Читать книгу Korea - Martin Guan Djien Chan - Страница 8

KAPITEL 1 Das unbekannte Land

Оглавление

Als das Unternehmen Daewoo in den neunziger Jahren beschlossen hatte, seine Autos auf dem europäischen Markt einzuführen, wurde in Deutschland eine originelle Plakatwerbung geschaltet: Ein Paar Lippen vor weißem Hintergrund formten das Wort Daewoo und als einziger Text begleitete die phonetische Lautschrift dieses Bild. Diese Werbung veranschaulicht geradezu den Bekanntheitsgrad Koreas in Europa – so gut wie nichts war damals, und ist weitgehend auch heute noch, über dieses Land bekannt. Neben dem Koreakrieg fiel den meisten Deutschen zum Thema Korea, wenn es hoch kam, gerade noch ein, dass die Hauptstadt Seoul hieß und 1988 Gastgeberin der Olympischen Sommerspiele gewesen ist. Heute sind noch ein paar weitere Firmennamen bekannt und der ein oder andere hat schon einmal koreanische Tütensuppen gegessen. Aber generell stellt Korea für die Mehrheit ein weitgehend unbekanntes Land dar.

Brave und zurückhaltende Menschen fallen wenig auf, herumpolternde Rabauken dagegen schon. Ähnlich verhält es sich mit Staaten und Völkern. Friedliche Nationen werden weniger wahrgenommen als kriegslüsterne Eroberer. In der ganzen koreanischen Geschichte gibt es keinen einzigen Fall, in welchem ein koreanischer Staat versucht hätte, Ländereien außerhalb der Halbinsel zu unterwerfen. Wenn Kriege geführt wurden, so waren es Verteidigungskriege gegen zentralasiatische Reiterheere oder japanische Invasionsflotten. Interne Machtkämpfe kamen natürlich auch vor und zu verschiedenen Anlässen mussten koreanische Seeleute in fremden Kriegsmarinen dienen. Geschichtsschreiber waren zu allen Zeiten in erster Linie von Eroberungszügen, siegreichen Schlachten und glorreichen Triumphen fasziniert. Die Nichtexistenz koreanischer Eroberungszüge ist sicher ein Grund, warum das Land bis heute kaum bekannt ist. Ein zweiter wichtiger Grund ist die selbst gewählte Isolation, in die sich das Land seit dem siebzehnten Jahrhundert begeben hatte.

Dieser geringe Bekanntheitsgrad ist nicht ganz gerechtfertigt, handelt es sich bei Korea doch um eine sehr alte Kulturnation, welche der Welt im Laufe ihrer Geschichte eine Reihe von bedeutenden Erfindungen geschenkt hat. So stammt der Druck mit Metalllettern weder aus China noch aus Deutschland, sondern aus Korea. Auch die moderne Meteorologie wurde im fünfzehnten Jahrhundert in Form standardisierter landesweiter Niederschlagsmessung eingeführt und das gepanzerte, mit Kanonen versehene Schlachtschiff ist nicht, wie allgemein angenommen, eine Erfindung aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Im sechzehnten Jahrhundert versenkte Admiral Yi mit einer Flotte Panzerschiffe die japanische Invasionsflotte. Auch in den Geisteswissenschaften waren Koreaner nicht untätig. Die beiden Werke „Fünf Staatsriten“ und „Buch über effizientes Regieren“ gehören zu den bedeutendsten konfuzianischen Werken und damit in den Kanon der globalen Staatstheorie.

Die Ursprünge der koreanischen Zivilisation liegen in der benachbarten chinesischen Provinz Liaoning. Bereits in der Jungsteinzeit soll hier der mythische Dangung Wanggeon das Königreich Gojoseon gegründet, das nördliche Korea erobert und die Hauptstadt in die Nähe des heutigen Pjöngjangs verlegt haben. Auf der Grenze zwischen Liaoning und Nordkorea liegt auch der heilige Berg Paektusan, dem mythischen Ursprungsort des koreanischen Volkes.

Koreaner, wie auch Japaner, sind ursprünglich uralaltaischer Herkunft und damit mit Türken, Finnen, Ungarn und Mongolen verwandt. Der Schamanismus ist auch heute noch ein wichtiger Teil des koreanischen Alltagslebens. Allerdings hat der enge Kontakt zur chinesischen Zivilisation Kultur und Sprache von Koreanern und Japanern so stark beeinflusst, dass die uralaltaische Herkunft nur noch schwer zu erkennen ist.

Die historische Geschichtsschreibung setzt in Korea mit dem Kontakt zur chinesischen Kultur ein. Abkömmlinge der chinesischen Shang-Dynastie gründeten im dreizehnten Jahrhundert v. u. Z. das erste belegte Königreich auf koreanischem Boden, welches ebenfalls Gojoseon genannt wurde, nicht jedoch mit dem mythischen Gojoseon identisch ist. Im Jahr 108 v. u. Z. eroberten Truppen der chinesischen Han-Dynastie Gebiete im nördlichen Korea und errichteten vier Präfekturen. Dadurch wurde der politische und kulturelle Kontakt mit China intensiviert. In den nächsten Jahrhunderten kämpften mehrere Königreiche um die Vorherrschaft auf der koreanischen Halbinsel und auch chinesische Dynastien versuchten wiederholt, diese militärisch zu erobern.

In der Mandschurei wurde im Jahr 37 v. u. Z. das Königreich Goguryeo gegründet, dessen Expansionspolitik die Geschichte Koreas entscheidend begründete. Aus der Mandschurei heraus versuchte es, die von China kontrollierten Teile der koreanischen Halbinsel zu erobern, was es in einen jahrhundertelangen Kampf mit verschiedenen chinesischen Dynastien führte. Auf dem Höhepunkt seiner Macht kontrollierte es die Mandschurei einschließlich des heutigen russischen Fernen Ostens und die koreanische Halbinsel bis südlich von Seoul. Einen Feldzug der Sui-Dynastie, an dem über eine Million chinesische Soldaten teilnahmen, konnte Goguryeo zwar abwehren, jedoch hatten die langen Kriege die Staatsfinanzen zerrüttet.

Die neue chinesische Tang-Dynastie nahm den Kampf gegen Goguryeo wieder auf. Zunächst militärisch nicht erfolgreich, brachte ein Bündnis zwischen den Tang und dem Königreich Silla im Süden der koreanischen Halbinsel die Wende. 668 wurde mit der Einnahme seiner Hauptstadt Pjöngjang das Königreich Goguryeo vernichtet und zwischen der Tang-Dynastie und dem Königreich Silla aufgeteilt.

Im siebten Jahrhundert war das Königreich Silla zur vorherrschenden Macht Koreas geworden. Das Bündnis mit den Tang hatte keinen Bestand, denn in Silla trachtete man danach, auch den Rest der Halbinsel zu erobern. Aus einem sechsjährigen Krieg gegen die Tang ging das Königreich siegreich hervor und beherrschte nun einen Großteil des Landes.

Im Sieg des Königreichs Silla kann man den Beginn der koreanischen Nation sehen. Die politische Einheit führte zu einer kulturellen und wirtschaftlichen Blüte, welche die Grundlagen der koreanischen Hochkultur legte. Der in dieser Zeit aus China kommende Buddhismus begann das religiöse Leben umzugestalten und zu vereinheitlichen. Des Weiteren wurde auch der Konfuzianismus als Moral- und Staatsphilosophie übernommen.

Im späten neunten Jahrhundert begann die Macht Sillas zu wanken und die Königreiche Hubaekje und Taebong konnten ihren Einfluss ausbreiten. Beide sahen sich dabei als Erben früherer Königreiche. 936 gelang es Taebong schließlich, Korea erneut zu einen. Das neue Reich wurde in Goryeo (Koryŏ) umbenannt, was versinnbildlichen sollte, dass das neue Reich in der Tradition des alten Goguryeos stand. Aus diesem Landesnamen ist später der europäische Begriff „Korea“ hervorgegangen.

Der Goryeo-Dynastie gelang es, fast die gesamte koreanische Halbinsel zu erobern. Die Grenze ähnelte der heutigen Landesgrenze. Das Königreich Silla legte die Grundlagen zur koreanischen Nation, unter Goryeo bildeten sich der koreanische Nationalstaat und das koreanische Volk als geschlossene Ethnie heraus.

Ende des zehnten Jahrhunderts nahm der militärische Druck aus Zentralasien stetig zu. Kara-Kitai und Jurchen drangen wiederholt nach Korea ein, konnten jedoch zurückgeschlagen werden. Dem Mongolensturm war aber auch das Königreich Goryeo nicht gewachsen. 28 Jahre, von 1231 bis 1259, verteidigten sich die Koreaner gegen die Mongolen, bis sie letztendlich kapitulieren mussten. Teile des Landes fielen an die mongolische Yuan-Dynastie in Peking, der Rest des Landes wurde zum Vasallenstaat degradiert. Mit dem Sturz der Mongolenherrschaft über China 1368 konnte sich auch Korea seine Unabhängigkeit und die verlorenen Territorien zurückerobern. Die Dynastie selber überlebte jedoch die Unabhängigkeit nicht lange, 1388 wurde sie durch einen Militärputsch des Generals Yi Seong-gye gestürzt und 1393 offiziell beendet, indem Land und Dynastie in Joseon umbenannt wurden.

In der Goryeo-Zeit bildete sich nicht nur der koreanische Nationalstaat klar heraus, das Land rückte auch unter die führenden Kulturnationen der Welt auf. In den Bereichen Buchdruck, Schiffbau und Waffentechnik gehörte Korea zur technologischen Avantgarde.

Auch die neue Joseon-Dynastie benannte sich nach einem historischen Vorgänger. Diesmal wurde auf das bronzezeitliche Gojoseon zurückgegriffen, welches von 2333 bis 108 v. u. Z. existierte. Zunächst ging die zivilisatorische Entwicklung Koreas weiter. Eine Reihe von Verwaltungsreformen stärkten die Wirtschaft und das allgemeine Lebensniveau. Die neokonfuzianische Schule entwickelte in Korea eine eigene landesspezifische Ausrichtung. Kämpfe um die Thronfolge und konservative Gegenströmungen bildeten Kontrapunkte zu dieser positiven Entwicklung.

Seit jeher stellten japanische Piraten eine Bedrohung der koreanischen Küste dar und im fünfzehnten Jahrhundert stieg diese Bedrohung weiter an. Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts kamen in Japan jedoch auch die ersten Eroberungspläne, Korea betreffend, auf. 1592 überraschte eine japanische Invasionsarmee Korea und überrannte das Land. Nur durch die Entsendung chinesischer Armeen konnten die Invasoren in langen und verlustreichen Kämpfen zurückgedrängt werden. Ein zweiter Invasionsversuch von 1597 scheiterte nicht zuletzt an den besser vorbereiteten Koreanern. Ihre Flotte aus gepanzerten Schlachtschiffen versenkte einen Teil der Invasionsflotte und behinderte den Nachschub der japanischen Truppen.

Aufgrund dieser Invasionsversuche näherte sich Korea weiter dem chinesischen Reich an. China stieg zur Schutzmacht des Landes auf, bis es 1895 von Japan besiegt wurde. Zunächst jedoch zog eine andere Gefahr am Himmel auf. Die Ming-Dynastie schwächelte und wurde von inneren Krisen heimgesucht. Die Korruption blühte und Rebellionen griffen um sich. Ende des sechzehnten Jahrhunderts war der Niedergang der Ming nicht mehr aufzuhalten. Gleichzeitig hatte der Jurchenfürst Nurhaci die Nomadenstämme Nordostasiens unter dem neuen Namen Mandschuren vereint. Die erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war von mandschurischen Angriffen auf Korea und Nordchina geprägt. 1644 marschierten die Mandschuren in Peking ein. Der letzte Ming-Kaiser beging Selbstmord und der Drachenthron ging erneut in die Hände eines nomadischen Eroberers über.

Der Widerstand gegen die neue mandschurische Qing-Dynastie setzte sich noch drei Jahrzehnte fort und endete erst 1683 mit der Eroberung Formosas, dem heutigen Taiwan. Dorthin hatten sich die letzten Ming-Loyalisten zurückgezogen. Der kulturelle Widerstand gegen die mandschurische Fremdherrschaft blieb jedoch bis zum Ende der Kaiserzeit bestehen und einige der heute aktiven großen chinesischen Triaden haben ihre Ursprünge im verdeckten Kampf gegen die Qing-Dynastie. Auch Korea musste sich als Vasall den Qing unterordnen, lehnte diese jedoch auf dem chinesischen Thron ab.

Bereits die chinesischen Ming hatten in Ostasien das Zeitalter der Isolation und Stagnation eingeläutet. 1421 hatte China seine bis dahin expansionistische Außenpolitik aufgegeben. Entdeckungsreisen wurden eingestellt und der Außenhandel zurückgefahren. Innenpolitisch setzte sich ein konservatives Denken durch, das Innovationen wenig Raum bot. China hörte auf, Motor der zivilisatorischen Entwicklung zu sein und stagnierte auf hohem Niveau. Japan und Korea waren von dieser Entwicklung zunächst nicht betroffen, doch schlugen auch diese Länder ab dem siebzehnten Jahrhundert den Weg der Isolation ein. In Japan hatte dies politische Gründe. Die nach heftigen Kriegen an die Macht gelangte Familie Tokugawa sah in der Isolation eine Möglichkeit, ihre Macht zu festigen und zu bewahren. Die Kriege der Reichseinigung hatten mit Musketen bewaffnete Massenheere hervorgebracht, welche in dieser Größe in Europa erst in den napoleonischen Kriegen erscheinen sollten. In Japan erkannten die neuen Machthaber die soziale Gefahr, die von dem Masseneinsatz von Feuerwaffen ausging. Schusswaffen wurden daher verboten und der Samurai hatte sein Comeback als monopolistischer Krieger.

Die Qing in Peking setzten die isolationistische und konservative Politik ihrer Vorgänger weitgehend fort. Kontakte mit Ausländern blieben streng limitiert. Korea passte sich diesem allgemein isolationistischen Umfeld immer mehr an und war am Ende des Jahrhunderts ein weitgehend abgeschottetes Land, das nur zur Qing-Dynastie und Japan einige wenige Kontakte unterhielt.

Im achtzehnten Jahrhundert war ganz Ostasien in eine alles lähmende Stagnation verfallen. Dabei muss der Begriff Stagnation auf hohem Niveau genauer erklärt werden. Oberflächlich betrachtet kann man diese Stagnation zunächst nicht feststellen. In vielen Bereichen sind die ostasiatischen Zivilisationen den europäischen noch bis ins neunzehnte Jahrhundert überlegen. Dies bezieht sich auf die unterschiedlichsten Bereiche wie Kunsthandwerk, vorindustrielle Produktion, Verwaltung, Poesie, Geschichtsschreibung und Medizin. Der Unterschied zu früheren Epochen und zum damaligen Europa ist der, dass keine neuen, revolutionären Ideen mehr entwickelt wurden. Vorhandene Techniken wurden verfeinert. Der Kunsthandwerker ersetzte zu nehmend den Künstler. In der Philosophie und den Naturwissenschaften, den Trägern des Fortschritts, wurden kaum noch Neuerungen erdacht. Als die Jesuiten in der späten Ming-Zeit an den Hof zu Peking kamen, beeindruckten sie in erster Linie durch ihre astronomischen Kenntnisse, einem Fach, in welchem China zwei Jahrtausende lang führend gewesen war.

Portugiesen und Holländer waren in Ostasien schon seit längerem bekannt. Ihre Schiffe und Kanonen waren zwar den ostasiatischen überlegen, aber die geringe Anzahl und die langen Versorgungswege verhinderten, dass diese beiden Nationen eine militärische Bedrohung darstellten. Erst im neunzehnten Jahrhundert änderte sich diese Situation. Die napoleonischen Kriege hatten eine technische Revolution im Rüstungswesen ausgelöst, waren aber auch ein „Weltkrieg“. England baute in dieser Zeit seine Macht in Übersee aus. Der französische Einfluss in Indien wurde minimiert und von dieser Basis aus setzte Albion zur Erkundung Ostasiens an. Bereits in diesem Krieg suchten englische Schiffe japanische Gewässer nach niederländischen Handelsfahrern ab.

Japan und Korea blieben vorläufig noch weitgehend verschont von der abendländischen Expansion. Russlands militärische Stärke im Fernen Osten war noch relativ unbedeutend, die USA hatten erst seit 1848, nach der Abtretung Kaliforniens durch Mexiko, Zugang zum Pazifischen Ozean. Richtig in Schwung kam die englische Expansion jedoch erst mit dem Ersten Opiumkrieg von 1839 bis1842, der unter anderem auch Hongkong als britische Kolonie etablierte.

In Nordostasien war das einschneidende Ereignis das Bombardement der Hafenbefestigungen von Edo durch den amerikanischen Kommodore Matthew C. Perry im Sommer 1853. Die direkte Folge war die erzwungene Öffnung Japans für den amerikanischen Handel. Dieses Ereignis löste jedoch die Meiji-Restauration aus, welche das Tokugawa-Shogunat stürzte und die Modernisierung des Landes einleitete. Japan war das einzige Land der Welt, welches auf den westlichen Imperialismus mit einer eigenen gesellschaftlichen Revolution antwortete, welche es kompatibel mit der Moderne machte. Innerhalb eines halben Jahrhunderts hatte Japan seinen Rückstand gegenüber dem Westen aufgeholt und wurde selber zu einer der führenden imperialistischen Mächte.

Korea beschritt jedoch nicht den Weg der Reformen. 1866 kam es nach einem Massaker an französischen Missionaren und koreanischen Konvertiten zu einer französischen Strafexpedition gegen Korea. 1871 intervenierten die USA als Antwort auf die Zerstörung des bewaffneten Handelsschiffes General Sherman. Beide Militärinterventionen offenbarten die absolute Unterlegenheit der koreanischen Armee und Marine gegenüber westlichen Streitkräften. Mit dem Vertrag von Ganghwa von 1876 wurde Korea schließlich gezwungen, seine Isolation aufzugeben. Diese Öffnung bewirkte zwar auch ein Eindringen modernen westlichen Gedankenguts, konnte jedoch keine Reformbewegung wie in Japan hervorrufen.

Die ökonomische Situation des Landes und die soziale Lage der Bauern verschlechterten sich im neunzehnten Jahrhundert zudem zunehmend. Missernten führten zu Hungersnöten und diese wiederum zu Bauernrebellionen. Seit den sechziger Jahren entstand die Donghak-Bewegung. Die Donghak-Lehre vereinte klassische konfuzianische und buddhistische Elemente mit universellen humanistischen und sozialistischen Vorstellungen. Als nationalpatriotische Bewegung wollte sie durch Reformen sowohl Ungerechtigkeit beseitigen als auch die koreanische Nation stärken, um sich gegen den wachsenden ausländischen Einfluss wehren zu können.

1894 brach eine Bauernrevolte aus, die sich schnell als Revolution über das ganze Land verbreitete. Die Regierungstruppen waren nicht in der Lage, die Revolution niederzuschlagen, und baten die kaiserliche Regierung in Peking um militärische Unterstützung. Peking gewährte diese und entsandte 3000 Soldaten, ohne jedoch Japan davon zu informieren, was nach der Konvention von Tianjin vorgeschrieben war. Japan, das zu diesem Zeitpunkt schon feste Eroberungspläne hinsichtlich Nordostasiens hatte, nahm dieses Versäumnis zum Anlass, China den Krieg zu erklären.

Nach seiner Niederlage 1895 wurde die Qing-Dynastie mit dem Vertrag von Shimonoseki gezwungen, Koreas Vasallenverhältnis zu lösen und das Land in die Unabhängigkeit zu entlassen. Diese traf die Joseon-Dynastie völlig unvorbereitet.

Als Antwort auf die Revolution wurden die sogenannten Gabo-Reformen durchgeführt, die auf japanischen Vorschlägen basierten und sich an der Meiji-Restauration orientierten. Starke konservative Opposition und im wörtlichen Sinne mörderische Palastintrigen standen ihrem Erfolg jedoch entgegen und die Reformbewegung stand 1896 vor dem Aus. Der Vorgang ähnelte den gleichfalls gescheiterten Hundert-Tage-Reformen von 1898 durch Kang You-wei in China. Dennoch wurden die Grundlagen einer Modernisierung gelegt. Eisenbahnen wurden gebaut, ein Postsystem errichtet und dergleichen mehr. Um die nationale Unabhängigkeit zu betonen, wurde Korea 1897 zum Kaiserreich erklärt.

Die Reformen kamen jedoch zu spät, um erfolgreich zu sein. Mit dem Sieg Japans über Russland von 1905 stand einer direkten Eroberung Koreas nichts mehr im Wege. 1910 leiteten die Annexion und Umwandlung in eine Kolonie ein neues, schmerzhaftes Kapitel in der koreanischen Geschichte ein.

Im Unterschied zu den europäischen Kolonialmächten nutzte Japan seine Kolonien nicht nur als Quelle für billige Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte, sondern auch, um seine eigene industrielle Basis zu erweitern. Das Vorgehen dabei war jedoch sehr unterschiedlich. Auf Taiwan profitierte die Bevölkerung sogar von der japanischen Besatzung. Eine moderne Infrastruktur wurde aufgebaut, die Landwirtschaft entwickelt und die Grundlagen für eine Leichtindustrie gelegt. Der Lebensstandard stieg und die Taiwanesen genossen ein bedeutend besseres Leben als die Menschen auf dem chinesischen Festland. Im von Japan kontrollierten Marionettenstaat Mandschukuo wiederum mangelte es an Arbeitskräften, wodurch die japanische Kolonialpolitik gezwungen war, das Land attraktiv genug für chinesische Einwanderer zu machen, da sonst die hochgesteckten Entwicklungsziele nicht hätten erreicht werden können. In Korea jedoch wurde ein Kolonialregime errichtet, das an die Brutalität europäischer Herrschaftssysteme heranreichte.

Zum Zeitpunkt der Annexion war Korea ein unterentwickeltes und von Feudalstrukturen geprägtes Land. Hungersnöte waren häufig, das allgemeine Bildungsniveau niedrig und die Lebenserwartung gering. Die Modernisierung hatte gerade erst begonnen. Die wenigen Reformen konnten noch kaum Wirkung entfalten und entsprechend gab es nur wenige Ansätze eines modernen politischen Diskurses. Japan hatte den Anschluss an die Moderne geschafft, in China gab es insbesondere in den Städten mit ausländischen Konzessionen wie Schanghai, Tianjin und Hongkong bereits eine chinesische Bourgeoisie, die moderne Konzepte diskutierte und die in den kommenden Jahrzehnten zum Träger des republikanischen Gedankens werden sollte. Diese war in Korea so gut wie nicht vorhanden.

Die von Japan eingeleitete Modernisierung traf damit eine völlig vorindustrielle Feudalgesellschaft. Hauptsächlich im Norden wurden Kohle- und Erzvorkommen erschlossen und weiterverarbeitende Industrien angesiedelt. Der Süden blieb vornehmlich landwirtschaftlich geprägt. Die Ertragssteigerungen der Landwirtschaft kamen jedoch nicht der koreanischen Bevölkerung zugute, denn diese Erträge wurden nach Japan ausgeführt, um den dort stetig steigenden Bedarf decken zu helfen. Trotz Modernisierung verbesserte sich die Lage der Bevölkerung kaum und auch weiterhin mussten große Teile der Bevölkerung regelmäßig hungern.

Auch an den gewachsenen Sozialstrukturen wurde nur wenig geändert. Die Großgrundbesitzer zogen in aller Regel eine Kollaboration mit dem Besatzer dem nationalen Widerstand vor. Da die japanische Kolonialverwaltung in erster Linie an gehor samen Untertanen interessiert war, wurden die bestehenden hierarchischen Strukturen der Gesellschaft nicht angetastet.

Der chinesische Kaiserhof zu Peking war bereits 1895 aus der politischen Kosmologie verdrängt worden, nun nahm der japanische Kaiserhof zu Tokyo diese Stellung ein. Zusätzlich entwickelte sich in Japan eine von Europa inspirierte rassis tische Herrenmenschenideologie, welche das Japanertum mythisch über höhte und die Koreaner entsprechend als minderwertig herabstufte. Damit hatte Korea nicht nur seine Eigenstaatlichkeit verloren, sondern den Koreanern wurde zusätzlich noch die Existenz als Kulturnation abgesprochen. Die japanische Herrschaft zeichnete sich dadurch nicht nur durch ökonomische Ausbeutung und politische Unterdrückung, sondern zusätzlich durch kulturelle Erniedrigung aus.

Bis 1945 dominierte nun Japan die Geschicke Koreas. Um die Jahrhundertwende, als man sich in Japan als Speerspitze der asia tischen Befreiung vom europäischen Joch sah, unterschied sich der japanische Imperialismus noch positiv vom europäischen. Tokyo war das Zentrum der politischen Flüchtlinge Chinas. Reformer und Revolutionäre trafen sich hier mit den japanischen Reformern der Meiji-Restauration. 1905 wurde der japanische Sieg über Russland nicht nur in ganz Asien, sondern sogar noch in Afrika euphorisch gefeiert. Mit diesem Sieg aber veränderte sich auch das japanische Nationalbewusstsein und an die Stelle der antieuropäischen Solidarität rückte der nationale Imperialismus. Im Gegenzug wird Japan nicht mehr als Verbündeter, sondern als ärgster Feind gesehen.

Dieser Übergang war ein langsam aber stetig voranschreitender Prozess gewesen. Die Annexion Koreas 1910 war der erste offensichtliche Bruch mit der panasiatischen Solidarität, die 21 Forderungen an China von 1915 brachen endgültig die Bande zwischen Japan auf der einen und China und Korea auf der anderen Seite. In den innenpolitischen Wirren der zwanziger Jahre leisteten in Japan sozialistische und liberale Kräfte dem erstarkenden Militarismus und Imperialismus noch Widerstand, spätestens mit dem Einmarsch in die Mandschurei 1931 und der Gründung des Marionettenstaates Mandschukuo war dieser jedoch gebrochen und Japan fest entschlossen, sein Kolonialreich auf dem asiatischen Kontinent zu erweitern.

1937 schlitterte Japan unter bis heute ungeklärten Umständen in den Krieg mit China. Militärisch war es zwar erfolgreich, musste jedoch immer größere Mengen an Soldaten entsenden. Bald unterhielt das Kaiserreich auf dem Festland fast zwei Millionen japanische Soldaten und Polizisten. Japan wurde immer stärker zu einer De-facto-Militärdiktatur mit faschistischen Merkmalen.

Die stetig steigenden Anforderungen des Krieges ließen Korea und die Mandschurei für die japanische Rüstungsindustrie immer wichtiger werden. Daneben fehlten in Japan die Soldaten als Arbeitskräfte und Hunderttausende von Koreanern gingen, teils freiwillig, teils zwangsverschleppt, nach Japan, um dort die Lücken zu füllen.

1939 kam es zu größeren Gefechten mit mongolischen und sowjetischen Truppen. Der angloamerikanische Wirtschaftsboykott wegen des Krieges in China führte zu immer größeren Rohstoffengpässen in Japan und damit letztendlich zur Entscheidung, den pazifischen Krieg zu beginnen. Für die koreanische Bevölkerung bedeutete die Eskalation der Kriege eine immer stärker werdende Ausbeutung. Besonders grausam war die Versklavung von Zehntausenden junger Frauen, die als Sexsklavinnen die kaiser liche Truppe bei Laune halten mussten. Bis heute hat sich Japan nicht angemessen dafür entschuldigt.

Nach dem Krieg existierte der koreanische Staat zwar nicht mehr und musste mit fremder Hilfe wieder aufgebaut werden, aber die Restauration der Monarchie war keine realistische Option mehr, denn der nationale Widerstand gegen Japan hatte ein modernes politisches Bewusstsein hervorgebracht. Die Grundlagen für einen modernen Nationalstaat waren gelegt.

Korea

Подняться наверх