Читать книгу Als wir Mäxchen "Servus" sagen mussten - Martina Meier - Страница 10
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Lämmchen
Vier Schafe, eine wahrlich kleine Herde,
zu groß jedoch, um stets sich satt zu fressen
auf hinterm Haus geleg’nem Fleckchen Erde,
das meine Eltern damals noch besessen.
Die Schafe konnten oft woanders bleiben
und hielten auch bei Nachbarn kurz das Gras.
Zu helfen mit, sie wieder heimzutreiben,
an solchen Abenden ich nie vergaß.
So manches Mal war’n stur und störrisch sie
und aufs Gestreicheltwerden kaum erpicht.
Ich hatte trotzdem gern sie irgendwie.
Doch meine Lieblingstiere war’n sie nicht.
Dann kam der Tag, der in Erinn’rung blieb.
An jenem schönen Frühlingsmorgen stand
im Stall ein Lamm, das ich gewonnen lieb,
schon als mein erster Blick den seinen fand.
Die Überraschung wirklich war geglückt.
Die Eltern freuten sich. Es sie berührte,
als ich das niedliche Geschöpf gedrückt
und echte Zuneigung sogleich verspürte.
Es folgten Wochen voller neuer Wonne.
Verbracht’ die meisten meiner freien Stunden
mit dieser quicklebend’gen weichen Sonne,
die ihren Platz im Herzen rasch gefunden.
Mein kleines Schaf ich einfach Lämmchen nannte.
Wollt’ später erst ihm richt’gen Namen geben.
Wollt’ lang noch zuseh’n ihm, wie’s sprang und rannte
so übermütig durch sein Kindheitsleben.
Es war ein heller, warmer Junitag.
Ich konnte wieder mal es kaum erwarten,
bis hinter mir die Pflicht der Schule lag.
Wollt’ schon bei Lämmchen sein daheim im Garten.
Wie jeden Schultag Mutter an mich lachte,
als voller Vorfreud’ ich nach Hause kam
und mir wie immer gar nichts Böses dachte,
eh’ sie mich seufzend in die Arme nahm.
Sie sprach mit ersten Tränen im Gesicht:
„Nun musst du tapfer sein, fällt’s auch so schwer.
Warum’s gescheh’n, kann ich erklär’n dir nicht.
Es tut so leid mir. Lämmchen lebt nicht mehr.
Es lag ganz kraftlos schon am Lieblingsort,
als heute Morgen ich den Stall betrat.
Ein letztes leises Mäh als Abschiedswort,
dann es für immer zu die Augen tat.“
Ich war so traurig, konnt’ es gar nicht glauben,
dass solch ein Urteil lieber Gott gefällt,
dass uns das Schicksal einfach so durft’ rauben
mein Lämmchen, das so kurz erst auf der Welt.
Das Essen auf dem Tisch wurd’ langsam kalt.
Mein Appetit war ganz und gar verflogen.
Ich trat hinaus. Wie immer schwieg der Wald.
Darüber kleine weiße Wolken zogen.
Es wirkten Wort und Geste seltsam leer,
als Mutter, die gestellt sich hinter mich,
mir sagte: „Nimm’s doch nicht so furchtbar schwer“,
und mir die Tränen von den Wangen strich.
Ob Tiere in den Himmel kommen, fragte
ich wortlos mich. Wollt’ grad zurück ins Haus,
als mit dem Blick nach oben Mutter sagte:
„Das Wölkchen dort, das sieht wie Lämmchen aus.“
Ich sah hinauf und dacht’: „Wie lächerlich!“
War doch kein Kleinkind mehr. Ich war schon sieben.
Wie sollten Schäfchenwolken trösten mich?
Und doch ist mir im Sinn das Bild geblieben.
Als Vater abends von der Arbeit kam
und das so Traurige von uns erfuhr,
da konnt’ er nicht verbergen seinen Gram.
Er war so tierlieb wie sonst wen’ge nur.
Doch war’s an ihm nun, Lämmchen zu begraben.
Ich mochte keinesfalls es seh’n mit an.
Wollt’s stets lebendig in Erinn’rung haben,
so lieb und frech, wie’s einst mein Herz gewann.
Als es geschafft, wir drei beisammenstanden
an uns’res Lämmchens letztem Ruheort.
Allmählich wir zu inn’rem Frieden fanden.
Und Vater sprach ein leises Abschiedswort.
„Ich hoff’, es wird da droben angenommen“,
so hieß zum Ende es. Ich sagte drauf:
„Weiß nicht, ob Tiere in den Himmel kommen.
Doch an den Himmel kommen sie zuhauf.“
Empor wir blickten, sah’n im Dämmerlicht
in allen Formen viele Wolken zieh’n.
Entspannung legte sich auf sein Gesicht.
Und es benetzten Tränen seine Mien’.
Auf einmal spürten Trost wir. Und es war
zurück das Lächeln bei uns allen drei,
als wir betrachteten die Wolkenschar.
Und Lämmchen war natürlich mit dabei.
Wir standen lang noch, haben ausgedacht
uns für die vier erwachs’nen Schafe Namen,
eh’ den so schweren Tag umhüllt die Nacht.
Und wieder freudigere Tage kamen.
Wolfgang Rödig lebt in Mitterfels.