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Unter den zuvor genannten "Deal" dürften in der Studentenstadt Graz personell wohl insgesamt sehr sehr viele Absolventen der Sozial-, Geistes-, oder Erziehungswissenschaften fallen. Manchmal hatte man wirklich das Gefühl, als läge die Last des gesamten, chronisch unterbezahlten, linksliberalen Berufshelfertums von Südösterreich auf den angeknacksten Schultern der 290 000 Einwohner zählenden Murmetropole. Warum da die Wahl ausgerechnet auf den 33-Jährigen Soziologen Robert Ziegenstätter fiel, würde wohl für immer ein Geheimnis des Chefs bleiben. Vielleicht lag es daran, dass Robert vor Beginn seines Studiums auch eine Zeitlang in der Sozialpädagogik tätig war. Im weiteren Sinne zumindest. Rosegger hasste die Sozialpädagogen, egal wie weit sie gesinnt oder besser gesagt "ausgebildet" waren. Er empfand sie als vollkommen nutzlos. Die einzige Pädagogik, die er selbst als akzeptabel empfand, lag in einer täglichen Tracht Prügel, bei der man auch gerne mal den eigenen Ledergürtel zu Hilfe nehmen durfte. Abgesehen davon absolvierte Robert vor seiner pädagogischen und akademischen "Karriere" auch eine Lehre in einem obersteirischen Stahlwerk, dessen Ambiente gleich düster und dreckig erschien, wie Teile des jenseitigen Graz. So war zumindest nicht zu erwarten, dass ein optischer Kulturschock Robert in seiner zukünftigen Aufgabe behindern würde, auch wenn Robert von dieser Analogie - hätte er sie geahnt - wohl nicht so begeistert gewesen wäre. Der Gedanke, jemals wieder in einem obersteirischen Stahlwerk arbeiten zu müssen, erschien ihm so dermaßen abwegig, dass er noch nicht einmal auf die Idee kam, ihn zu Denken. Sollte Robert in seiner Aufgabe trotzdem vollends versagen oder dabei sogar zu erfolgreich sein, dann konnte ihn der Chef zumindest immer noch zur Arbeit in einem x-beliebigen Säuferlokal zwingen. Auch in diesem Milieu sammelte Robert während seines Studiums eher ein Weniger als ein Mehr an zweckdienlichen Erfahrungen.

So trug also Robert - nichts ahnend von seinem ihn bald ereilenden Schicksal - in der Grazer Herrengasse seinen unlängst neu gekauften MP3-Player spazieren. Unbewusst zum synkopierten 2/4-Takt von "Jimmy Jazz" am Nasenring herumpopelnd, philosophierte er dabei mit sich selbst über die heute stattgefundene Entscheidung, eine Lederjacke zu tragen.

Der Frühling hatte vor Kurzem begonnen, und somit war es gerade die einzige Jahreszeit, in der es der Klimawandel noch zuließ, dass man mit eben einer solchen Lederjacke durch die Gegend zog, ohne dass man sich zu Tode fror oder wahlweise schwitzte. Als ehemaliger jugendlicher Vorzeigepunker hatte Robert sie früher selbst im Winter regelmäßig getragen, doch für subkulturelle Verhältnisse war er in den letzten Jahren relativ erwachsen geworden. Selbst seine bunt gefärbten Haare und zerrissenen Jeans gehörten inzwischen der Vergangenheit an. Nebenbei genoss er die Vorzüge die es hatte, wenn man nicht dauernd unter einer Verkühlung litt, weil man bei fünf Grad Minus sein Oberteil nicht zumachen konnte.

>>Megaphon, Megaphon! Willst du kaufen, ist neu?<<

Ein einfaches >>Ja<< auf die Frage des freundlich grinsenden schwarzafrikanischen Straßenzeitungsverkäufers hätte den Ablauf der Ereignisse zumindest um so viele Sekunden verzögert, dass das vom Chef inszenierte Ableben von Robert am Timing gescheitert wäre. Doch in dieser Hinsicht war der Straßenverkäufer für Rosegger durchaus nicht zum Spielverderber geworden, da Robert wie immer sein letztes Kleingeld für seinen obligatorischen Nachmittagskaffee im Cafe Centraal ausgegeben hatte. Auch in einer anderen Hinsicht hatte der Chef richtig spekuliert und wurde diesmal von Robert selbst nicht enttäuscht. Die Musik, welche aus den Kopfhörern seines MP3-Players kam, hätte auch etwas von Bob Dylan sein können und zwar auf einem bei Weitem niedrigeren Pegel, als es The Clash gerade taten. So aber hörte er die vorläufig letzten Worte seines dreiunddreißigjährigen Lebens nicht mehr, die aus einem lapidaren "Scheiße! Vorsicht da unten!" bestanden. Robert nahm folglich das bis dato einzige Klavier, das jemals per Flaschenzug aus dem vierten Stock eines Hauses in der Herrengasse gehievt worden war, erst relativ spät wahr. Besser gesagt, nahm er es erst wahr, als der am Boden entstehende Schatten dann doch fast seinen Zenit erreicht hatte. Zusätzlich entfaltete der ebenso obligatorische Pre-Centraal-Joint, den er zuvor in seiner ehemaligen Pärchenwohnung in der Griesgasse 12 geraucht hatte, gerade seine volle Wirkung. Seiner Reaktionsfähigkeit beraubt, wurde Robert so also buchstäblich von 184cm Körpergröße in der Vertikalen auf 184cm Körpergröße in der Horizontalen umgelegt. Das Klavier war schwarz, wog 345kg, und hatte als Markennamen "Going Underground" auf dem Gehäuse stehen.

Going Underground

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