Читать книгу Shylock Holmes - Martin Cordemann - Страница 7
DRITTER AKT
ОглавлениеErste Szene
(Auerbachs Keller)
WIRT : Was darf es sein?
SHYLOCK: Ein Kölsch bitte!
WIRT : Kommt sofort. Hm, Sie kommen mir bekannt vor.
SHYLOCK: Mein Name ist Shylock Holmes, ich bin bei der Polizei.
WIRT : Tut mir leid.
SHYLOCK: Wegen des Namens?
WIRT : Wegen des Berufs!
SHYLOCK: Manchmal frage ich mich, was schlimmer ist. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?
WIRT : Wenn’s sein muss. Sie waren letztens schon mal hier, stimmt’s?
SHYLOCK: Stimmt. Was uns zu meinen Fragen bringt. Haben Sie gestern Abend hier bedient?
WIRT : Ich bediene hier jeden Abend!
SHYLOCK: Haben Sie sonst kein Personal?
WIRT : Wollen Sie bei mir anfangen?
SHYLOCK: Haben Sie viele Tote?
WIRT : Nur Schnapsleichen.
SHYLOCK: Dann lieber nicht.
WIRT : Ich war gestern Abend hier, was wollen Sie wissen, nach wem wollen Sie mich fragen?
SHYLOCK: Frau Drawis und Herr Oemor.
WIRT : Waren gestern Abend hier!
SHYLOCK: Von wann bis wann?
WIRT : Sie kommen immer gegen elf und gehen gegen zwei. Es gibt diese Kneipe seit es das Theater gibt und seit es das Theater gibt, gibt es die beiden und seither kommen sie nach jeder Aufführung hierher.
SHYLOCK: Dann ist gestern keiner von ihnen weggegangen, zwischendurch?
WIRT : Glauben Sie, ich würde merken, wenn einer von meinen Gästen geht?
SHYLOCK: Ja.
WIRT : Da haben Sie Recht! Die beiden waren die ganze Zeit hier.
SHYLOCK: Gut, vielen Dank.
WIRT : Ihr Kölsch.
SHYLOCK: Danke.
TELMAH: (tritt auf) Hallo.
SHYLOCK: Hallo.
TELMAH: Was führt Sie hierher?
SHYLOCK: Ich glaube, man kann diesen Fall nicht aufklären, wenn man nicht wenigstens ein Bier in Auerbachs Keller trinkt, oder?
TELMAH: Da haben Sie Recht.
SHYLOCK: Und Sie?
TELMAH: Dasselbe.
SHYLOCK: Und ich dachte, es wäre meine Aufgabe, den Fall zu lösen.
TELMAH: Vielleicht kann ich Ihnen dabei helfen.
SHYLOCK: Vielleicht können Sie das. Da ist nur ein kleines Problem.
TELMAH: Und das wäre?
SHYLOCK: Was, wenn ich Sie für den Mörder halte?
TELMAH: Soll ich die Tat gestehen?
SHYLOCK: Wenn Sie so freundlich wären.
TELMAH: (schlecht gespielt) Ich gestehe, ich habe die Tat begangen.
SHYLOCK: Sie überzeugen mich nicht.
TELMAH: Ich wäre ein guter Schauspieler aber ein schlechter Mörder, wenn ich es täte.
SHYLOCK: Oder einfach nur ein schlechter Mörder. Wissen Sie, wie enervierend das ist?
TELMAH: Was?
SHYLOCK: Mörder. Die machen einem diesen Job wirklich schwer.
TELMAH: Ist das nicht ihre Aufgabe.
SHYLOCK: Hm, in gewisser Weise schon. Aber es nervt trotzdem. Wenn die einfach gestehen könnten, ach, das würde diesen Beruf soviel angenehmer machen. Bis auf…
TELMAH: Was?
SHYLOCK: Naja, man hätte es immer noch mit Mördern zu tun – und, seien wir ehrlich, so angenehme Menschen sind das nicht. (winkt den WIRT herbei)
WIRT : Ja?
SHYLOCK: Noch ein Kölsch.
WIRT : Für ihn oder für Sie?
SHYLOCK: (sieht, dass sein Glas fast leer ist) Noch zwei Kölsch.
WIRT : Kommen sofort.
SHYLOCK: Sie interessieren sich also für Mord?
TELMAH: Ich muss gestehen... Kriminalfälle sind meine heimliche Liebe.
SHYLOCK: „Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh,
Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn!“
TELMAH: ‘Romeo und Julia’, erster Akt, vierte Szene.
SHYLOCK: Sie sagen es.
TELMAH: Ist es nicht Ihre Liebe?
SHYLOCK: Sollte man Verbrechen lieben? Wohl kaum.
TELMAH: Aber es ist doch sehr interessant. Zum Beispiel dieser Fall...
SHYLOCK: Schlechtes Thema.
TELMAH: Warum?
SHYLOCK: Nun, weil ich ja noch irgendwie daran ermittle... und irgendwie noch so keine richtige Spur habe.
WIRT Zwei Kölsch.
SHYLOCK: Danke.
WIRT : Sie haben also noch keine Spur?
SHYLOCK: Äh, nicht so richtig, nein.
WIRT : Schwache Leistung. Wissen Sie, was Sie brauchen?
SHYLOCK: Einen Verdächtigen?
WIRT : Eine Frau.
TELMAH: Wieso das?
WIRT : Wenn man eine Frau hat, dann hat man genügend Motivation zu arbeiten!
TELMAH: Um sie zu ernähren... und stolz zu machen?
WIRT : Nein, damit man viel Zeit ohne sie verbringen kann. Sie brauchen eine Frau.
SHYLOCK: Sie sind nicht der erste, der mir das sagt...
TELMAH: Dann ist Ihre große Liebe...
SHYLOCK: Mit jemand anderem zusammen, ja.
„Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind.
Auch malt man ihn geflügelt und als Kind,
Weil er, von Spiel und Spielen fortgezogen,
In seiner Wahl so häufig wird betrogen.“
TELMAH: Das ist, glaub ich, aus ‘Ein Sommernachtstraum’?!
WIRT: Erster Akt, erste Szene.
TELMAH: Das klingt sehr verbittert.
SHYLOCK: Na das will ich doch hoffen!
TELMAH: Unerfüllte Liebe.
SHYLOCK: Da könnte ich Lieder von singen. Wenn ich singen könnte. Hmm, wer könnte ein Motiv haben?
TELMAH: Um zu singen?
SHYLOCK: Um Ihren Intendanten zu ermorden!
TELMAH: Ich dachte, Sie wollten nicht über den Fall reden.
SHYLOCK: Es ist nur... hypothetisch.
TELMAH: Dass Sie nicht über den Fall reden wollen.
SHYLOCK: Ganz genau. Tja, wer könnte es gewesen sein?
TELMAH: Wer?
SHYLOCK: Nuuuuun, eine Geliebte würde wissen, was ihr Geliebter tun würde, oder? Sie würde sein Verhalten in und auswendig kennen.
TELMAH: Sie meinen... Julietta war’s?
SHYLOCK: Ich meine gar nichts. Also nehmen wir an, die Vorstellung ist vorbei, alle verlassen das Theater, sie zum Schein auch, dann geht sie aber zurück und leistet ihrem Geliebten Gesellschaft. Und warum muss es so gewesen sein?
TELMAH: Warum?
SHYLOCK: Na, überlegen Sie mal!
TELMAH: Rael wurde im Hof erschlagen. Aber er hat die Tür hinter sich abgeschlossen, ist ganz normal in den Hof gegangen und wurde dann von hinten erschlagen. Er kann also nur von jemandem getötet worden sein, der ihn kannte. Sie gehen also gemeinsam raus, er schließt die Hintertür ab, sie wartet und lässt ihn vorgehen, weil sie sagt, sie hat Angst im Dunkeln. Und dann nimmt sie die Eisenstange und erschlägt ihn.
SHYLOCK: So wird es gewesen sein. Aber wie kann ich es ihr beweisen? Wenn es nur... wenn es nur einen Weg gäbe...
WIRT : Noch zwei Kölsch?
SHYLOCK: Gerne.
WIRT : Noch immer keinen Schritt weiter?
SHYLOCK: Wir arbeiten daran.
WIRT : Sind Sie auch von der Polizei?
TELMAH: Ich bin Schauspieler.
WIRT : Wollen Sie bei mir anfangen?
TELMAH: Nicht jeder Schauspieler arbeitet als Kellner!
WIRT : Stimmt. Manche sind auch Portiers.
SHYLOCK: Was ist mit den Kölsch?
WIRT : Kommen sofort.
SHYLOCK: Es muss in seinem Büro etwas geben, das ihre Anwesenheit dort zur Tatzeit beweist. Ich werde mir das Büro morgen ansehen, vielleicht habe ich ja was übersehen.
TELMAH: Vielleicht... was könnte ihre Anwesenheit beweisen? Lippenstift?
SHYLOCK: Auf der Leiche! Das wäre eine Möglichkeit. Aber in seinem Büro...
TELMAH: ...in seinem Büro... was könnte sie vergessen haben... Ein Taschentuch?
SHYLOCK: Möglich, aber warum sollte sie eins benutzen, geschweige denn vergessen?
TELMAH: Richtig.
SHYLOCK: Was machen die beiden denn?
TELMAH: Was machen sie? Also sie kommt rein, mit ihrem Schlüssel... vielleicht hat sie ihren Schlüssel vergessen?
SHYLOCK: Möglich. Sie kommt rein.
TELMAH: Und Rael ist überrascht. ‘Was machst du denn hier?’ Er steht vielleicht auf und geht ihr entgegen. Sie muss ihn in Sicherheit wiegen.
SHYLOCK: Das muss sie!
TELMAH: Also geht sie zu ihm und umarmt ihn, die beiden schmusen.
SHYLOCK: Sehr wahrscheinlich.
TELMAH: Vielleicht fallen einige Papiere vom Schreibtisch als sie schmusen?
SHYLOCK: Definitiv: nein! Ich habe selten einen aufgeräumteren Schreibtisch gesehen.
TELMAH: Puder! Wenn sie geschmust haben ist ihr Make-up verwischt. Also geht sie, bevor sie das Theater verlassen, zum Waschbecken und bringt ihr Make-up wieder in Ordnung.
SHYLOCK: Das ist es! Ich werde morgen gleich das Waschbecken nach Puderspuren untersuchen lassen, vielleicht finden die Jungs von der Spurensicherung ja was.
TELMAH: Könnte es sein, dass wir Recht haben?
SHYLOCK: Ja. Die Frage ist nur: Warum?
TELMAH: Vielleicht liebte sie ihn nicht mehr?
SHYLOCK: Nicht zwingend ein Grund, jemanden umzubringen.
TELMAH: Aber was könnte dann ihr Motiv gewesen sein?
SHYLOCK: Was ist mit der zu streichenden Stelle?
TELMAH: Du meinst, Rael wollte sie, seine Geliebte, umsonst für sich arbeiten lassen? Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht... Vielleicht hat er sie betrogen? Sie ist dahinter gekommen und hat sich gerächt.
SHYLOCK: Möglich. Hmmmmm...
TELMAH: Worüber denkst du nach?
SHYLOCK: Ich überlege, ob ich noch ein Kölsch will!
TELMAH: Was könnte ihr Motiv sein? Ja, ich hab es: Sie wollte sich von ihm trennen.
SHYLOCK: Eine etwas rüde Methode eine Beziehung zu beenden!
TELMAH: Nicht als Frau, sondern als Schauspielerin! Sie hat ein Angebot von einer anderen Bühne bekommen, oder vom Fernsehen, und das wollte sie annehmen. Aber er wollte sie nicht gehen lassen. Und weil sie ihre Freiheit braucht und den Erfolg und ihre Liebe zu ihm nicht mehr so groß ist, hat sie ihn umgebracht, um so ihre Karriere neu zu beleben!
SHYLOCK: Das ist es! Das ist das Motiv. Wir brauchen jetzt nur noch die Spuren zu finden und können sie festnageln. Du hättest Polizist werden sollen!
TELMAH: Ich weiß nicht, ich glaube, ich bin als Schauspieler besser.
SHYLOCK: Tja, ich muss allerdings gestehen, dass du mir in diesem Fall einiges voraus hast!
TELMAH: Danke. (erhebt sich)
SHYLOCK: „Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,
Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang:
Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.
Glaub, Lieber, mir: es war die Nachtigall!“
WIRT: ‘Romeo und Julia’, dritter Akt, fünfte Szene.
TELMAH: Wir haben morgen eine Probe und ich muss ja jetzt leider dafür sorgen, dass bei uns alles richtig läuft.
SHYLOCK: Ich komme morgen vorbei, um mir das Waschbecken anzusehen!
TELMAH: Gut. Also dann, schönen Abend noch.
SHYLOCK: Wünsche ich mir auch!
TELMAH: (ab)
SHYLOCK: Tjaaaaa...
WIRT : Noch ein Kölsch, junger Mann?
SHYLOCK: Wieviel hab ich denn schon?
WIRT : In Litern oder in Euro?
SHYLOCK: In Euro.
WIRT : 135 Euro.
SHYLOCK: Hätten Sie was dagegen, wenn ich prelle?
WIRT : Die Zeche prellen? Ja, da hätt’ ich was gegen.
SHYLOCK: Gut. Dann will ich auch kein Kölsch mehr!
AUSBLENDE
Zweite Szene
(Bei SHYLOCK)
GEIST: Bist du Shylock Holmes?
SHYLOCK: Ja.
GEIST: Shylock Holmes?
SHYLOCK: (etwas lauter) Ja!
GEIST: Holmes? Shylock Holmes?
SHYLOCK: (brülle) JA, verdammtnochmal, bist du schwerhörig?
GEIST: Ja.
SHYLOCK: Oh. Wer bist du?
GEIST: Bitte?
SHYLOCK: WER BIST DU?
GEIST: Ich bin der Geist des Verstorbenen.
SHYLOCK: (diesmal laut genug) Na, dann laß mal hören!
GEIST: Was?
SHYLOCK: NA, DANN LASS MAL HÖREN!
GEIST: Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden, ich frage dich nur: Was soll ich hören lassen?
SHYLOCK: Na, wer dich ermordet hat, deswegen bist du doch hier?!
GEIST: Ich wurde nicht ermordet!
SHYLOCK: Wurdest du nicht?
GEIST: Nein.
SHYLOCK: Doch!
GEIST: Nein!
SHYLOCK: Bist du denn nicht der Geist von Rael, von dem ich noch immer nicht den Vornamen weiß?
GEIST: Nein, der Geist von Rael war gerade nicht verfügbar, aber die Agentur meinte, das wäre nicht so schlimm, Hauptsache, es würde überhaupt ein Geist auftauchen.
SHYLOCK: Dann kannst du mir über den Mord an Rael also nichts sagen.
GEIST: Stimmt.
SHYLOCK: Hmmm, kannst du denn wenigstens was von Shakespeare zitieren?
GEIST: Nein. Ich bin nur ein alter Geist, ich habe damals den Banquo gegeben, aber das war ja mehr eine stumme Rolle. Außerdem höre ich seit ein paar Dramen nicht mehr so gut und deswegen muss man lauter sprechen. Ich trete also auf und ich verstehe niemanden, weil ich nichts höre und niemand versteht mich, weil ich nichts weiß! „Und das ist der Humor davon!“
SHYLOCK: Hey, du kannst es ja doch! ‘König Heinrich V.’! Schade, dass du mir nichts über den Mord sagen kannst.
GEIST: Nimm’s nicht tragisch!
SHYLOCK: Häh?
GEIST: Vergiss es, Insiderwitz. Tja, kann ich vielleicht sonst noch was für dich tun?
SHYLOCK: Du könntest für mich im Büro anrufen und denen sagen, dass es bei mir ein bisschen später wird.
GEIST: Das dürfte schwierig werden.
SHYLOCK: Warum, kennst du die Nummer nicht?
GEIST: Doch, aber ich bin eigentlich nur ein Produkt deiner Phantasie, deiner verkaterten alkoholgeschwängerten Phantasie sollte man hinzufügen, und als solches fällt es mir schwer, zu telefonieren.
THELLO: (off) Hallo? HALLO?
SHYLOCK: Oh Gott. Wer kann das sein?
GEIST: Das ist Thello, um dich abzuholen, weil er damit gerechnet hat, dass du dich heute Nacht besaufen und heute morgen nicht in der Lage sein würdest, ins Büro zu kommen.
SHYLOCK: Wenn du ein Produkt meiner Phantasie bist, woher weißt du das dann so genau?
GEIST: Püh! Also dann, mach’s gut! (ab)
SHYLOCK: Kommen Sie rein, Thello.
THELLO: (überrascht) Woher wussten Sie, dass ich es bin?
SHYLOCK: Püh!
THELLO: Ich dachte, wenn Sie abends die Kneipe untersuchen, würden Sie heute nicht in der Lage sein, ins Büro zu kommen!
SHYLOCK: Weiß ich doch, weiß ich doch...
THELLO: Und, haben Sie etwas herausgefunden?
SHYLOCK: Häh? Oh, jaja. Wir fahren gleich ins Theater!
THELLO: Warum?
SHYLOCK: Reine Routine. Warum eigentlich? Irgendwas war da. Waschbecken! Wir müssen ein Waschbecken finden.
THELLO: Hat man Ihnen jetzt doch endlich den Strom und das Wasser abgestellt?
SHYLOCK: „Wie jeder Narr mit den Worten spielen kann! Bald, denke ich, wird sich der Witz am besten durch Stillschweigen bewähren und Gesprächigkeit bloß noch an Papageien gelobt werden.“
THELLO: Bitte?
SHYLOCK: ‘Der Kaufmann von Venedig’, dritter Akt, fünfte Szene. Dieses Waschbecken wird von fundamentaler Bedeutung für diesen Fall sein.
THELLO: Soll ich Sie stützen?
SHYLOCK: Wären Sie ein Mädchen und hübsch, hätte ich nichts dagegen.
THELLO: (mütterlich-ironisch) Dann könnten Sie Ihr Köpfchen, wenn es so weh ist, auf meinen Schoß legen.
SHYLOCK: „Ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.“
THELLO: (entrüstet) Bitte?
SHYLOCK: ‘Hamlet’, dritter Akt, zweite Szene. Lesen Sie’s nach!
THELLO: Soll das jetzt der Shakespeare-Rezitations-Kriminalfall werden?
SHYLOCK: Ich dachte, das wäre offensichtlich? Sagen Sie, haben Sie eben zufällig einen Geist durch die Wand dieses Hauses hinausgehen sehen?
THELLO: Sind Sie jetzt völlig durchgedreht?
SHYLOCK: Auch diese hohle Phrase musste kommen!
THELLO: Bitte?
SHYLOCK: ‘Wilhelm Tell’, abgewandelt!
THELLO: Der Tell ist doch aber nicht von Shakespeare.
SHYLOCK: Da kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen.
THELLO: Und von wem ist er?
SHYLOCK: Tja, wenn Sie das nicht wissen...
BEIDE (gehen ab)
AUSBLENDE
Dritte Szene
(Im Theater)
SHYLOCK: Für was würden Sie das halten?
THELLO: Für Ihren Finger? (schnuppert daran) Puder?
SHYLOCK: Zum Schminken? Wie es Frauen benutzen, wenn ihr Make-up verschmiert ist, beispielsweise nach einer kleinen Schmuserei?
THELLO: Möglich.
SHYLOCK: Gut. Rufen Sie die Spurensicherung und die Jungs vom Labor, die sollen sich das ganze Waschbecken vornehmen.
TELMAH: (tritt auf) Wer ist da? Oh...
SHYLOCK: Wir sind es nur! „Ihr spieltet uns diese Nacht einen schönen Streich?“
TELMAH: (stutzt) „Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?“
SHYLOCK: „Einen Diebesstreich: Ihr stahlt Euch unversehens davon!“
TELMAH: (lächelt) ‘Romeo und Julia’, zweiter Akt, vierte Szene.
SHYLOCK: Ganz recht. Romeo, äh, Thello, tun Sie wie Ihnen geheißen!
THELLO (ab)
SHYLOCK: Tja, wir hatten tatsächlich recht. Puderspuren im Waschbecken. Damit wird der Fall ziemlich klar.
TELMAH: Ich kann immernochnicht glauben, dass Julietta ihren Geliebten ermordet hat.
SHYLOCK: Das kann ich verstehen. Aber manchmal sind die Dinge anders, als sie erscheinen... oder als wir sie uns wünschen.
„Ein zornig Weib ist gleich getrübter Quelle
Unrein und sumpfig, widrig, ohne Schönheit.“
TELMAH: ‘Der Widerspenstigen Zähmung’, fünfter Akt, zweite Szene.
SHYLOCK: Ja. Die Frage ist nur, wie wir ihr die Tat nachweisen können. Sowas ist meist der knifflige Teil.
THELLO: (tritt auf) Ich habe vom Wagen aus angerufen, es kommt gleich ein Wagen.
SHYLOCK: Häh? Vom Wagen angerufen, damit ein Wagen kommt, von dem aus Sie anrufen können?
THELLO: Sie haben mich ganz genau verstanden.
SHYLOCK: Das beweisen Sie mal.
NAGER, DRAWIS und OEMOR (treten auf)
OEMOR: Na, haben Sie unser Alibi überprüft?
SHYLOCK: Selbstverständlich.
DRAWIS: Sind Sie verkatert?
SHYLOCK: Selbstverständlich. (zur NAGER) Zu Ihnen wollte ich.
NAGER: Was kann ich für Sie tun?
SHYLOCK: Nun, ich würde gerne wissen, ob Sie sich vorgestern Abend im Büro Ihres Geliebten geschminkt und gepudert haben?
NAGER: Nein, habe ich nicht.
SHYLOCK: Sonst irgendwann in den letzten Tagen?
NAGER: Nein.
SHYLOCK: In den letzten Wochen, Monaten, Jahren?
NAGER: Nicht dass ich wüsste.
SHYLOCK: Dann werden Sie wohl nichts dagegen haben, wenn wir uns die Schminksachen aus Ihrer Handtasche ansehen, nicht wahr?
NAGER: Nein, natürlich nicht.
SHYLOCK: Sollte sich herausstellen, dass das Puder identisch ist...
DRAWIS: Identisch womit?
SHYLOCK: Wir haben Puderspuren im Büro gefunden.
DRAWIS: Aha. Puderspuren im Büro. Soll ich meine Handtasche holen?
SHYLOCK: Nein. Herr Telmah wird Ihre Handtaschen holen. So können wir sichergehen, dass Sie nicht die Puderdosen vertauschen können! Wären Sie wohl bitte so nett?
TELMAH: Natürlich. (ab)
NAGER: Sie glauben doch nicht, dass ich ihn ermordet habe?
SHYLOCK: Mir hilft Glaube im Moment nicht viel, was ich brauche sind Beweise!
THELLO: Die Spurensicherung ist da.
SHYLOCK: Schicken Sie sie ins Büro.
THELLO: Hab ich schon.
SHYLOCK: Sehr gut.
TELMAH: (tritt auf) Hier. (reicht SHYLOCK die Handtasche)
SHYLOCK: (gibt sie weiter an THELLO) Hier, nehmen Sie die mit ins Labor, lassen Sie die Puderdose darin untersuchen und den Inhalt mit dem aus dem Waschbecken vergleichen.
THELLO: Okay. (ab)
SHYLOCK: So, und jetzt werden wir mal in Ruhe... Moment, ich bin mit ihm gekommen! Schätze, es wird Zeit für eine kleine Pause. Also, bis die Tage! (ab)
BLACKOUT
-PAUSE-