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ОглавлениеDas Herannahen der Trimestermitte bringt viel Bewegung, Unruhe und Aufregung in die Télème-Abtei. Es wird, überliefertem Brauch folgend, von mehreren Lehrern und den musikalischen unter den älteren Zöglingen unter Basilios Leitung eine Operette im Konzertstil aufgeführt, ohne Kostüme und Bühnenbilder. Außerdem werden die Mittelschüler aus eigenem ein Theaterstück in Szene setzen, ausstatten und spielen. Dekorationen, Kostüme, Kulissen, alles hausgemacht, auch die kleine Komödie selbst, es bleibt alles in der »Enklave Dorrit« beschlossen. Frau Dorrits Drama ist ein wenig heiteres, wenig kindliches Stück, es läßt sowohl vom künstlerischen wie vom erziehlichen Standpunkt aus einigen Zweifel zu, ob es für Darsteller und Zuschauer richtig gewählt ist.
In Lysanders Werkstatt, die gleichfalls in den Stallungen untergebracht ist, geht es hämmernd, sägend, klopfend, bosselnd lebhaft und geräuschvoll zu, Schwaden vielsträhniger, verknäuelter Gerüche dringen von dorther in Madeleines Stube, am nächsten und anhaltendsten der Schweißgeruch des Leims, welcher in schwarzen Eisentöpfen auf dem kleinen Gasherd in der benachbarten Küche siedet. Auf dem großen Tisch liegen Papiermachémasken und die Gipsmodelle dazu von Löwe und Jaguar, Puma, Schakal, Tiger, Panther und Hyäne, so naturgetreu, daß die kleinen Künstler, welche sie bei einer Aufführung der Juniorenschule tragen sollen, angesichts ihrer eigenen Werke von einem Gruseln erfaßt werden. Daneben gibt’s noch Kulissenteile, Entwürfe für einen Urwaldhintergrund, alles riecht nach Farbe, Firnis, Kleister, Lack und Stoffen, nach Holz und heißem Eisen, hauptsächlich aber nach Leim.
Empfindlicher noch als ihr Geruchsinn wird Madeleines Gehör von den Festvorbereitungen in Mitleidenschaft gezogen. Der Theatersaal ist nur durch einen querlaufenden Gang von der Küche getrennt, er liegt genau unterhalb des Französischen Zimmers, die Stallungen sind nicht sehr solid gebaut. Madeleine kann sowohl in ihrer Stube wie während der Unterrichtsstunden unsichtbar den Proben beiwohnen, lange vor der Aufführung bereits weiß sie alle eingänglichen Nummern auswendig, denn die Mitwirkenden singen, pfeifen, trällern, grölen Fragmente daraus, wo immer sie sich gerade aufhalten, am liebsten und ausdauerndsten in Madeleines Küche.
»Ich habe die Bücher, die Sie mir zu leihen so gütig waren, gnädige Frau«, sagt Werther, ein Berliner Flüchtling, jetzt Lehrstudent im ›Krähennest‹, »in Ihre Küche gelegt.«
»In meine Küche, Werther? Welche Übertreibung! Es ist Lysanders und Hermias Küche, Arthurs Küche, Taminos, Diegos und Benedikts Küche, vor allem aber Paulinens Küche, die vormittags gleich ihren ganzen Kindergarten herüberbringt, das gibt für den Tag aus, nachts aber kommen Taminos Gäste über den Hof herüber, Tristans Gäste die Treppe herunter, um sich die Hände zu waschen, Kaffee zu kochen, Brot zu rösten, Liedchen zu pfeifen und Dialoge zu sprechen, heut’ zum Beispiel hat es bis drei Uhr morgens hier rumort …«
»Welche Schule!«, ruft Werther, in einem Seufzer seine Teilnahme für Madeleine ausdrückend. »Was für eine Hexensuppe brodelt denn dort? Wahrlich, ein giftiger Geruch.«
»Das ist eine von Imogens Blusen, die, zu ihrer Augenfarbe abgestimmt, auf Blau umgefärbt wird, für die Theateraufführung, versteht sich.«
»Und wem gehört der Leimtopf, der entschieden noch besser riecht? Lysandern, läßt sich vermuten?«
»Ausnahmsweise ist es nicht der seinige, der hier wurde von Arthur aufgestellt, den die drohenden Festlichkeiten aus seiner Gleichgültigkeit aufgerüttelt haben, er hilft bei den Dekorationen mit.«
»Da sie Imogen zu hintergründen bestimmt sind, ist das erklärlich.«
Imogen, das schöne blauäugige Mädchen, das Arthur ein so schweres Leben bereitet, hat in Frau Dorrits kleinem Stück die Hauptrolle übernommen. Liegt darin vielleicht besondere Absicht? Wollte Frau Dorrit der holdselig dreinschauenden Imogen Gelegenheit geben, ihr zänkisches, boshaftes, an anderer Menschen Qual sich weidendes Wesen auf der Szene rückhaltslos zu offenbaren, um dergestalt den Sohn ihrer Dienstgeber von seiner Verblendung zu heilen? Oder hat die Autorin die Rolle, ohne auch nur an Arthur zu denken, jener unter ihren Schülerinnen zugeteilt, die dafür die passendsten natürlichen Gaben mitbringt? Vielleicht auch hatte sie, während sie an dem Stück schrieb, Imogen unbewußt vor Augen gehabt –, wie immer, Frau Dorrit möchte niemanden anderen in diesem Part sehen.
Auch wäre es, sollte man glauben, vom erziehlichen Standpunkt aus geraten, Imogen zu beschäftigen, abzulenken, in Atem zu halten, sie braucht es. Wären jene, in deren Obhut sie gegeben ist, bessere Seelenkenner, sie hätten längst heraus, daß Imogens Sprunghaftigkeit, ihre Reizbarkeit, ihre Launen recht bedenkliche Ursachen haben mögen; darüber indessen scheint sich im »Krähennest« niemand Sorgen zu machen. Hermione zum Beispiel, die doch aus naheliegenden Gründen an Imogen ein gewisses Interesse gefaßt haben müßte, zerbricht sich nicht den Kopf über die Herzenssachen ihrer Zöglinge. Das paarte sich lächelnd, das trennte sich tränenlos, selten nur überdauerte eine solche Vorfrühlingsneigung die Jahreszeit, in welcher sie emporgekeimt war, man konnte recht gut von Lorenzos Weihnachtsliebe, Bassanios Osterbegeisterung, von Beatricens Pfingstleidenschaft sprechen. Arthur aber, dieser Sonderling, hat seinen Geschmack seit zwei Jahren nicht geändert, er scheint sein Gefühl dauerhaft an diese blauäugige künftige Xanthippe gewendet zu haben.
Was ist nun dagegen zu tun? Sollte man Imogen loszuwerden trachten? Das wäre unklug, weil man sich mit der mächtigen Persönlichkeit, die gegenwärtig bei ihrer Mutter Gattenstelle vertritt, gut verhalten muß, auch gibt Imogen eigentlich keinen Anlaß zu solcher Maßregel, sie beträgt sich Lehrern und Pflegerinnen gegenüber durchaus manierlich; was an Groll, Ärger, Unduldsamkeit in ihr quälgeistert, läßt sie einzig an Kameraden und Kameradinnen aus, mit größter Vorliebe namentlich an Arthur. Es geschieht ihm ganz recht: Warum ist er töricht genug, es sich gefallen zu lassen? Seine Kälte würde Imogen sehr schnell umgewandelt haben. Arthur aber, gleichgültig gegenüber den meisten Lebensfragen, seinen Eltern, seiner Schwester, seinen Kollegen, vor allem aber seinem Schulfortgang, seinen Noten, seiner »Beschreibung«, seinen Prüfungsaussichten gegenüber, dehnt diese Teilnahmslosigkeit nicht auf Imogen aus. Alles, was sie betrifft, ist ihm äußerst wichtig. Imogen ist reizend, sie kann bisweilen witzig und schlagfertig sein, sie hat Ideen und Einfälle – und sie ist unglücklich. Sie ist ein losgelöstes Blatt im Wind, kein Zweig, an dem sie haftete, keine Erde, worin sie wurzelte, nirgends ist sie daheim, niemanden hat sie, der ihr wahrhaft anhinge, den es bekümmerte, wenn lmogen blaß ist – hat sie vielleicht schlecht geschlafen? – oder wenn ihre Wangen sich allzusehr röten, weil sie leicht fiebert; keinen, der in ihren Gaben Fingerzeige für einen künftigen Beruf sähe, und in ihrer Unausgeglichenheit einen Anlaß, der Ursache nachzuforschen. Imogen wird in ein paar Wochen fünfzehn: Hängt ihre Reizbarkeit nur mit ihrem schwierigen Lebensalter zusammen, ihre Bitterkeit mit ihrer Ausgesetztheit?
Arthur findet, man zeige im »Krähennest« recht wenig Mitmenschlichkeit – bränge wenig Teilnahme für Imogen auf. Die beiden Dorrits, unstreitig am nächsten befugt und verpflichtet, sich ihrer anzunehmen, sind tüchtige, rührige Lehrer, allzu tüchtig, allzu rührig, findet Arthur sogar, doch es steckt wenig Gemüt dahinter. Sie haben, auf Sozialistenart, für ihre Schüler ein Schema aufgestellt, haben sie in Schubladen verteilt und jede mit Nummer, Namen und Datum versehen, sie sind noch nicht daraufgekommen, daß Imogen in keine Schublade paßt, in keiner Rubrik, samt Querstrich, Zahlen und Buchstaben, unterzubringen ist: ein Geschöpf für sich, getrieben, weglos, führerlos – und unwillig, sich führen, sich helfen zu lassen.
Die einzige Person im »Krähennest« außer Arthur –, die sich über Imogen ein bißchen aufregt, gerade soviel nämlich, als ihr Temperament zuläßt, ist Isabella, die Oberschwester. Imogens perlmutterzarte Haut, ihr blasses Zahnfleisch, die farblose Innenseite ihrer Augenlider weisen auf Blutarmut hin. Imogen bekommt Blaudsche Pillen und Lebertran mit Orangensaft verabreicht. Die Wrrkung dieser weitverbreiteten Heilmittel auf Imogen ist ungewöhnlich und beunruhigend: Zum erstenmal seit ihrer Ankunft in der Télème-Abtei gibt Imogen ihre gesittete Haltung gegen eine Respektsperson auf, wird unhöflich, ja ausfallend, ihr seidiges blondes Haar sträubt sich knisternd, ihre Augen in feurigem Blau funkeln: fauchend, ein Katzenraubtier mit gekrümmtem Rücken, duckt sie sich, zum Ansprung bereit, vor der stillen, nun ganz fassungslosen Isabella.
Die Gewissenhafte ist ernstlich bekümmert. Ihre Verstimmtheit fällt bei einer abendlichen Zusammenkunft ihrem Freunde Tamino, dem verhinderten Löwinnenjäger, auf; befragt, gibt sie Imogen als Gegenstand ihrer Sorge an.
»Dieses Mädchen Imogen«, sagt Tamino, »interessiert mich. Es heißt, sie ist musikalisch. Ich möchte sie gern im Flötenspiel unterrichten. Was meinst du, wird ihr Vater diese Extraleistung bewilligen?«
»Das ist es doch eben: Das arme Ding hat keinen Vater …«
»Ausgerückt – oder eingerückt? Gefallen, von einer Bombe zerrissen, kriegsgefangen oder vermißt?«
»Etwas von allen diesen Möglichkeiten. Er stand als Major bei der Feldartillerie und ist seit dem Sturm auf den Monte Cassino verschollen. Jedenfalls ist er aus dem Spiel. Übrigens war er schon lang von der Mutter geschieden und hat sich, seit sie hier ist, nicht um Imogen gekümmert, wofür er Gründe zu haben scheint.«
»Und die Mutter?«
»Kleine Schauspielerin. Sie gibt in Serlios Truppe die zweite Hofdame, die dritte Schäferin, das muntere Stubenmädchen, lebt aber, nach Silberfuchscape und Perlenschnüren zu schließen, nicht von ihrer Gage und hat, wenn man auf Tratsch hört, einen einflußreichen Gönner. Also könnte sie vielleicht auch einen Zuschuß für Imogens musikalische Ausbildung erübrigen und bewilligen. Soll ich Imogen fragen, ob sie Flöte blasen mag?«
»Das werd’ ich schon selbst besorgen. Mit ein bißchen Musik wird sie leichter zu kurieren sein als mit Pillen und Lebertran.«
Wenn Tamino etwas erreichen will, vermag er sehr liebenswürdig zu sein. Imogen nimmt Unterricht im Flötenspiel, und ihre Laune bessert sich zuhörends.
»Warum gerade Flöte, ein etwas abseitiges Instrument?«, fragt Arthur mißtrauisch. »Vielleicht weil Tamino den Musikmeister macht?«
»Wahrscheinlich«, sagt Imogen, den Kopf zurückwerfend, das Kinn vorstoßend, angriffs- und abwehrbereit in schnippischem Ton, »deshalb!«
Arthur kann nun alles, was er gegen Imogen auf dem Herzen hat, sammeln, verdichten, zusammengepreßt als Zündstoff anhäufen: Er weiß auch, wen er damit in die Luft sprengen möchte.
Tamino kommt gewohnheitsmäßig verspätet zum Mittagessen, wenn alle Plätze bereits besetzt sind und niemand anderer das kleinste Fleckchen ausfindig machen könnte. Für Tamino aber hat eine seiner erwachsenen Schülerinnen immer eines in der Halle gesichert, indem sie, nach der im »Krähennest« herrschenden Sitte, Messer und Gabel gekreuzt, und den Platz gegen anstürmende Spätlinge heldisch verteidigt hat. Seit kurzem aber biegt Tamino, ohne erst die Halle zu betreten, vom Eingang aus seitlich in den großen Speisesaal ab, der, wie wir wissen, hauptsächlich der »Enklave Dorrit«, den Mittelschülern, vorbehalten ist. Er findet neuerdings den weiten lichten Raum mit seinen heiteren Wandmalereien im Geschmack des venezianischen achtzehnten Jahrhunderts erfreulicher als die düstere und zugige Halle, und er kann sich darauf verlassen, daß Imogen Messer und Gabel für ihn gekreuzt hat. Er wendet witzige Bemerkungen an den Quacksalber, die Masken und Stelzengänger auf dem Bilde rechter Hand, genau über Imogens Scheitel, und findet, es wäre eine passende Dekoration, um darin Pergoleses »Serva Padrona« aufzuführen.
Arthur, der schon seit langem die Enklave Dorrit jedem anderen Speisesaal vorzieht, erzürnt sich, da er beobachten muß, wie Imogen ihrem Lehrer im Flötenspiel Äuglein macht. Tamino, von so dankbarem Publikum angefeuert, läßt eine Spruchrakete nach der anderen aufsteigen, von allen Seiten wenden sich neugierige oder neidische Blicke dieser angeregten Tischecke zu.
– Was findet man eigentlich an Tamino? – fragt sich Arthur. Er ist von eher kleinem Wuchs, behend und zierlich, das schon, aber mit vorzeitigen Falten auf der hohen Stirn unter dem langen, dunklen, zurückgebürsteten Haar; auch auf seinen eingefallenen Wangen, zwischen Nasenflügeln und Mundwinkeln, zeigen sich scharfe Linien. Es ist ein äußerst bewegliches, ein ausdrucksvolles Gesicht, man könnte sagen, es sei nur Vorwand für ein lebhaft wechselndes Mienenspiel, das Taminos klangvolle Tenorstimme begleitet, untermalt, fugiert. Solche Übereinstimmung scheint die jungen Mädchen zu bezaubern, sie sind, insoweit sie nicht zu Tristans Bereich gehören, völlig für Tamino eingenommen, ja, um es ganz deutlich zu sagen: Sie sind ihm allesamt verfallen. Und das, obschon es hier, wo der Begriff des Privatlebens unbekannt ist und jede erotische Beziehung schnell zur allgemeinen Kenntnis gelangt, kein Geheimnis ist, wie Tamino und Isabella zueinander stehen. Indessen rechnet jede mit der Wandelbarkeit des menschlichen Herzens, und der Kurzfristigkeit, welche den meisten Liebesbeziehungen im »Krähennest« anhaftet. Tamino wird sich gewiß, denkt Arthur, aus einer kleinen Untreue mehr kein Gewissen machen, zumal Isabellens bescheidener Reiz angesichts von Imogens gefährlich strahlender Lieblichkeit zu verblassen beginnt. Die Flöte an den Lippen und Imogen im Arm, durch Feuer und Wasser eng umschlungen mit ihr schreitend – so sieht Arthur die beiden unausgesetzt vor sich, diese Vision bedrängt, bedrückt, bestürzt ihn, er kann sie nicht los-, kann ihrer nicht Herr werden, ist von ihr besessen. Man darf voraussetzen, daß Arthur den Raum, den Imogen in Taminos Existenz einnimmt, bei weitem überschätzt, nicht zu überschätzen hingegen ist der Raum, den die beiden in Arthurs Dasein einnehmen. Er beginnt den vermeintlich Begünstigten leidenschaftlich zu hassen, ebenso glühend, wie er ihn beneidet. Böse Regungen, die er niemals in sich vermutet hatte, werden in Arthur lebendig; da fällt ihm ein, daß es für ihn eine Möglichkeit gibt, Tamino von hier fortzubringen.
Er weiß recht gut, warum dieser, der seinen akademischen Grad mit Auszeichnung an der berühmtesten und ältesten Universität des Landes sich geholt hat, an einer keineswegs berühmten Schule unter bescheidenen Bedingungen und recht einfachen Verhältnissen dankbar untergeschlüpft ist, das unterrichtet, was man gerade von ihm braucht, Griechisch, sobald sich jemand findet, der’s lernen will (die meisten begnügen sich mit den Lateinstunden bei Horaz), Französisch für Anfänger, Geographie, Nachhilfe fürs Klavier, über das ein anderer ausgezeichneter Doktor rechtmäßig gebietet, Flöte schließlich, einen »abseitigen« Gegenstand, der aber um Taminos willen im »Krähennest« beliebt zu werden anfängt.
»Die Télème-Abtei?«, scherzt der rechtmäßige Musikmeister Basilio, dessen erotische Bedürfnisse außerhalb der Schule im Nachbarstädtchen gesichert sind, »kleine Nachtmusik mit obligater Flöte.«
Arthur täuscht sich folglich nicht darüber, daß ein Versuch, seine Mutter zu Taminos Entlassung zu überreden, erfolglos wäre. Tamino ist, wie Tristan, eine Anziehungskraft, genau das, was Leontes und Hermione in ihrem Stab zu besitzen und festzuhalten wünschen. Überdies gehört Miranda zu Taminos engerem Kreis, sie hat sich zwar, als Isabella aus ihrer Unscheinbarkeit in den Taminoschen Strahlenkranz geriet, enttäuscht und gekränkt von ihm abgewendet, aber er brauchte ihr nur den kleinen Finger hinzuhalten – und Miranda möchte ihm schnell ihre ganze Hand reichen, mit der Anwartschaft auf die Télème-Abtei.
Arthur muß sich also anderer, stärkerer, bösartigerer Mittel bedienen. Er weiß gut genug, daß Tamino – genau so wie Horaz, Dorrit, Lysander, Euklid und Newton; Cajus, der Polier, Pistol und Bardolph, die landwirtschaftlichen Arbeiter, Cade, der Anstreicher, und Anselmo, der Gärtner – dem Kriegsdienst nur durch den Einwand der Gewissensbedenken entgangen ist. Nun steht aber hinter Tamino weder eine mächtige politische Partei noch eine einflußreiche Religionsgenossenschaft, die ihn schützte. Ließe man das Kriegsministerium wissen, ein kerngesunder Anarchist, ein Agnostiker, der niemals in die Kirche geht, ein Mädchenheld, der seine hübsche Fratze nicht dem Feuer aussetzen – ein Musiker, der sein Ohr vor Kanonendonner und Maschinengewehrknattern schützen möchte, verberge sich in der Télème-Abtei – ah, was könnte daraus entstehen!