Читать книгу Meisterdieb der Galaxie - Martin Cordemann - Страница 7
Chirurgie-Assistent
Оглавлениеaus – und sie war keineswegs das neuste Modell!
Diese Teile waren vor einigen Jahrzehnten von der Regierung bei ein paar Kriegen eingesetzt worden. Da Doktoren teuer waren und etwas dagegen hatten, als Kanonenfutter zu dienen, entwickelte WarTech, eine Firma der Regierung, diese kleine Wundermaschine. Sie war in der Lage, komplizierteste Operationen durchzuführen, Leben zu retten und die Armeeärzte quasi völlig zu ersetzen. Die Ärzteschwämme, die wenige Jahre nach Einführung des Chirurgie-Assistenten einsetzte, bereitete der Ärzteschaft ernste Sorge und so wurde das Gerät kurze Zeit später nur noch für den zivilen Gebrauch zugelassen. Ein weiterer Grund für seine Ausmusterung bei der Armee war, dass das Gerät nicht in der Lage war, eine extrem wichtig und häufig benötigte Aufgabe zu erfüllen: Totenscheine auszustellen!
Das Phantastische an dem Gerät war allerdings, dass es sämtliche Untersuchungen selbst vornahm, nachdem man ihm gesagt hatte, „wo es weh tat“. Anschließend berechnete der CA die für die Narkose notwendige Menge eines Narkotikums, injizierte sie, führte die Operation durch und gab einem anschließend eine kleine Packung mit den fortführenden Medikamenten und den dazugehörigen Rezepten.
Nachdem der CA also im Kampfeinsatz viele Menschenleben gerettet und damit die Soldzahlungen des Verteidigungsministeriums in ungeahnte und -gewollte Höhen getrieben hatte, wurde er ausgemustert und an private Unternehmen veräußert. Einige Geräte fanden ihren Platz in Privatpraxen, die ihr Geschäft vom HNO zum Mini-Chirurgie-Betrieb erweitern wollten, der Großteil aber wurde mit einem Kreditkartenleser ausgestattet und in allen Großstädten aufgestellt, wie seinerzeit die Telefonzellen.
„Bitte geben Sie Ihre Kreditkarte ein und wählen Sie die Art der Operation“, sagte die Maschine.
Ich ließ mich stöhnend auf dem anatomisch-selbstanpassenden OP-Stuhl nieder und schob meine Karte in den Schlitz.
„Vielen Dank, dass Sie sich für eine Operation mit dem Chirurgie-Assistenten entschieden haben. Wählen Sie nun die Art der Operation.“
Ich beugte mich vor und gab mühsam etwas ein, bevor mich das Narkotikum einschläferte...
Als der Morgen graute, war ich wieder unterwegs. Die Sonne lugte langsam und gut gelaunt über den Horizont. Morgennebel lag über der Stadt. Wäre ich nicht in einer absolut beschissenen Verfassung gewesen, hätte ich die Atmosphäre als absolut malerisch empfunden. Aber mir war nicht nach positiver Stimmung!
Diesmal verschaffte ich mir bei Haldurs „Etablissement“ Einlass durch ein Fenster im zweiten Stock. Im leeren Nebenraum neben Haldurs Büro fand ich Uma. Oder das, was noch von ihr übrig war. Ich unterdrückte mühsam den Kloß, der mir im Hals steckte. Sie war noch immer eine Schönheit, auch, wenn von Hals und Brustkorb nicht mehr viel übrig war. Ich streichelte zärtlich ihre leblose Hand und sah ihr traurig ins Gesicht. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte... Wenn ich mein Leben geben könnte, nur, damit sie wieder leben würde...
Ich sah hinüber in Haldurs Büro. Dort war es hell und die Tür war nur angelehnt. Nervös ging der Mörder meiner Geliebten auf und ab. Als hätte er einen Grund, sich zu sorgen. Er, der große mächtige Haldur! Er war auf dem Weg, wirklich mächtig zu werden. Mit dem, was ich für ihn gestohlen hatte, konnte er nicht nur das organisierte Verbrechen an sich reißen, er konnte in die Politik gehen. Und was ein Mann wie er dort erreichen konnte, wollte ich so genau gar nicht wissen.
Ich erhob mich und ging leise zur Tür. Fannex, der Killer, saß im Stuhl und sah gelangweilt zum Schreibtisch hinüber. Er war wohl auch nur glücklich, wenn er andere Leute foltern konnte. Ich warf Uma einen letzten Abschiedsblick zu.
„Ich werde dich nie vergessen!“ flüsterte ich.
Haldur blieb stehen. Seine nicht vorhandene Geduld schien an ihrem Ende angekommen zu sein.
„Wo bleibt er nur, dieser miese kleine Dieb?“
Fannex hob uninteressiert die Schultern.
„Wenn ich den in die Finger kriege...“
„Ja?“
Haldur fuhr herum. Ich trat aus dem Schatten und musterte ihn kalt.
„Was dann?“
Haldur war ein wenig aus dem Konzept gebracht.
Im Gegensatz zu Fannex. Für ihn war der Zeitpunkt gekommen, auf den er den ganzen Abend sehnlichst gewartet hatte. Endlich konnte er jemanden umbringen. Dass er Uma nicht hatte umbringen dürfen, weil sein Boss in dem Fall selbst Hand angelegt hatte, fand er bestimmt ziemlich unbefriedigend. Aber nun konnte er seiner natürlichen Aggression freien Lauf lassen. Das Problem war nur, dass er nicht nur ausgesprochen brutal, sondern auch extrem langsam war. Noch bevor er seine Waffe auch nur halb heraus hatte, musste er feststellen, dass meine auf seinen Kopf gerichtet war. Selbst er musste einsehen, dass er keine Chance hatte – und erstarrte mitten in der Bewegung.
„Bleib lieber still sitzen, Arschloch“, murmelte ich, „oder dein Chef muss sich einen neuen Killer suchen!“
Der Gedanke schien ihn ein wenig zu beunruhigen.
Haldur hatte inzwischen seine Überraschung verdrängt. Die Gier in seinen Augen löschte alles aus. Er war nervös, aber aus anderen Gründen.
„Hast du die Ware? Hast du die verdammte Ware?“
„Mein Geld!“
Ich öffnete eine Hand, als erwartete ich, meinen Lohn zu erhalten. Haldur ließ das kalt. Mein erster Schuss verfehlte Fannex Kopf nur um Haaresbreite. Der Killer nässte sich ein.
„Der nächste Schuss geht nicht daneben“, kommentierte ich. „Und er trifft sicher nicht ihn!“
Endlich löste sich Haldur aus seiner gierbestimmten Starre und ging zum Schreibtisch. Auf der Tischplatte lag die Fernbedienung. Er warf einen flüchtigen Blick darauf, griff aber in eine Schublade und holte einen kleinen Lederbeutel daraus hervor.
„Wirf ihn rüber, Fettarsch!“
Ich wusste nicht, was ihm mehr gegen den Strich ging: beleidigt zu werden oder zahlen zu müssen. Prinzipiell war mir das auch scheißegal. Er warf seinem hilflosen Leibwächter einen zornigen Blick zu, er solle endlich was tun, aber der zuckte nur die Achseln und hoffte, dass bei seinem nächsten Bewerbungsgespräch niemand erfahren würde, dass er sich im Angesicht einer Waffe voll gepinkelt hatte.
Haldurs Blick konnte ich entnehmen, dass er für meine Ware über Leichen gehen würde – und dass ich bei der Besetzung dafür ganz oben auf seiner Liste stand. Nach den Ereignissen der letzten Stunden war mir das ziemlich egal. Offensichtlich sah er das meinem Blick an und warf mir widerstrebend den Beutel zu.
„War das so schwierig?“ fragte ich trocken. „Mit deinem Wurf solltest du bei den Bundesjugendspielen mitmachen!“
Haldurs Blick zeigte nun puren Hass. Ich hatte ihn beleidigt, ich hatte sein Geld – und ich hatte seine Ware.
Der Beutel verschwand in meiner Jacke und bevor er sich aufregen konnte, hatte ich den zerbrechlich wirkenden Metallbehälter in der Hand.
„Hier!“
Ich warf ihn rüber und Haldur hatte echte Schwierigkeiten ihn zu fangen, bevor er auf dem Boden zerschellte. Auch das steigerte nicht gerade seine Sympathie für mich.
Gierig sah er das Ding in seiner Hand an. Da war es. Sein Schmuckstück. Endlich hielt er es in Händen. Er sah zu mir. Er war sich nicht schlüssig über seine Gefühle. Hin und her gerissen zwischen der Freude über seinen Schatz und seinem Hass auf mich. Es war mir egal.
Ich drehte mich um und latschte zur Tür, wobei ich Fannex noch im Vorbeigehen die Nase brach. Als ich die Tür erreichte, drehte ich mich noch einmal um. Haldur wusste noch immer nicht, was er fühlen sollte, aber er würde es bald wissen. Bei Fannex dagegen war alles klar. Er hielt sich die blutende Nase und verbreitete miese Stimmung. Sein Hass war bis zur Tür zu spüren. Auch das war mir egal. Ich war müde.
„Ich sagte, wenn dem Mädchen was passiert, gibt es nichts, was mich zurückhält, dich zu töten.“ Ich nickte den beiden zu. „Ich komme darauf zurück!“
Ich trat in die kühle Morgenluft hinaus. Ein neuer Tag öffnete seine Pforten. Die ersten Leute waren auf der Straße. Zeitungsjungen, Bäcker, Militärstreifen. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch und steckte mir eine Zigarette an.
In der Zwischenzeit hatte ich einiges über Ulmar Quott herausgefunden. Er war ein echtes Genie – nicht nur ein gewöhnlicher Künstler, sondern einer der genialsten Architekten dieses Jahrtausends. Nach der großen Dürrekatastrophe auf der Erde entwarf er ein völlig neues System für die Trinkwasserversorgung. Und diese Karte, die ich gestohlen hatte, war keine gewöhnliche Skizze, sondern der Bauplan dieses genialen Systems!
Haldur hatte einen Plan, der für einen Mann mit seinen niedrigen Instinkten absolut genial war. Er wollte die Regierungsdroge dank der Pläne des Genies gezielt in das Trinkwassersystem der Erde leiten. Das würde ihn zum Herrscher der Welt machen. Falls nichts dazwischen kam...
Hinter mir explodierte die Spelunke, in der Haldur sein Büro betrieb. Offensichtlich hatte er doch noch überlegt, dass es für ihn viel befriedigender war, mich mit seiner ferngesteuerten Sprengladung an meinem Bizeps in die Luft zu sprengen. Der Plan hatte nur einen kleinen Haken: die Sprengladung befand sich nicht mehr da, wo er sie erwartete.
Nachdem sich der Chirurgie-Assistent um mein Bein bekümmert hatte, ließ ich mir von ihm den rechten Arm entfernen und durch künstliche Gliedmaßen ersetzen. Es war die einzige Methode, mich von seinem kleinen Armband zu befreien, ohne mich selbst in die Luft zu jagen. Eine sehr schmerzhafte Methode! Dann brauchte ich nur noch den Inhalt des kleinen Kästchens aus dem Labor durch seinen lieblichen Sprengsatz zu ersetzen – und schon war alles bereit. Dass er versuchen würde, mich in die Luft zu jagen, nachdem er seine Ware bekommen hatte, war dabei die sicherste Variable gewesen. Während hinter mir das Feuerwerk weiterging, machte ich mich auf den Weg nach Hause.
Das schlimme in dieser Branche ist, dass man es nur mit Leuten zu tun hat, denen man nicht trauen kann. Ich stand vor dem Spiegel, einem neuen Spiegel, eines der letzten Werke der Meister von Ulem Flokktar, und betrachtete meinen neuen Arm. Er setzte beim Schultergelenk an und gefiel mir eigentlich nicht besser als mein alter. Im Spiegel konnte ich die Tür zu meiner kleinen Sammlung sehen. Keine Comics, Briefmarken oder Action Figuren, sondern Dinge, die sich im Laufe meiner Arbeit so angesammelt hatten. Zwischen den zum Teil sehr exotischen Gegenständen hatte auch ein kleines Fläschchen mit einer blauen Flüssigkeit seinen Platz gefunden. Daneben lagen die Pläne, wie man es herstellen konnte. In einem kleinen Rahmen fand sich dort auch der Artikel mit der Schlagzeile:
Unterweltboss Berenim Haldur „aufgeflogen“
Und dort war ein Bild von Uma. Ein Bild, das mich an bessere Zeiten erinnerte. An Zeiten, als mir meine Arbeit noch Spaß machte. Vielleicht wurde es langsam Zeit auszusteigen...
Ich sah das Bild, ihr strahlendes Lächeln, ihre schönen Augen, ihren wundervollen Mund, sehnte ich mich danach sie zu berühren, ihren Duft in mich aufzusaugen, durch ihre Haare zu fahren, ihre Haut zu streicheln...
Ich blickte in den Spiegel, sah das, was dieser Job aus mir gemacht hatte. Ein zerfetztes Bein, ein künstlicher Arm. Ich sah ihr Bild – und fühlte einen noch tieferen Schmerz, tiefer als der eines verlorenen Armes. Denn es gab Wunden, die nie verheilten!