Читать книгу ZU ZWEIT DURCH DIE ZEIT - Martin Cordemann & Lucien Deprijck - Страница 3

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Teer blickte auf. Er hatte gerade einen Weg gefunden, wie alle Menschen friedlich miteinander leben konnten, jeder genügend zu essen hatte und es allen gut ging. Dann war er aufgewacht. Mist! Er mußte seine Schritte zurückverfolgen, vielleicht würde ihm die Lösung dann wieder einfallen. Was hatte er getan? Nun, er hatte in seinem Arbeitszimmer gesessen und er war kurz davor gewesen, das Problem der Zeitreise zu lösen, doch dann … war er eingeschlafen. Zwei Probleme, zwei Lösungen, beide versemmelt. Großartig. Teer konnte stolz auf sich sein. War es aber nicht.

Feder kam ins Zimmer, wie üblich, ohne anzuklopfen.

„Wichtige Probleme gelöst?“

„Ja.“

„Und dann? Eingeschlafen oder aufgewacht?“

„Beides!“

„Das ist … unpraktisch.“ Feder schob sich einen Bagel in den Mund. Oder einen Krapfen. Oder irgendwas, das zu 90 % aus Fett bestand und zu 10 % aus Geschmacksverstärkern. Die Antwort, warum jemand den Geschmack von Fett verstärken wollte, war Feder seinem Partner bislang schuldig geblieben. Er kaute auf dem Ding rum, als wäre es die Vorspeise beim letzten Abendmahl. Sie hatten oft über das Thema diskutiert, wenn sie gerade nichts besseres zu tun hatten. Sie hatten oft nichts besseres zu tun. Was Jesus sich wohl bestellt hätte, wenn er vorher gewußt hätte, daß es sein letztes Abendmahl werden würde. Hätte er die Suppe genommen oder die Frühlingsrolle?

„Quatsch“, hatte Feder direkt eingewandt, „letztes Abendmahl beim Chinesen, ist doch Blödsinn.“

Also hatten sie an einem Nachmittag, an dem sie nichts besseres zu tun hatten, und davon gab es eine ganze Menge, dem jüdischen Restaurant der Stadt einen Besuch abgestattet. Dessen Speisekarte, die Feder eisern abgearbeitet hatte, gab ihnen jedoch wenig Aufschluß über ihr Problem. Sie waren sich allerdings einig geworden, daß Jesus den „gefilte Fisch“ wohl nicht genommen hätte, selbst wenn es ihn damals schon gegeben hatte.

Außerdem, unterstrich Teer, war es ja auch mehr eine philosophische Frage. Und zwar, ob Jesus für sein letztes Abendmahl eher einen kleinen Snack, quasi den hebräischen Vorläufer eines Bagels, oder eben ein ganzes Menü, Aperitif, Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch, Käse, Brandy und Zigarren geordert hätte. Letztenendes war das jedoch eine Frage, die sie wohl nie würden beantworten können. Es sei denn …

„Du hast das Problem der Zeitreise gelöst“, murmelte Feder und biß in sein 90 %-Fett-10 %-Geschmacksverstärker-Ding.

„Ich bin vorher eingepennt“, meinte Teer betrübt. Vielleicht hatte er auch nur geträumt, daß er sich mit dem Problem der Zeitreise auseinandergesetzt hatte, und war dann in seinem Traum eingeschlafen, um einem anderen Traum Platz zu machen, in dem er ebenfalls kurz vor der Lösung …

„Nein, du hast es gelöst.“ Feder deutete aus vollem Mund kauend auf eine Gleichung an der Tafel. „Da.“

Teer sah auf. Tatsächlich.

„Ich glaub, ich träume“, murmelte er.

„Diesmal nicht, ausnahmsweise.“ Der Rest des Fettgeschmacksverstärkers verschwand in Feders Mund, nur um umgehend von einem neuen, diesmal rosa bedeckten, sonst aber nicht unähnlichem Antiappetithäppchen ersetzt zu werden.

Beide starrten auf die Formel. Konnte es wirklich sein? War es wirklich möglich?

„Es ist eigentlich nicht möglich“, meinte Feder. „Also rein wissenschaftlich und so, das ist dir doch klar, oder?“

„Ist es.“ Teer nickte.

„Gut. Schön, daß wir uns da einig sind.“

„Und jetzt?“

„Jetzt bau ich uns ne Zeitmaschine“, kam es aus Feders Mund, bevor das rosa Dings ihn für die nächsten Minuten verschloß.

Mehrere cholesterin- und fettreiche Mahlzeiten später kam Feder mit dem Ergebnis seiner Arbeit zurück. Teer war ein bißchen …

„Enttäuscht? Worüber?“

„Nun, ich hatte es mir größer vorgestellt. Und … beeindruckender. Aber das ist nur ein … Kasten.“

„Kästchen.“

„Noch schlimmer. Ein Kästchen. Noch nicht mal ein Kasten.“

„Genau genommen ist es eine Fernsteuerung.“ Teer hob überrascht die Brauen. „Deshalb auch die Knöpfe und das Display. Die eigentliche Maschine, die uns durch die Zeit bringt ist weit größer … und steht in meinem Keller.“

„Wie funktioniert sie?“

„Das ist … ein bißchen kompliziert. Genau genommen arbeitet sie mit der Hypothese, daß Zeitreisen in der Wirklichkeit unmöglich sind und nur in der Phantasie Wirklichkeit werden können. Das ganze ist etwas …“

„… kompliziert, schon klar.“ Teer nickte. „Und jetzt?“

Feder drückte ihm einen Krapfen in die Hand.

„Willst du auf den Erfolg mit einem Krapfen anstoßen?“ fragte Teer, langsam ein wenig angenervt von der Freßsucht seines Freundes.

„Nein.“ Feder schüttelte den Kopf. „Ich hatte nur keine Hand frei.“ Mit der nun vom Krapfen befreiten, freien Hand, die auf allem, was sie berührte, Spuren von Puderzucker hinterließ, durchsuchte er die Taschen seines Anzugs. Irgendwann hatte er anscheinend das Gesuchte gefunden und reichte Teer nun eine Art Brosche, steckte sich selbst auch eine an und nahm seinem Partner dann, so schnell es ihm möglich war, den Krapfen wieder ab.

„Was ist das?“

„Eine Art Brosche. Sie verbindet uns mit der Zeitmaschine. Und mit der Fernsteuerung. Also, es ist …“

„Wir müssen die Dinger tragen, damit wir durch die Zeit reisen können?“

Feders „Ja“ ging in einem großen Bissen schokoladenüberzogenem Krapfen unter.

„Unglaublich“, murmelte Teer und hatte damit vollkommen recht. Es war unglaublich, sogar unglaubwürdig. Und doch … nicht völlig unmöglich. Nur eben sehr unwahrscheinlich. „Wo wollen wir als erstes hinreisen?“ Teers Augen begannen zu strahlen. Was sollte ihr erstes Ziel sein? Der Urknall? Die Entstehung der Erde? Die Ermordung Kennedys? All das waren wichtige Ereignisse in der Geschichte der Menschheit, ja, sogar vor der Geschichte der Menschheit. All das waren Ereignisse, die gesehen, erforscht, erlebt werden wollten. Und sie würden es tun. Als erste Menschen überhaupt.

„Wir können die besten Mahlzeiten aller Zeiten zu uns nehmen“, brummte Feder zwischen zwei Bissen, eigentlich eher während zweier Bissen.

Ja, das konnten sie. Und das würden sie. Aber vielleicht sollten sie erstmal klein anfangen. Keine zu große Reise machen. In eine Zeit reisen, die sie auch kannten, damit sie nicht auffielen. Und um zu testen, ob die Maschine auch funktionierte.

„Kleine Schritte“, stimmte Feder dem Unausgesprochenen zu.

„Ja, beginnen wir mit kleinen Schritten.“

Feder sah das mit bunten Elementen bestreute Ding an, von dem er gerade abgebissen hatte. Es schien seinen gewohnten Standards nicht standhalten zu können. „Puh, das Ding ist ja von gestern. Ich würde sagen, wir tauschen das um gegen seine frische Version.“

Noch bevor Teer Einspruch erheben konnte, hatte Feder ein paar Tasten gedrückt und die beiden befanden sich … da, wo sie auch vorher schon gewesen waren: in Teers Arbeitszimmer. Es gab nur einen kleinen Unterschied. Teer war gerade da. Denn es war gestern. Und es gab ein kleines Problem. Denn er war wach. Und stand vor der Tafel. Und war gerade mit seiner Formel zur Lösung des Zeitreiseproblems beschäftigt. Als er die beiden sah, erschrak er – und fiel in Ohnmacht.

„Oh, das ist schlecht“, murmelte Feder.

„Ja“, stimmte Teer zu, der sich an ein solches Ereignis überhaupt nicht erinnern konnte. Dann sah er fragend seinen Freund an. „Wieso?“

Feder deutete auf die Tafel.

„Du hast das Zeitproblem noch nicht gelöst.“ Er sah den Teer von gestern an, der bewußtlos auf dem Fußboden lag. „Und so wie's aussieht, wirst du das wohl auch nicht mehr schaffen.“

„Und … was bedeutet das?“

„Wir müssen dich dazu kriegen, die Lösung zu finden …, oder wir werden aufhören zu existieren!“

ZU ZWEIT DURCH DIE ZEIT

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