionellen Prozessionsweg von Eibingen. Der Reliquienschrein wird an diesem Tag geöffnet. Das Fest schließt mit der Hildegardisvesper in der ebenfalls in Eibingen gelegenen Abtei St. Hildegard. Zu ihrem Gedenken wird seit 1995 jährlich der Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik verliehen.