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Vorwort

Eine eigenständige Arbeit zu verfassen, ist eine kreative, höchst spannende Aufgabe und gehört zum Lernreichsten im Gymnasium, in der Fach- und Berufsmittelschule und später im Studium an einer (Fach-)Hochschule. Besonders gross sind die Herausforderungen, wenn die Arbeit den Anspruch einer wissenschaftlichen Vorgehensweise erfüllen soll, wie dies bei einer schriftlichen Arbeit in der Regel der Fall ist. Die Anforderungen mögen zu Beginn sogar als zu gross und als kaum zu bewältigen erscheinen. Auch erfahrene Forscherinnen und Forscher stehen mit jeder neuen Studie zunächst vor einer Hürde, die es zu überwinden gilt. Wissenschaftliche Tätigkeit ist anstrengende Arbeit, aber sie lohnt sich. Man erwirbt sich dabei eine einzigartige Expertise, die auch über Jahre hinweg erhalten bleibt.

Warum hat eine Maturaarbeit wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen?

Die Matura soll zu einem Hochschulstudium befähigen. Studierfähig zu sein, bedeutet, sich in ein Fachgebiet einarbeiten zu können und Kenntnis zu haben, was wissenschaftliches Arbeiten ausmacht. Die Maturaarbeit bietet die Chance, Erfahrungen mit wissenschaftlichem Vorgehen zu sammeln. Später im Studium lässt sich auf diesen Erfahrungen aufbauen, wenn es darum geht, sich vertiefter mit wissenschaftlichen Theorien und Arbeitsweisen des Studienfaches auseinanderzusetzen.

In einer Lehrveranstaltung an der Universität Zürich zu fächerübergreifendem Unterricht liessen wir jeweils die Studierenden, die aus verschiedensten Studienrichtungen kamen, beschreiben, wie ihr Fach wissenschaftsmethodisch arbeitet. So sollten sie zum Beispiel charakterisieren, mit welchen Methoden ein Sprachwissenschaftler zu wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangt oder wodurch sich die wissenschaftliche Arbeitsweise einer Chemikerin auszeichnet. Es fiel den meisten Studierenden zu Beginn schwer, das Besondere ihres Faches, auch in Abgrenzung zu anderen Fächern, herauszuschälen. Wenn dann aber die Präsentationen nebeneinander standen und miteinander verglichen werden konnten, ging jeweils ein erstauntes «Aha» durch die Reihen. Den Studierenden waren die wissenschaftlichen Grundlagen und die methodischen Werkzeuge in ihrem Fach bewusst geworden. Und es entstanden auch angeregte Diskussionen darüber, warum man nicht viel früher, zu Beginn des Studiums und bereits im Gymnasium, wissenschaftliches Arbeiten und wissenschaftstheoretische Fragen kennengelernt habe.

Die Tatsache, dass selbst Hochschulstudierende im fortgeschrittenen Studium Mühe bekunden, die fachwissenschaftliche Arbeit zu charakterisieren, zeigt, dass Lehren über Wissenschaft nicht dasselbe ist wie Lernen durch wissenschaftliches Tun. Erst dann, wenn man sich in allen Phasen des eigenen Forschens Rechenschaft darüber geben muss, warum man auf welche Weise vorgeht, kann man nachvollziehen, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet.

Wissenschaftlich zu arbeiten, heisst zunächst einmal, sich mit einem Untersuchungsfeld vertraut zu machen: sich einzulesen, Gespräche mit Fachleuten zu führen, den Stand des Wissens in Erfahrung zu bringen, aktuelle Fragestellungen kennenzulernen. Es geht also darum, die theoretische Basis zu erarbeiten, um darin das eigene Forschungsinteresse zu verankern und die genaue Fragestellung einzugrenzen. Erst dann folgen Überlegungen, wie die Fragestellung bearbeitet und neues Wissen gewonnen werden kann, mit welchen Methoden Daten gesammelt und ausgewertet werden sollen. Mit Daten sind dabei keineswegs ausschliesslich Messdaten gemeint, auch Interviewtranskripte, Gesprächsprotokolle, Bilder, Texte usw. gehören dazu, sofern sie auf die Fragestellung bezogen systematisch ausgewählt und ausgewertet werden. Und schliesslich geht es darum, die gewonnenen Ergebnisse zu interpretieren und kritisch zu hinterfragen. Die Diskussion von neuen Befunden und der intersubjektive Austausch gehören wesentlich zu den Charakteristika wissenschaftlichen Arbeitens.

Fundiertes, wissenschaftliches Arbeiten ist anspruchsvoll. Genau darum wurde dieses Lehrbuch geschaffen. Es begleitet die Leserinnen und Leser Schritt für Schritt in die Welt des wissenschaftlichen Arbeitens. Auch Lehrpersonen und Studierende an Hochschulen werden das Buch mit Gewinn zur Hand nehmen. Es bietet Grundlagen zum wissenschaftlichen Arbeiten und beschreibt zahlreiche methodische Vorgehensweisen und Auswertungsverfahren anhand von Beispielen. Sie regen an, systematische Überlegungen in einem gewählten Fachgebiet anzustellen und sich allmählich in einem konkreten Projekt vorzutasten.

Wer sich auf das Studium dieses Lehrbuchs einlässt, wird erleben, wie aufregend und inspirierend die wissenschaftliche Tätigkeit ist. Wenn bei der abschliessenden Präsentation der Arbeit in der Öffentlichkeit ein Funken der Begeisterung auf das Publikum überspringt, ist dies der schönste Erfolg.

Regula Kyburz-Graber

Prof. Dr., emeritierte Professorin am Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Lehrerinnen- und Lehrerbildung Maturitätsschulen, Universität Zürich

Forschen, aber wie? (E-Book)

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