Читать книгу Ein russisches Wintermärchen - Martin Scherbakov - Страница 5
ОглавлениеMelnikowo, irgendwo in Sibirien
Es war kalt. Nuko wusste nicht wie viel Grad die Raumtemperatur betrug, aber so eine Kälte bekam er noch nie zu spüren. Wie ein Schwert traf ihn der eisige Frost von draußen. Heftiger Wind blies dutzende Schneeflocken durch das gebrochene Fenster in das Zimmer. Nuko konnte sich nicht ausreichend bewegen, um sich zumindest zu erwärmen, darum begannen seine Hände und Füße zu erstarren. Er sammelte seine letzten Kräfte und begann, die Seile an einem rostigen Nagel, der aus dem Boden hervorstand, aufzulösen. Nach 15 Minuten waren die Seile schon so dünn, dass Nuko sie einfach durchreißen konnte. Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Flucht gab ihm neue Kräfte, darum zögerte er nicht lange und sprang durch das gebrochene Fenster in die Freiheit. Vor sich sah er nur kahle Baumstämme und endlos viel Schnee. So viel hat er noch nie in seinem Leben gesehen. Er rannte los so schnell er konnte. Er wusste nicht genau, ob ihn jemand verfolgte oder nicht, er raste jedoch immer weiter vorwärts, ohne einen Blick nach hinten zu werfen. Als die Kräfte Nuko endgültig verließen, stürzte er kraftlos auf eine Felskante nieder. Weit unten sah er vereinzelte kleine Lichter aus der Dunkelheit herausflimmern. Nuko spürte die Kälte nicht mehr, im Gegenteil, es breitete sich eine angenehme Wärme in seinem Körper aus, er wollte sich kurz hinlegen, um sich zumindest für 5 Minuten auszuruhen. Der Junge schloss seine Augen, jedoch nach wenigen Momenten wachte er wieder auf. Er wusste: Es begann die zweite Phase des Erfrierens, die hintertückischste und gefährlichste. Das Gehirn hörte auf zu kämpfen, es war so, als ob es zu ihm sagen würde:
„Alles ist gut, es gibt keinen Grund für Eile, fünf Minuten machen doch nichts aus, ein kleines Nickerchen und weiter geht’s…“
Viele Wanderer hörten auf diesen betörenden Ruf und schliefen ein, für immer. Der „kleine“ Polynesier verstand: Seine einzige Chance war das kleine Dorf in der Flusssenke. In einem halb bewusstlosen Zustand lief er weiter.