Читать книгу Eddie Toast - Martin Cordemann - Страница 6
Phantombilder
ОглавлениеEddie musste einen Augenblick nachdenken. „Also“, begann er, nachdem er sich ein paar Mal am Kinn gekratzt hatte. Im Wagen sprach Horschell noch immer aufgeregt auf sein Handy ein. „Diese Typen waren groß. So groß wie du. Und sie trugen Anzüge. Irgendwie billige Anzüge. Als würden sie ihnen nicht richtig passen.“
„Ja“, sein Vater nickte. „Und die Gesichter? Wie haben die Gesichter ausgehen?“
„Ich hab doch schon gesagt, dass es Masken waren...“
„Ja“, Vater nickte, „die Masken. Wie haben die ausgesehen? Bitte, ganz genau!“
Horschell verstummte im Auto. Er sah Eddie aufmerksam an, genau so wie sein Vater.
„Die waren... die waren... violett. Ja, sie hatten violette Masken auf.“ Und Handschuhe an, fiel ihm jetzt ein. Er hatte es gesehen, als sie seinen Bruder gegriffen hatten. Ihre Hände waren auch violett gewesen. „Sie hatten violette Masken und violette Handschuhe an.“
„Und die Masken? Beschreibe die Masken!“
„Die... die...“ Eddie dachte angestrengt nach. Er versuchte, sich die „Gesichter“ der Entführer vorzustellen. „die waren violett und über den Augen hatten sie so rote Ausbeulungen. Ja, rote Beulen waren über den Augen.“ Genau, so hatten sie ausgesehen. Violett mit roten Beulen. „Und zwei Fühler. Auf der Stirn. Die hatten sie auch noch...“
Eddie stutzte. Wieso wollte sein Vater wissen, wie die Masken ausgesehen hatten? Als ob das irgendeinen Hinweis auf die Täter...
Dann begriff er es.
Plötzlich verstand er.
Er erinnerte sich. Die Masken. Sie waren zu perfekt gewesen. Keine billigen Masken aus Gummi, die man sich nur übers Gesicht zog. So, wie Horschell und sein Vater welche hatten. Nein, sie hatten echter ausgesehen.
„Ihre Lippen haben sich bewegt“, murmelte Eddie und sah seinen Vater an. „Und die Augen.“
Eddies Vater sah zu Horschell hinüber.
„Hast du alles mitbekommen?“ fragte er.
Horschell nickte. „Zytterianer“, sagte er in sein Handy.
„Das waren keine Masken“, flüsterte Eddie. „Oder?“
Sein Vater schüttelte den Kopf.
„Nein, das waren keine Masken!“
„Aber...“ Eddie erstarrte. Vor seinen Augen verschwamm alles. Was bedeutete das? Hieß das das, was er glaubte, was das hieß? „Wenn die Masken nicht echt waren“, murmelte er langsam, völlig geschockt, „dann waren es keine Masken. Dann waren es Gesichter. Und wenn es Gesichter waren...“
Dann waren es Monster. Oder Außerirdische. Oder Leute mit ganz schlimmen Krankheiten. Aber wenn das Monster waren, warum trugen sie dann Anzüge? Weil Halloween war und das ihre Art war, diesen Feiertag umzudrehen. Nein, Eddie musste sich korrigieren. Es war ja kein Feiertag. Nur irgendein Tag, der gefeiert wurde. Aber ohne dass die Schule dafür ausfiel. Und das war im Moment völlig unwichtig!
Sein Bruder war entführt worden. Von Monstern in Anzügen. Von Monstern, die sich für Halloween schick gemacht hatten. Die ihre besten Anzüge angezogen hatten, um sich ein Auto zu mieten und seinen Bruder zu entführen. Natürlich, das war die Lösung. Das war gar kein so dummer Plan. Wann sonst sollte man sich als Monster problemlos ein Auto leihen können, wenn nicht an Halloween, wo viele Leute so rumlaufen würden? Darauf hätte er auch früher kommen können. Die ganze Theorie hatte nur einen Haken: Es gab keine Monster!
Oder doch?
Eddie konnte nicht denken. Es war zuviel für ihn. Jeder Versuch, der Sache mit Logik auf den Grund zu gehen, endete in einer Sackgasse. Er kam nicht dahinter. Aber er wusste, da war irgendetwas. Irgendeine Tatsache, die direkt vor seinen Augen lag. Irgendetwas, das ziemlich offensichtlich war, das er aber nicht finden konnte.
Was war es? Er versuchte mit seinem Geist danach zu greifen, aber er bekam es nicht zu fassen. Es entglitt ihm. Jedes Mal, wenn er es zu finden versuchte.
Er begann von neuem. Da war sein Bruder. Da waren diese Monster. Warum sollten sie seinen Bruder entführen? Und, ebenfalls wichtig: Was waren das für Monster? Waren es Dämonen, so wie im Fernsehen? Oder Außerirdische, auch wie im Fernsehen? Wo kamen sie her?
„Außerirdische?“ hauchte er, während sein Geist versuchte, dieses unmögliche Problem zu lösen.
„Ja“, sagte sein Vater.
Es waren also Außerirdische. Keine Dämonen. Nur irgendwelche Wesen, die durch den Weltraum reisten und kleine Brüder entführten. Sowas schien es ja öfter zu geben. Entführungen durch Außerirdische. Auch, wenn er sich das immer etwas anders vorgestellt hatte. Und warum sollten sie am helllichten Tag in schäbigen Anzügen kleinen Kindern auflauern. Es sei denn...
„Ist das...?“ fragte er mit erstickender Stimme.
„Nein!“ Sein Vater schüttelte den Kopf. „Das ist kein Scherz!“
Und dann fand Eddie heraus, was ihn die ganze Zeit an der Sache gestört hatte. Es waren nicht nur die Monster selbst. Es war die Tatsache, wie sein Vater und Horschell damit umgingen! So selbstverständlich. Ängstlich zwar, aufgeregt. Aber nicht so, als wäre das völliger Blödsinn.
Eddie schluckte. Sein Vater sah ihn mit warmem Blick an und legte ihm die Hand auf die Schulter. Im Auto sagte Horschell etwas in sein Handy, das so klang wie: „Francis Sohn Peter ist von zwei Zytterianern entführt worden, leitet sofort eine Suchaktion ein!“
Ja, das war das wirklich erschreckende an der Sache. Nicht, dass es Monster oder Außerirdische gab. Sondern, dass sein Vater offensichtlich darüber Bescheid wusste. Dass er diese Außerirdischen kannte.
Und sein Geschäftsfreund auch. Der hatte sogar gerade eine Suchmeldung durchgegeben. Aber an wen? Wem gab man eine Suchmeldung nach zwei Aliens und einem entführten Bruder durch? Der Polizei? Sicher nicht. Also mit wem sprach Horschell die ganze Zeit?
Was, wenn diese violetten Wesen nicht die einzigen Außerirdischen auf der Erde waren? Was, wenn es noch andere gab? Und wieso kannte sein Vater die? Im Fernsehen wurde nie davon gesprochen, dass es welche gab. Da wurden Leute, die ihnen angeblich begegnet waren immer als Verrückte dargestellt. War sein Vater verrückt? Und Horschell auch?
Oder sagte man ihnen nicht alles? Hatten die ganzen Verschwörungstheoretiker vielleicht am Ende doch Recht? Hatte es bereits einen Kontakt mit Außerirdischen gegeben? Und wenn ja, warum wusste dann sein Vater davon? Gehörte er vielleicht einer Gruppe von Leuten an, die Kontakt mit Außerirdischen hatte? Kannte er sich deshalb so gut mit diesen Aliens aus? Oder gab es einen anderen Grund dafür?
Als Eddie diesen Gedanken weiter verfolgte, stockte ihm plötzlich der Atem. Er bekam Angst. Große Angst. Nicht so sehr vor dem, was ihm möglicherweise passieren würde. Nicht davor, genau wie sein Bruder entführt zu werden. Sondern davor, was all dies möglicherweise bedeuten konnte.
Was war, wenn es einen guten Grund dafür gab, dass sein Vater sich so gut mit diesen Dingen auskannte. Was, wenn er nicht nur beruflich mit Außerirdischen zu tun hatte? Was... wenn er selbst einer war?