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Der dunkle Schleier vor Roberts Augen lichtete sich nur sehr langsam, was vor allem auch damit zu tun hatte, dass er mit dem Gesicht nach unten auf dem für diese Jahreszeit unglaublich warmen Asphalt der Herrengasse lag. Als die gelben Sterne welche um seinen Kopf schwirrten, allmählich verschwanden und er es schaffte, sich zuerst auf die Knie und dann auf die Füße zu stemmen, wäre er vor Schreck fast wieder auf die Fresse geflogen. Robert befand sich nach wie vor in der Herrengasse, allerdings war diese dreimal so breit wie zuvor, der Beton war brüchig und überall waren Straßenlöcher mit Teer aufgefüllt worden. Rund um ihn und sowieso überall gab es ein Gewirr von mal mehr, mal weniger abgewrackten Passanten, die in beide Richtungen strömten, ohne sich auch nur einen Dreck um ihn zu kümmern. Statt der ursprünglichen ihm bekannten zwei Straßenbahngleise gab es insgesamt fünf, wobei gerade eine gut 100 Meter lange und vollkommen verrostete Straßenbahngarnitur vorbeifuhr. Sie war voll gestopft mit Fußballfans des GAK und des SK Sturm, welche sich alle zusammen mit unglaublicher Freude quer durch die Wagons prügelten. Robert blickte mit weit aufgerissenen Augen der im Schritttempo fahrenden Straßenbahn nach, welche auch keinen Fahrer zu haben schien. Die Länge der Herrengasse dürfte sich offensichtlich ebenfalls vervielfacht haben, sodass ein Ende der Straße mit freiem Auge, zumindest wenn man keine Brille aufhatte, definitiv nicht erkennbar war. Besagte Bim war nämlich in Richtung Jakominiplatz unterwegs, welcher sich normalerweise von dieser Position aus auch im Weitblickfeld eines brillenlosen Roberts befand. Dass er eine Brille trug, war allerdings ohnehin nur selten der Fall, denn Robert unterlag einer gewissen Eitelkeit. Er benutzte seine Gläser hauptsächlich während des Autofahrens, beim Fernsehen, im Fußballstadion und wenn er sich am PC einen Porno anguckte. Eine weitere Straßenbahn, die mindestens gleich lang wie die erste war, kam selbiger entgegen. Sie wurde von gut einem Dutzend schwarz angezogener und schwarz bemalter Menschen gezogen. Auch was Robert sonst noch sah, ließ ihm die dreitagesbebartete Kauleiste fast bis zum Brustbein hinunter klappen. Links und rechts ragten bis zum Horizont unerwartet hohe Häuserschluchten auf, welche einen kruden architektonischen Stilmix aus renovierungsbedürftigen bürgerlichen Altbauten und verrottenden Sozialwohnburgen im siebziger Jahre - Stil bildeten. Das was den eigentlich grauen Hausfassaden an Farbe fehlte, wurde durch unzählige Graffitis, Leuchtreklamen und den unterschiedlichsten Werbeplakaten wettgemacht, die im Regelfall aber mit den Farben rot und schwarz auszukommen schienen und auf die unzähligen sich in der Herrengasse befindlichen Geschäfte, Pubs und Wirtshäuser hinwiesen. Einzig das Gebäude, vor dem er nur kurze Zeit zuvor von einem Klavier erschlagen wurde, schien leer zu stehen. Sämtliche Fenster und Türen waren mit Brettern zugenagelt und mehrere beschriftete Warnstangen wiesen darauf hin, dass hier auch im Frühjahr noch Lawinen und Musikinstrumente vom Dach fallen konnten. Zwischen den wohl zum Teil zwanzigstöckigen Gebäuden auf beiden Seiten waren immer wieder Seile von Fenster zu Fenster gespannt, auf denen hauptsächlich Wäsche, Fahnen und Lampions, aber zum Entsetzen Roberts ab und an auch menschliche Gliedmaßen aufgehängt waren. Der darüber liegende Himmel sah aus, als würden weder Sonne, Mond noch Sterne existieren und trotzdem war es nicht dunkel. Viel eher hatte es eine Helligkeit, die einem das Gefühl gab, als wäre gerade eben eine Atombombenexplosion am Abklingen. Die Luft knisterte, ohne Geräusche von sich zu geben. Sie war weder feucht noch trocken. Auch befand sich Robert in einem Zwiespalt darüber, ob es gerade saukalt oder schweinewarm war. Manche der Menschen, die an ihm vorbeigingen, hatten einen Schirm aufgespannt und interessanterweise regnete es auch nur über diesen, während andere trotz Sonnenhut einen mordsmäßigen Sonnenbrand aus dem Gesicht leuchten hatten. Robert war eigentlich kein Mensch, der ständig mit sich selbst zu reden pflegte, doch nachdem er zumindest einen Bruchteil seiner restlos verlorengegangenen Fassung wieder gewonnen hatte, platzte es schließlich aus ihm raus.

>>Was zur Hölle ist hier eigentlich…<<>>So ungefähr<<, sagte die blonde, schlanke und großgewachsene Frau, welche fast wie aus dem Nichts kommend - dafür aber wie aufs Stichwort bestellt - plötzlich neben Robert stand, >>es ist nur nicht ganz so einfach wie man glauben möchte.<<>>Und wer zum Teufel bist…<< >>Der wäre ich gerne, aber auch diesbezüglich ist es ein wenig komplizierter als der einfache Mensch zu denken vermag<<, sagte sie und strecke Robert die Hand zum Gruße hin. >>Braun, Esther Braun, Bezirksinspektorin. Ich bin hier, um dich zu empfangen und ins Büro meines Bosses, den Dezernatsleiter für unautorisierte Gewalt- und Fluchtdelikte zu bringen. Willkommen im toten Graz!<<

Going Underground

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