Читать книгу Tysja - Martina Meier - Страница 12
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Das Testament der Tante Trine
„Da hinterm Küchenschrank hat Amalia schon immer gern gesessen“, lachte der Rabe urplötzlich auf. „Da kann sie nämlich im Verborgenen alles mit anhören, was hier in der Küche gesprochen wird, und ist trotzdem unsichtbar. Aber das alles kannst du ja nicht wissen.“
„Nein, das kann ich nicht“, entfuhr es der kleinen Hexe, der ihr plötzlicher Wutausbruch von vorhin schon wieder leidtat. „Überhaupt habe ich nicht den leisesten Schimmer, was hier überhaupt vorgeht.“
„Nun, da kann ich dir weiterhelfen“, antwortete Gwendolin, „ich kenne die ganze Geschichte in- und auswendig.“
Und dann legte er los, ohne dass Tysja auch nur noch ein Wort sagen musste.
Erzählte von Tante Trine, die viele Jahre lang im Ausland gelebt hatte und erst kurz vor ihrem Tod nach Hexenhausen zurückgekehrt war. Berichtete von den vielen Reisen, die er, Gwendolin, gemeinsam mit der Tante unternommen hatte.
„Die Trine nämlich hat es verstanden ihr Leben zu genießen“, sprach er wehmütig. „Die hatte nichts übrig für diesen ganzen Firlefanz, für all das, was ihr hier so Familie nennt. Nur mich mochte sie stets um sich haben, wir waren wirklich gute Freunde.“
Natürlich erzählte der Rabe auch von Trines letzten Tagen.
„Sie ahnte, dass ihr nicht mehr lange Zeit bleiben würde.“ Gwendolin war bei dem Gedanken an sie den Tränen nahe. „Dann hat sie sich deiner erinnert“, sagte er zu Tysja und blickte ihr in die Augen. „Du bist ihre Großnichte. Dein Vater war der Sohn ihrer Schwester Mimi. Sie hat dich aber nur einmal gesehen, vor vielen Jahren, als du noch eine sehr sehr kleine Hexe warst.“
Und natürlich hatte sich Trine Wackerzahn auch des Hauses erinnert, das sie in der Dümpelgasse in Hexenhausen besaß.
So war sie kurz vor ihrem Ableben zu Notar Rechtsprecher gegangen, den sie noch aus ihrer Jugendzeit kannte, hatte ihm das Testament, mit dem sie ihrer Nichte das Haus vermachte, und den Raben in die Hand gedrückt, ihm kurz die Anweisung gegeben, beides Tysja auszuhändigen, und war dann, auf der Stelle und ohne weitere Ankündigung einfach tot umgefallen.
Nun hatte Notar Rechtsprecher nicht nur die leidvolle Aufgabe, die Großnichte ausfindig zu machen und ihr vom Tod der Tante zu berichten, nein, er musste auch noch dafür sorgen, dass Trine Wackerzahn auf würdevolle Weise sein Büro verlassen konnte. Denn so eine tote Hexe macht sich wirklich nicht gut in einer anständigen Rechtsanwaltskanzlei. Und die Entsorgung musste auch noch möglichst schnell vonstattengehen, denn die Tage waren warm und irgendwann einmal beginnt auch die sauberste tote Hexe an, unangenehm zu riechen.
Trine Wackerzahn fand schließlich ihre letzte Ruhestätte auf dem heimischen Friedhof, auf dem extra für die vielen in der Stadt lebenden guten Hexen ein Bereich abgeteilt worden war. Denn, so sagten die Bewohner von Hexenhausen, bei denen ginge es nicht immer ganz so mit rechten Dingen zu.
Gwendolin und der Notar hatten Trine die letzte Ehre erwiesen. Sonst war niemand zu der Beerdigung erschien. Wie auch, es wusste ja keiner, dass die alte Lady zum Sterben in die Stadt zurückgekehrt war. Aber hätten sie es gewusst, die Hexenhauser, na, das ist eine andere Geschichte ...