Читать книгу Seine Gnade ist bunt - Martina Plieth - Страница 42

Wortlaut der ausgeführten Predigt:

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Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wer unter einem Schirm geht, hat gut Lachen – und das bei Regen und bei Sonnenschein. Wer unter einem Schirm geht, kann sich rauswagen und unbeeinträchtigt seine Schritte tun – seien sie groß oder klein. Wer unter einem Schirm geht, ist geschützt und geborgen – ganz egal, was das Wetter macht. Das sind Erfahrungen, die uns alle verbinden. Erfahrungen unseres Alltags, die ganz selbstverständlich erscheinen, meistens so selbstverständlich, dass wir gar nicht darüber nachdenken. Aber wenn mal kein Schirm vorhanden ist und unsere aufklappbare Schutzhülle fehlt, dann merken wir schon, was wir vermissen.

Gerade noch war der Himmel blau; doch plötzlich braut sich was zusammen. Dunkle Wolken ziehen auf; und dann geht’s richtig los. Dicke Tropfen klatschen auf die Straße und auf uns. In ganz kurzer Zeit kleben die Haare in nassen Strähnen am Kopf, und es tropft feucht in den Mantelkragen. Kälte zieht überall durch. Wir fühlen uns aufgeweicht und ausgeliefert. Der nächste Schnupfen kommt bestimmt!

Aber natürlich kann auch anderes passieren: Gerade noch war es ganz schattig und angenehm kühl. Da bricht ganz plötzlich die Sonne durch und scheint uns auf die Stirn. Es wird warm und wärmer, unangenehm schwül. Die Sonne brennt; sie brennt und verbrennt unsere nackte Haut. Hitze breitet sich aus. Wir fühlen uns ausgedörrt und preisgegeben. Der Sonnenbrand oder der Sonnenstich sind nicht mehr fern.

Ja, beides kann geschehen, wenn kein Schirm vorhanden ist. Dann sind wir wirklich ausgeliefert und preisgegeben. Wir können zwar nach Ersatzlösungen suchen (zum Beispiel nach einer Plastiktüte oder nach einer Zeitung), aber das hilft nicht wirklich und wenn, dann nur für kurze Zeit.

Ohne Schirm stehen wir – so oder so – dumm da. Ohne Schirm sind wir schutzlos und in keiner guten Ausgangssituation. Wie schön, wenn dann jemand zu uns sagt: „Komm schnell unter meinen Schirm! – Du wirst ja ganz nass! – (Oder:) Du bist schon ganz rot!“ Wie schön, wenn uns dann echte Hilfe angeboten wird. Wie schön, wenn der nass-feuchten Kälte oder der brennend-heißen Sonne etwas entgegengesetzt werden kann.

Ja, liebe Gemeinde, wer unter einem Schirm geht, hat gut Lachen. Wer unter einem Schirm geht, kann sich rauswagen und unbeeinträchtigt seine Schritte tun. Wer unter einem Schirm geht, ist geschützt und geborgen.

Diese Erfahrung, die wir alle miteinander teilen, haben auch andere Menschen vor uns gemacht. Und sie war für sie so elementar wichtig, dass sie sie nicht nur auf das Wetter bezogen, sondern auf ihr ganzes Leben mit seinen vielfältigen Niederschlägen und Hitzeperioden. Ja, auch in Bezug darauf wurde immer wieder nach Schirm, Schutz und Geborgenheit gesucht – bei Menschen und bei Gott, dem Geber und Bewahrer allen Lebens. Jede freundliche Geste, jedes gute Wort eines Mitmenschen wurde als kleiner Schutzschirm erkannt, und die Gegenwart Gottes, die Gegenwart des Höchsten, kam vielen wie ein riesengroßer Schutzschirm vor. Wie ein riesengroßer Schutzschirm, der nicht nur Regen und Sonnenschein abhält, sondern auch andere Bedrohungen, denen ein Mensch ausgeliefert und preisgegeben sein kann. – Im 91. Psalm, einem wunderschönen Lied mit dem Titel »Unter Gottes Schutz« hören wir dazu mehr.

Der Psalmbeter (Vielleicht war es ja auch eine Psalmbeterin!?) singt: ‚Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der verderblichen Pest. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.’ (Ps 91,1-6)

Der Mensch, der so formuliert, weiß vermutlich, was es heißt, ohne Schirm sein zu müssen. Aber er beziehungsweise sie weiß auch, wie gut es tut, beschirmt zu werden – und das in allen Lebenslagen: Zum Beispiel dann, wenn Sterben näher rückt (wenn der Strick des Jägers sichtbar wird), wenn Krankheit quält (die verderbliche Pest, die im Finstern schleicht, und die Seuche, die am Mittag Verderben bringt), wenn eigene trübsinnige, belastende Gedanken den Nachtschlaf rauben oder böse Gedanken anderer (die wie Pfeile fliegen) am helllichten Tage (am Mittag) Schmerzen verursachen.

Ja, der Mensch, der so formuliert, weiß, was es heißt, ohne Schirm zu sein. Aber er beziehungsweise sie weiß auch, wie gut es tut, beschirmt zu werden – im Sterben, in Krankheit und in Not. Er beziehungsweise sie weiß, dass es hilft, darauf setzen zu können, begleitet zu sein, begleitet und behütet – und das nicht nur bei Wind und Wetter, sondern immer, in allen Lebenslagen, in der Nacht und am Tag.

Darum zu wissen, ist auch für uns wichtig. Denn es ist ja alles andere als leicht, damit umzugehen, dass allem Leben (und das heißt auch unserem Leben!) Grenzen gesetzt sind. Es fällt schwer, mit Beeinträchtigungen zurechtzukommen und sich darauf einzustellen, dass längst nicht alles so läuft, wie wir es uns wünschen. – Viele von Ihnen könnten das bestimmt bestätigen; und es fallen ihnen gewiss zahlreiche Beispiele für Pestilenzen und seuchenartige Krapanzen ein, die den Alltag belasten und beschweren. Aber hoffentlich können sie sich auch immer wieder daran erinnern, dass es Menschen gibt, die in Krisenzeiten helfen, und dass Gott versprochen hat, gerade dann an ihrer Seite zu sein – ganz nah und zugewandt, was immer auch geschieht – und das nicht irgendwann und irgendwo, sondern hier und jetzt, bei uns im Jacobi-Haus. Wer daran festhält, sich daran festhält, lebt nicht plötzlich in einer anderen Welt, aber vielleicht mit etwas anderer Weltsicht: Auch wenn Menschen und Gott sich nicht abwenden, sondern sich zuwenden, wird es Grenzen und Beeinträchtigungen geben. Sterben bleibt Sterben, Krankheit bleibt Krankheit, und Not bleibt Not. Und doch kann manches anders gesehen, anders erlebt und ausgehalten werden, wenn Menschen und Gott Nähe schenken. Dann wird Sterben zu »begleitetem Sterben«, Krank-Sein zu »begleitetem Krank-Sein« und In-Not-Sein zu »begleitetem In-Not-Sein«. Dann sind Sterbende, Kranke und in Not Befindliche »behütete Menschen«, die nicht im Stich gelassen werden. – Damit, das wissen wir sehr genau, wird zwar längst nicht alles plötzlich gut, aber vieles sehr viel besser. Ohne menschlichen Beistand, ohne göttlichen Schirm und Schutz führen Sterben, Krankheit und Not schnell zu unerträglichen Krisen, zu Krisen, in denen Menschen untergehen, weil sie sich völlig ausgeliefert und preisgegeben fühlen. Mit Beistand, Schirm und Schutz hingegen werden Durchhaltevermögen und Geduld gestärkt. Kräfte wachsen und Energien fließen gerade dort, wo sie dringend nötig sind. Niederschläge und Hitze im Alltag belasten etwas weniger und können deshalb eher ausgehalten werden.

Es ist wahr, liebe Gemeinde, wir alle brauchen Beistand, Schirm und Schutz. Und er ist uns zugesagt: Von Menschen, die sich um uns kümmern, und von Gott, der versprochen hat, immer bei uns zu sein – jede Nacht und jeden Tag, was auch geschieht. Wenn wir das ganz ernst nehmen und uns darauf verlassen, dann können wir vor allem auch in schwierigen Situationen (mit den Worten des 32. Psalms) sagen: ‚Du bist mein Schirm, du wirst mich vor Angst behüten, dass ich errettet gar fröhlich rühmen kann.’ (Ps 32,7) – Dass das wirklich möglich wird, wünsche ich uns allen, Ihnen und mir! Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus, dem Christus, wie ein riesengroßer Schirm. Amen.



Seine Gnade ist bunt

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